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Die beiden Leiter des Kölner Generali Zukunftsfonds Roland Krüger und Loring Sittler leisten mit diesem Buch echte Pionierarbeit.In ihrem Blickpunkt steht die Generation 50+ und ihre künftigen Lebensperspektiven. In einer Gesellschaft der langen Lebensläufe suchen die Älteren immer stärker nach sinnvollen Aufgaben und Lebenskonzepten. In diesem Buch steht konkret, was man tun kann, wie es geht, warum es gut ist und was jeder davon hat!

Produktbeschreibung
Die beiden Leiter des Kölner Generali Zukunftsfonds Roland Krüger und Loring Sittler leisten mit diesem Buch echte Pionierarbeit.In ihrem Blickpunkt steht die Generation 50+ und ihre künftigen Lebensperspektiven. In einer Gesellschaft der langen Lebensläufe suchen die Älteren immer stärker nach sinnvollen Aufgaben und Lebenskonzepten. In diesem Buch steht konkret, was man tun kann, wie es geht, warum es gut ist und was jeder davon hat!
Autorenporträt
ROLAND KRÜGER und LORING SITTLER sind Leiter des Generali Zukunftsfonds in Köln. Dessen Ziel ist es, ziviles Engagement zu stärken und mehr Menschen dazu zu bewegen, Initiative zu ergreifen und sich für eine neue Bürgergesellschaft einzusetzen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2011

Revolution der Reifen
Dass immer mehr Menschen immer älter werden, könnte ein Glücksfall der Geschichte sein

Einigen wird dieses Buch nicht gefallen. Erst die Rente mit 67 Jahren, dann drohende Rentenkürzungen - und nun sollen die Alten, wenn es nach Loring Sittler und Roland Krüger (und Richard David Precht) geht, auch noch unentgeltlich arbeiten.

So gesehen, ist Sittlers und Krügers Buch "Wir brauchen Euch!" eine Zumutung. Es fordert die Älteren auf, sich im Ruhestand eine Tätigkeit zu suchen, am besten eine ehrenamtliche, damit wir besser mit den Folgen des demographischen Wandels umgehen können. Die Autoren gehen jedoch einen Schritt weiter als gängige Endzeitphantasien, und ein paar Vorschläge für die beginnende Ära der Alten haben sie auch. Vielleicht sogar eine Lösung, die den einen Sinn geben könnte und den anderen Hilfe, die Generationen übergreift und Erfahrung weitergibt, die eine noch vom allumsorgenden Staat geprägte Gesellschaft in Richtung Zivilgesellschaft führen kann. Auch wenn das Buch mit seinem Untertitel "Wie sich die Generation 50plus engagieren und verwirklichen kann" erst mal nach Lebenshilfe und Ratgeber klingt, geht es weit darüber hinaus: Es beschreibt denkbare Schritte für einen gesellschaftlichen Umbau.

Das Ausgangsszenario ist bekannt. Die Alten werden älter, und sie werden immer mehr. Die Jungen werden auch älter, aber sie werden leider immer weniger und am Ende ein Dasein als Leibeigene der Rentenkassen fristen. Im ZDF-Fernsehfilm "2030 - Aufstand der Alten" waren die Kosten des Alterns schon so bedrohlich geworden, dass Rentner in Billigheime nach Afrika gebracht oder in geheimen Massenlagern zwangsernährt wurden.

Nicht weniger pessimistisch ist der Soziologe Reimer Gronemeyer. Er rechnet bereits mit amtlich festgelegten Ablebe-Terminen und der Enteignung aller, die älter als siebzig sind. Die vermeintliche soziale Sicherheit ist nur ein mit Schulden finanziertes Wunschdenken, und wenn sie immer wieder politisch beschworen wird, so verdeckt das die zentralen Fragen: Wie steigern wir die Produktivität und die Erwerbsquote, wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen? Verringern wir die Zahl der Bildungsabbrecher? Reorganisieren wir Pflege? Bleiben diese Fragen unbeantwortet, sieht es nicht gut aus. Für uns Jüngere nicht, für die Alten nicht.

Image von gestern

Aber. Es muss an dieser Stelle kommen, dieses Aber, schon allein deswegen, weil es lauter wird und bestimmter. Es kommt von jenen, welche die Älteren inzwischen eher als machtvolle Ressource sehen und nicht als Bedrohung. Ein Signal dafür ist der Begriff "Generation 50plus"; eine schlaue Formulierung, denn erst einmal ist sie deeskalierend - wer hat schon Angst vor Fünfzigjährigen? -, und sie verwischt zugleich die alte Grenze zwischen Arbeit und Rente. Diesen Begriff verwenden auch Sittler und Krüger in ihrem Buch. Dahinter steht ein radikaler Blickwechsel. In der öffentlichen Wahrnehmung sind es seit einiger Zeit die Alten, welche die Ressourcen aufzehren; nun rücken sie selbst als Ressource in den Blick. Die Welt der Alten ist ein seltsames, sich rasant veränderndes Segment der Gesellschaft, das viele Jüngere bisher höchstens als Parallelwelt in Beige wahrgenommen haben. Der Blick der Jüngeren ist oft noch vom traditionellen Bild grauhaariger, hinfälliger Menschen bestimmt, die mit "50plus" höchstens ihr Etikett verändern wollen. Dabei ist für jeden schon im Alltag sichtbar, wie wenig die Fünfzigjährigen von heute mit den Fünfzigjährigen von früher gemein haben. Die Altersbegriffe geraten in dem Maße durcheinander, wie Bildung, Gesundheit und Interessen neue Maßstäbe schaffen.

Weil diese Situation neu ist, gibt es auch noch keine Vorbilder. Es handelt sich um eine Generation, wie sie historisch bislang noch nicht aufgetaucht ist, sowohl, was ihren bloßen Umfang angeht, als auch in ihrer Struktur, ihren Interessen und Eigenschaften. Der Soziologe Dieter Otten hat das 2008 in einer Studie erstmals ausgiebig untersucht und ist zu der These gekommen, dass die sich abzeichnende Altersballung womöglich ein "Glücksfall der Geschichte" sein könnte.

In dieser These kommen verschiedene Faktoren zusammen. Gesunde Siebzigjährige sind in der Regel so leistungsfähig wie 55-Jährige. Die Älteren sind wohlhabend und dadurch finanziell unabhängig. Das älteste Drittel der Gesellschaft ist so gut ausgebildet wie nie; es hat Energie, Ideen und Erfahrung en masse; es hat die Veränderungen der sechziger Jahre erlebt oder sogar vorangetrieben; es ist berufliche und gesellschaftliche Anerkennung, es ist auch Verantwortung gewohnt.

Diese Menschen haben jedoch, wenn sie aus dem Arbeitsleben ausscheiden, ein großes Problem: Sie haben zu viel Zeit. Auf die gesamte Lebensdauer umgerechnet, wird ein Junge in absehbarer Zeit 46, ein Mädchen 50 Jahre arbeitsfreies Leben haben. Zieht man die Kindheit von diesen Jahren ab, stellt sich immer noch die Frage, wie man all die Jahre überhaupt sinnvoll verbringen soll - jenseits von Marathons, Ausschlafen, Kreuzfahrten und Seniorenstudium.

Tugenden von morgen

Bei vielen Älteren stellt sich daher mit der Langeweile auch eine Sinnfrage ein: Wohin mit dem gesammelten Wissen? Mit der Erfahrung als Berater, Erzieher, Mechaniker, Buchhalter? Der Wunsch nach einem neuen Sinn durch Weitergabe der Erfahrungen wird größer - ein Phänomen, das in der Psychologie auch als "Generativität" bezeichnet wird. Für den Psychologen Heiko Ernst entwickelt sich diese Generativität zur "Schlüsseltugend des 21. Jahrhunderts".

Den Bedeutungswechsel beschreiben Sittler und Krüger in ihrem Buch so: "Bis in die 1960er Jahre betrachtete man den Ruhestand als Erholung vom harten Arbeitsleben, in den 1970ern als Belohnung für ein arbeitsames Leben und ab den 1980ern als bezahlte Freizeit." Die Lebensjahre zwischen 50 und 60 nutzte man, um bereits von Endlosferien auf Teneriffa zu träumen. Inzwischen zeigen sich gegenläufige Tendenzen. Ein Indiz dafür sind zunehmende Fälle von Rentenverweigerung, und zwar an beiden Enden des sozialen Spektrums. 2010 gab es den Fall eines Hamburger Haltestellenwärters, der mit 65 nicht in Rente wollte und erfolgreich klagte; jetzt sind es die Piloten, deren Zwangsruhestand mit 60 gerade vom Europäischen Gerichtshof gekippt wurde.

Jedes Jahr geht in Deutschland eine Million Menschen in Rente. Wenn man eine vom "Oxford Institute of Ageing" verbreitete Zahl hinzunimmt, dass inzwischen 47 Prozent der Deutschen im Rentenalter aktiv sein und auf irgendeine Weise arbeiten wollen, ergibt sich eine beeindruckende Gruppe von Menschen, die sich mit endloser Freizeit und dem Fehlen von Arbeit nicht abfinden wollen.

Den gesellschaftlichen Ort, an dem dieser Wunsch nach Aktivität sich befriedigen ließe, finden Sittler und Krüger im Ehrenamt. Sittler beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema, mittlerweile als Leiter des Generali-Zukunftsfonds, eines Thinktanks zu Fragen des Ehrenamts; für seine eigenen ehrenamtlichen Tätigkeiten hat er vor einigen Jahren das Bundesverdienstkreuz bekommen. Bisher, sagt Sittler, habe man Ehrenämter in Deutschland eher mit Schützenvereinen, Wahlhelfern und Sportvereinen assoziiert. Was die Ehrenamtler im sozialen Bereich schon jetzt leisten, geht aber weit darüber hinaus. Ihre Arbeit hat - nach gängigen Stundensätzen berechnet - einen Wert von mehr als 50 Milliarden Euro. Zu ihren Tätigkeiten gehören - und das ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt - auch Hausaufgabenhilfe für Migrantenkinder, Begleitung von Schulabbrechern, die einen Abschluss nachholen wollen, und Betreuung von Kindern; sie organisieren Pflege, gründen Hospize, betreiben Schwimmbäder und sogar Gasthäuser. So verbessern sie für viele die Lebensqualität.

Gerade im Bildungs- und sozialen Bereich wird von Freiwilligen eine Arbeit geleistet, welche die Folgen des demographischen Wandels dämpfen kann, weil, nur zum Beispiel, durch Bildungspaten die Erwerbslosenquote reduziert und Integration vorangetrieben werden kann. Der Begriff Ehrenamt scheint auf diese Leistungen allerdings immer weniger zu passen. Es ist die Idee eines "bürgerschaftlichen Engagements", die das alte Ehrenamt verdrängt oder zumindest ergänzt. Eine der im Buch zitierten Aktiven, die Rentnerin Hildegard Schooß aus Salzgitter, Gründerin einer Kette von inzwischen mehr als 500 Mehrgenerationenhäusern, in denen professionell Nachbarschaftshilfe organisiert wird, sagt: "Ehre und Amt, das sind Begriffe aus einer längst vergangenen Zeit. Wer bei uns mitarbeitet, hat kein Amt, sondern ein Aufgabenfeld." So ähnlich formulieren es viele, die sich engagieren. Sie haben ihre professionellen Maßstäbe aus dem Arbeitsleben mitgebracht.

Probleme von heute

Auch die Motivation der Ehrenamtler hat sich verändert. War es für die meisten vor Jahren noch der Wunsch nach Geselligkeit, ist es inzwischen vor allem das Bedürfnis, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, etwas zu verändern. Die Älteren fühlen sich in der Pflicht. Und so ist es kein Zufall, dass der hochbetagte Stéphane Hessel nach seiner millionenfach verkauften Wutbroschüre "Empört Euch!" das pragmatischere "Engagiert Euch!" hinterhergeschoben hat - ein Plädoyer für bürgerschaftliches Engagement.

Das einzige Problem: Viele wissen nicht, wie und wo sie sich engagieren sollen. Womöglich liegt es in der Natur der Sache, dass man anderen Menschen mit Hilfsangeboten nicht hinterherlaufen, sondern angesprochen werden möchte. Geschieht das, dann ist die Bereitschaft beträchtlich: 37 Prozent der Bevölkerung sind bereit, sich zu engagieren. Das ist ein enormes Potential, das längst noch nicht ausgeschöpft ist. Die größte Hürde dabei scheint zu sein, wie man Engagierte und Engagement zusammenbringt. Eine noch größere Professionalisierung des Engagements ist also nötig.

Dazu gibt es viele Ideen. Es ist das Besondere an dem Buch "Wir brauchen Euch!", dass es die Frage "Was sollen wir tun?" nicht bloß erörtert, sondern Antworten gibt, konkrete Beispiele nennt und Kontaktadressen einer beginnenden bürgerschaftlichen Bewegung versammelt. Die Beispiele reichen von Zeitsparkassen, in denen Ältere gemeinnützige Arbeit gegen spätere Pflege eintauschen, zu Professionalisierungsprogrammen, die das soziale Unternehmertum fördern; von durch Unternehmensberatungen geförderte Patenprogramme bis zu Projekten, die das soziale Leben ganzer Orte verändern, wie das Beispiel "Rheinviertel" zeigt. In wenigen Jahren haben die Bürger von Bad Godesberg in Eigenregie die Kinder-, Alten- und Sterbendenbetreuung nicht nur neu organisiert, sondern auch erweitert. Leider muss man diese Beispiele im Buch suchen; es fehlt ein Nachschlageteil, der die Informationen strukturiert.

So ist "Wir brauchen Euch!" ein Sammelband von Anregungen, ein erster Überblick - und am Ende sogar so etwas wie eine Vision. Vor allem aber ist das Buch ein starkes Bekenntnis zu einer Zivilgesellschaft, die, unterstützt vom Staat, ihre Probleme selber zu lösen beginnt und nicht auf Lösungen wartet. Dafür hat Jeremy Rifkin einmal das Bild des dreibeinigen Hockers gewählt: Der Hocker, das ist die demokratische Gesellschaft, wie sie am stabilsten ist, und die drei stützenden Beine, das sind der marktwirtschaftliche, der staatliche und der gemeinnützige Bereich. Letzterer sei zu schwach ausgeprägt. Diese Hinwendung zu Zivilgesellschaft und Subsidiarität ist für Sittler und Krüger daher die eigentliche und "echte Revolution, die von der Altersrevolution nur vorangetrieben wird".

An einem Abend in Köln, an dem Loring Sittler sein Buch allein vorstellt - Roland Krüger liegt im Krankenhaus -, glüht er vor Begeisterung für das Potential der Generation 50plus, als er auf das Alter der neuen Revolutionäre (Stéphane Hessel ist schließlich auch nicht mehr der Jüngste) angesprochen wird. Und man muss hier wohl ergänzen, dass der Autor nicht ganz unbefangen ist: Vor kurzem ist er sechzig Jahre alt geworden. Sein Koautor Roland Krüger dagegen ist erst 38.

ANNE ZIELKE

Roland Krüger und Loring Sittler: "Wir brauchen Euch! Wie sich die Generation 50plus engagieren und verwirklichen kann". Murmann-Verlag, Hamburg 2011, 232 Seiten, 19,90 Euro

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