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Wie dem Untergang trotzen? Mit hinreißend lakonischem Witz erzählt Daniel Wisser von vier Generationen einer Familie, durch die sich die Gräben eines ganzen Landes ziehen.
Mitte vierzig, kinderlos, standhafter Sozialdemokrat: Victor Jarno hat sich damit abgefunden, dass seine Gattung vom Aussterben bedroht ist. Erst als er auf einer Familienfeier der Liebe seines Lebens wiederbegegnet, scheint es das auch für ihn zu geben: eine Zukunft. Doch wie kann das gehen - ein Leben mit der richtigen Frau in der falschen Familie?

Produktbeschreibung
Wie dem Untergang trotzen? Mit hinreißend lakonischem Witz erzählt Daniel Wisser von vier Generationen einer Familie, durch die sich die Gräben eines ganzen Landes ziehen.

Mitte vierzig, kinderlos, standhafter Sozialdemokrat: Victor Jarno hat sich damit abgefunden, dass seine Gattung vom Aussterben bedroht ist. Erst als er auf einer Familienfeier der Liebe seines Lebens wiederbegegnet, scheint es das auch für ihn zu geben: eine Zukunft. Doch wie kann das gehen - ein Leben mit der richtigen Frau in der falschen Familie?
Autorenporträt
DANIEL WISSER, 1971 in Klagenfurt geboren, schreibt Prosa, Gedichte, Songtexte. 1994 Mitbegründer des Ersten Wiener Heimorgelorchesters, zuletzt erschien das Album 'Die Letten werden die Esten sein'. 2018 für den Roman 'Königin der Berge' mit dem Österreichischen Buchpreis und dem Johann-Beer-Preis ausgezeichnet. 2021 mit seinem Roman 'Wir bleiben noch' sowohl auf der SWR-Bestenliste wie auch auf der ORF-Bestenliste. Im Frühjahr 2022 erschien der Erzählungsband 'Die erfundene Frau'. Daniel Wisser lebt in Wien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.04.2021

Eine einzige Affäre
Eine Beziehungsgeschichte in Zeiten der abnehmenden Sozialdemokratie: Daniel Wissers großer Österreich-Roman „Wir bleiben noch“
Die Familienfeiern, bei denen sich immer die gleichen Verwandten daneben benehmen; die Beziehungen, in denen Kleinigkeiten zum großen Störfaktor werden; das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, in denen sich die Fürsorgepflichten plötzlich umkehren; und viele Sätze, die wirklich jeder kennt oder schon so formuliert hat: Daniel Wisser verdichtet Szenen aus dem Alltag, die wirklich jeder so oder so ähnlich erlebt hat, zu Literatur. Sein Roman „Wir bleiben noch“ ist ein Buch für Jedermann oder Jederfrau, aber es ist kein Allerweltsbuch.
Die Auseinandersetzungen in diesem Roman sind Generationenkonflikte, das Ringen um den vermeintlich richtigen Weg. Jeder, ob er nun der Generation X, jener der Babyboomer oder der Silveragers angehört, erkennt und findet sich wieder in diesem großen Familienroman. Der Bogen spannt sich über vier Generationen, die Erzählung konzentriert sich jedoch auf Victor und Karoline, beide Mitte 40: Sie Ärztin, er Lebemann. Sie treffen einander wieder nach fast dreißig Jahren beim Verwandtentreffen aus Anlass des 99. Geburtstags der „Urli“, der gemeinsamen Großmutter. So weit, so normal. Dann wird es „krank“, „pervers“, „abartig“: Mit diesen Worten beschreiben die Verwandten das, worauf sich Victor und Karoline einlassen. Eine Beziehung, die wie ein großer Wirbelwind ihr Leben durcheinanderbringt und die dann doch relativ rasch im Alltagstrott erstickt. Für die gesamte Familie ist es ein Skandal, dass Cousin und Cousine miteinander leben und schließlich sogar heiraten. Und das noch dazu auf dem Land, im Haus der „Urli“, auf das auch ihre Mütter Anspruch erheben. Aber es ist nicht die einzige Affäre in dieser Familie, wie sich später herausstellen wird.
Zwei gegen den Rest der Welt – das ist ein auch vor Gericht wegen Erbstreitereien ausgetragener Kampf, der zusammenschmiedet, aber auch zu emotionalen Abnutzungserscheinungen führt. So wie Daniel Glattauer 2006 mit seinem Weltbestseller „Gut gegen Nordwind“ E-Mails als damals neue Kommunikationsform zu einem ungewöhnlichen Liebes- und Briefroman verarbeitete, flicht Wisser jetzt Whatsapp und Emojis als Beschreibung ihres Beziehungsstatus ein. Ein Medium, das in Österreich zur Zeit durch die bekannt gewordenen Chatprotokolle der Regierungsspitzen für Aufsehen sorgt. Es ist aber auch das Porträt einer Generation, der der 1971 geborene Autor selbst angehört.
Famos webt Wisser die historische und aktuelle Gesellschaftspolitik in die Erzählung ein, berichtet vom Niedergang der Sozialdemokratie und vom Aufstieg der Rechtspopulisten in Österreich. Auch die Rolle der Boulevardpresse, die von der Regierung mit Steuerzahlergeld großzügig unterstützt wird, wird ausführlich beleuchtet. Wer Erklärungen für aktuelle politische Entwicklungen sucht, wird in diesem Roman fündig – das ist literarische Zeitgeschichte. Große Geschichte wird auf kleine Geschichten heruntergebrochen, die Einstellungen der Protagonisten wandeln sich: Hier die Großmutter, die bis zu ihrem Tod überzeugte Sozialdemokratin war, aber die NS-Mitgliedschaft ihres Mannes als notwendig rechtfertigt; da die Tochter, die trotz SPÖ-Parteibuch Kurt Waldheim als Präsident gewählt hat, dessen Kandidatur seine Landsleute zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zwang; und dann noch die Enkelin, die sich vor der „Islamisierung des Abendlandes“ fürchtet und „eine der rechtsextremen Parteien“ wählt. Politische Ideale werden verraten, um persönlich profitieren zu können oder schlicht als Reaktion auf Ängste. All das bekannt – und wunderbar erzählt.
In diesem Roman werden österreichische Lebenslügen beschrieben, und das mit einer Leichtigkeit, die verblüfft. Das hat nichts vom Furor und der intellektuellen Brillanz eines Thomas Bernhard, aber beide Autoren arbeiten sich auf höchst unterschiedliche Art an Österreich ab. Zumindest kennt jeder in Österreich jemanden, der so ist wie von Daniel Wisser beschrieben. Und der solche Sätze von sich gibt, wie jenen über die SPÖ: „Die haben einfach nicht die richtigen Leute.“ Die Handlung des Romans konzentriert sich auf den Zeitraum zwischen September 2018 und Oktober 2019 – jene Monate, in denen die Regierung aus ÖVP und FPÖ durch die sogenannte Ibiza-Affäre platzte und die SPÖ nach einer vorgezogenen Wahl dennoch in der Opposition blieb. Während Victor auf die politischen Entwicklungen mit Apathie reagiert, löst die neue politische Konstellation bei Karoline flirrende Aufgeregtheit aus – auch das zwei typische Reaktionen.
Dass dieses Buch in Österreich gleich nach dem Erscheinen auf den Bestsellerlisten landete, verwundert nicht. Die verschiedenen Ebenen erschließen sich in all ihren Verzweigungen vor allem jenen, die die politischen Verhältnisse im Land kennen. Wer in Wien lebt, kennt vermutlich das Café Walther in Favoriten oder das Gasthaus Reinthaler im ersten Bezirk. Mit diesem, seinem fünften Roman, hat sich Daniel Wisser, der bereits mit dem österreichischen Buchpreis ausgezeichnet wurde, als eine der spannendsten Stimmen der österreichischen Gegenwartsliteratur etabliert.
ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID
Politische Ideale werden
verraten, um persönlich
profitieren zu können
Daniel Wisser: Wir bleiben noch. Roman. Luchterhand Literaturverlag,
München, 2021.
480 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Alexandra Föderl-Schmid erkennt sich wieder in Daniel Wissers Familienroman. Die Generationenkonflikte, die der Autor anhand einer skandalösen Beziehung zwischen Cousin und Cousine schildert, sind ihr ebenso wohlbekannt wie die gesellschaftspolitischen Verhältnisse in Österreich in den Jahren 2018 und 2019, in die Wisser seine Geschichte einbettet. Den Wiedererkennungswert der Story für um 1970 geborene österreichische Leser schätzt die Rezensentin hoch ein. Wie der Autor "große Geschichte" auf Familiengeschichte herunterbricht, scheint ihr bemerkenswert und der Autor damit einer der aufregendsten der österreichischen Gegenwartsliteratur, auch wenn Wisser die Brillanz eine Thomas Bernhard nicht erreicht, wie Föderl-Schmid einräumt.

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»Famos webt Wisser die historische und aktuelle Gesellschaftspolitik in die Erzählung ein, berichtet vom Niedergang der Sozialdemokratie und vom Aufstieg der Rechtspopulisten in Österreich.« Alexandra Föderl-Schmid / Süddeutsche Zeitung