Simon Winder is mesmerized Germany; its cuisine, its architecture, its fairytale landscape. He is equally passionate about the region's history, its folklore, its monarchs and its changing borders. Winder describes Germany's past afresh, taking in the story from the shaggy world of the ancient forests right through to the Nazis' catastrophic rise in the 1930s, in an accessible and startlingly vivid account of a tortured but also brilliant country.
Germania is also a very personal guide to the Germany that Simon Winder loves. It is a map of the obsession that he has nurtured through many years of visiting the country. With a delightfully dry, self-deprecating wit, he explains the origins of his crazed love affair with a country which has at different times revealed the best and the worst aspects of Europe's culture. England and Germany, Winder suggests, are the mad twins of Europe, Protestant, aggressive, committed to eating some very peculiar food and with superiority complexes of a kind that have, for good and ill, reshaped the world.
Germania is a rollicking account, replete with enlightening digressions, anecdotes and memories. Often eccentric, always entertaining, Winder is an enthusiastic guide to the hidden wonders of Germany.
Germania is also a very personal guide to the Germany that Simon Winder loves. It is a map of the obsession that he has nurtured through many years of visiting the country. With a delightfully dry, self-deprecating wit, he explains the origins of his crazed love affair with a country which has at different times revealed the best and the worst aspects of Europe's culture. England and Germany, Winder suggests, are the mad twins of Europe, Protestant, aggressive, committed to eating some very peculiar food and with superiority complexes of a kind that have, for good and ill, reshaped the world.
Germania is a rollicking account, replete with enlightening digressions, anecdotes and memories. Often eccentric, always entertaining, Winder is an enthusiastic guide to the hidden wonders of Germany.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.04.2010Kartoffeln, Rüben, Würste und jede Menge Histörchen
Unerhört, ein Engländer interessiert sich für Deutschland! Ein Gespräch mit Simon Winder über sein Buch „Germany, oh Germany”
Beim Abschied an der Aufzugstür sagt Simon Winder etwas sehr Englisches: „Der Erfolg dieses Buches hat mich überrascht. Es war eigentlich gar nicht dazu gedacht, erfolgreich zu sein.” Bei allem Understatement konnte man allerdings wirklich kaum erwarten, dass ein 466 Seiten starkes Buch über deutsche Geschichte, das nicht mal ein eigenes Kapitel über das Dritte Reich enthält, sich in Großbritannien besonderer Publikumsgunst erfreuen würde. Doch „Germania” verkauft sich gut; eine deutsche Ausgabe ist soeben unter dem Titel „Germany, oh Germany” erschienen.
Im Laufe des Gesprächs mit dem Autor, einem freundlichen Mann mit weichen Zügen und randloser Brille, wird schnell deutlich, dass er aufrichtige Zuneigung zu Deutschland, dem „seltsamen Zwilling” der Briten empfindet. Er schwärmt von der „reichen, faszinierenden Historie”, von denen so wenige Briten etwas wüssten.
In einem Besprechungszimmer in der Londoner Zentrale des Verlagshauses Penguin, mit wunderbarem Blick auf die Themse, erzählt Simon Winder, wie sich sein Interesse an Deutschland entwickelte. Als Verlagsvertreter fuhr er alljährlich zur Frankfurter Buchmesse: „Ich blieb immer etwas länger als nötig, was meine Kollegen ziemlich verwirrte”, erinnert er sich. „Nach dem Mauerfall fuhr ich dann nach Dresden und Magdeburg, ich weiß gar nicht mehr genau warum. Es war eine weite Reise, denn ich lebte damals in New York.”
Winder haben die Nebenstraßen, die Mittelstädte und Provinzen Deutschlands stets mehr interessiert als die Metropolen. Er kennt Meißen und Darmstadt, Wörlitz und Schwäbisch Hall, Naumburg, Bückeburg und Quedlinburg („eine meiner allerliebsten Lieblingsstädte”) – Orte, zu denen sich britische Touristen eher selten verlaufen. Und nun hat er „Germania” verfasst, dieses Geschichtsbuch, von dem der deutsche Untertitel verkündet, es sei ein „eigensinniges” (der englische spricht lediglich von einer „personal history”). Von Tacitus und dem Germanien der „finsteren Wälder” über das von ihm mit besonderem Fleiß beackerte Mittelalter und den Dreißigjährigen Krieg schlägt er einen kühnen Bogen zur Kleinstaaterei des 18. und den Vereinigungsversuchen des 19. Jahrhunderts und schließt mit dem Ende der Weimarer Republik. Das Ergebnis ist ein assoziativer Flickenteppich aus Anekdoten über die deutschen Kaiser, Betrachtungen über die Ästhetik deutscher Parks und Wunderkammern, bewundernde Berichte über Alexander von Humboldt und eher abschätzige über Wilhelm II. „Germania” erweist sich, zumindest aus deutscher Perspektive, als wunderliche, manchmal überraschende, manchmal auch ärgerliche Lektüre.
Bemerkenswert ist, dass der studierte Historiker Winder, nach eigener Aussage in Sachen Fremdsprachenerwerb „zu nichts zu gebrauchen”, kein Deutsch spricht. Ist das kein Handicap, wenn man ein persönlich gefärbtes Buch über Deutschland schreiben möchte? Nein, meint Simon Winder: „Es existiert in dieser Hinsicht ja eine lange britische Tradition. Peter Fleming hat einige der besten Reisebücher über China geschrieben, ohne die Sprache zu beherrschen.” Man könnte auf den Gedanken kommen, dahinter stehe womöglich eine unterbewusste kolonialistische Grundhaltung. „Möglicherweise”, sagt Winder. „Britische Autoren scheinen davon auszugehen, dass sie auf diese Weise über den Rest der Welt schreiben dürfen. Eine nationale Eigenart vielleicht.” Doch er sieht seine mangelnden Deutschkenntnisse in diesem Zusammenhang eher als Vorteil: „In diesem Buch geschieht letztlich alles in meinem Kopf.” Wenn man darüber nachdenke, wie eine Stadt wohl im 16. Jahrhundert gewesen sei, setze man sich nicht mit Angela Merkels Deutschland auseinander: „Das Land, wie es heute ist, interessiert mich in diesem Zusammenhang nicht so sehr. Ich habe auf meinen Reisen natürlich mit vielen Deutschen gesprochen, aber ich konnte diese Unterhaltungen nicht in mein Buch einbauen. Es hätte den Ton zerstört.”
Tatsächlich zeugen gerade jene Passagen, in denen Winder über Erlebnisse während seiner rund zwei Dutzend Reisen durch Deutschland berichtet, davon, wie sehr der Autor außenstehender, meist verwunderter Beobachter einer Ansammlung deutscher Bizarrerien bleibt. Wenn er etwa von den „menschengroßen Spielzeughasen” berichtet, die den gesamten Esstisch eines Wörlitzer Hotels einnehmen, oder von den „lähmend langweiligen” Regionalmuseen, zu denen es ihn doch immer wieder hinzieht, oder von einem Hannoveraner Straßenmarkt, der Winder an eine „aktualisierte Version eines Gemäldes von Breughel” erinnert. Dieser Vergleich ist ein Hinweis auf den historischen Filter, durch den Simon Winder Deutschland sieht. Sein Bild ist geprägt von Lektüre, von einer gigantischen Menge an Sekundärwissen. Er bleibt, bei aller erklärten Zuneigung, immer eine Armeslänge von seinem Thema entfernt.
Die persönlichen Szenen, die diese Position bestätigen, sie in gewisser Weise aber auch mit Leben füllen, bleiben deutschen Lesern vorenthalten. Sie sind in „Germany, oh Germany” gestrichen. Eine seltsame editorische Entscheidung. Gerade in Beschreibungen wie etwa jener der deutschen Küche als „kreisende Bestie”, die von ihrem Klima angestachelt „endlose Kartoffeln, Rüben und Würste” produziere, erweist sich ja der – dem Klischee nicht abgeneigte – „Eigensinn” des Autors.
Überhaupt zeichnet sich die deutsche Übersetzung durch eine glättende Tendenz aus, die „Germany, oh Germany” weniger sperrig, aber auch öder macht als „Germania”. Zudem unterscheiden sich beide Fassungen durch kleine, aufschlussreiche Änderungen voneinander. So behauptet „Germania” von Ostpreußen: „no Germans remain there”, während in der Übertragung heißt: „Deutsche sind so gut wie keine mehr dort”. Es sei dabei, wie Winder meint, um eine „Feinabstimmung auf den deutschen Leser” gegangen: „Das gibt einfach die deutsche Wirklichkeit besser wieder. Wir sind hier weit weg von Ostpreußen, aus unserer Sicht sind keine Deutschen mehr da. Aber wenn man näher dran ist, gibt es schon noch ein paar.”
An anderer Stelle behauptet Winder, es bedürfe „überirdischer Anstrengung”, Wagners „Lohengrin” „sozusagen unhistorisch zu hören, und das Wissen aus seinem Kopf zu verbannen, dass Hitler immer dann am glücklichsten war, wenn er die ersten Takte des Vorspiels hörte”. Die deutsche Übersetzung fügt in Klammern hinzu: „Thomas Mann aber auch.” Dieser offenkundige Wille der deutschen Lektoren und Übersetzer zum verschämten Ausbalancieren ist auf Dauer verdrießlich.
Noch verdrießlicher aber ist die Art, in der Simon Winder das deutsche Nazi-Erbe in seine Betrachtungen einbindet. Der historische Abriss endet im Jahre 1933, weil angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen „Anekdoten erzählen und Herumwitzeln” unmöglich seien. Nun wäre das eine absolut legitime und respektable Haltung, würde sie nicht vom Rest des Buches untergraben. Denn die Nazis tauchen in „Germania” alle naslang auf, aber mangels eines eigenen Kapitels eben ausschließlich anekdotisch. Heinrich der Vogler wird als „deutscher Expansionspolitiker und Slawenschlächter” und „entchristlichter Schutzpatron” der Nazis eingeordnet. Kaiser Karl V. sei mit „Napoleon oder sogar Hitler” vergleichbar – „in dem Sinne, dass seine Entscheidungen und Handlungen auf ganz Europa außerordentlichen Einfluss hatten”.
Im englischen Original berichtet Winder davon, wie er sich gerade noch zurückhalten kann, ein Brettspiel von 1940 namens „Bomb England” aus einem Stadtmuseum zu klauen. Noch die fadenscheinigsten Verbindungen genügen für einen Nazi-Verweis, zum Beispiel die Erfindung des Jägermeisters im Jahre 1934. Oder die Tatsache, dass der Autor die Ästhetik von Bergen nicht besonders schätzt („Hitler mochte sie”). Das ist natürlich auch irgendwie launig gemeint, straft aber zugleich die abschließende Behauptung Lügen, das Thema entziehe sich einer humoristischen Behandlung.
Liefert Simon Winder da nicht gerade jenen frivolen Nazi-Kitzel, den der britische Leser von Berichten über deutsche Geschichte erwartet, ohne schließlich die Konsequenzen zu präsentieren? Den Vorwurf der Inkonsequenz weist Simon Winder von sich. Er sei davon ausgegangen, dass britische Leser über das Dritte Reich gut Bescheid wüssten: „Hätte ich einfach ein Kapitel über das Dritte Reich angefügt, wäre es auf jeden Fall ein Abklatsch besserer Studien gewesen. Ich wollte eben gerade sagen, dass es eine reichhaltige, komplexe deutsche Geschichte gibt, die nicht das Dritte Reich ist.” Mit der permanenten Bezugnahme auf die Nazis beschreibe er lediglich spätere Interpretationen der Geschichte: „Ich spreche über jede Epoche für sich, aber auch darüber, was daraus später gemacht wurde. Im Kontext meines Buches haben mich die Nazis nur insofern interessiert, als es die Geschichte missbrauchte, über die ich jeweils berichte. Aber über das Dritte Reich selbst und über das Nachkriegsdeutschland zu schreiben hätte das Buch völlig gesprengt.”
Letztlich, so Simon Winder, sei „Germania” eher als Kritik an Großbritannien gemeint: „Bis 1933 waren Deutschland und England mehr oder weniger Varianten des jeweils anderen Landes. Der britische Leser sollte sich fragen: Warum interessiere ich mich eigentlich nur für Kultur, wenn im betreffenden Land dauernd die Sonne scheint? Wenn sie sich wirklich für Kultur interessieren würden, dann würden sie genauso oft ins Schwäbische reisen wie in die Toskana.”
Und wie sieht es mit seinem eigenen Interesse an dem Teil der deutschen Geschichte aus, die er bisher nicht explizit abgedeckt hat? Im Moment schreibe er erst einmal ein Buch über das Haus Habsburg, sagt Simon Winder. Danach sei es jedoch „gut möglich”, dass er sich der Zeit ab 1933 zuwende: „Es wäre interessant, aber es wäre ein völlig anderes Buch. Die Geschichte ist da noch frisch, ohne Schichten.” Dafür, fügt er nach einer kurzen Pause hinzu, „dafür müsste ich aber wohl wirklich Deutsch lernen”. ALEXANDER MENDEN
SIMON WINDER: Germany, oh Germany – Ein eigensinniges Geschichtsbuch. Rowohlt, Berlin, 2010. Aus dem Englischen übersetzt von Stefanie Jacobs. 448 Seiten, 19,95 Euro.
SIMON WINDER: Germania – A Personal History of Germans Ancient and Modern. Picador, London, 2010. 466 Seiten, 18,99 Pfund.
„In diesem Buch geschieht letztlich alles in meinem Kopf.”
Es gibt eine reiche Geschichte, die nicht das Dritte Reich ist.
Man müsste so oft ins Schwäbische reisen wie in die Toskana.
In die deutsche Provinz, etwa nach Meißen (Foto oben), verirrt sich sonst kaum je ein Engländer. Aber gerade die Mittelstädte, die Nebenstraßen, das provinzielle Deutschland haben es dem Cheflektor des Penguin Verlags, dem 1963 in London geborenen Simon Winder (unten), angetan. Fotos: Caro/Muhs, Justine Stoddart
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Unerhört, ein Engländer interessiert sich für Deutschland! Ein Gespräch mit Simon Winder über sein Buch „Germany, oh Germany”
Beim Abschied an der Aufzugstür sagt Simon Winder etwas sehr Englisches: „Der Erfolg dieses Buches hat mich überrascht. Es war eigentlich gar nicht dazu gedacht, erfolgreich zu sein.” Bei allem Understatement konnte man allerdings wirklich kaum erwarten, dass ein 466 Seiten starkes Buch über deutsche Geschichte, das nicht mal ein eigenes Kapitel über das Dritte Reich enthält, sich in Großbritannien besonderer Publikumsgunst erfreuen würde. Doch „Germania” verkauft sich gut; eine deutsche Ausgabe ist soeben unter dem Titel „Germany, oh Germany” erschienen.
Im Laufe des Gesprächs mit dem Autor, einem freundlichen Mann mit weichen Zügen und randloser Brille, wird schnell deutlich, dass er aufrichtige Zuneigung zu Deutschland, dem „seltsamen Zwilling” der Briten empfindet. Er schwärmt von der „reichen, faszinierenden Historie”, von denen so wenige Briten etwas wüssten.
In einem Besprechungszimmer in der Londoner Zentrale des Verlagshauses Penguin, mit wunderbarem Blick auf die Themse, erzählt Simon Winder, wie sich sein Interesse an Deutschland entwickelte. Als Verlagsvertreter fuhr er alljährlich zur Frankfurter Buchmesse: „Ich blieb immer etwas länger als nötig, was meine Kollegen ziemlich verwirrte”, erinnert er sich. „Nach dem Mauerfall fuhr ich dann nach Dresden und Magdeburg, ich weiß gar nicht mehr genau warum. Es war eine weite Reise, denn ich lebte damals in New York.”
Winder haben die Nebenstraßen, die Mittelstädte und Provinzen Deutschlands stets mehr interessiert als die Metropolen. Er kennt Meißen und Darmstadt, Wörlitz und Schwäbisch Hall, Naumburg, Bückeburg und Quedlinburg („eine meiner allerliebsten Lieblingsstädte”) – Orte, zu denen sich britische Touristen eher selten verlaufen. Und nun hat er „Germania” verfasst, dieses Geschichtsbuch, von dem der deutsche Untertitel verkündet, es sei ein „eigensinniges” (der englische spricht lediglich von einer „personal history”). Von Tacitus und dem Germanien der „finsteren Wälder” über das von ihm mit besonderem Fleiß beackerte Mittelalter und den Dreißigjährigen Krieg schlägt er einen kühnen Bogen zur Kleinstaaterei des 18. und den Vereinigungsversuchen des 19. Jahrhunderts und schließt mit dem Ende der Weimarer Republik. Das Ergebnis ist ein assoziativer Flickenteppich aus Anekdoten über die deutschen Kaiser, Betrachtungen über die Ästhetik deutscher Parks und Wunderkammern, bewundernde Berichte über Alexander von Humboldt und eher abschätzige über Wilhelm II. „Germania” erweist sich, zumindest aus deutscher Perspektive, als wunderliche, manchmal überraschende, manchmal auch ärgerliche Lektüre.
Bemerkenswert ist, dass der studierte Historiker Winder, nach eigener Aussage in Sachen Fremdsprachenerwerb „zu nichts zu gebrauchen”, kein Deutsch spricht. Ist das kein Handicap, wenn man ein persönlich gefärbtes Buch über Deutschland schreiben möchte? Nein, meint Simon Winder: „Es existiert in dieser Hinsicht ja eine lange britische Tradition. Peter Fleming hat einige der besten Reisebücher über China geschrieben, ohne die Sprache zu beherrschen.” Man könnte auf den Gedanken kommen, dahinter stehe womöglich eine unterbewusste kolonialistische Grundhaltung. „Möglicherweise”, sagt Winder. „Britische Autoren scheinen davon auszugehen, dass sie auf diese Weise über den Rest der Welt schreiben dürfen. Eine nationale Eigenart vielleicht.” Doch er sieht seine mangelnden Deutschkenntnisse in diesem Zusammenhang eher als Vorteil: „In diesem Buch geschieht letztlich alles in meinem Kopf.” Wenn man darüber nachdenke, wie eine Stadt wohl im 16. Jahrhundert gewesen sei, setze man sich nicht mit Angela Merkels Deutschland auseinander: „Das Land, wie es heute ist, interessiert mich in diesem Zusammenhang nicht so sehr. Ich habe auf meinen Reisen natürlich mit vielen Deutschen gesprochen, aber ich konnte diese Unterhaltungen nicht in mein Buch einbauen. Es hätte den Ton zerstört.”
Tatsächlich zeugen gerade jene Passagen, in denen Winder über Erlebnisse während seiner rund zwei Dutzend Reisen durch Deutschland berichtet, davon, wie sehr der Autor außenstehender, meist verwunderter Beobachter einer Ansammlung deutscher Bizarrerien bleibt. Wenn er etwa von den „menschengroßen Spielzeughasen” berichtet, die den gesamten Esstisch eines Wörlitzer Hotels einnehmen, oder von den „lähmend langweiligen” Regionalmuseen, zu denen es ihn doch immer wieder hinzieht, oder von einem Hannoveraner Straßenmarkt, der Winder an eine „aktualisierte Version eines Gemäldes von Breughel” erinnert. Dieser Vergleich ist ein Hinweis auf den historischen Filter, durch den Simon Winder Deutschland sieht. Sein Bild ist geprägt von Lektüre, von einer gigantischen Menge an Sekundärwissen. Er bleibt, bei aller erklärten Zuneigung, immer eine Armeslänge von seinem Thema entfernt.
Die persönlichen Szenen, die diese Position bestätigen, sie in gewisser Weise aber auch mit Leben füllen, bleiben deutschen Lesern vorenthalten. Sie sind in „Germany, oh Germany” gestrichen. Eine seltsame editorische Entscheidung. Gerade in Beschreibungen wie etwa jener der deutschen Küche als „kreisende Bestie”, die von ihrem Klima angestachelt „endlose Kartoffeln, Rüben und Würste” produziere, erweist sich ja der – dem Klischee nicht abgeneigte – „Eigensinn” des Autors.
Überhaupt zeichnet sich die deutsche Übersetzung durch eine glättende Tendenz aus, die „Germany, oh Germany” weniger sperrig, aber auch öder macht als „Germania”. Zudem unterscheiden sich beide Fassungen durch kleine, aufschlussreiche Änderungen voneinander. So behauptet „Germania” von Ostpreußen: „no Germans remain there”, während in der Übertragung heißt: „Deutsche sind so gut wie keine mehr dort”. Es sei dabei, wie Winder meint, um eine „Feinabstimmung auf den deutschen Leser” gegangen: „Das gibt einfach die deutsche Wirklichkeit besser wieder. Wir sind hier weit weg von Ostpreußen, aus unserer Sicht sind keine Deutschen mehr da. Aber wenn man näher dran ist, gibt es schon noch ein paar.”
An anderer Stelle behauptet Winder, es bedürfe „überirdischer Anstrengung”, Wagners „Lohengrin” „sozusagen unhistorisch zu hören, und das Wissen aus seinem Kopf zu verbannen, dass Hitler immer dann am glücklichsten war, wenn er die ersten Takte des Vorspiels hörte”. Die deutsche Übersetzung fügt in Klammern hinzu: „Thomas Mann aber auch.” Dieser offenkundige Wille der deutschen Lektoren und Übersetzer zum verschämten Ausbalancieren ist auf Dauer verdrießlich.
Noch verdrießlicher aber ist die Art, in der Simon Winder das deutsche Nazi-Erbe in seine Betrachtungen einbindet. Der historische Abriss endet im Jahre 1933, weil angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen „Anekdoten erzählen und Herumwitzeln” unmöglich seien. Nun wäre das eine absolut legitime und respektable Haltung, würde sie nicht vom Rest des Buches untergraben. Denn die Nazis tauchen in „Germania” alle naslang auf, aber mangels eines eigenen Kapitels eben ausschließlich anekdotisch. Heinrich der Vogler wird als „deutscher Expansionspolitiker und Slawenschlächter” und „entchristlichter Schutzpatron” der Nazis eingeordnet. Kaiser Karl V. sei mit „Napoleon oder sogar Hitler” vergleichbar – „in dem Sinne, dass seine Entscheidungen und Handlungen auf ganz Europa außerordentlichen Einfluss hatten”.
Im englischen Original berichtet Winder davon, wie er sich gerade noch zurückhalten kann, ein Brettspiel von 1940 namens „Bomb England” aus einem Stadtmuseum zu klauen. Noch die fadenscheinigsten Verbindungen genügen für einen Nazi-Verweis, zum Beispiel die Erfindung des Jägermeisters im Jahre 1934. Oder die Tatsache, dass der Autor die Ästhetik von Bergen nicht besonders schätzt („Hitler mochte sie”). Das ist natürlich auch irgendwie launig gemeint, straft aber zugleich die abschließende Behauptung Lügen, das Thema entziehe sich einer humoristischen Behandlung.
Liefert Simon Winder da nicht gerade jenen frivolen Nazi-Kitzel, den der britische Leser von Berichten über deutsche Geschichte erwartet, ohne schließlich die Konsequenzen zu präsentieren? Den Vorwurf der Inkonsequenz weist Simon Winder von sich. Er sei davon ausgegangen, dass britische Leser über das Dritte Reich gut Bescheid wüssten: „Hätte ich einfach ein Kapitel über das Dritte Reich angefügt, wäre es auf jeden Fall ein Abklatsch besserer Studien gewesen. Ich wollte eben gerade sagen, dass es eine reichhaltige, komplexe deutsche Geschichte gibt, die nicht das Dritte Reich ist.” Mit der permanenten Bezugnahme auf die Nazis beschreibe er lediglich spätere Interpretationen der Geschichte: „Ich spreche über jede Epoche für sich, aber auch darüber, was daraus später gemacht wurde. Im Kontext meines Buches haben mich die Nazis nur insofern interessiert, als es die Geschichte missbrauchte, über die ich jeweils berichte. Aber über das Dritte Reich selbst und über das Nachkriegsdeutschland zu schreiben hätte das Buch völlig gesprengt.”
Letztlich, so Simon Winder, sei „Germania” eher als Kritik an Großbritannien gemeint: „Bis 1933 waren Deutschland und England mehr oder weniger Varianten des jeweils anderen Landes. Der britische Leser sollte sich fragen: Warum interessiere ich mich eigentlich nur für Kultur, wenn im betreffenden Land dauernd die Sonne scheint? Wenn sie sich wirklich für Kultur interessieren würden, dann würden sie genauso oft ins Schwäbische reisen wie in die Toskana.”
Und wie sieht es mit seinem eigenen Interesse an dem Teil der deutschen Geschichte aus, die er bisher nicht explizit abgedeckt hat? Im Moment schreibe er erst einmal ein Buch über das Haus Habsburg, sagt Simon Winder. Danach sei es jedoch „gut möglich”, dass er sich der Zeit ab 1933 zuwende: „Es wäre interessant, aber es wäre ein völlig anderes Buch. Die Geschichte ist da noch frisch, ohne Schichten.” Dafür, fügt er nach einer kurzen Pause hinzu, „dafür müsste ich aber wohl wirklich Deutsch lernen”. ALEXANDER MENDEN
SIMON WINDER: Germany, oh Germany – Ein eigensinniges Geschichtsbuch. Rowohlt, Berlin, 2010. Aus dem Englischen übersetzt von Stefanie Jacobs. 448 Seiten, 19,95 Euro.
SIMON WINDER: Germania – A Personal History of Germans Ancient and Modern. Picador, London, 2010. 466 Seiten, 18,99 Pfund.
„In diesem Buch geschieht letztlich alles in meinem Kopf.”
Es gibt eine reiche Geschichte, die nicht das Dritte Reich ist.
Man müsste so oft ins Schwäbische reisen wie in die Toskana.
In die deutsche Provinz, etwa nach Meißen (Foto oben), verirrt sich sonst kaum je ein Engländer. Aber gerade die Mittelstädte, die Nebenstraßen, das provinzielle Deutschland haben es dem Cheflektor des Penguin Verlags, dem 1963 in London geborenen Simon Winder (unten), angetan. Fotos: Caro/Muhs, Justine Stoddart
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2010Germania revisited
Es gab Zeiten, da war Deutschland für die Angelsachsen ein Wundertraumland voller Burgen, Wälder, Dichter, Denker, Komponisten und Opernhäuser. Hitler hat in zwölf Jahren enormen Imageschaden angerichtet, aber die Zuneigung nicht ganz abtöten können. Jetzt outet sich mit Simon Winder, dem Cheflektor des Londoner Penguin-Verlags, ein Deutschlandliebhaber. Das Bild unseres Landes in Großbritannien umzudrehen wird ihm nicht gelingen, aber dessen Sympathiekonto aufzustocken schon. Der Autor ist von Berufs wegen mit Historikern vertraut, und deren Zugriff schlägt auch bei ihm durch. So taucht er, mit den Germanen beginnend, im Teutoburger Wald tief in die deutsche Gesichte ein. Aussteigen tut er regelmäßig mit den Nationalsozialisten, was auf Dauer obsessiv wirkt. Die Erzählposition des liebenden Laien, der lediglich ein paar deutsche Wendungen beherrscht, birgt immer Gefahren. Das hindert Winder indes nicht, seine Leser unverkrampft durch das kleinstaatlich geprägte Terrain, durch Dome, Museen und Wirtshäuser zu scheuchen. So sinniert er über die Spezialeffekte der Brüder Asam in deren Münchner Kirchenmeisterwerk, denkt über Treitschkes Abneigung gegen sich aufplusternde Zwergstaaten im hohenlohischen Schloss Weikersheim nach und meditiert über Mendels Büste in Schwäbisch Gmünd. Deutschland sei, ethnisch gesehen, ein "regelrechtes Fundbüro": Winder neigt neben seinem Faible für Skurriles zu einer adjektivseligen Flapsigkeit - und zum Geschichtszapping, was gelegentlich ein wenig aufgesetzt wirkt. Dennoch ein Buch, das deutschen Lesern mit der Nachbarschaftsbrille Sehhilfe aufs eigene Land bietet. (Simon Winder: "Germany, oh Germany". Ein eigensinniges Geschichtsbuch. Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010. 463 S., geb., 19,95 [Euro].)
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Es gab Zeiten, da war Deutschland für die Angelsachsen ein Wundertraumland voller Burgen, Wälder, Dichter, Denker, Komponisten und Opernhäuser. Hitler hat in zwölf Jahren enormen Imageschaden angerichtet, aber die Zuneigung nicht ganz abtöten können. Jetzt outet sich mit Simon Winder, dem Cheflektor des Londoner Penguin-Verlags, ein Deutschlandliebhaber. Das Bild unseres Landes in Großbritannien umzudrehen wird ihm nicht gelingen, aber dessen Sympathiekonto aufzustocken schon. Der Autor ist von Berufs wegen mit Historikern vertraut, und deren Zugriff schlägt auch bei ihm durch. So taucht er, mit den Germanen beginnend, im Teutoburger Wald tief in die deutsche Gesichte ein. Aussteigen tut er regelmäßig mit den Nationalsozialisten, was auf Dauer obsessiv wirkt. Die Erzählposition des liebenden Laien, der lediglich ein paar deutsche Wendungen beherrscht, birgt immer Gefahren. Das hindert Winder indes nicht, seine Leser unverkrampft durch das kleinstaatlich geprägte Terrain, durch Dome, Museen und Wirtshäuser zu scheuchen. So sinniert er über die Spezialeffekte der Brüder Asam in deren Münchner Kirchenmeisterwerk, denkt über Treitschkes Abneigung gegen sich aufplusternde Zwergstaaten im hohenlohischen Schloss Weikersheim nach und meditiert über Mendels Büste in Schwäbisch Gmünd. Deutschland sei, ethnisch gesehen, ein "regelrechtes Fundbüro": Winder neigt neben seinem Faible für Skurriles zu einer adjektivseligen Flapsigkeit - und zum Geschichtszapping, was gelegentlich ein wenig aufgesetzt wirkt. Dennoch ein Buch, das deutschen Lesern mit der Nachbarschaftsbrille Sehhilfe aufs eigene Land bietet. (Simon Winder: "Germany, oh Germany". Ein eigensinniges Geschichtsbuch. Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010. 463 S., geb., 19,95 [Euro].)
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