Livio ist verliebt in Misia, doch sie liebt Marco, der ihre Gefühle zwar erwidert, doch vor Bindung ebenso zurückscheut, wie er das Establishment fürchtet. Und dennoch: Trotz bewegter Zeiten reißen die Bande zwischen den dreien nicht. Nicht nur mit zwanzig hat man das Leben noch vor sich, sondern auch mit vierzig.
Das Geheimnis? Leidenschaftlich sein: In der Liebe, der Freundschaft, als Künstler ...
Das Geheimnis? Leidenschaftlich sein: In der Liebe, der Freundschaft, als Künstler ...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2000Roman ohne Risiko
Andrea de Carlo erzählt weiter im Zeitgeist: „Wir drei”
Letzte Worte sind wichtig. Nachdem die geliebte Großmutter des Ich-Erzählers Livio Selbstmord begangen hat, findet der Hinterbliebene eine gekritzelte Lebensweisheit am Totenbett, die an profaner Größe nichts zu wünschen übrig lässt: „Versuche, ein interessantes Leben zu führen, denn glaub mir, diese Reise geht unglaublich schnell zu Ende. ”
Schöner zu leben, zu lieben und zu reisen versuchen die Figuren bei De Carlo immer. Im neuen Roman Wir drei wird das anhand einer Dreiecksgeschichte vorgeführt, bei der die jungen Beteiligten – Livio begehrt Misia, die es aber magisch zu Marco zieht – voneinander nicht lassen und zueinander nicht finden können. Während Misia nach ihrer Trennung von Marco in wechselnden Affären und Ehen ihr Heil zu finden hofft, versuchen Livio als Maler und Marco als Filmemacher erfolgreich zu sein. Mailand, Florenz, Zürich, Menorca, London und Paris sind da nur einige Stationen auf dem Weg zur gelungenen Biografie, die am ehesten immer wieder Misia zu glücken scheint. Und deshalb darf auch diese positivste Figur des Buchs Wichtiges verkünden: „Mit dreiundzwanzig sollte man allmählich das tun, was man wirklich will. ” Was dieser Einsicht folgt, ist auch bei Misia nur ein permanentes Anprobieren falscher Identitäten, das zum sozialen und existenziellen Scheitern führt, zum „totalen Zusammenbruch aller Erwartungen”.
„Ich fragte mich, ob es immer so ist, wenn ein Künstler das Glück hat, für seine Arbeit bewundert zu werden, ob es unvermeidlich ist, daß er irgendwann aufhört, Neues zu erfinden und Risiken einzugehen, und er sich nur noch den Formen widmet, die ihm so gut gelingen . . .” Das fragt sich einmal der Ich-Erzähler. Im Blick auf Andrea de Carlos Arbeit kann man diese Frage getrost bejahen. In seinem neuen Generationen-, Lifestyle- und Künstlerroman zeigt der in bisher 18 Sprachen übersetzte Autor einmal mehr, dass er sein Handwerkszeug virtuos zu nutzen weiß. Da wird man kaum mit Neuem überrascht. Das Alte aber ist fast immer gut lesbar.
THOMAS KÖSTER
ANDREA DE CARLO: Wir drei. Roman. Aus dem Italienischen von Renate Heimbucher. Diogenes Verlag, Zürich 1999. 662 Seiten, 44,90 Mark.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Andrea de Carlo erzählt weiter im Zeitgeist: „Wir drei”
Letzte Worte sind wichtig. Nachdem die geliebte Großmutter des Ich-Erzählers Livio Selbstmord begangen hat, findet der Hinterbliebene eine gekritzelte Lebensweisheit am Totenbett, die an profaner Größe nichts zu wünschen übrig lässt: „Versuche, ein interessantes Leben zu führen, denn glaub mir, diese Reise geht unglaublich schnell zu Ende. ”
Schöner zu leben, zu lieben und zu reisen versuchen die Figuren bei De Carlo immer. Im neuen Roman Wir drei wird das anhand einer Dreiecksgeschichte vorgeführt, bei der die jungen Beteiligten – Livio begehrt Misia, die es aber magisch zu Marco zieht – voneinander nicht lassen und zueinander nicht finden können. Während Misia nach ihrer Trennung von Marco in wechselnden Affären und Ehen ihr Heil zu finden hofft, versuchen Livio als Maler und Marco als Filmemacher erfolgreich zu sein. Mailand, Florenz, Zürich, Menorca, London und Paris sind da nur einige Stationen auf dem Weg zur gelungenen Biografie, die am ehesten immer wieder Misia zu glücken scheint. Und deshalb darf auch diese positivste Figur des Buchs Wichtiges verkünden: „Mit dreiundzwanzig sollte man allmählich das tun, was man wirklich will. ” Was dieser Einsicht folgt, ist auch bei Misia nur ein permanentes Anprobieren falscher Identitäten, das zum sozialen und existenziellen Scheitern führt, zum „totalen Zusammenbruch aller Erwartungen”.
„Ich fragte mich, ob es immer so ist, wenn ein Künstler das Glück hat, für seine Arbeit bewundert zu werden, ob es unvermeidlich ist, daß er irgendwann aufhört, Neues zu erfinden und Risiken einzugehen, und er sich nur noch den Formen widmet, die ihm so gut gelingen . . .” Das fragt sich einmal der Ich-Erzähler. Im Blick auf Andrea de Carlos Arbeit kann man diese Frage getrost bejahen. In seinem neuen Generationen-, Lifestyle- und Künstlerroman zeigt der in bisher 18 Sprachen übersetzte Autor einmal mehr, dass er sein Handwerkszeug virtuos zu nutzen weiß. Da wird man kaum mit Neuem überrascht. Das Alte aber ist fast immer gut lesbar.
THOMAS KÖSTER
ANDREA DE CARLO: Wir drei. Roman. Aus dem Italienischen von Renate Heimbucher. Diogenes Verlag, Zürich 1999. 662 Seiten, 44,90 Mark.
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»An den Romanen Andrea De Carlos fasziniert immer wieder seine Beobachtungsgabe, seine Geduld, genau hinzusehen, und seine klare Sprache.« Ditta Rudle / Buchkultur Buchkultur