»Wir wollen alles, und das ist nicht zu viel verlangt.«
Cool, schlau, schön - das sind die neuen Feministinnen. Sie wollen alles: Kinder und Karriere, Intellekt und Sex, Verantwortung und Freiheit. Nicht die Männer sind ihre Feinde, sondern die ungerechten gesellschaftlichen Strukturen; und die gilt es zu bekämpfen - mit den Männern.
Cool, schlau, schön - das sind die neuen Feministinnen. Sie wollen alles: Kinder und Karriere, Intellekt und Sex, Verantwortung und Freiheit. Nicht die Männer sind ihre Feinde, sondern die ungerechten gesellschaftlichen Strukturen; und die gilt es zu bekämpfen - mit den Männern.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2008Frisch, Frau, fröhlich und frei
Feminismus ist sexy, anfangs vielleicht schwer, aber er führt zu gutem Sex. Man muss nur sein Hirn benutzen und darf sich Dummheit nicht gefallen lassen. Dieses Buch von drei jungen Frauen ist Mädchenpflichtlektüre
Wir brauchen wieder Feminismus, sagen die drei jungen Autorinnen dieses Buches, den finden sie nämlich sexy, aus vielen Gründen: Zum Beispiel, weil von Frauen wieder dringend erwartet wird, Kinder zu gebären, nur halt diesmal nicht mit der Begründung, dies sei die wahre Bestimmung des Weibes, sondern zur Abwendung der „demographischen Katstrophe”. Auch weil in diesem Lande, vierzig Jahre nach Beginn der zweiten Frauenbewegung, der Schwangerschaftsabbruch immer noch verboten ist. Als Ende des letzten Jahrhunderts zuletzt über Abtreibung diskutiert wurde, ging es keine Sekunde darum, ob Frauen eventuell auch mitzureden hätten, statt nur etwas mitzumachen (in den alten Mären heißt dieses Mitreden „Selbstbestimmungsrecht”), sondern darum, ob die katholische Kirche zur Abtreibung genötigte Frauen beraten dürfe oder nicht. „Mein Bauch gehört mir” ist ein Lied aus fernen Zeiten, und straffrei bleibt eine Abtreibung nur, wenn die eh schon gebeutelte Frau sich zum Beratungsobjekt entmündigt und ihre privaten Verhältnisse jemandem offenlegt, der verpflichtet ist, ihr zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu raten.
Weitere Gründe für Feminismus sind, dass genug gehirngewaschene junge Frauen sich modisch an der Berufskleidung von Prostituierten orientieren. Dass mehr Frauen als Männer ein Studium beginnen, dabei aber keine Fülle von Professorinnen herauskommt, sondern eine Fülle von Müttern mit Staatsexamen. Und nach wie vor sitzen ganz oben Männer, Männer und nochmals Männer. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl wurden 1983, 1978 und 1972 geboren, zu der Zeit also, in der der Feminismus sich nach einem herrlichen Aufbruch in die Bedeutungslosigkeit hineinentwickelte. Die in den siebziger Jahren als Feminismus praktizierte Selbsterforschung des weiblichen Genitals mittels Spekulum und Spiegel in der Gruppe finden die Autorinnen genauso eklig wie seinerzeit all die Frauen, die sich durch solche Praktiken nicht in ihrer Weiblichkeit gestärkt, sondern traumatisiert fühlten und sich hinfort vom Feminismus fernhielten. Weswegen es geschehen konnte, dass es diesen heute nur noch in Form des Aliceschwarzerismus gibt. Der aber vertritt Partikularinteressen. Er ist keine allgemeine Frauen-, sondern eine Lesbenbefreiungsbewegung (so klar sagen die drei Autorinnen das allerdings nicht; sie wollen gar nicht polarisieren). Aus politischen Gründen homosexuell werden zu sollen, finden diese drei jungen Frauen jedoch idiotisch, immerhin haben sie viel Freude an ihrer Heterosexualität. Und darum kein Verständnis für das, was Hardcore-Feministinnen ihren Müttern einzubleuen versuchten: dass Feminismus die Theorie und Lesbianismus die Praxis sei. Diese jungen Frauen schlafen also nicht mit dem Feind im selben Bett, sondern mit ihren Geliebten. Wenn es sich dabei um eine Frau handelt, soll’s ihnen recht sein, wichtig ist: ohne oder gar gegen die Männer kommen die Frauen nicht voran. Und warum sollten sie auch gegen die Männer sein wollen? Mit jenen gemeinsam eine Welt zu schaffen, in der alle die gleichen Rechte haben, in der Familie für beide Eltern dieselbe emotionale, materielle und tägliche praktische Verantwortung bedeutet, in der Frauen genauso viel Geld verdienen wie Männer und genauso viele Führungspositionen bekleiden wie diese, das ist das Anliegen dieser drei Autorinnen. Eine Welt, in der Frausein nichts ist, das problematisiert werden müsste, sondern eine von zwei vorhandenen Möglichkeiten, und basta. So eine Welt wünschen sie sich, und dass die nicht schon längst existiert, ist … eigentlich ein bisschen traurig, um es mal mädchenhaft zu sagen.
Genug geschäumt: dieses Buch ist wunderbar und gehört in jede Mädchenhand. Denn es ist wirklich ein Mädchenbuch. Nur wird den Mädchen hier weder beigebracht, wie man sich beim ersten Opernbesuch benimmt, noch wird ihnen mitgeteilt, dass sie das Opfer patriarchaler Verhältnisse und Männer qua Geschlecht Schweine seien, sondern es wird ihnen eingebleut, dass sie gefälligst ihr Hirn benutzen und sich nichts gefallen lassen sollen, was auch nur entfernt damit begründet wird, dass sie Frauen sind. Dass es keinen Grund dafür gibt, sobald man ein Kind hat, nur noch als Mutter existieren zu dürfen. Und auch keinen Grund, für dieselbe Arbeit weniger Geld zu bekommen als Männer.
Das Buch hat einen äußerst angenehmen frischen Ton und enthält viele Ratschläge, wie man – frau – mensch anfangen kann mit dem Feminismus. Der mag anfänglich anstrengend sein, ist aber nötig. Und auch sehr angenehm, etwa, weil er zu gutem Sex führt, wobei die Pille jedoch nicht das Verhütungsmittel der Wahl sein sollte. (Die mit Aids aufgewachsenen Autorinnen werben für Kondome, deren Eignung für guten Sex zu bezweifeln ist, während das gute alte Diaphragma nicht einmal erwähnt wird. Aber das ist der einzige Mangel dieses Buches!) Sie wenden sich gegen den Biologismus, der es mit Natur statt mit Soziologie erklärt, dass es lächerlich wenig Krippenplätze gibt. Sie finden, dass Mütterlichkeit nicht ans Geschlecht gebunden ist. Sie haben nichts gegen Pornos, wenn sie nett gemacht sind, und vor allem haben sie, wie gesagt, nichts gegen Männer. Nur etwas dagegen, dass die allein den Ton angeben sollen. Noch einmal: Dieses Buch sollen alle Mädchen lesen. Damit sie keine Gammaweibis werden, sondern Alphafrauen. IRIS HANIKA
Meredith Haaf, Susanne Klingner, Barbara Streidl
Wir Alphamädchen
Warum Feminismus das Leben schöner macht. Hoffmann und Campe,
Hamburg 2008. 220 Seiten, 19,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Feminismus ist sexy, anfangs vielleicht schwer, aber er führt zu gutem Sex. Man muss nur sein Hirn benutzen und darf sich Dummheit nicht gefallen lassen. Dieses Buch von drei jungen Frauen ist Mädchenpflichtlektüre
Wir brauchen wieder Feminismus, sagen die drei jungen Autorinnen dieses Buches, den finden sie nämlich sexy, aus vielen Gründen: Zum Beispiel, weil von Frauen wieder dringend erwartet wird, Kinder zu gebären, nur halt diesmal nicht mit der Begründung, dies sei die wahre Bestimmung des Weibes, sondern zur Abwendung der „demographischen Katstrophe”. Auch weil in diesem Lande, vierzig Jahre nach Beginn der zweiten Frauenbewegung, der Schwangerschaftsabbruch immer noch verboten ist. Als Ende des letzten Jahrhunderts zuletzt über Abtreibung diskutiert wurde, ging es keine Sekunde darum, ob Frauen eventuell auch mitzureden hätten, statt nur etwas mitzumachen (in den alten Mären heißt dieses Mitreden „Selbstbestimmungsrecht”), sondern darum, ob die katholische Kirche zur Abtreibung genötigte Frauen beraten dürfe oder nicht. „Mein Bauch gehört mir” ist ein Lied aus fernen Zeiten, und straffrei bleibt eine Abtreibung nur, wenn die eh schon gebeutelte Frau sich zum Beratungsobjekt entmündigt und ihre privaten Verhältnisse jemandem offenlegt, der verpflichtet ist, ihr zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu raten.
Weitere Gründe für Feminismus sind, dass genug gehirngewaschene junge Frauen sich modisch an der Berufskleidung von Prostituierten orientieren. Dass mehr Frauen als Männer ein Studium beginnen, dabei aber keine Fülle von Professorinnen herauskommt, sondern eine Fülle von Müttern mit Staatsexamen. Und nach wie vor sitzen ganz oben Männer, Männer und nochmals Männer. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl wurden 1983, 1978 und 1972 geboren, zu der Zeit also, in der der Feminismus sich nach einem herrlichen Aufbruch in die Bedeutungslosigkeit hineinentwickelte. Die in den siebziger Jahren als Feminismus praktizierte Selbsterforschung des weiblichen Genitals mittels Spekulum und Spiegel in der Gruppe finden die Autorinnen genauso eklig wie seinerzeit all die Frauen, die sich durch solche Praktiken nicht in ihrer Weiblichkeit gestärkt, sondern traumatisiert fühlten und sich hinfort vom Feminismus fernhielten. Weswegen es geschehen konnte, dass es diesen heute nur noch in Form des Aliceschwarzerismus gibt. Der aber vertritt Partikularinteressen. Er ist keine allgemeine Frauen-, sondern eine Lesbenbefreiungsbewegung (so klar sagen die drei Autorinnen das allerdings nicht; sie wollen gar nicht polarisieren). Aus politischen Gründen homosexuell werden zu sollen, finden diese drei jungen Frauen jedoch idiotisch, immerhin haben sie viel Freude an ihrer Heterosexualität. Und darum kein Verständnis für das, was Hardcore-Feministinnen ihren Müttern einzubleuen versuchten: dass Feminismus die Theorie und Lesbianismus die Praxis sei. Diese jungen Frauen schlafen also nicht mit dem Feind im selben Bett, sondern mit ihren Geliebten. Wenn es sich dabei um eine Frau handelt, soll’s ihnen recht sein, wichtig ist: ohne oder gar gegen die Männer kommen die Frauen nicht voran. Und warum sollten sie auch gegen die Männer sein wollen? Mit jenen gemeinsam eine Welt zu schaffen, in der alle die gleichen Rechte haben, in der Familie für beide Eltern dieselbe emotionale, materielle und tägliche praktische Verantwortung bedeutet, in der Frauen genauso viel Geld verdienen wie Männer und genauso viele Führungspositionen bekleiden wie diese, das ist das Anliegen dieser drei Autorinnen. Eine Welt, in der Frausein nichts ist, das problematisiert werden müsste, sondern eine von zwei vorhandenen Möglichkeiten, und basta. So eine Welt wünschen sie sich, und dass die nicht schon längst existiert, ist … eigentlich ein bisschen traurig, um es mal mädchenhaft zu sagen.
Genug geschäumt: dieses Buch ist wunderbar und gehört in jede Mädchenhand. Denn es ist wirklich ein Mädchenbuch. Nur wird den Mädchen hier weder beigebracht, wie man sich beim ersten Opernbesuch benimmt, noch wird ihnen mitgeteilt, dass sie das Opfer patriarchaler Verhältnisse und Männer qua Geschlecht Schweine seien, sondern es wird ihnen eingebleut, dass sie gefälligst ihr Hirn benutzen und sich nichts gefallen lassen sollen, was auch nur entfernt damit begründet wird, dass sie Frauen sind. Dass es keinen Grund dafür gibt, sobald man ein Kind hat, nur noch als Mutter existieren zu dürfen. Und auch keinen Grund, für dieselbe Arbeit weniger Geld zu bekommen als Männer.
Das Buch hat einen äußerst angenehmen frischen Ton und enthält viele Ratschläge, wie man – frau – mensch anfangen kann mit dem Feminismus. Der mag anfänglich anstrengend sein, ist aber nötig. Und auch sehr angenehm, etwa, weil er zu gutem Sex führt, wobei die Pille jedoch nicht das Verhütungsmittel der Wahl sein sollte. (Die mit Aids aufgewachsenen Autorinnen werben für Kondome, deren Eignung für guten Sex zu bezweifeln ist, während das gute alte Diaphragma nicht einmal erwähnt wird. Aber das ist der einzige Mangel dieses Buches!) Sie wenden sich gegen den Biologismus, der es mit Natur statt mit Soziologie erklärt, dass es lächerlich wenig Krippenplätze gibt. Sie finden, dass Mütterlichkeit nicht ans Geschlecht gebunden ist. Sie haben nichts gegen Pornos, wenn sie nett gemacht sind, und vor allem haben sie, wie gesagt, nichts gegen Männer. Nur etwas dagegen, dass die allein den Ton angeben sollen. Noch einmal: Dieses Buch sollen alle Mädchen lesen. Damit sie keine Gammaweibis werden, sondern Alphafrauen. IRIS HANIKA
Meredith Haaf, Susanne Klingner, Barbara Streidl
Wir Alphamädchen
Warum Feminismus das Leben schöner macht. Hoffmann und Campe,
Hamburg 2008. 220 Seiten, 19,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2008Allerliebst
Der neue Feminismus ist mädchenhaft brav
Irgendwas stimmt an der Haltung nicht. Da gibt es zwei neue Bücher über Feminismus, und eines heißt "Neue deutsche Mädchen", das andere "Wir Alphamädchen". Wenn man nun aber weiß, dass die Autorinnen - das eine Buch haben zwei, das andere drei zusammen geschrieben - zwischen 25 und 36 Jahren alt sind, dann ahnt man, wie schwer es jeder von ihnen fallen muss, eine Frau zu sein. Alleine das Wort, scheint es, kommt ihnen unheimlich vor. Bedrohlich. Nun lässt es sich aber - als Frau - schlecht über Feminismus schreiben, ohne sich als Frau erkennen geben zu wollen. Gleiche Rechte, gleiche Bezahlung, andere Identifikationsfiguren als Alice Schwarzer: Wenn das 30-jährige Frauen fordern, die sich vorsichtshalber "Mädchen" nennen, hat das ungefähr dieselbe Wirkung, als würde man einen Räuber anflüstern, er möge doch bitte die Tasche wieder fallen lassen. Natürlich nur, wenn's keine Umstände macht.
Beide Bücher gehen sehr unterschiedlich an das Thema heran. In "Neue deutsche Mädchen" erzählen die Schriftstellerin Jana Hensel und ihre Lektorin und Freundin Elisabeth Raether Geschichten aus ihrem eigenen Leben. Hübsch geschrieben, nachdenklich im Ton, sehr um Genauigkeit bemüht, sagen sie aber leider überhaupt nichts aus, was über die jeweiligen Geschichten hinausginge. Jana Hensel zog mit ihren Eltern kurz vor der Geburt ihrer Schwester in ein Eigenheim mit Garten; Elisabeth Raether hatte mal was mit einem Christian, der dann auch etwas mit Daniela hatte, einer Freundin von ihr, die sie meist nur zum Mittagessen traf, weil der Gesprächsstoff nicht für einen ganzen Abend reichte. Ja nun. Mal scheint die Wintersonne in eine Berliner Altbauwohnung, dann ist es wieder Frühling in Paris, und würde nicht hinten extra draufstehen, dass es in diesem Buch darum geht, wie es ist, heute eine Frau zu sein, man würde doch tatsächlich denken, es ginge darum, wie es ist, heute Jana Hensel und ihre Freundin Elisabeth Raether zu sein.
Beim zweiten Buch kann man dagegen auf keiner Seite vergessen, dass es hier um "uns Frauen" geht. Dauernd fordern "wir Alphamädchen" etwas, sind "wir Feministinnen" gegen Schlankheitswahn und für Kondome, gegen Alice Schwarzer und für enthaarte Beine. Dieses "wir" nervt ungemein, auch wenn viele gute Gedanken in diesem Buch stecken, die sich allerdings zwischen verzichtbaren wissenschaftlichen Erhebungen und Prozentzahlen manchmal gut verstecken.
Sie haben ja recht, diese jungen Frauen, die Sache mit der Gleichberechtigung ist irgendwie auf halber Strecke stehengeblieben. Kein Grund zu flüstern.
JOHANNA ADORJÁN
Jana Hensel, Elisabeth Raether: "Neue deutsche Mädchen". Rowohlt-Verlag, 224 Seiten, 16,90 Euro
Meredith Haaf, Susanne Klingner, Barbara Streidl: "Wir Alphamädchen". Hoffmann und Campe, 256 Seiten, 19,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der neue Feminismus ist mädchenhaft brav
Irgendwas stimmt an der Haltung nicht. Da gibt es zwei neue Bücher über Feminismus, und eines heißt "Neue deutsche Mädchen", das andere "Wir Alphamädchen". Wenn man nun aber weiß, dass die Autorinnen - das eine Buch haben zwei, das andere drei zusammen geschrieben - zwischen 25 und 36 Jahren alt sind, dann ahnt man, wie schwer es jeder von ihnen fallen muss, eine Frau zu sein. Alleine das Wort, scheint es, kommt ihnen unheimlich vor. Bedrohlich. Nun lässt es sich aber - als Frau - schlecht über Feminismus schreiben, ohne sich als Frau erkennen geben zu wollen. Gleiche Rechte, gleiche Bezahlung, andere Identifikationsfiguren als Alice Schwarzer: Wenn das 30-jährige Frauen fordern, die sich vorsichtshalber "Mädchen" nennen, hat das ungefähr dieselbe Wirkung, als würde man einen Räuber anflüstern, er möge doch bitte die Tasche wieder fallen lassen. Natürlich nur, wenn's keine Umstände macht.
Beide Bücher gehen sehr unterschiedlich an das Thema heran. In "Neue deutsche Mädchen" erzählen die Schriftstellerin Jana Hensel und ihre Lektorin und Freundin Elisabeth Raether Geschichten aus ihrem eigenen Leben. Hübsch geschrieben, nachdenklich im Ton, sehr um Genauigkeit bemüht, sagen sie aber leider überhaupt nichts aus, was über die jeweiligen Geschichten hinausginge. Jana Hensel zog mit ihren Eltern kurz vor der Geburt ihrer Schwester in ein Eigenheim mit Garten; Elisabeth Raether hatte mal was mit einem Christian, der dann auch etwas mit Daniela hatte, einer Freundin von ihr, die sie meist nur zum Mittagessen traf, weil der Gesprächsstoff nicht für einen ganzen Abend reichte. Ja nun. Mal scheint die Wintersonne in eine Berliner Altbauwohnung, dann ist es wieder Frühling in Paris, und würde nicht hinten extra draufstehen, dass es in diesem Buch darum geht, wie es ist, heute eine Frau zu sein, man würde doch tatsächlich denken, es ginge darum, wie es ist, heute Jana Hensel und ihre Freundin Elisabeth Raether zu sein.
Beim zweiten Buch kann man dagegen auf keiner Seite vergessen, dass es hier um "uns Frauen" geht. Dauernd fordern "wir Alphamädchen" etwas, sind "wir Feministinnen" gegen Schlankheitswahn und für Kondome, gegen Alice Schwarzer und für enthaarte Beine. Dieses "wir" nervt ungemein, auch wenn viele gute Gedanken in diesem Buch stecken, die sich allerdings zwischen verzichtbaren wissenschaftlichen Erhebungen und Prozentzahlen manchmal gut verstecken.
Sie haben ja recht, diese jungen Frauen, die Sache mit der Gleichberechtigung ist irgendwie auf halber Strecke stehengeblieben. Kein Grund zu flüstern.
JOHANNA ADORJÁN
Jana Hensel, Elisabeth Raether: "Neue deutsche Mädchen". Rowohlt-Verlag, 224 Seiten, 16,90 Euro
Meredith Haaf, Susanne Klingner, Barbara Streidl: "Wir Alphamädchen". Hoffmann und Campe, 256 Seiten, 19,95 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Eva Hermans realsatirischer Einsatz sei Dank, gibt es jetzt endlich wieder "einen frischen und überzeugten und ernsthaften Feminismus", der die alten und wesentlichen Fragen wie die nach Rollenverteilung und Einkommensunterschied, Pornografie, Orgasmus und sexueller Gewalt aufgreift, freut sich Rezensentin Hilal Sezgin. Die drei Journalistinnen Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl tun dies in "Wir Alphamädchen" allerdings mit ein wenig zuviel Frische und zu wenig Ernsthaftigkeit und gänzlich ohne theoretischen Unterbau, findet Sezgin. Besonders angesichts der ein wenig naiven Sprache der Autorinnen mit all ihrem "cool" und "geil" schüttelt sie milde das Haupt. Zwar stellen die Autorinnen nicht zu knapp Forderungen, scheint ihr ganzes Buch doch aus Aufrufen zu bestehen, wasgo frau endlich tun oder lassen soll. Dabei sei dieser "Aktionismus" so fröhlich wie "gendertheoretisch unbeleckt", kritisiert Sezgin. Müssen sich die Autorinnen so dümmlich gebärden, wo sie doch so recht haben, wundert sich die vom Tonfall des Buches etwas befremdete Rezensentin. Dennoch, dass "Feminismus lebt", wie Sezgin resümiert, wird auch durch dieses Buch deutlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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