Hitler und der Wagner-Clan
Als Hitler 1923 zu Wagners Grab pilgert, beginnt zwischen ihm und Winifred, der Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn Siegfried, eine lebenslange Freundschaft, die die ganze Familie Wagner einschließt. Ab 1933 wird Bayreuth in der Festspielzeit zum Mittelpunkt europäischer Politik. Winifred nützt die Macht, die sie durch Hitler erhält, setzt sich aber auch für Verfolgte ein. Ein Buch voller Zündstoff, das auch eine ungewohnte Sicht auf den Privatmann Hitler ermöglicht.
1915 zieht die 18jährige Winifred Williams als Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn Siegfried in Bayreuth ein. Die Villa Wahnfried ist damals ein Zentrum der "deutschen" Kunst, der Nationalen und Antisemiten, die sich um Winifreds Schwager, den Rassentheoretiker Chamberlain, scharen. 1923 pilgert Hitler zu Wagners Grab. Es beginnt eine lebenslange Freundschaft zwischen "Winnie" und "Wolf", die die ganze Familie Wagner einschließt. Winifred nützt die Macht, die sie durch Hitler erhält, setzt sich aber auch für Verfolgte ein. Zwei ihrer Kinder gehen politisch unterschiedliche Wege: Friedelind emigriert, Wieland bleibt Hitler treu. Winifred verehrt "Wolf" bis zu ihrem Tod 1980.
Aus vielen neuen Quellen ist ein Buch voller Zündstoff entstanden, das auch eine ungewohnte Sicht auf den Privatmann Hitler ermöglicht. Erstmals wird in dieser Schärfe die Verquickung zwischen ihm und den Wagners offengelegt.
Als Hitler 1923 zu Wagners Grab pilgert, beginnt zwischen ihm und Winifred, der Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn Siegfried, eine lebenslange Freundschaft, die die ganze Familie Wagner einschließt. Ab 1933 wird Bayreuth in der Festspielzeit zum Mittelpunkt europäischer Politik. Winifred nützt die Macht, die sie durch Hitler erhält, setzt sich aber auch für Verfolgte ein. Ein Buch voller Zündstoff, das auch eine ungewohnte Sicht auf den Privatmann Hitler ermöglicht.
1915 zieht die 18jährige Winifred Williams als Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn Siegfried in Bayreuth ein. Die Villa Wahnfried ist damals ein Zentrum der "deutschen" Kunst, der Nationalen und Antisemiten, die sich um Winifreds Schwager, den Rassentheoretiker Chamberlain, scharen. 1923 pilgert Hitler zu Wagners Grab. Es beginnt eine lebenslange Freundschaft zwischen "Winnie" und "Wolf", die die ganze Familie Wagner einschließt. Winifred nützt die Macht, die sie durch Hitler erhält, setzt sich aber auch für Verfolgte ein. Zwei ihrer Kinder gehen politisch unterschiedliche Wege: Friedelind emigriert, Wieland bleibt Hitler treu. Winifred verehrt "Wolf" bis zu ihrem Tod 1980.
Aus vielen neuen Quellen ist ein Buch voller Zündstoff entstanden, das auch eine ungewohnte Sicht auf den Privatmann Hitler ermöglicht. Erstmals wird in dieser Schärfe die Verquickung zwischen ihm und den Wagners offengelegt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2002Des Führers hohe Frau
Matriarchat und Männermacht: Brigitte Hamanns Winifred Wagner
Wagner-Frauen, seltsam' Geschlecht: Stark sind sie, manisch-obsessiv, leben emanzipatorisch wider alle Konvention, nehmen ihr Geschick in die Hand; dennoch hängen sie am Phantom-Mann. Der "Held" indes ist schwach, hinfällig, "erlösungsbedürftig". Von "Holländer" bis "Parsifal": vertrackte Paarbeziehungen, "legitim" keine einzige. Wie sah die Realität aus? Der flüchtige sächsische Revolutionär und die Zürcher Großbürgersgattin Mathilde Wesendonk; dann Cosima, uneheliche Tochter Liszts und der Gräfin d'Agoult, verheiratet mit Hans von Bülow, den sie Wagners wegen verließ. Cosima, die Französin, zunächst nicht perfekt deutsch sprechend, überlebte Wagner um fast fünfzig Jahre, wurde "Herrin von Bayreuth", Gralshüterin der Chauvinisten und Antisemiten, die ihr, der Herkunft wegen, manchmal wahres Verständnis fürs "Urdeutsche" absprachen.
Nahmen in Wagners Physiognomie schließlich "weibliche" Züge zu, so entsprach sein Sohn Siegfried vollends keineswegs dem heroischen Typ. Auch seine "Herrin" kam nicht aus teutscher Kern-Familie: Winifred Williams, englisches Waisenkind, wurde in Berlin von dem Wagnerianer Karl Klindworth streng im Bayreuther Sinn erzogen. 1915 heiratete sie Siegfried: Und als 1930 Cosima wie Siegfried starben, da war sie plötzlich "Herrin von Bayreuth", entwickelte sich (über)identifikatorisch zur clever-pragmatischen Festspiel-Managerin, die Bayreuth bis 1944 führte. Zur Ikone der Frauenemanzipation hätte sie durchaus getaugt. Wäre da nicht ein Traum-Mann ganz anderer Art gewesen: Adolf Hitler.
"Voller Ehrfurcht", so Winifred, betrat der "Führer" 1923 die Villa Wahnfried; bis zu ihrem Tod 1980 hat sie ihm wahre "Nibelungentreue" gehalten. Nach 1945 war sie "belastet", die Söhne Wieland und Wolfgang erteilten ihr Festspielhaus- und öffentliches Redeverbot. Erst in Hans-Jürgen Syberbergs Interviewfilm 1975 hat sie sich zur ihrer ungebrochenen Liebe zu Hitler bekannt, sich über ihre und Bayreuths Rolle im Dritten Reich geäußert. Ganz zurückgezogen freilich lebte sie nicht, blieb vielmehr unbelehrbare Galionsfigur einer verstockt braunen Rest-Gesellschaft. Bezeichnend, daß ein Grazer Leserbrief zum mäßig freundlichen Text zu ihrem 80. Geburtstag 1977 mit dem frommen Wunsch schloß: "Sei verflucht bis ans Ende aller Zeiten!"
So wie die greise Exherrin dem artigen Jünglingscharme Syberbergs erlag, so ist dieser erst recht nach ihrem Tod völlig dem Charisma des alten Drachen erlegen, hat sich zu abstrusen Elogen verstiegen. Danach wurde es still um Winifred; die Bayreuther Erbfolgequerelen, gar Wolfgangs Plans einer Winifred-Zentenar-Ausstellung haben die alten Abgründe wieder aufgerissen. Wie überhaupt in quasi Echternacher Sprüngen die NS-Kulturgrößen,Zufall oder nicht, Interesse finden: Leni Riefenstahl, Furtwängler (in Szabos Film), Pfitzner, nun auch Winifred. Die Wiener Historikerin Brigitte Hamann hat ihr nun ein materialreiches Buch gewidmet, das für alle außerordentlich aufschlußreich ist, die sich für Wagner, Bayreuth, NS-Zeit und die Verstrickungen von Kultur und Politik interessieren.
Als Wolfgang Wagner sie 1997 um einen Vortrag über seine Mutter bat, lehnte sie ab. Das Bild des Syberberg-Films reichte ihr. Doch nach ihrem Buch "Hitlers Wien" bewegte sie: Wie verlief Hitlers Aufstieg in Deutschland? Da kam sie um die Figur Winifred nicht herum, paradigmatische Kontaktperson zwischen Wagner, der deutschen Rechten, ihrer ideologischen Hochburg Bayreuth, dem Wagner-Fan Hitler, dem Personenkult um den "Führer" und den Organisationsmustern der NSDAP. Eine "politische" Biographie stand an.
In nicht geringem Maß ist sie Brigitte Hamann auch gelungen. Plastisch schildert sie die Kindheit der lebhaften Winifred wie die Rolle Bayreuths als "völkischem" Sammelbecken. Kamen die epigonalen Opern Siegfried Wagners bei den Kritikern schlechter als die von Richard Strauss weg, so lag dies natürlich nur an den "Juden". Die Haßtiraden auf "Versailles", Weimar und alle moderne Kunst waren in Bayreuth obligat: Wagners Werk wurde durch die altersstarre Cosima zementiert. Winifred mußte sich da nicht anpassen, die Entente Person-Haus-Bewegung war perfekt. Doch so wie für Hitler die Wagner-Welt seit seinen Anfängen höchstes Leitbild war, der Zugang in Wahnfried höchstes Glück, so wurde für Winifred Hitler zum ultimativen Lichtbringer: "Winnie" und "Wolf", das schlechthin deutsche Traumpaar.
Siegfried (laut Goebbels 1926 "so schlapp. Pfui! Soll sich vor dem Meister schämen.") wurde neben der Enflammierten, die effizient den Betrieb "schmiß", fast zum Statisten. 1926 meinte denn auch der junge Wieland Wagner zum geliebten "Wolf": "Weißt', du solltest eigentlich unser Papi sein und der Papi unser Onkel!" Siegfried, Antisemit auch er, war vorsichtiger, zur Rücksichtnahme auf jüdische Wagnerianer, besonders Geldgeber bereit. Winifred indes, von 1926 an fanatische Parteigenossin, hat nicht dementiert, daß sie Hitler 1923 in die Landsberger Haft "massenhaft Papier geschickt" hat - vermutlich für "Mein Kampf". Selbstverständlich begegnete sie Hitler mit erotischer Affektation, auch wenn sie diese schier psychoanalytisch umdeutete als quasi tröstend-schützende Mutter-Sohn-Beziehung zum höheren historischen Zweck.
Vieles spricht dafür, daß das Verhältnis platonisch blieb (Schlüssellochgucker kommen nicht auf ihre Kosten); entscheidender ist, daß Winifred Bayreuth mit Haut und Haaren den Nazis auslieferte. Entsprechend ungeniert haben sich diese dort, wie schon überall im "Reich", breitgemacht. Über Nacht kam ihre Macht mitnichten; das deutsche Bildungsbürgertum hatte via Wagner daran keinen geringen Anteil. Nach 1933 war Bayreuth Staatssache, Gelder und Privilegien flossen. Die Fotos Hitlers und anderer NS-Größen auf dem Grünen Hügel sind notorisch. Winifred beharrt freilich darauf, daß sie Hitler im August 1940 das letzte Mal gesehen habe. Das mag nun stimmen oder nicht. Falls dem tatsächlich so gewesen sein sollte, so hat Brigitte Hamann hierfür immerhin eine mögliche Erklärung: Nicht die Liebesbekundungen Winifreds, gar die Gerüchte über eine etwaige Heirat seien ihm allmählich lästig geworden. Nein, Winifreds permanent-penetrante Petitionen zugunsten verfolgter Juden, Homosexueller, Sozialisten, Demokraten hätten ihn sich von ihr abwenden lassen. Die Autorin führt einige triftig klingende Beispiele an, die sich mit dem Charakterbild der energischen Domina vertragen, die ihre Sträuße mit den Parteichargen ausfocht, Konflikte nicht scheute, gar zur "Sauberfrau der Partei" avancierte. Wolfgang Wagner nannte sie sogar später "Gluckhenne aller Schwulen".
In der Tat schildert Brigitte Hamann anschaulich-quellenreich die Machtkämpfe zwischen und um Berlin und Bayreuth, Göring und Goebbels, Furtwängler und Toscanini, das Hin und Her um Geld, Prestige und Einfluß, nicht zuletzt die schillernde Rolle und Persönlichkeit Heinz Tietjens als Theater-Herrscher in Berlin wie Bayreuth. Winifred und die Männer, ein Rätsel: Siegfrieds Frau, später Witwe, himmelte Hitler an, aber auch den homosexuellen englischen Schriftsteller Hugh Walpole. Trotzdem heißt es: "Tietjen war die große Liebe ihres Lebens." Irritierend wirkt eine Polarisierung: Wolfgang Wagner kommt fast durchgängig ungeschoren davon; während ausgerechnet Wieland zum Finsterling wird: Hitlers auserkorener Liebling, eitel, ehrgeizig, hemmungslos machthungrig, skrupellos einzig auf seinen Vorteil und die steile Karriere bedacht, sogar Leiter des KZ Flossenbürg, nach 1945, erst recht 1951 der perfekte Wendehals als "Entrümpler". Manche Dokumente mögen dies belegen, der Kontrast scheint ein wenig wohlfeil.
Brigitte Hamann dämonisiert die Hitler-Fixierung, die Bayreuth-Führungsrolle, die clever-trotzige Selbstdarstellung bei Syberberg nicht. Winifred wird nicht zur Bestie, wohl aber zur überlebensgroßen Repräsentantin einer deutschen Tradition aus Chauvinismus, Rassismus, Elitarismus, Kulturgläubigkeit, Genie-Kult, praktischer Tüchtigkeit, tiefverwurzeltem Haß auf die Moderne. Hannah Arendts "Banalität des Bösen" kam einem gerade beim hochtrabenden Syberberg in den Sinn. Brigitte Hamann entlastet "Winnie" schließlich mit der Formel eines jüdischen Remigranten: "strafwürdige Dummheit" - und nimmt damit die politische Biographie zurück ins Private. Nein, Winifred war nicht dumm, wohl aber als Steigbügelhalterin, ideologisches Schwungrad und Profiteurin Hitlers substantiell ins Unheil verstrickt.
Einen Einwand gegen ihr Buch nimmt die Autorin vorweg: Entscheidende Dokumente liegen bei einer Winifred-Nichte unter Verschluß: denkbar, daß sie so Ungeheuerliches enthalten, daß der Clan sehr wohl Interesse hat, sie zu verbergen. Frei von Redundanz ist das Buch nicht, unermüdlich werden Details, Anekdoten, wichtige wie unwichtige, aneinandergereiht. Ein stärker analytisch-strukturierender Durchgriff aufs Material hätte nicht geschadet, vermutlich mehr Aufschluß über Frauenliebe und -leben, -emanzipation und Männerherrschaft, deutsche Finsternisse verschafft.
GERHARD R. KOCH.
Brigitte Hamann: "Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth". Piper Verlag, München, Zürich 2002. 687 S., Abb., geb., 26,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Matriarchat und Männermacht: Brigitte Hamanns Winifred Wagner
Wagner-Frauen, seltsam' Geschlecht: Stark sind sie, manisch-obsessiv, leben emanzipatorisch wider alle Konvention, nehmen ihr Geschick in die Hand; dennoch hängen sie am Phantom-Mann. Der "Held" indes ist schwach, hinfällig, "erlösungsbedürftig". Von "Holländer" bis "Parsifal": vertrackte Paarbeziehungen, "legitim" keine einzige. Wie sah die Realität aus? Der flüchtige sächsische Revolutionär und die Zürcher Großbürgersgattin Mathilde Wesendonk; dann Cosima, uneheliche Tochter Liszts und der Gräfin d'Agoult, verheiratet mit Hans von Bülow, den sie Wagners wegen verließ. Cosima, die Französin, zunächst nicht perfekt deutsch sprechend, überlebte Wagner um fast fünfzig Jahre, wurde "Herrin von Bayreuth", Gralshüterin der Chauvinisten und Antisemiten, die ihr, der Herkunft wegen, manchmal wahres Verständnis fürs "Urdeutsche" absprachen.
Nahmen in Wagners Physiognomie schließlich "weibliche" Züge zu, so entsprach sein Sohn Siegfried vollends keineswegs dem heroischen Typ. Auch seine "Herrin" kam nicht aus teutscher Kern-Familie: Winifred Williams, englisches Waisenkind, wurde in Berlin von dem Wagnerianer Karl Klindworth streng im Bayreuther Sinn erzogen. 1915 heiratete sie Siegfried: Und als 1930 Cosima wie Siegfried starben, da war sie plötzlich "Herrin von Bayreuth", entwickelte sich (über)identifikatorisch zur clever-pragmatischen Festspiel-Managerin, die Bayreuth bis 1944 führte. Zur Ikone der Frauenemanzipation hätte sie durchaus getaugt. Wäre da nicht ein Traum-Mann ganz anderer Art gewesen: Adolf Hitler.
"Voller Ehrfurcht", so Winifred, betrat der "Führer" 1923 die Villa Wahnfried; bis zu ihrem Tod 1980 hat sie ihm wahre "Nibelungentreue" gehalten. Nach 1945 war sie "belastet", die Söhne Wieland und Wolfgang erteilten ihr Festspielhaus- und öffentliches Redeverbot. Erst in Hans-Jürgen Syberbergs Interviewfilm 1975 hat sie sich zur ihrer ungebrochenen Liebe zu Hitler bekannt, sich über ihre und Bayreuths Rolle im Dritten Reich geäußert. Ganz zurückgezogen freilich lebte sie nicht, blieb vielmehr unbelehrbare Galionsfigur einer verstockt braunen Rest-Gesellschaft. Bezeichnend, daß ein Grazer Leserbrief zum mäßig freundlichen Text zu ihrem 80. Geburtstag 1977 mit dem frommen Wunsch schloß: "Sei verflucht bis ans Ende aller Zeiten!"
So wie die greise Exherrin dem artigen Jünglingscharme Syberbergs erlag, so ist dieser erst recht nach ihrem Tod völlig dem Charisma des alten Drachen erlegen, hat sich zu abstrusen Elogen verstiegen. Danach wurde es still um Winifred; die Bayreuther Erbfolgequerelen, gar Wolfgangs Plans einer Winifred-Zentenar-Ausstellung haben die alten Abgründe wieder aufgerissen. Wie überhaupt in quasi Echternacher Sprüngen die NS-Kulturgrößen,Zufall oder nicht, Interesse finden: Leni Riefenstahl, Furtwängler (in Szabos Film), Pfitzner, nun auch Winifred. Die Wiener Historikerin Brigitte Hamann hat ihr nun ein materialreiches Buch gewidmet, das für alle außerordentlich aufschlußreich ist, die sich für Wagner, Bayreuth, NS-Zeit und die Verstrickungen von Kultur und Politik interessieren.
Als Wolfgang Wagner sie 1997 um einen Vortrag über seine Mutter bat, lehnte sie ab. Das Bild des Syberberg-Films reichte ihr. Doch nach ihrem Buch "Hitlers Wien" bewegte sie: Wie verlief Hitlers Aufstieg in Deutschland? Da kam sie um die Figur Winifred nicht herum, paradigmatische Kontaktperson zwischen Wagner, der deutschen Rechten, ihrer ideologischen Hochburg Bayreuth, dem Wagner-Fan Hitler, dem Personenkult um den "Führer" und den Organisationsmustern der NSDAP. Eine "politische" Biographie stand an.
In nicht geringem Maß ist sie Brigitte Hamann auch gelungen. Plastisch schildert sie die Kindheit der lebhaften Winifred wie die Rolle Bayreuths als "völkischem" Sammelbecken. Kamen die epigonalen Opern Siegfried Wagners bei den Kritikern schlechter als die von Richard Strauss weg, so lag dies natürlich nur an den "Juden". Die Haßtiraden auf "Versailles", Weimar und alle moderne Kunst waren in Bayreuth obligat: Wagners Werk wurde durch die altersstarre Cosima zementiert. Winifred mußte sich da nicht anpassen, die Entente Person-Haus-Bewegung war perfekt. Doch so wie für Hitler die Wagner-Welt seit seinen Anfängen höchstes Leitbild war, der Zugang in Wahnfried höchstes Glück, so wurde für Winifred Hitler zum ultimativen Lichtbringer: "Winnie" und "Wolf", das schlechthin deutsche Traumpaar.
Siegfried (laut Goebbels 1926 "so schlapp. Pfui! Soll sich vor dem Meister schämen.") wurde neben der Enflammierten, die effizient den Betrieb "schmiß", fast zum Statisten. 1926 meinte denn auch der junge Wieland Wagner zum geliebten "Wolf": "Weißt', du solltest eigentlich unser Papi sein und der Papi unser Onkel!" Siegfried, Antisemit auch er, war vorsichtiger, zur Rücksichtnahme auf jüdische Wagnerianer, besonders Geldgeber bereit. Winifred indes, von 1926 an fanatische Parteigenossin, hat nicht dementiert, daß sie Hitler 1923 in die Landsberger Haft "massenhaft Papier geschickt" hat - vermutlich für "Mein Kampf". Selbstverständlich begegnete sie Hitler mit erotischer Affektation, auch wenn sie diese schier psychoanalytisch umdeutete als quasi tröstend-schützende Mutter-Sohn-Beziehung zum höheren historischen Zweck.
Vieles spricht dafür, daß das Verhältnis platonisch blieb (Schlüssellochgucker kommen nicht auf ihre Kosten); entscheidender ist, daß Winifred Bayreuth mit Haut und Haaren den Nazis auslieferte. Entsprechend ungeniert haben sich diese dort, wie schon überall im "Reich", breitgemacht. Über Nacht kam ihre Macht mitnichten; das deutsche Bildungsbürgertum hatte via Wagner daran keinen geringen Anteil. Nach 1933 war Bayreuth Staatssache, Gelder und Privilegien flossen. Die Fotos Hitlers und anderer NS-Größen auf dem Grünen Hügel sind notorisch. Winifred beharrt freilich darauf, daß sie Hitler im August 1940 das letzte Mal gesehen habe. Das mag nun stimmen oder nicht. Falls dem tatsächlich so gewesen sein sollte, so hat Brigitte Hamann hierfür immerhin eine mögliche Erklärung: Nicht die Liebesbekundungen Winifreds, gar die Gerüchte über eine etwaige Heirat seien ihm allmählich lästig geworden. Nein, Winifreds permanent-penetrante Petitionen zugunsten verfolgter Juden, Homosexueller, Sozialisten, Demokraten hätten ihn sich von ihr abwenden lassen. Die Autorin führt einige triftig klingende Beispiele an, die sich mit dem Charakterbild der energischen Domina vertragen, die ihre Sträuße mit den Parteichargen ausfocht, Konflikte nicht scheute, gar zur "Sauberfrau der Partei" avancierte. Wolfgang Wagner nannte sie sogar später "Gluckhenne aller Schwulen".
In der Tat schildert Brigitte Hamann anschaulich-quellenreich die Machtkämpfe zwischen und um Berlin und Bayreuth, Göring und Goebbels, Furtwängler und Toscanini, das Hin und Her um Geld, Prestige und Einfluß, nicht zuletzt die schillernde Rolle und Persönlichkeit Heinz Tietjens als Theater-Herrscher in Berlin wie Bayreuth. Winifred und die Männer, ein Rätsel: Siegfrieds Frau, später Witwe, himmelte Hitler an, aber auch den homosexuellen englischen Schriftsteller Hugh Walpole. Trotzdem heißt es: "Tietjen war die große Liebe ihres Lebens." Irritierend wirkt eine Polarisierung: Wolfgang Wagner kommt fast durchgängig ungeschoren davon; während ausgerechnet Wieland zum Finsterling wird: Hitlers auserkorener Liebling, eitel, ehrgeizig, hemmungslos machthungrig, skrupellos einzig auf seinen Vorteil und die steile Karriere bedacht, sogar Leiter des KZ Flossenbürg, nach 1945, erst recht 1951 der perfekte Wendehals als "Entrümpler". Manche Dokumente mögen dies belegen, der Kontrast scheint ein wenig wohlfeil.
Brigitte Hamann dämonisiert die Hitler-Fixierung, die Bayreuth-Führungsrolle, die clever-trotzige Selbstdarstellung bei Syberberg nicht. Winifred wird nicht zur Bestie, wohl aber zur überlebensgroßen Repräsentantin einer deutschen Tradition aus Chauvinismus, Rassismus, Elitarismus, Kulturgläubigkeit, Genie-Kult, praktischer Tüchtigkeit, tiefverwurzeltem Haß auf die Moderne. Hannah Arendts "Banalität des Bösen" kam einem gerade beim hochtrabenden Syberberg in den Sinn. Brigitte Hamann entlastet "Winnie" schließlich mit der Formel eines jüdischen Remigranten: "strafwürdige Dummheit" - und nimmt damit die politische Biographie zurück ins Private. Nein, Winifred war nicht dumm, wohl aber als Steigbügelhalterin, ideologisches Schwungrad und Profiteurin Hitlers substantiell ins Unheil verstrickt.
Einen Einwand gegen ihr Buch nimmt die Autorin vorweg: Entscheidende Dokumente liegen bei einer Winifred-Nichte unter Verschluß: denkbar, daß sie so Ungeheuerliches enthalten, daß der Clan sehr wohl Interesse hat, sie zu verbergen. Frei von Redundanz ist das Buch nicht, unermüdlich werden Details, Anekdoten, wichtige wie unwichtige, aneinandergereiht. Ein stärker analytisch-strukturierender Durchgriff aufs Material hätte nicht geschadet, vermutlich mehr Aufschluß über Frauenliebe und -leben, -emanzipation und Männerherrschaft, deutsche Finsternisse verschafft.
GERHARD R. KOCH.
Brigitte Hamann: "Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth". Piper Verlag, München, Zürich 2002. 687 S., Abb., geb., 26,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hitlers Bayreuth
Nach Hitlers Wien ist der Historikerin Brigitte Hamann mit Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth ein weiteres Buch gelungen, das die Reihe ihrer erfolgreichen Bücher fortsetzen wird. Und das zurecht, denn auch dieses Buch ist eine Glanzleistung erzählender und dennoch penibel recherchierter Geschichtsdarstellung.
Das Waisenkind aus Sussex
Wahnfried, Bayreuth, der "Hort der deutschen Kunst": Lange Zeit geführt von zwei außerordentlichen Frauen, von denen die eine, Cosima, aus Frankreich stammte, die andere, Winifred, ein Weisenkind aus Sussex war. Winifred Marjorie Wiliams, 1897 geboren, geriet schon als Kind in den Dunstkreis englischer Wagnerianer. Nach einer frühen Begegnung in Bayreuth mit Siegfried Wagner heiratete sie ihn im Alter von 18 Jahren. Als fünfzehn Jahre später Siegfried und gleichzeitig seine Mutter Cosima starben, sah Winifred sich unvermittelt als alleinige Herrin von Bayreuth. Von da an bis 1944 meisterte sie glänzend das Management der Festspiele. Ab 1945 geriet sie, verfemt als Steigbügelhalterin und Profiteurin Adolf Hitlers immer mehr in Vergessenheit. Schon viel früher, bereits in den zwanziger Jahren, hatte sie sich in ihn verliebt. Und ihm hielt sie dann auch fatalerweise bis an ihr Lebensende 1980 die "Nibelungentreue".
"Gluckhenne aller Schwulen"
Im Sommer 1940 lud Hitler sie zum letzten Mal zu sich ein. In den Jahren darauf verlor sie durch zahlreiche Hilfsaktionen, in denen sie keineswegs nur "Ariern" das Leben rettete, seine Gunst. Zu oft hatte sie um Fürsprache für Verfolgte bei ihm gebeten. Ihr Sohn und Günstling des "Führers" Wolfgang Wagner, den Hitler neben seinem Bruder Wieland Wagner noch gerne empfing, nannte sie später sogar "Gluckhenne aller Schwulen". Trotz ihrer wohl tatsächlich vorhandenen Barmherzigkeit verlor sie niemals den Glauben an Adolf Hitler und den Nationalsozialismus. In Hans Syberbergs skandalösen Film tritt sie uns noch im Jahr 1975 als unverbesserliche Nationalsozialistin entgegen: fortan geliebt von der extremen Rechten, verabscheut, aber ein bisschen verkannt vielleicht von allen anderen.
Das reich und informativ bebilderte Buch versucht nun einer Frau gerecht zu werden, die verblendet von ihrer Liebe zu Adolf Hitler war, deren Charakter aber manch andere Seite vorzuweisen hatte. Seiten, die sie zu einer durchaus ambivalenten Persönlichkeit werden ließen. Eine schillernde ist sie allemal, und unter anderen Umständen hätte sie auch als Identifikationsfigur der Emanzipation gelten können.
Brigitte Hamann hat mit Winifred Wagner eine Person portraitiert, an der sich der aus der Sicht seiner Wiener Jahre unverständliche Aufstieg Hitlers zum Reichskanzler hervorragend darstellen ließ. Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth ist daher auch in gewisser Weise als Fortsetzung ihres Buchs Hitlers Wien zu lesen.
(Andreas Rötzer)
Nach Hitlers Wien ist der Historikerin Brigitte Hamann mit Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth ein weiteres Buch gelungen, das die Reihe ihrer erfolgreichen Bücher fortsetzen wird. Und das zurecht, denn auch dieses Buch ist eine Glanzleistung erzählender und dennoch penibel recherchierter Geschichtsdarstellung.
Das Waisenkind aus Sussex
Wahnfried, Bayreuth, der "Hort der deutschen Kunst": Lange Zeit geführt von zwei außerordentlichen Frauen, von denen die eine, Cosima, aus Frankreich stammte, die andere, Winifred, ein Weisenkind aus Sussex war. Winifred Marjorie Wiliams, 1897 geboren, geriet schon als Kind in den Dunstkreis englischer Wagnerianer. Nach einer frühen Begegnung in Bayreuth mit Siegfried Wagner heiratete sie ihn im Alter von 18 Jahren. Als fünfzehn Jahre später Siegfried und gleichzeitig seine Mutter Cosima starben, sah Winifred sich unvermittelt als alleinige Herrin von Bayreuth. Von da an bis 1944 meisterte sie glänzend das Management der Festspiele. Ab 1945 geriet sie, verfemt als Steigbügelhalterin und Profiteurin Adolf Hitlers immer mehr in Vergessenheit. Schon viel früher, bereits in den zwanziger Jahren, hatte sie sich in ihn verliebt. Und ihm hielt sie dann auch fatalerweise bis an ihr Lebensende 1980 die "Nibelungentreue".
"Gluckhenne aller Schwulen"
Im Sommer 1940 lud Hitler sie zum letzten Mal zu sich ein. In den Jahren darauf verlor sie durch zahlreiche Hilfsaktionen, in denen sie keineswegs nur "Ariern" das Leben rettete, seine Gunst. Zu oft hatte sie um Fürsprache für Verfolgte bei ihm gebeten. Ihr Sohn und Günstling des "Führers" Wolfgang Wagner, den Hitler neben seinem Bruder Wieland Wagner noch gerne empfing, nannte sie später sogar "Gluckhenne aller Schwulen". Trotz ihrer wohl tatsächlich vorhandenen Barmherzigkeit verlor sie niemals den Glauben an Adolf Hitler und den Nationalsozialismus. In Hans Syberbergs skandalösen Film tritt sie uns noch im Jahr 1975 als unverbesserliche Nationalsozialistin entgegen: fortan geliebt von der extremen Rechten, verabscheut, aber ein bisschen verkannt vielleicht von allen anderen.
Das reich und informativ bebilderte Buch versucht nun einer Frau gerecht zu werden, die verblendet von ihrer Liebe zu Adolf Hitler war, deren Charakter aber manch andere Seite vorzuweisen hatte. Seiten, die sie zu einer durchaus ambivalenten Persönlichkeit werden ließen. Eine schillernde ist sie allemal, und unter anderen Umständen hätte sie auch als Identifikationsfigur der Emanzipation gelten können.
Brigitte Hamann hat mit Winifred Wagner eine Person portraitiert, an der sich der aus der Sicht seiner Wiener Jahre unverständliche Aufstieg Hitlers zum Reichskanzler hervorragend darstellen ließ. Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth ist daher auch in gewisser Weise als Fortsetzung ihres Buchs Hitlers Wien zu lesen.
(Andreas Rötzer)
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Geradezu genüsslich seifenopernhaft stürzt sich der Rezensent Johannes Willms ins wagnerianische Getümmel, webt unter Paukenschlägen am Sagenteppich und will offensichtlich damit dem Leser klarmachen, wie verlockend und gleichzeitig wichtig die Thematik des Buches ist. Und doch haben die Historiker den Stoff bisher gemieden, wofür Willms zwei Erklärungen findet: die Hemmung, Wagners apotheotische Musik mit den späteren Ereignissen in einen Kausalzusammenhang zu bringen, und die "abschreckend-effiziente Geschichtspolitik der Wagnersippe", die wesentliche Dokumente stur unter Verschluss hält. Auch Hamanns Buch wird den schweren Schleier nicht lüften, meint Willms. Nicht nur weil auch ihr der Zugang zu den "wesentlichen Archivalien" verweigert wurde, sondern ganz offensichtlich, weil sie in der Fülle des verfügbaren Materials ertrinkt. Enttäuschend, findet Willms und diagnostiziert "historischen Positivismus in seinem simpelsten Verständnis", da die Quellen weder themenbezogen gewichtet noch analytisch, kritisch und synthetisch behandelt würden. Gerade der immense Erkenntnisgewinn, den eine gelungenen Analyse erbracht hätte, mache es so schade und so ärgerlich, dass hier das Thema "geradezu exemplarisch verfehlt" werde. So bleibt Hamanns Buch ein "erschreckend geistesschlichtes Rezeptbuch", urteilt Willms, macht dafür aber auch die vorschnelle Verlagspolitik verantwortlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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