Ida hat nichts bei sich außer dem alten, verschrammten Hartschalenkoffer ihrer Mutter, ein paar Lieblingsklamotten und ihrem MacBook, als sie ihr Zuhause verlässt. Es ist wahrscheinlich ein Abschied für immer von der Kleinstadt, in der sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hat. Im Abschiednehmen ist Ida richtig schlecht; sie hat es vor zwei Monaten nicht einmal auf die Beerdigung ihrer Mutter geschafft. Am Bahnhof sucht sie sich den Zug aus, der am weitesten wegfährt - auf keinen Fall will sie zu ihrer Schwester Tilda nach Hamburg -, und landet auf Rügen. Ohne Plan, nur mit einem großen Klumpen aus Wut, Trauer und Schuld im Bauch, streift sie über die Ostseeinsel. Und trifft schließlich auf Knut, den örtlichen Kneipenbesitzer, und seine Frau Marianne, die Ida kurzerhand bei sich aufnehmen. Zu dritt frühstücken sie jeden Morgen Aufbackbrötchen, den Tag verbringt Ida dann mit Marianne, sie walken gemeinsam durch den Wald oder spielen Skip-Bo, abends arbeitet Ida mit Knut in der»Robbe«. Und sie lernt Leif kennen, der ähnlich versehrt ist wie sie. Auf einmal ist alles ein bisschen leichter, erträglicher in Idas Leben. Bis ihre Welt kurz darauf wieder aus den Angeln gehoben wird.
Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Rezensentin Marie-Luise Goldmann möchte Caroline Wahls zweiten Roman offenbar lieber nicht rezensieren, aber weshalb auch "Windstärke 17" schon wieder ein Mega-Erfolg ist, will die Kritikerin schon wissen. Zehn Gründe nennt sie uns: Wir erfahren, dass Wahl selbstbewusst und sehr emotional ist, und wie ihre Heldinnen Schwimmen und Bad Boys liebt. Und sonst? Wahl verzichtet in ihren Romanen auf Identitätspolitik, schreibt als Tochter aus gutem Hause über das "prekäre Unterschichtenmilieu", lässt uns Goldmann wissen - und notiert Alltäglichkeiten wie Essen, Kochen und Einkaufen mit der Genauigkeit von Knausgard. Digitale Medien kriegt Wahl auch gut literarisch umgesetzt - und dann packt sie Themen wie Tod, Alkoholismus und Krebs auch noch so humorvoll, mitunter plüschig an, dass man die Autorin einfach mögen muss, glaubt Goldmann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2024Das Meer, dein Freund und Feind
Caroline Wahls Debüt "22 Bahnen" stand monatelang auf der Bestsellerliste. Jetzt erscheint ihr nächster Roman: "Windstärke 17". Auch dieses Mal ist ihr Erfolgsrezept Wohlfühlprosa.
Es heißt, der zweite Roman sei schwieriger als der erste, doch bei der jungen Autorin Caroline Wahl hat man nicht den Eindruck, die Angst, an den vorherigen Erfolg nicht anknüpfen zu können, habe ihr den Mut geraubt. Vielmehr fragt man sich, wann sie zwischen all den Lesungen, Interviews und Preisverleihungen eigentlich "Windstärke 17", die Fortsetzung ihres Bestsellers und klassischen Coming-of-Age-Romans "22 Bahnen", geschrieben hat. Jedenfalls ist das neue Buch mit dem ganz eigenen Wahl-Sound nun erschienen, und man darf vermuten, dass "Windstärke 17" ebenfalls ein Bestseller wird.
Tilda und Ida, die Protagonistinnen aus Wahls Debüt "22 Bahnen", sind älter geworden, die alkoholkranke Mutter, vor deren Zugriffen Tilda, mittlerweile Mutter von fünfjährigen Zwillingen, ihre kleine Schwester Ida stets beschützt hat, ist tot, die Wohnung in der Fröhlichstraße gekündigt. Ida, niedergedrückt vom Tod der Mutter - Überdosis -, macht sich schreckliche Vorwürfe: "Ich habe Mama sterben lassen." Eine junge Frau, die den Halt zu verlieren droht, aber natürlich nicht ganz und gar abstürzt, schließlich haben wir es hier mit einem Roman von Caroline Wahl zu tun, die ihrem Publikum genau das gibt, wonach es sich in der Zeit der Polykrise zu sehnen scheint: viele kleine Happy Endings.
Doch zuerst muss die Heldin Ida die in ihr wütenden dunklen Mächte besiegen. Sie fährt nach Stralsund, stürzt sich in die Wellen der Ostsee, findet es "krass schön", im Meer zu schwimmen, liegt erst im Sand und dann in einem Mehrbettzimmer eines Hostels. Dort ist es naturgemäß wenig heimelig, dabei ist Gemütlichkeit das, was Ida und ihre geschundene Seele jetzt dringend brauchen, und da trifft es sich gut, dass sie nicht nur einen Nebenjob als Kellnerin in der "Robbe" ergattert, sondern gleich auch noch bei deren Besitzer Knut und seiner Frau Marianne einziehen darf. Ein kuscheliger Nicki-Anzug der längst ausgezogenen Tochter Mandy liegt schon auf dem Bett für sie bereit. Wir sind jetzt auf Seite 51, und selbst dem größten Pessimisten dürfte klar sein: Alles wird gut!
Caroline Wahl ist eine talentierte Beobachterin, die ein Gespür für knappe, pointierte Szenen hat. Im Zug nach Stralsund sitzt Ida eine pädagogisch motivierte Mutter mit ihrer Tochter gegenüber. Das Kind darf aus verschiedenen Programmpunkten - unter anderem aus dem Fenster schauen und Benjamin Blümchen gucken - wählen. Wahl schreibt: "Die Mutter packt ein Buch aus. Eins von dieser Insel-Reihe, Little People, BIG DREAMS, Frida Kahlo. Damit die Kinder früh lernen, BIG DREAMS zu entwickeln, und entweder kleine Einsteins, Lindgrens oder Kahlos werden. So ein Scheiß, denke ich. Lia und ich schauen auf den Tisch, der voller Programmpunkte ist. Ich packe meine Programmpunkte auch aus: mein Smartphone, das Überraschungsei und die Billy-Tiger-Maisstangen, die mich irgendwie gar nicht mehr ansprechen."
Auf der Insel lernt Ida einen jungen Mann kennen, Leif, der ebenfalls um sein seelisches Gleichgewicht ringt. Beim Googeln findet Ida heraus, dass der spektakulär gute Windsurfer mit dem "entwaffnenden" Lächeln ein sehr erfolgreicher Techno-DJ ist, dessen Karriere jedoch aus gesundheitlichen Gründen pausiert, wobei man nicht erfährt, woher genau sein Leiden rührt. Auf Instagram folgen Leif bereits knapp 30.000 Fans, obwohl er noch gar nichts gepostet hat.
Ida verliebt sich, aber Leif ist ein flüchtiges Wesen, er kommt und geht und kommt. Die Ängste vor einem gebrochenen Herzen sind groß (will er sie so sehr, wie sie ihn will?). Anders als im Vorgängerroman schrammt Caroline Wahl bisweilen haarscharf am Rosamunde- Pilcher-Kitsch vorbei, doch ihre Figuren sind glücklicherweise zu cool, um zu Zuckergussabdrücken zu werden. Einmal, die olympiaverdächtige Schwimmerin Ida hat Leif aus den Wellen gerettet, heißt es: "Als ich Sand unter meinen Füßen spüre, ist das einer der besten Momente meines Lebens. Wir haben es geschafft. Zusammen können wir alles schaffen, denke ich kurz, während wir uns in den Sand fallen lassen, und ich lache hustend auf über diesen dummen Satz, den ich aber zu 100 Prozent so meine." Ein anderes Mal würde sie gerne Leifs Handgelenk mit Handschellen für immer an ihres fesseln. Nun ja.
Als versöhnlich erweisen sich die Dialoge, gewissermaßen das Herzstück des Caroline-Wahl-Sounds. Zum Beispiel, als Leif Ida bei Marianne und Knut besucht. "Leif: Was schreibst du gerade? Ich: Hab gestern was Neues angefangen, kann ich noch nicht so genau sagen. Leif: Einen Roman? Ich: Hoffentlich. Ich: Warum sind deine Gigs abgesagt? Leif: Aus gesundheitlichen Gründen. Leif: Eine Liebesgeschichte? Ich: Keine Liebesgeschichte." Diese stakkatohaft hingeworfenen Fragen und Antworten sind wie ein kleines Spiel zwischen den Figuren.
Ebenso gehören die Momente, in denen das Meer Raum beansprucht, zu den besten Szenen. Das Meer ist bei Wahl stets Ort der Herausforderung, es liegt nie flach und einladend da, sondern ist zumeist rau und aufgepeitscht. In diesem Meer, das Freund und Feind zugleich ist, versucht Ida ihrem Schmerz davonzukraulen. Man spürt die Verbundenheit der Autorin mit der See, Wahl selbst lebt inzwischen in Rostock jenes Schriftstellerinnenleben, von dem sie geträumt hat. Ein Etappen-Happy-Ending, auch in ihrem Leben.
Wer je bei einer ihrer Lesungen war, der weiß, dass ihr Sound, von dem man meinen könnte, er spräche vor allem ein junges Publikum an, auch ältere Herrschaften geradezu verzaubert. Das ist vielleicht das Faszinierendste an Wahls Wohlfühlprosa: dass sie einen generationenübergreifenden Ton für ihre Geschichten gefunden hat, in den sich all jene wohlig einhüllen können, die literarisch Irritierendes nicht aushalten. MELANIE MÜHL
Caroline Wahl:
"Windstärke 17". Roman.
DuMont Verlag,
Köln 2024.
256 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Caroline Wahls Debüt "22 Bahnen" stand monatelang auf der Bestsellerliste. Jetzt erscheint ihr nächster Roman: "Windstärke 17". Auch dieses Mal ist ihr Erfolgsrezept Wohlfühlprosa.
Es heißt, der zweite Roman sei schwieriger als der erste, doch bei der jungen Autorin Caroline Wahl hat man nicht den Eindruck, die Angst, an den vorherigen Erfolg nicht anknüpfen zu können, habe ihr den Mut geraubt. Vielmehr fragt man sich, wann sie zwischen all den Lesungen, Interviews und Preisverleihungen eigentlich "Windstärke 17", die Fortsetzung ihres Bestsellers und klassischen Coming-of-Age-Romans "22 Bahnen", geschrieben hat. Jedenfalls ist das neue Buch mit dem ganz eigenen Wahl-Sound nun erschienen, und man darf vermuten, dass "Windstärke 17" ebenfalls ein Bestseller wird.
Tilda und Ida, die Protagonistinnen aus Wahls Debüt "22 Bahnen", sind älter geworden, die alkoholkranke Mutter, vor deren Zugriffen Tilda, mittlerweile Mutter von fünfjährigen Zwillingen, ihre kleine Schwester Ida stets beschützt hat, ist tot, die Wohnung in der Fröhlichstraße gekündigt. Ida, niedergedrückt vom Tod der Mutter - Überdosis -, macht sich schreckliche Vorwürfe: "Ich habe Mama sterben lassen." Eine junge Frau, die den Halt zu verlieren droht, aber natürlich nicht ganz und gar abstürzt, schließlich haben wir es hier mit einem Roman von Caroline Wahl zu tun, die ihrem Publikum genau das gibt, wonach es sich in der Zeit der Polykrise zu sehnen scheint: viele kleine Happy Endings.
Doch zuerst muss die Heldin Ida die in ihr wütenden dunklen Mächte besiegen. Sie fährt nach Stralsund, stürzt sich in die Wellen der Ostsee, findet es "krass schön", im Meer zu schwimmen, liegt erst im Sand und dann in einem Mehrbettzimmer eines Hostels. Dort ist es naturgemäß wenig heimelig, dabei ist Gemütlichkeit das, was Ida und ihre geschundene Seele jetzt dringend brauchen, und da trifft es sich gut, dass sie nicht nur einen Nebenjob als Kellnerin in der "Robbe" ergattert, sondern gleich auch noch bei deren Besitzer Knut und seiner Frau Marianne einziehen darf. Ein kuscheliger Nicki-Anzug der längst ausgezogenen Tochter Mandy liegt schon auf dem Bett für sie bereit. Wir sind jetzt auf Seite 51, und selbst dem größten Pessimisten dürfte klar sein: Alles wird gut!
Caroline Wahl ist eine talentierte Beobachterin, die ein Gespür für knappe, pointierte Szenen hat. Im Zug nach Stralsund sitzt Ida eine pädagogisch motivierte Mutter mit ihrer Tochter gegenüber. Das Kind darf aus verschiedenen Programmpunkten - unter anderem aus dem Fenster schauen und Benjamin Blümchen gucken - wählen. Wahl schreibt: "Die Mutter packt ein Buch aus. Eins von dieser Insel-Reihe, Little People, BIG DREAMS, Frida Kahlo. Damit die Kinder früh lernen, BIG DREAMS zu entwickeln, und entweder kleine Einsteins, Lindgrens oder Kahlos werden. So ein Scheiß, denke ich. Lia und ich schauen auf den Tisch, der voller Programmpunkte ist. Ich packe meine Programmpunkte auch aus: mein Smartphone, das Überraschungsei und die Billy-Tiger-Maisstangen, die mich irgendwie gar nicht mehr ansprechen."
Auf der Insel lernt Ida einen jungen Mann kennen, Leif, der ebenfalls um sein seelisches Gleichgewicht ringt. Beim Googeln findet Ida heraus, dass der spektakulär gute Windsurfer mit dem "entwaffnenden" Lächeln ein sehr erfolgreicher Techno-DJ ist, dessen Karriere jedoch aus gesundheitlichen Gründen pausiert, wobei man nicht erfährt, woher genau sein Leiden rührt. Auf Instagram folgen Leif bereits knapp 30.000 Fans, obwohl er noch gar nichts gepostet hat.
Ida verliebt sich, aber Leif ist ein flüchtiges Wesen, er kommt und geht und kommt. Die Ängste vor einem gebrochenen Herzen sind groß (will er sie so sehr, wie sie ihn will?). Anders als im Vorgängerroman schrammt Caroline Wahl bisweilen haarscharf am Rosamunde- Pilcher-Kitsch vorbei, doch ihre Figuren sind glücklicherweise zu cool, um zu Zuckergussabdrücken zu werden. Einmal, die olympiaverdächtige Schwimmerin Ida hat Leif aus den Wellen gerettet, heißt es: "Als ich Sand unter meinen Füßen spüre, ist das einer der besten Momente meines Lebens. Wir haben es geschafft. Zusammen können wir alles schaffen, denke ich kurz, während wir uns in den Sand fallen lassen, und ich lache hustend auf über diesen dummen Satz, den ich aber zu 100 Prozent so meine." Ein anderes Mal würde sie gerne Leifs Handgelenk mit Handschellen für immer an ihres fesseln. Nun ja.
Als versöhnlich erweisen sich die Dialoge, gewissermaßen das Herzstück des Caroline-Wahl-Sounds. Zum Beispiel, als Leif Ida bei Marianne und Knut besucht. "Leif: Was schreibst du gerade? Ich: Hab gestern was Neues angefangen, kann ich noch nicht so genau sagen. Leif: Einen Roman? Ich: Hoffentlich. Ich: Warum sind deine Gigs abgesagt? Leif: Aus gesundheitlichen Gründen. Leif: Eine Liebesgeschichte? Ich: Keine Liebesgeschichte." Diese stakkatohaft hingeworfenen Fragen und Antworten sind wie ein kleines Spiel zwischen den Figuren.
Ebenso gehören die Momente, in denen das Meer Raum beansprucht, zu den besten Szenen. Das Meer ist bei Wahl stets Ort der Herausforderung, es liegt nie flach und einladend da, sondern ist zumeist rau und aufgepeitscht. In diesem Meer, das Freund und Feind zugleich ist, versucht Ida ihrem Schmerz davonzukraulen. Man spürt die Verbundenheit der Autorin mit der See, Wahl selbst lebt inzwischen in Rostock jenes Schriftstellerinnenleben, von dem sie geträumt hat. Ein Etappen-Happy-Ending, auch in ihrem Leben.
Wer je bei einer ihrer Lesungen war, der weiß, dass ihr Sound, von dem man meinen könnte, er spräche vor allem ein junges Publikum an, auch ältere Herrschaften geradezu verzaubert. Das ist vielleicht das Faszinierendste an Wahls Wohlfühlprosa: dass sie einen generationenübergreifenden Ton für ihre Geschichten gefunden hat, in den sich all jene wohlig einhüllen können, die literarisch Irritierendes nicht aushalten. MELANIE MÜHL
Caroline Wahl:
"Windstärke 17". Roman.
DuMont Verlag,
Köln 2024.
256 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.05.2024Wenn jemand für
dich Pudding kocht
Spaziergang am Rostocker Hafen mit Caroline Wahl:
Ihr Debüt war der Bestseller des vergangenen Jahres, mit der Fortsetzung
„Windstärke 17“ zielt sie gleich wieder lässig ins Herz. Wie macht sie das?
VON MARIE SCHMIDT
Vor zwei Jahren hat sie sich zwei Träume erfüllt: einen Roman schreiben und ans Meer ziehen. Das eine wurde ein spontaner Erfolg, ihr Buch „22 Bahnen“ war das Bestsellerdebüt des vergangenen Jahres. Und das andere hat immerhin zur Folge, dass wir an einem klatschkalten Aprilnachmittag am Hafen von Rostock spazieren gehen. Caroline Wahl in schwarzen Stiefeln, Plateausohle, Daunenmantel, verschränkt die Arme vor dem Körper gegen die Kälte, klemmt die rechte Hand mit Zigarette zwischen den Fingern unter den linken Ellbogen. Die Weite des Himmels hier, das Möwenschreien, die Luft, das sei eine alte Sehnsucht gewesen.
Sie kommt aus Heidelberg, hat in Berlin gelebt, Stuttgart, zuletzt Zürich. Da war sie Assistentin im Diogenes-Verlag, nachdem sie bei Klett-Cotta volontiert hatte. Mit der Stadt Zürich sei sie gar nicht warm geworden, eine schwierige Zeit insgesamt. Das Schreiben aber kläre die Dinge für sie, und so habe sie da mit der Geschichte von Tilda begonnen, ihrer Heldin aus „22 Bahnen“: „Es war mir wichtig, nicht über mich selbst zu schreiben.“ Auch keine Storys aus der Bubble, dem kunstnahen, progressiven, urbanen Umfeld. Zuerst habe sie sich ausgedacht, was für einen Alltag diese Tilda hat.
Und der Ton war gleich da, unverstellt sollte er sein, direkt, so wie sie auch selbst reden würde. Tilda sagt so was wie: „Ich habe ihn krass angestarrt wie ein peinlicher Teenager. Aber was soll ich denn auch machen? Wenn er sich nicht unterhalten will, dann darf ich ihn ja angucken.“ Der Humor, sagt Caroline Wahl, sei auch eher ihrer.
Damit hat sie einen Nerv berührt bei einem großen Publikum. Frisch und echt fanden ihren Sound eine ganze Reihe von Verlagen, die sich überboten, um den Roman herausbringen zu können. Und er passt ja auch perfekt in die goldene Mitte zwischen dem Literarischen und dem Trivialen, in der sich, sogar jenseits des bombastischen neuen Marktes für „Romantasy“, niveauvoll Geld verdienen lässt mit Büchern. Wie zuletzt Bonnie Garmus’ Welthit „Eine Frage der Chemie“ bewiesen hat.
Es sind Bücher, die ihre Eigenwilligkeit behaupten und gleichzeitig die Wünsche eines großen Publikums nach etwas Wiedererkennbarem erfüllen, etwas, das auch mit dem eigenen Leben unmittelbar zu tun zu haben scheint. Man kann so einen Bestseller nicht planen, aber beobachten, woraus sich der Erfolg speist, wenn er kommt. Und im vergangenen Sommer hörte man auf einmal Leserinnen und Leser mit auffallend unterschiedlichen Ansprüchen schwärmen von „22 Bahnen“.
Den Preis der unabhängigen Buchhandlungen bekam Caroline Wahl und den Publikumspreis beim Bayerischen Buchpreis, solide Signale, dass eine Autorin breit ankommt. Seitdem reist sie zu Lesungen landauf, landab, ist unterwegs, genießt die Resonanz und ist dann doch wieder froh, zurückzukommen nach Rostock, wo gerade über dem Hafen nur der Wind zu hören ist und die Kommandos eines Rudertrainers übers Wasser schallen. Ein paar Männer stehen am Kai und angeln.
Ist es hier nicht sehr ruhig für einen Shootingstar der populären Literatur mit Ende zwanzig? Caroline Wahls Blick richtet sich offen und gespannt auf ihr Gegenüber, erst wenn sie spricht, schweifen ihre Augen ab, halten irgendwas im Raum fest. Sie nimmt sich Zeit, bevor sie antwortet. Sie habe Freunde hier, „aber ich bin auch gern allein“. Zwei Cafés, in die sie abwechselnd geht, das Meer in der Nähe, die Übersichtlichkeit, das kommt dem Schreiben entgegen. Ein gutes Jahr nach dem Debüt erscheint jetzt schon die Fortsetzung: „Windstärke 17“.
„22 Bahnen“ handelte von der Mathestudentin Tilda, deren Freunde nach Berlin oder Leipzig ziehen, nur sie bleibt zurück in ihrer Kleinstadt, um für ihre kleine Schwester zu sorgen, weil die Mutter schwer alkoholsüchtig ist und meistens eher eine Gefahr für die Schwestern. Glücklich sind die Mädchen im Freibad, da schwimmt Tilda immer ihre 22 Bahnen und trifft Viktor, den älteren Bruder ihres besten Schulfreundes, wieder.
Der ist bei einem Autounfall auf dem Weg in den Urlaub mit der ganzen Familie umgekommen. Überlebt hat nur Viktor. Ein einsamer Wolf, schwer zugänglich. Aber die beiden Versehrten, vom Schicksal Beschwerten kommen zusammen. Nicht mit einem großen Knall irrer Verliebtheit, sondern indem sie nicht weglaufen, wenn mit kalten Wickeln eine Lungenentzündung zusammen durchzustehen ist, Wohnungen ausgeräumt, Schuldgefühle und Kummer ausgehalten werden müssen. Sie stehen füreinander ein, ohne große Worte: Tilda und der eine Mensch, der nur für sie bestimmt ist.
Märchen, sagt Caroline Wahl, habe sie immer gern gehabt. Als sie ihr als Kind erzählt worden sind, als sie sie später selbst gelesen hat. Darin gebe es diese bestimmte Vereinfachung der erzählten Welt, die hilft, den Blick auf die erlebte Welt zu sortieren. Und eine Offenheit für das Magische, die sie auch bei ihren Figuren spürt. Vor allem aber hat sie ihnen den Sinn für die kleinen Wunder des Alltags mitgegeben, den Genuss am Normalen, den Geruch im Freibad nach einem Regenschauer, das schöne Gefühl, wenn jemand für dich Vanillepudding kocht oder ein Bad einlässt, Alltagsrituale.
Gegen das Schlimme im Leben, Schicksal, Krankheit, Abhängigkeit steht in Caroline Wahls Romanwelt zwar auch das märchenhafte Versprechen einer Liebe, die im richtigen Moment alles erträglicher macht. Aber vor allem die tapfere Selbstbehauptung ihrer Figuren in kleinen Akten der Fürsorge für sich selbst und die Nächsten. Und wenn die Situation der Töchter einer alkoholkranken Mutter auch besonders verzweifelt ist: Wem käme das nicht bekannt vor, der tägliche Kampf, das tägliche Trotzdem. Dass es hier eine Geschichte wert ist, mit Happy End, ist doch allein eine Ermutigung für alle.
Das kluge Mischungsverhältnis von Allgemeinem und Besonderem in Caroline Wahls Büchern steckt besonders in den Details. Wenn sie etwa Wohnungen beschreibt, oder wie Figuren sich anziehen, was sie kaufen. Andere Autoren würden da feine Unterschiede klarmachen, Klasse, Bildungsstand, Spleens markieren. Aber bei Caroline Wahl dienen Markennamen zum Beispiel nicht der Distinktion der Figuren, sie kommen aus der stabilen Welt des Massenkonsums: Rewe, Carhartt, Kölln Flocken. Ein Wohnzimmer sieht so aus: „Roter Perserteppich, beiges Sofa und zwei Sessel, in der Mitte ein Glastisch, ein Buch und die Ostsee-Zeitung.“ Kommt einem wahnsinnig bekannt vor, und trotzdem erlaubt es kein Urteil über die Bewohner. Caroline Wahl hört sich diese Beobachtung geduldig an und sagt leise: „Ich finde es schön, eine Welt zu erfinden, die möglichst wenige Menschen ausschließt.“
In ihrem neuen Buch wird eine junge Frau an dieser großzügigen Normalität geradezu gesund. Es ist Ida, die kleine Schwester von Tilda. Sie ist jetzt im Alter von Tilda in „22 Bahnen“, eine junge Frau, die sich für ein Studium, einen Lebensweg entscheiden muss. Und charakterlich das genaue Gegenstück der Schwester, aufbrausend, unkontrolliert, künstlerisch. Die Mutter ist vor wenigen Wochen gestorben, Ida verlässt die gemeinsame Wohnung. Auf einem abermals märchenhaft traumwandlerischen Weg landet sie auf Rügen bei einem älteren Ehepaar, das sich um sie kümmert. Im Nicki-Schlafanzug der erwachsenen Tochter des Hauses, beim Walking mit Marianne, im Schaum von Eukalyptus-Erkältungsbädern erlebt sie eine Sicherheit, die sie als Kind nicht kannte.
Und sie schwimmt. Nicht wie Tilda im Sportlerbecken, sondern in der Ostsee bei rauem Wetter, riskant. Caroline Wahl sagt, dass sie sich im Moment nicht vorstellen könne, etwas zu schreiben, das keine Liebesgeschichte enthält. Wenigstens eine kleine. Und so erweist sich auch am Strand von Rügen ein Windsurfer mit pinkem Segel als interessantes Exemplar des schweigsamen Fremden. Aber sogar hinter seinem Killersatz „Ich bin das Letzte, was du brauchst“ verbirgt sich bei hartnäckigem Hinsehen womöglich doch einer, der sich um seinen dementen Großvater kümmert und Erdbeermarmelade für alle einkocht. Mit einem Hauch Vanille.
Für andere Zwanzigjährige mögen Partys, Nächte auf MDMA, Berlin oder Hamburg voller erotischer Versprechen sein. In Tildas und Idas Geschichten kommt so was schon auch vor, aber eher als Hindernis auf dem Weg zu einer Liebe, die auf gemeinsamen Autofahrten blüht, beim Schwimmen oder wenn man einen in Not anruft und er rangeht. Die Figuren in ihren Büchern seien Menschen, erklärt Caroline Wahl, die erst mal alles allein geregelt kriegen wollen. Darin vielleicht der Autorin gar nicht so unähnlich. Und dann müssten sie lernen, Hilfe anzunehmen.
Die Hilfe kommt dabei auffällig überwiegend von anderen Einzelwesen, die selbst ihr Päckchen zu tragen haben. Woher sie nicht kommt, ist die Gesellschaft: Keine Lehrerin, kein Sozialarbeiter fragt nach den Mädchen und ihrer suchtkranken Mutter, nicht Arbeit, Studium, Sportverein, politisches Engagement geben dem Leben Struktur. Es sind kleinste Zellen, Wahlfamilien, die zählen, und eine Intuition für die eigenen Ziele, die Tilda und Ida von tief innen zu holen scheinen.
„Sie finden ihre eigene Freiheit“, sagt Caroline Wahl. Dass sie durch den Erfolg ihres Debüts davon leben kann, Schriftstellerin zu sein, lässt ihre Augen glänzen. Sie fährt jetzt Mercedes, keine G-Klasse wie der schweigsame Viktor, sondern ein SLK Cabrio. Sie nennt es „Bebi“. Den Brotjob, für den sie nach Rostock gekommen ist, hat sie gekündigt. Gerade arbeitet sie an ihrem dritten Roman. Und im Sommer zieht sie noch mal um, nach Kiel. Im Norden, am Meer müsse sie bleiben, sagt sie. Das habe sie für ihr Leben herausgefunden.
Gegen das Schlimme
im Leben stehen die
Wonnen des Normalen
Im Moment könne sie sich nicht vorstellen, etwas zu schreiben, das keine Liebesgeschichte enthält, sagt die Bestsellerautorin Caroline Wahl, 1995 in Mainz geboren.
Foto: Frederike Wetzels
Caroline Wahl: Windstärke 17. Roman. Dumont Verlag, Köln 2024.
256 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
dich Pudding kocht
Spaziergang am Rostocker Hafen mit Caroline Wahl:
Ihr Debüt war der Bestseller des vergangenen Jahres, mit der Fortsetzung
„Windstärke 17“ zielt sie gleich wieder lässig ins Herz. Wie macht sie das?
VON MARIE SCHMIDT
Vor zwei Jahren hat sie sich zwei Träume erfüllt: einen Roman schreiben und ans Meer ziehen. Das eine wurde ein spontaner Erfolg, ihr Buch „22 Bahnen“ war das Bestsellerdebüt des vergangenen Jahres. Und das andere hat immerhin zur Folge, dass wir an einem klatschkalten Aprilnachmittag am Hafen von Rostock spazieren gehen. Caroline Wahl in schwarzen Stiefeln, Plateausohle, Daunenmantel, verschränkt die Arme vor dem Körper gegen die Kälte, klemmt die rechte Hand mit Zigarette zwischen den Fingern unter den linken Ellbogen. Die Weite des Himmels hier, das Möwenschreien, die Luft, das sei eine alte Sehnsucht gewesen.
Sie kommt aus Heidelberg, hat in Berlin gelebt, Stuttgart, zuletzt Zürich. Da war sie Assistentin im Diogenes-Verlag, nachdem sie bei Klett-Cotta volontiert hatte. Mit der Stadt Zürich sei sie gar nicht warm geworden, eine schwierige Zeit insgesamt. Das Schreiben aber kläre die Dinge für sie, und so habe sie da mit der Geschichte von Tilda begonnen, ihrer Heldin aus „22 Bahnen“: „Es war mir wichtig, nicht über mich selbst zu schreiben.“ Auch keine Storys aus der Bubble, dem kunstnahen, progressiven, urbanen Umfeld. Zuerst habe sie sich ausgedacht, was für einen Alltag diese Tilda hat.
Und der Ton war gleich da, unverstellt sollte er sein, direkt, so wie sie auch selbst reden würde. Tilda sagt so was wie: „Ich habe ihn krass angestarrt wie ein peinlicher Teenager. Aber was soll ich denn auch machen? Wenn er sich nicht unterhalten will, dann darf ich ihn ja angucken.“ Der Humor, sagt Caroline Wahl, sei auch eher ihrer.
Damit hat sie einen Nerv berührt bei einem großen Publikum. Frisch und echt fanden ihren Sound eine ganze Reihe von Verlagen, die sich überboten, um den Roman herausbringen zu können. Und er passt ja auch perfekt in die goldene Mitte zwischen dem Literarischen und dem Trivialen, in der sich, sogar jenseits des bombastischen neuen Marktes für „Romantasy“, niveauvoll Geld verdienen lässt mit Büchern. Wie zuletzt Bonnie Garmus’ Welthit „Eine Frage der Chemie“ bewiesen hat.
Es sind Bücher, die ihre Eigenwilligkeit behaupten und gleichzeitig die Wünsche eines großen Publikums nach etwas Wiedererkennbarem erfüllen, etwas, das auch mit dem eigenen Leben unmittelbar zu tun zu haben scheint. Man kann so einen Bestseller nicht planen, aber beobachten, woraus sich der Erfolg speist, wenn er kommt. Und im vergangenen Sommer hörte man auf einmal Leserinnen und Leser mit auffallend unterschiedlichen Ansprüchen schwärmen von „22 Bahnen“.
Den Preis der unabhängigen Buchhandlungen bekam Caroline Wahl und den Publikumspreis beim Bayerischen Buchpreis, solide Signale, dass eine Autorin breit ankommt. Seitdem reist sie zu Lesungen landauf, landab, ist unterwegs, genießt die Resonanz und ist dann doch wieder froh, zurückzukommen nach Rostock, wo gerade über dem Hafen nur der Wind zu hören ist und die Kommandos eines Rudertrainers übers Wasser schallen. Ein paar Männer stehen am Kai und angeln.
Ist es hier nicht sehr ruhig für einen Shootingstar der populären Literatur mit Ende zwanzig? Caroline Wahls Blick richtet sich offen und gespannt auf ihr Gegenüber, erst wenn sie spricht, schweifen ihre Augen ab, halten irgendwas im Raum fest. Sie nimmt sich Zeit, bevor sie antwortet. Sie habe Freunde hier, „aber ich bin auch gern allein“. Zwei Cafés, in die sie abwechselnd geht, das Meer in der Nähe, die Übersichtlichkeit, das kommt dem Schreiben entgegen. Ein gutes Jahr nach dem Debüt erscheint jetzt schon die Fortsetzung: „Windstärke 17“.
„22 Bahnen“ handelte von der Mathestudentin Tilda, deren Freunde nach Berlin oder Leipzig ziehen, nur sie bleibt zurück in ihrer Kleinstadt, um für ihre kleine Schwester zu sorgen, weil die Mutter schwer alkoholsüchtig ist und meistens eher eine Gefahr für die Schwestern. Glücklich sind die Mädchen im Freibad, da schwimmt Tilda immer ihre 22 Bahnen und trifft Viktor, den älteren Bruder ihres besten Schulfreundes, wieder.
Der ist bei einem Autounfall auf dem Weg in den Urlaub mit der ganzen Familie umgekommen. Überlebt hat nur Viktor. Ein einsamer Wolf, schwer zugänglich. Aber die beiden Versehrten, vom Schicksal Beschwerten kommen zusammen. Nicht mit einem großen Knall irrer Verliebtheit, sondern indem sie nicht weglaufen, wenn mit kalten Wickeln eine Lungenentzündung zusammen durchzustehen ist, Wohnungen ausgeräumt, Schuldgefühle und Kummer ausgehalten werden müssen. Sie stehen füreinander ein, ohne große Worte: Tilda und der eine Mensch, der nur für sie bestimmt ist.
Märchen, sagt Caroline Wahl, habe sie immer gern gehabt. Als sie ihr als Kind erzählt worden sind, als sie sie später selbst gelesen hat. Darin gebe es diese bestimmte Vereinfachung der erzählten Welt, die hilft, den Blick auf die erlebte Welt zu sortieren. Und eine Offenheit für das Magische, die sie auch bei ihren Figuren spürt. Vor allem aber hat sie ihnen den Sinn für die kleinen Wunder des Alltags mitgegeben, den Genuss am Normalen, den Geruch im Freibad nach einem Regenschauer, das schöne Gefühl, wenn jemand für dich Vanillepudding kocht oder ein Bad einlässt, Alltagsrituale.
Gegen das Schlimme im Leben, Schicksal, Krankheit, Abhängigkeit steht in Caroline Wahls Romanwelt zwar auch das märchenhafte Versprechen einer Liebe, die im richtigen Moment alles erträglicher macht. Aber vor allem die tapfere Selbstbehauptung ihrer Figuren in kleinen Akten der Fürsorge für sich selbst und die Nächsten. Und wenn die Situation der Töchter einer alkoholkranken Mutter auch besonders verzweifelt ist: Wem käme das nicht bekannt vor, der tägliche Kampf, das tägliche Trotzdem. Dass es hier eine Geschichte wert ist, mit Happy End, ist doch allein eine Ermutigung für alle.
Das kluge Mischungsverhältnis von Allgemeinem und Besonderem in Caroline Wahls Büchern steckt besonders in den Details. Wenn sie etwa Wohnungen beschreibt, oder wie Figuren sich anziehen, was sie kaufen. Andere Autoren würden da feine Unterschiede klarmachen, Klasse, Bildungsstand, Spleens markieren. Aber bei Caroline Wahl dienen Markennamen zum Beispiel nicht der Distinktion der Figuren, sie kommen aus der stabilen Welt des Massenkonsums: Rewe, Carhartt, Kölln Flocken. Ein Wohnzimmer sieht so aus: „Roter Perserteppich, beiges Sofa und zwei Sessel, in der Mitte ein Glastisch, ein Buch und die Ostsee-Zeitung.“ Kommt einem wahnsinnig bekannt vor, und trotzdem erlaubt es kein Urteil über die Bewohner. Caroline Wahl hört sich diese Beobachtung geduldig an und sagt leise: „Ich finde es schön, eine Welt zu erfinden, die möglichst wenige Menschen ausschließt.“
In ihrem neuen Buch wird eine junge Frau an dieser großzügigen Normalität geradezu gesund. Es ist Ida, die kleine Schwester von Tilda. Sie ist jetzt im Alter von Tilda in „22 Bahnen“, eine junge Frau, die sich für ein Studium, einen Lebensweg entscheiden muss. Und charakterlich das genaue Gegenstück der Schwester, aufbrausend, unkontrolliert, künstlerisch. Die Mutter ist vor wenigen Wochen gestorben, Ida verlässt die gemeinsame Wohnung. Auf einem abermals märchenhaft traumwandlerischen Weg landet sie auf Rügen bei einem älteren Ehepaar, das sich um sie kümmert. Im Nicki-Schlafanzug der erwachsenen Tochter des Hauses, beim Walking mit Marianne, im Schaum von Eukalyptus-Erkältungsbädern erlebt sie eine Sicherheit, die sie als Kind nicht kannte.
Und sie schwimmt. Nicht wie Tilda im Sportlerbecken, sondern in der Ostsee bei rauem Wetter, riskant. Caroline Wahl sagt, dass sie sich im Moment nicht vorstellen könne, etwas zu schreiben, das keine Liebesgeschichte enthält. Wenigstens eine kleine. Und so erweist sich auch am Strand von Rügen ein Windsurfer mit pinkem Segel als interessantes Exemplar des schweigsamen Fremden. Aber sogar hinter seinem Killersatz „Ich bin das Letzte, was du brauchst“ verbirgt sich bei hartnäckigem Hinsehen womöglich doch einer, der sich um seinen dementen Großvater kümmert und Erdbeermarmelade für alle einkocht. Mit einem Hauch Vanille.
Für andere Zwanzigjährige mögen Partys, Nächte auf MDMA, Berlin oder Hamburg voller erotischer Versprechen sein. In Tildas und Idas Geschichten kommt so was schon auch vor, aber eher als Hindernis auf dem Weg zu einer Liebe, die auf gemeinsamen Autofahrten blüht, beim Schwimmen oder wenn man einen in Not anruft und er rangeht. Die Figuren in ihren Büchern seien Menschen, erklärt Caroline Wahl, die erst mal alles allein geregelt kriegen wollen. Darin vielleicht der Autorin gar nicht so unähnlich. Und dann müssten sie lernen, Hilfe anzunehmen.
Die Hilfe kommt dabei auffällig überwiegend von anderen Einzelwesen, die selbst ihr Päckchen zu tragen haben. Woher sie nicht kommt, ist die Gesellschaft: Keine Lehrerin, kein Sozialarbeiter fragt nach den Mädchen und ihrer suchtkranken Mutter, nicht Arbeit, Studium, Sportverein, politisches Engagement geben dem Leben Struktur. Es sind kleinste Zellen, Wahlfamilien, die zählen, und eine Intuition für die eigenen Ziele, die Tilda und Ida von tief innen zu holen scheinen.
„Sie finden ihre eigene Freiheit“, sagt Caroline Wahl. Dass sie durch den Erfolg ihres Debüts davon leben kann, Schriftstellerin zu sein, lässt ihre Augen glänzen. Sie fährt jetzt Mercedes, keine G-Klasse wie der schweigsame Viktor, sondern ein SLK Cabrio. Sie nennt es „Bebi“. Den Brotjob, für den sie nach Rostock gekommen ist, hat sie gekündigt. Gerade arbeitet sie an ihrem dritten Roman. Und im Sommer zieht sie noch mal um, nach Kiel. Im Norden, am Meer müsse sie bleiben, sagt sie. Das habe sie für ihr Leben herausgefunden.
Gegen das Schlimme
im Leben stehen die
Wonnen des Normalen
Im Moment könne sie sich nicht vorstellen, etwas zu schreiben, das keine Liebesgeschichte enthält, sagt die Bestsellerautorin Caroline Wahl, 1995 in Mainz geboren.
Foto: Frederike Wetzels
Caroline Wahl: Windstärke 17. Roman. Dumont Verlag, Köln 2024.
256 Seiten, 24 Euro.
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»So wunderbar wie [das] erste [Buch]« Elke Heidenreich, NDR TALK SHOW »Caroline Wahls Literatur ist eine erfreuliche Disruption im mitunter sehr berechenbaren Einerlei der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.« Denis Scheck, TAGESSPIEGEL »Ihr Debüt war der Bestseller des vergangenen Jahres, mit der Fortsetzung 'Windstärke 17' zielt sie gleich wieder lässig ins Herz. Wie macht sie das?« Marie Schmidt, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG »Gefühlsstürme auf Rügen« Jana Felgenhauer, STERN ONLINE »Ein stürmischer, mitreissend erzählter Coming-of-Age-Roman.« SRF-BESTENLISTE »Ein sehr berührender Pageturner.« Katja Schönherr, SRF-BESTENLISTE »Ein fantastisches Buch! Man spürt den Ostseewind beim Lesen im Gesicht.« Sarah-Mee Filep, Inhaberin der Rössli Buchhandlung in Riehen, SRF-BESTENLISTE »Ein Roman wie ein Orkan.« Denis Scheck, DRUCKFRISCH »Caroline Wahl hat ein Buch für alle geschrieben, die das Gefühl kennen, dass ein Tropensturm in einem tobt.« Jana Felgenhauer, STERN »Caroline Wahl ist ein ganz großes deutsches Literaturtalent.« Katharina Mahrenholtz, EAT.READ.SLEEP »Sie hat wirklich diese ganz eigene Sprache [...] Eine, wo man relativ schnell erkennt: oh, das ist wieder ein Caroline Wahl-Buch.« Jan Ehlert, EAT.READ.SLEEP »Die Ichperspektive katapultiert die Leserinnen und Leser direkt in den Kopf ihrer Hauptfigur. Das ist stark. Wahl gelingt es, Nähe zu schaffen.« Elisa von Hof, SPIEGEL BESTSELLER »Vielschichtig gezeichnete Figuren bis in die Nebenrollen hinein.« Daniela Zinser, WELT AM SONNTAG KOMPAKT »Caroline Wahl gelingt es, ihrer verzweifelten Romanheldin eine ganz eigene Stimme zu geben, knapp, sperrig, eigensinnig. Und dadurch sehr authentisch.« FREUNDIN »Lässt sich [...] so wunderbar lesen.« Silvi Feist, EMOTION »'Windstärke 17' ist ein aufwühlender, intensiver Roman über Familie, Tod und Trauer. Und über das Weiterleben. Caroline Wahl erzählt diese Geschichte jedoch mit viel Wärme und Humor und in dem gleichen, coolen Sound, der schon ihr Debüt zum Erfolg machte.« Yasemin Ergin, NDR KULTUR - DAS JOURNAL »Sehr lesenswert!« Anke Jahns, NDR NORDMAGAZIN »Wie in ihrem Debut findet Caroline Wahl auch in 'Windstärke 17' eine ganz eigene Sprache. Mit kurzen, knappen, oft pointierten Sätzen und messerscharfen Dialogen.« Susanne Luerweg, WDR 5 LITERATURMAGAZIN BÜCHER »Caroline Wahl gelingt es, berührend von Idas Kampf mit ihren inneren Dämonen zu erzählen. Und das in diesem Caroline-Wahl-Sound: Lakonisch, direkt, rhythmisch.« Kristine Harthauer, SWR KULTUR »Diese fesselnde Geschichte [hat] etwas Zeitloses, lesenswert ohne Altersbeschränkung.« Claudia Ingenhoven, MDR KULTUR »Was diesen Roman auch auszeichnet, [...] sind die knappen und auch wirklich wahnsinnig starken Dialogszenen und dieses Faible für kleine, spielerische Machtproben, die immer wieder auch kippen können.« Gesa Ufer, RADIOEINS - DIE LITERATURAGENTEN »Faszinierende[r] zweite[r] Roman.« Denis Scheck, TAGESSPIEGEL »Unbedingt lesenswert!« Yannick Werani, COSMOPOLITAN.DE »Wer jedoch eine literarische Flucht in eine Welt sucht, die Trost und Hoffnung spendet, ohne dabei an Tiefgründigkeit und Komplexität zu verlieren, ist bei Caroline Wahl genau richtig.« Aleksandra Szczodrowski, MISSY MAGAZINE »Wunderschön, tieftraurig, herzzerreißend und auch tröstlich.« Leserin, ZEIT-Newsletter FREUNDE DER ZEIT »Wahl beherrscht eine seltene Kunst: Sie schreibt Romane, die sich einfach weglesen lassen, in die man - passend zum zentralen Motiv des Schwimmens - eintauchen kann und die dennoch Tiefe und Kraft haben.« Anne Burgmer, KÖLNER STADT-ANZEIGER »'Windstärke 17' ist ein vollkommen überzeugender Roman, der allein Zynikern nicht ans Herz gehen wird. Er wird die Nummer eins auf der Bestsellerliste werden, und das ist vollauf verdient.« Thomas Andre, HAMBURGER ABENDBLATT »Ein bewegender Roman über das Abschiednehmen, Verzeihen und Neuanfangen.« Sabrina Ussmüller, BUNTE »Eine brillante Erzählerin.« Christina Merkelbach, AACHENER ZEITUNG »'Windstärke 17' ist eine Liebes- und Verlustgeschichte im Sound ihrer Generation.« Lothar Schröder, RHEINISCHE POST »Kein Zweifel, diese 28-Jährige ist eine geborene Erzählerin.« Dominik Schweighofer, PASSAUER NEUE PRESSE »Sinnlich, einfühl- und unterhaltsam. Mit popkulturellen Anspielungen und trockenem, auch tiefschwarzem Humor.« Katja Kraft, MÜNCHENER MERKUR »Eine tiefgehende Geschichte, die Mut macht, sich selbst zu verzeihen und seine eigenen Ziele zu verfolgen. Sehr empfehlenswert!« Ingrid Mosblech-Kaltwasser, DER KULTURBLOG »Caroline Wahl bringt angenehmen frischen Wind in die oft laue deutschsprachige Gegenwartliteratur.« Denis Scheck, ARD DRUCKFRISCH »Wieder schreibt die Autorin [...] mit erstaunlicher Sicherheit und Souveränität, schafft unverbrauchte Bilder [und] eine Sprache wie frisch gewaschen.« Franziska Wolffheim, ZEITSCHRIFT MARE »So wunderbar wie [das] erste [Buch]« Elke Heidenreich, NDR TALK SHOW »Caroline Wahls Literatur ist eine erfreuliche Disruption im mitunter sehr berechenbaren Einerlei der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.« Denis Scheck, TAGESSPIEGEL »Ihr Debüt war der Bestseller des vergangenen Jahres, mit der Fortsetzung 'Windstärke 17' zielt sie gleich wieder lässig ins Herz. Wie macht sie das?« Marie Schmidt, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG »Gefühlsstürme auf Rügen« Jana Felgenhauer, STERN ONLINE »Ein stürmischer, mitreissend erzählter Coming-of-Age-Roman.« SRF-BESTENLISTE »Ein sehr berührender Pageturner.« Katja Schönherr, SRF-BESTENLISTE »Ein fantastisches Buch! Man spürt den Ostseewind beim Lesen im Gesicht.« Sarah-Mee Filep, Inhaberin der Rössli Buchhandlung in Riehen, SRF-BESTENLISTE »Ein Roman wie ein Orkan.« Denis Scheck, DRUCKFRISCH »Caroline Wahl hat ein Buch für alle geschrieben, die das Gefühl kennen, dass ein Tropensturm in einem tobt.« Jana Felgenhauer, STERN »Caroline Wahl ist ein ganz großes deutsches Literaturtalent.« Katharina Mahrenholtz, EAT.READ.SLEEP »Sie hat wirklich diese ganz eigene Sprache [...] Eine, wo man relativ schnell erkennt: oh, das ist wieder ein Caroline Wahl-Buch.« Jan Ehlert, EAT.READ.SLEEP »Die Ichperspektive katapultiert die Leserinnen und Leser direkt in den Kopf ihrer Hauptfigur. Das ist stark. Wahl gelingt es, Nähe zu schaffen.« Elisa von Hof, SPIEGEL BESTSELLER »Vielschichtig gezeichnete Figuren bis in die Nebenrollen hinein.« Daniela Zinser, WELT AM SONNTAG KOMPAKT »Caroline Wahl gelingt es, ihrer verzweifelten Romanheldin eine ganz eigene Stimme zu geben, knapp, sperrig, eigensinnig. Und dadurch sehr authentisch.« FREUNDIN »Lässt sich [...] so wunderbar lesen.« Silvi Feist, EMOTION »'Windstärke 17' ist ein aufwühlender, intensiver Roman über Familie, Tod und Trauer. Und über das Weiterleben. Caroline Wahl erzählt diese Geschichte jedoch mit viel Wärme und Humor und in dem gleichen, coolen Sound, der schon ihr Debüt zum Erfolg machte.« Yasemin Ergin, NDR KULTUR - DAS JOURNAL »Sehr lesenswert!« Anke Jahns, NDR NORDMAGAZIN »Wie in ihrem Debut findet Caroline Wahl auch in 'Windstärke 17' eine ganz eigene Sprache. Mit kurzen, knappen, oft pointierten Sätzen und messerscharfen Dialogen.« Susanne Luerweg, WDR 5 LITERATURMAGAZIN BÜCHER »Caroline Wahl gelingt es, berührend von Idas Kampf mit ihren inneren Dämonen zu erzählen. Und das in diesem Caroline-Wahl-Sound: Lakonisch, direkt, rhythmisch.« Kristine Harthauer, SWR KULTUR »Diese fesselnde Geschichte [hat] etwas Zeitloses, lesenswert ohne Altersbeschränkung.« Claudia Ingenhoven, MDR KULTUR »Was diesen Roman auch auszeichnet, [...] sind die knappen und auch wirklich wahnsinnig starken Dialogszenen und dieses Faible für kleine, spielerische Machtproben, die immer wieder auch kippen können.« Gesa Ufer, RADIOEINS - DIE LITERATURAGENTEN »Faszinierende[r] zweite[r] Roman.« Denis Scheck, TAGESSPIEGEL »Unbedingt lesenswert!« Yannick Werani, COSMOPOLITAN.DE »Wer jedoch eine literarische Flucht in eine Welt sucht, die Trost und Hoffnung spendet, ohne dabei an Tiefgründigkeit und Komplexität zu verlieren, ist bei Caroline Wahl genau richtig.« Aleksandra Szczodrowski, MISSY MAGAZINE »Wunderschön, tieftraurig, herzzerreißend und auch tröstlich.« Leserin, ZEIT-Newsletter FREUNDE DER ZEIT »Wahl beherrscht eine seltene Kunst: Sie schreibt Romane, die sich einfach weglesen lassen, in die man - passend zum zentralen Motiv des Schwimmens - eintauchen kann und die dennoch Tiefe und Kraft haben.« Anne Burgmer, KÖLNER STADT-ANZEIGER »So wie das Meer ist auch dieses Buch: wild und sanft, stürmisch und Kraft spendend, gefährlich und glücksverheißend.« Susanne Schramm, BONNER GENERALANZEIGER »'Windstärke 17' ist ein vollkommen überzeugender Roman, der allein Zynikern nicht ans Herz gehen wird. Er wird die Nummer eins auf der Bestsellerliste werden, und das ist vollauf verdient.« Thomas Andre, HAMBURGER ABENDBLATT »Ein bewegender Roman über das Abschiednehmen, Verzeihen und Neuanfangen.« Sabrina Ussmüller, BUNTE »Eine brillante Erzählerin.« Christina Merkelbach, AACHENER ZEITUNG »'Windstärke 17' ist eine Liebes- und Verlustgeschichte im Sound ihrer Generation.« Lothar Schröder, RHEINISCHE POST »Kein Zweifel, diese 28-Jährige ist eine geborene Erzählerin.« Dominik Schweighofer, PASSAUER NEUE PRESSE »Sinnlich, einfühl- und unterhaltsam. Mit popkulturellen Anspielungen und trockenem, auch tiefschwarzem Humor.« Katja Kraft, MÜNCHENER MERKUR »Eine tiefgehende Geschichte, die Mut macht, sich selbst zu verzeihen und seine eigenen Ziele zu verfolgen. Sehr empfehlenswert!« Ingrid Mosblech-Kaltwasser, DER KULTURBLOG »Caroline Wahl bringt angenehmen frischen Wind in die oft laue deutschsprachige Gegenwartliteratur.« Denis Scheck, ARD DRUCKFRISCH »Wieder schreibt die Autorin [...] mit erstaunlicher Sicherheit und Souveränität, schafft unverbrauchte Bilder [und] eine Sprache wie frisch gewaschen.« Franziska Wolffheim, ZEITSCHRIFT MARE