Winston S. Churchill (1874-1965) gilt als der bedeutendste Engländer aller Zeiten, als der größte Staatsmann des 20. Jahrhunderts. An seinem entschlossenen Widerstand und seiner Unbeugsamkeit gegenüber Drohungen und militärischer Aggression scheiterte der Diktator Hitler. Als einer der "Großen Drei" neben Roosevelt und Stalin hatte er maßgeblichen Anteil an der Niederwerfung des nationalsozialistischen Deutschland und der Neuordnung Europas nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Die politische und wirtschaftliche Einigung Europas erfuhr durch ihn entscheidende Anstöße. Der Autor zeichnet Churchills Lebensweg nach und gibt einen Eindruck von einer außerordentlichen Persönlichkeit - dem Politiker, dem visionären Staatsmann, dem erfolgreichen Schriftsteller und Hobbymaler.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2006Überleben ist alles
In Winston Churchills Höhen und Tiefen versetzt sich Peter Alter gekonnt und auf knappem Raum
Zehn Jahre hatte der unruhige Winston Churchill im erzwungenen Vorruhestand verbringen müssen, hatte nur Geschichte geschrieben, statt Geschichte zu machen. Nach dem deutschen Angriff auf Polen holte Premierminister Chamberlain seinen schärfsten Kritiker am Tag der Kriegserklärung an das "Dritte Reich" sofort ins Kabinett. Als Marineminister nahm er einen Posten ein, den er ein Vierteljahrhundert zuvor schon einmal bekleidet hatte: "Er war davon überzeugt, in der Stunde der höchsten Gefahr der Mann des Schicksals zu sein, der Retter des Vaterlandes. ,Winston ist wieder da' funkte das Ministerium angeblich an die Schiffe der Flotte. Doch eine jüngere Generation fragte im September 1939: ,Wer ist Winston?'"
Diese Frage beantwortet Peter Alter für ein breites deutsches Publikum höchst unterhaltsam auf gerade einmal dreihundert Seiten und - was Churchills zahlreiche Funktionen und Schriften betrifft - sehr gut proportioniert. Im Oktober 1900 ins Unterhaus gewählt, war er stellvertretender Kolonialminister, Wirtschaftsminister, Innenminister, Marineminister (1911 bis 1915), Bataillonskommandeur in Frankreich, Rüstungsminister (1917 bis 1919), Kriegs- und Luftfahrtminister, Kolonialminister, Finanzminister (1924 bis 1929), wieder Marineminister (1939/40) und zweimal Premierminister. 1964 gab er seinen Unterhaussitz auf und starb am 24. Januar 1965.
"Leben und Überleben" lautet der Untertitel der Biographie über den politischen und publizistischen Rekordhalter, dessen OEuvre zum Zeitpunkt der Verleihung des Nobelpreises für Literatur 1953 auf 27 Bücher in 55 Jahren angewachsen war, ohne die Redensammlungen einzuberechnen. Immerhin ehrte die schwedische Akademie mit dem Preis ausdrücklich die hervorragende Redekunst Churchills. Dennoch interessieren den deutschen Biographen nicht nur die großen Fähigkeiten, sondern auch die vielen Schrulligkeiten Churchills, neben den Höhen auch die Tiefen seiner beispiellosen Karriere, also das "Überleben" in der Mehrdeutigkeit des Wortes: vom Schweren überstehen über das nicht mehr in die Zeit passen bis zum über den Tod hinaus in der Erinnerung bleiben.
Der als wunderbarer Geschichtenerzähler oft gerühmte Churchill meinte 1954 bei der Feier seines achtzigsten Geburtstages in der Londoner Westminister Hall augenzwinkernd, er habe sich immer seinen Lebensunterhalt durch Reden und Schreiben verdient, "by my pen and my tongue". Und Ruhm erntete er schon in jungen Jahren als furchtloser Kriegsberichterstatter in den Kolonien, obwohl ihn hohe Offiziere sogleich als "Reklamehelden" verachteten. Überhaupt war die Unterordnung im Soldatenberuf auf Dauer nichts für den Husarenleutnant, der 1895 in einem Brief an seine Mutter die Politik als "schönes Spiel" bezeichnete, das er mit seiner Wahl ins Unterhaus für die Konservative Partei eröffnen konnte. Sogar die beiden Parteiwechsel - im Mai 1904 zu den Liberalen und im September 1924 zurück zu den Konservativen - schadeten seiner Karriere nicht, weil er in allen Ämtern glänzte.
Als Churchill in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre an der Spitze des Finanzministeriums stand, wurde übrigens die 1919 beschlossene sogenannte Zehnjahresregel - eine ziemlich willkürliche Festsetzung des Zeitraums, in dem Großbritannien nicht mit einem größeren Krieg rechnen wollte - immer wieder von der Regierung um ein weiteres Jahr verlängert: "In den 1930er Jahren stellte es sich im nachhinein als gravierender Fehler heraus. Als sich Churchill jetzt angesichts der zunehmenden Bedrohung durch das nationalsozialistische Deutschland lautstark für die militärische Aufrüstung Großbritanniens einsetzte, unterschlug er, daß er für die nun beklagten Schwächen der britischen Streitkräfte aller Waffengattungen eine erhebliche Mitverantwortung trug."
Nach zehn Jahren Isolierung auch in der eigenen Partei brachte ihn Hitlers Krieg wieder in die Regierung und im Mai 1940 ins höchste Regierungsamt, machte den Antibolschewisten 1941 zum Architekten der "Grand Alliance" gegen Deutschland, ja zum Männerfreund von "Uncle Joe" Stalin, des vorübergehenden Hitler-Komplizen. Churchill sah sich stets als Kriegsherr, nicht als Friedensplaner. In diesem Zusammenhang widmet sich der Verfasser auch dem Bombenkrieg gegen das "Dritte Reich", der aus britischer Sicht drei Aufgaben zu erfüllen hatte: Vergeltung für deutsche Angriffe auf englische Städte, dann seit 1941 Entlastung für die Sowjetunion angesichts der Kritik Stalins am Ausbleiben der Zweiten Front in Westeuropa, schließlich seit August 1942 die Destabilisierung der nationalsozialistischen Diktatur durch die Demoralisierung der Zivilbevölkerung. Ähnlich "naive Erwartungen" von einem Zusammenbruch der "Heimatfront" habe die deutsche Seite während des Luftkriegs gegen London 1940 gehegt: "Man fragt sich, warum Churchill und seine Berater aus der eindeutigen Reaktion der Londoner Bevölkerung auf den ,Blitz' nicht ihre Schlüsse gezogen haben."
Zum "besonders tragischen Fall" Dresden stellt Alter fest, daß es hier über Verantwortung und Schuld keine Zweifel gebe: "Nach Lage der Dinge hätte das Bomberkommando unter dem Luftmarschall Arthur Harris ohne die ausdrückliche Billigung Churchills nicht so entschieden und nicht so handeln können, wie es das im Februar 1945 tat." Ende Januar habe Churchill die Angriffe verstärken lassen, angeblich aus Loyalität zum sowjetischen Verbündeten: "Aber schon Ende März stellten die Briten den Luftkrieg gegen Deutschland mehr oder weniger ein, denn sonst, hielt Churchill in einer Aktennotiz für das Komitee der Generalstabschefs am 28. März fest, ,werden wir die Kontrolle über ein völlig ruiniertes Land erhalten'. Für ihn schien nun der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem ,die Frage der Bombardierung deutscher Städte mit dem alleinigen Zweck, den Terror zu vermehren, wenngleich unter anderen Vorwänden, überdacht werden sollte . . . Die Zerstörung Dresdens weckt ernste Zweifel an der Führung des alliierten Bombenkrieges'." Alter glaubt, daß Churchill sich der "Monstrosität des Geschehens, vielleicht weniger des ganzen Ausmaßes der angerichteten Zerstörungen" durchaus bewußt gewesen sei. Er habe es aber vorgezogen, darüber öffentlich zu schweigen - bis auf ein paar beiläufige Bemerkungen in seiner sechsbändigen Geschichte des Zweiten Weltkrieges, die in achtzehn Sprachen übersetzt wurde. Immerhin soll er gelegentlich privat etwas von seinen Empfindungen verraten haben - so 1943 zu seiner Tochter Sarah beim Betrachten von Luftaufnahmen von einem nächtlichen Angriff der Royal Air Force auf eine deutsche Stadt: "Sind wir Bestien? Treiben wir das zu weit?"
Auf den Sieg über Deutschland folgte die Niederlage der Konservativen Partei bei der Unterhauswahl noch während der Potsdamer Konferenz, so daß Churchill am 26. Juli 1945 nach London flog und dort seinen Rücktritt erklärte. Als wenig effektiver Oppositionsführer in der Zeit bis zu seinem zweiten Einzug in No. 10 Downing Street Ende Oktober 1951 als "Halbtagspremier" pflegte er vor allem sein weltweites Renommee als Warner vor dem "Vordringen Moskaus in das Zentrum Europas" und als hochdotierter Autor von Büchern und Zeitungsartikeln. Besonders einfühlsam schildert Alter die Lebensphase Churchills nach dem Rücktritt 1955. An den Folgen der Schlaganfälle von 1949 und 1953 leidend, war er verbraucht: "Seine Schwerhörigkeit und Konzentrationsschwächen nahmen zu, ebenso häuften sich seine Depressionen, seine ,Melancholie' . . . Was die Anfälle des von ihm so gefürchteten ,black dog' auslöste, vermochte er selbst nicht zu sagen. Aktivität, Geschäftigkeit, lebhafte Besucher konnten sie lindern, ja sogar vertreiben - auch das wußte er." Er habe sich meist elend und unzufrieden gefühlt, kein Hörgerät benutzen wollen, daher in Gesellschaft abwesend gewirkt, was nicht selten mit Senilität verwechselt worden sei. "In den letzten zwei, drei Jahren seines Lebens versank der einst so willensstarke, geistreiche, Energie sprühende und lebenszugewandte Mann in Schwermut und Apathie. Er las nicht mehr und redete nur noch selten. Seine Worte waren schwer zu verstehen. Selbst alte Freunde erkannte er nicht mehr", schreibt Alter: "Dämmerte Churchill seinem Ende entgegen, so wie es viele Menschen trifft? Durchlebte er das ganze Spektrum der conditio humana, von Glück bis Verzweiflung?" Jedenfalls brauchte er sich um seinen Nachruhm nicht zu sorgen, weil er es wie kein zweiter verstanden hatte, die freie Welt durch die Wirkung seiner Worte gegen Hitler zu mobilisieren und über ihn zu triumphieren.
RAINER BLASIUS
Peter Alter: Winston Churchill. Leben und Überleben. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2006. 326 S., 19,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In Winston Churchills Höhen und Tiefen versetzt sich Peter Alter gekonnt und auf knappem Raum
Zehn Jahre hatte der unruhige Winston Churchill im erzwungenen Vorruhestand verbringen müssen, hatte nur Geschichte geschrieben, statt Geschichte zu machen. Nach dem deutschen Angriff auf Polen holte Premierminister Chamberlain seinen schärfsten Kritiker am Tag der Kriegserklärung an das "Dritte Reich" sofort ins Kabinett. Als Marineminister nahm er einen Posten ein, den er ein Vierteljahrhundert zuvor schon einmal bekleidet hatte: "Er war davon überzeugt, in der Stunde der höchsten Gefahr der Mann des Schicksals zu sein, der Retter des Vaterlandes. ,Winston ist wieder da' funkte das Ministerium angeblich an die Schiffe der Flotte. Doch eine jüngere Generation fragte im September 1939: ,Wer ist Winston?'"
Diese Frage beantwortet Peter Alter für ein breites deutsches Publikum höchst unterhaltsam auf gerade einmal dreihundert Seiten und - was Churchills zahlreiche Funktionen und Schriften betrifft - sehr gut proportioniert. Im Oktober 1900 ins Unterhaus gewählt, war er stellvertretender Kolonialminister, Wirtschaftsminister, Innenminister, Marineminister (1911 bis 1915), Bataillonskommandeur in Frankreich, Rüstungsminister (1917 bis 1919), Kriegs- und Luftfahrtminister, Kolonialminister, Finanzminister (1924 bis 1929), wieder Marineminister (1939/40) und zweimal Premierminister. 1964 gab er seinen Unterhaussitz auf und starb am 24. Januar 1965.
"Leben und Überleben" lautet der Untertitel der Biographie über den politischen und publizistischen Rekordhalter, dessen OEuvre zum Zeitpunkt der Verleihung des Nobelpreises für Literatur 1953 auf 27 Bücher in 55 Jahren angewachsen war, ohne die Redensammlungen einzuberechnen. Immerhin ehrte die schwedische Akademie mit dem Preis ausdrücklich die hervorragende Redekunst Churchills. Dennoch interessieren den deutschen Biographen nicht nur die großen Fähigkeiten, sondern auch die vielen Schrulligkeiten Churchills, neben den Höhen auch die Tiefen seiner beispiellosen Karriere, also das "Überleben" in der Mehrdeutigkeit des Wortes: vom Schweren überstehen über das nicht mehr in die Zeit passen bis zum über den Tod hinaus in der Erinnerung bleiben.
Der als wunderbarer Geschichtenerzähler oft gerühmte Churchill meinte 1954 bei der Feier seines achtzigsten Geburtstages in der Londoner Westminister Hall augenzwinkernd, er habe sich immer seinen Lebensunterhalt durch Reden und Schreiben verdient, "by my pen and my tongue". Und Ruhm erntete er schon in jungen Jahren als furchtloser Kriegsberichterstatter in den Kolonien, obwohl ihn hohe Offiziere sogleich als "Reklamehelden" verachteten. Überhaupt war die Unterordnung im Soldatenberuf auf Dauer nichts für den Husarenleutnant, der 1895 in einem Brief an seine Mutter die Politik als "schönes Spiel" bezeichnete, das er mit seiner Wahl ins Unterhaus für die Konservative Partei eröffnen konnte. Sogar die beiden Parteiwechsel - im Mai 1904 zu den Liberalen und im September 1924 zurück zu den Konservativen - schadeten seiner Karriere nicht, weil er in allen Ämtern glänzte.
Als Churchill in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre an der Spitze des Finanzministeriums stand, wurde übrigens die 1919 beschlossene sogenannte Zehnjahresregel - eine ziemlich willkürliche Festsetzung des Zeitraums, in dem Großbritannien nicht mit einem größeren Krieg rechnen wollte - immer wieder von der Regierung um ein weiteres Jahr verlängert: "In den 1930er Jahren stellte es sich im nachhinein als gravierender Fehler heraus. Als sich Churchill jetzt angesichts der zunehmenden Bedrohung durch das nationalsozialistische Deutschland lautstark für die militärische Aufrüstung Großbritanniens einsetzte, unterschlug er, daß er für die nun beklagten Schwächen der britischen Streitkräfte aller Waffengattungen eine erhebliche Mitverantwortung trug."
Nach zehn Jahren Isolierung auch in der eigenen Partei brachte ihn Hitlers Krieg wieder in die Regierung und im Mai 1940 ins höchste Regierungsamt, machte den Antibolschewisten 1941 zum Architekten der "Grand Alliance" gegen Deutschland, ja zum Männerfreund von "Uncle Joe" Stalin, des vorübergehenden Hitler-Komplizen. Churchill sah sich stets als Kriegsherr, nicht als Friedensplaner. In diesem Zusammenhang widmet sich der Verfasser auch dem Bombenkrieg gegen das "Dritte Reich", der aus britischer Sicht drei Aufgaben zu erfüllen hatte: Vergeltung für deutsche Angriffe auf englische Städte, dann seit 1941 Entlastung für die Sowjetunion angesichts der Kritik Stalins am Ausbleiben der Zweiten Front in Westeuropa, schließlich seit August 1942 die Destabilisierung der nationalsozialistischen Diktatur durch die Demoralisierung der Zivilbevölkerung. Ähnlich "naive Erwartungen" von einem Zusammenbruch der "Heimatfront" habe die deutsche Seite während des Luftkriegs gegen London 1940 gehegt: "Man fragt sich, warum Churchill und seine Berater aus der eindeutigen Reaktion der Londoner Bevölkerung auf den ,Blitz' nicht ihre Schlüsse gezogen haben."
Zum "besonders tragischen Fall" Dresden stellt Alter fest, daß es hier über Verantwortung und Schuld keine Zweifel gebe: "Nach Lage der Dinge hätte das Bomberkommando unter dem Luftmarschall Arthur Harris ohne die ausdrückliche Billigung Churchills nicht so entschieden und nicht so handeln können, wie es das im Februar 1945 tat." Ende Januar habe Churchill die Angriffe verstärken lassen, angeblich aus Loyalität zum sowjetischen Verbündeten: "Aber schon Ende März stellten die Briten den Luftkrieg gegen Deutschland mehr oder weniger ein, denn sonst, hielt Churchill in einer Aktennotiz für das Komitee der Generalstabschefs am 28. März fest, ,werden wir die Kontrolle über ein völlig ruiniertes Land erhalten'. Für ihn schien nun der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem ,die Frage der Bombardierung deutscher Städte mit dem alleinigen Zweck, den Terror zu vermehren, wenngleich unter anderen Vorwänden, überdacht werden sollte . . . Die Zerstörung Dresdens weckt ernste Zweifel an der Führung des alliierten Bombenkrieges'." Alter glaubt, daß Churchill sich der "Monstrosität des Geschehens, vielleicht weniger des ganzen Ausmaßes der angerichteten Zerstörungen" durchaus bewußt gewesen sei. Er habe es aber vorgezogen, darüber öffentlich zu schweigen - bis auf ein paar beiläufige Bemerkungen in seiner sechsbändigen Geschichte des Zweiten Weltkrieges, die in achtzehn Sprachen übersetzt wurde. Immerhin soll er gelegentlich privat etwas von seinen Empfindungen verraten haben - so 1943 zu seiner Tochter Sarah beim Betrachten von Luftaufnahmen von einem nächtlichen Angriff der Royal Air Force auf eine deutsche Stadt: "Sind wir Bestien? Treiben wir das zu weit?"
Auf den Sieg über Deutschland folgte die Niederlage der Konservativen Partei bei der Unterhauswahl noch während der Potsdamer Konferenz, so daß Churchill am 26. Juli 1945 nach London flog und dort seinen Rücktritt erklärte. Als wenig effektiver Oppositionsführer in der Zeit bis zu seinem zweiten Einzug in No. 10 Downing Street Ende Oktober 1951 als "Halbtagspremier" pflegte er vor allem sein weltweites Renommee als Warner vor dem "Vordringen Moskaus in das Zentrum Europas" und als hochdotierter Autor von Büchern und Zeitungsartikeln. Besonders einfühlsam schildert Alter die Lebensphase Churchills nach dem Rücktritt 1955. An den Folgen der Schlaganfälle von 1949 und 1953 leidend, war er verbraucht: "Seine Schwerhörigkeit und Konzentrationsschwächen nahmen zu, ebenso häuften sich seine Depressionen, seine ,Melancholie' . . . Was die Anfälle des von ihm so gefürchteten ,black dog' auslöste, vermochte er selbst nicht zu sagen. Aktivität, Geschäftigkeit, lebhafte Besucher konnten sie lindern, ja sogar vertreiben - auch das wußte er." Er habe sich meist elend und unzufrieden gefühlt, kein Hörgerät benutzen wollen, daher in Gesellschaft abwesend gewirkt, was nicht selten mit Senilität verwechselt worden sei. "In den letzten zwei, drei Jahren seines Lebens versank der einst so willensstarke, geistreiche, Energie sprühende und lebenszugewandte Mann in Schwermut und Apathie. Er las nicht mehr und redete nur noch selten. Seine Worte waren schwer zu verstehen. Selbst alte Freunde erkannte er nicht mehr", schreibt Alter: "Dämmerte Churchill seinem Ende entgegen, so wie es viele Menschen trifft? Durchlebte er das ganze Spektrum der conditio humana, von Glück bis Verzweiflung?" Jedenfalls brauchte er sich um seinen Nachruhm nicht zu sorgen, weil er es wie kein zweiter verstanden hatte, die freie Welt durch die Wirkung seiner Worte gegen Hitler zu mobilisieren und über ihn zu triumphieren.
RAINER BLASIUS
Peter Alter: Winston Churchill. Leben und Überleben. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2006. 326 S., 19,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Lothar Kettenacker ist angenehm berührt von Ton und Struktur dieser Biografie Winston Churchills von Peter Alter. Der Autor pflegt einen an angelsächsische Sachbücher erinnernden flüssigen Schreibstil, was eine vergnügliche Lektüre garantiert, lobt der Rezensent. Dabei liege Alters Hauptaugenmerk auf der Persönlichkeit des englischen Politikers, den er gern zitiert und dadurch einen besonders "authentischen" Eindruck vom ungewöhnlichen Charakter Churchills vermittelt. Die Politik kommt allerdings trotzdem nicht zu kurz, so der Rezensent, wobei er betont, dass Alter auch die Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg angemessen beachtet. Gut findet er auch, dass der Autor bei aller Sympathie für seinen Protagonisten dennoch nicht unkritisch mit dessen Charakterzügen und politischen Handlungen umgeht.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
" Wer ist Winston? Diese Frage beantwortet Peter Alter für ein breites deutsches Publikum höchst unterhaltsam auf gerade einmal dreihundert Seiten und - was Churchills zahlreiche Funktionen und Schriften betrifft - sehr gut proportioniert."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Alter will, ähnlich wie der von ihm oft zitierte Sebastian Haffner vor 40 Jahren den Deutschen den weniger bekannten, von aller Goebbelschen Polemik gereinigten Staatsmann vor Augen führen... Die Lektüre wird dem Leser durch einen glänzenden, geradezu angelsächsisch-intuitiven Erzählstil leicht gemacht, gegenüber dem Helden nie unkritisch, aber aber doch voller Empathie ... So wäre eigentlich jedem Geschäftsmann zu raten, sich das durch die Sekretärin georderte Buch vor Antritt seiner Reise schnell in die Manteltasche zu stecken: Garantiert ist eine unterhaltsame Reise ..."
Süddeutsche Zeitung
"Für seinen späteren Nachfolger Harold Macmillan blieb Churchill auch noch im hohen Alter so etwas wie ein enfant terrible. Diese ebenso komplexe und facettenreiche wie exentrische und faszinierende Persönlichkeit hat schon zu Lebzeiten die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen intensiv auf sich gezogen, zwischen glühenden Anhängern und schroffen Gegnern polarisiert. Freilich ist einer der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts den Deutschen auf eigentümliche Weise fremd geblieben. Während Abhandlungen über seinen schärfsten, dabei doch grundverschiedenen Kontrahenten, Hitler, den deutschen Büchermarkt überschwemmen, ist die Literatur über Churchill hier eher dünn gesät." ... "Kaum jemand dürfte qualifizierter sein, diese Lücke auf dem deutschen Markt zu schließen, als Peter Alter. Denn er ist in beiden Welten, der britischen wie der deutschen, beheimatet. An der Universität Duisburg-Essen hat er Neuere Geschichte und Zeitgeschichte gelehrt, davor lange Zeit erfolgreich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in London gewirkt. So verbindet er in seiner eindrucksvollen Churchill-Biografie eine enge Vertrautheit mit Geschichte und Kultur Großbritanniens mit dem geschärften Blick kritischer Distanz von außen." "Der Verfasser stellt mit großem Einfühungsvermögen alle Seiten dieser vielschichtigen Persönlichkeit dar: nicht nur den zupackenden und charismatischen Staatsmann, auch den privilegierten Spross der britischen Hocharistokratie mit sozialem Gespür, den Abenteuerlustigen in Kuba, Indien und Südafrika, den Hobby-Maler mit seiner Vorliebe für mediterranes Flair, den brillanten und außerordentlich fruchtbaren Journalisten und Schriftsteller... In einem äußerlich unscheinbaren Taschenbuch verbirgt sich eine Biografie, die zu den deutschen Standardwerken über Churchill gehören dürfte."
Sehepunkte - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaft
"Peter Alter gelingt es mit einem außergewöhnlich fesselnden Lesestil die Person Churchill allumfassend und treffend zu beschreiben, ohne dabei die notwendigen welt- und innenpolitischen Zusammenhänge aus dem Auge zu verlieren und das alles auf nur knapp 280 (Taschenbuch-) Seiten.
Literaturkritik
Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Alter will, ähnlich wie der von ihm oft zitierte Sebastian Haffner vor 40 Jahren den Deutschen den weniger bekannten, von aller Goebbelschen Polemik gereinigten Staatsmann vor Augen führen... Die Lektüre wird dem Leser durch einen glänzenden, geradezu angelsächsisch-intuitiven Erzählstil leicht gemacht, gegenüber dem Helden nie unkritisch, aber aber doch voller Empathie ... So wäre eigentlich jedem Geschäftsmann zu raten, sich das durch die Sekretärin georderte Buch vor Antritt seiner Reise schnell in die Manteltasche zu stecken: Garantiert ist eine unterhaltsame Reise ..."
Süddeutsche Zeitung
"Für seinen späteren Nachfolger Harold Macmillan blieb Churchill auch noch im hohen Alter so etwas wie ein enfant terrible. Diese ebenso komplexe und facettenreiche wie exentrische und faszinierende Persönlichkeit hat schon zu Lebzeiten die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen intensiv auf sich gezogen, zwischen glühenden Anhängern und schroffen Gegnern polarisiert. Freilich ist einer der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts den Deutschen auf eigentümliche Weise fremd geblieben. Während Abhandlungen über seinen schärfsten, dabei doch grundverschiedenen Kontrahenten, Hitler, den deutschen Büchermarkt überschwemmen, ist die Literatur über Churchill hier eher dünn gesät." ... "Kaum jemand dürfte qualifizierter sein, diese Lücke auf dem deutschen Markt zu schließen, als Peter Alter. Denn er ist in beiden Welten, der britischen wie der deutschen, beheimatet. An der Universität Duisburg-Essen hat er Neuere Geschichte und Zeitgeschichte gelehrt, davor lange Zeit erfolgreich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in London gewirkt. So verbindet er in seiner eindrucksvollen Churchill-Biografie eine enge Vertrautheit mit Geschichte und Kultur Großbritanniens mit dem geschärften Blick kritischer Distanz von außen." "Der Verfasser stellt mit großem Einfühungsvermögen alle Seiten dieser vielschichtigen Persönlichkeit dar: nicht nur den zupackenden und charismatischen Staatsmann, auch den privilegierten Spross der britischen Hocharistokratie mit sozialem Gespür, den Abenteuerlustigen in Kuba, Indien und Südafrika, den Hobby-Maler mit seiner Vorliebe für mediterranes Flair, den brillanten und außerordentlich fruchtbaren Journalisten und Schriftsteller... In einem äußerlich unscheinbaren Taschenbuch verbirgt sich eine Biografie, die zu den deutschen Standardwerken über Churchill gehören dürfte."
Sehepunkte - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaft
"Peter Alter gelingt es mit einem außergewöhnlich fesselnden Lesestil die Person Churchill allumfassend und treffend zu beschreiben, ohne dabei die notwendigen welt- und innenpolitischen Zusammenhänge aus dem Auge zu verlieren und das alles auf nur knapp 280 (Taschenbuch-) Seiten.
Literaturkritik