Mariannes Leben ist vererbt. Sie übernimmt den Betrieb ihrer Großmutter, eine Baumschule, noch bevor diese stirbt und Marianne mit all dem zurücklässt, was hier, in dem großen Haus in der österreichischen Provinz, verwurzelt ist: eine weit verzweigte Familie, ihre Geschichten, ihre Vergangenheit, das, was kommt. Der Radius von Mariannes Leben ist klein, es besteht aus viel Alltag und viel Arbeit, und selbst die bestürzendsten Ereignisse geschehen mit der Selbstverständlichkeit, mit der die Jahreszeiten wechseln. Siri, die Freundin aus dem Land, das einmal die DDR war, fängt dagegen immer wieder neu an. Sie ist mit ihren Eltern in den Westen geflüchtet, Monate bevor die Mauer gefallen und die Welt auf einmal in allen Himmelsrichtungen unüberschaubar groß geworden ist. Aber wo ist darin ihr Platz, ein Anknüpfungspunkt für ihr Leben? Unsentimental im Ton, mit leuchtender Klarheit im Blick für die Details, poetisch und suggestiv in ihrer sprachlichen Präzision erzählt Angelika Reitzer diese Geschichte von zwei Frauen, deren Freundschaft zufällig scheint. Und doch erkennen sie einander in ihren Sehnsüchten, berühren sich in dem, was ihnen fehlt.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ruhig und kunstvoll erzählt Angelika Reitzer laut Karl-Markus Gauß in diesem Roman von zwei gegensätzlichen Frauenbiografien. So lose und motivisch die beiden Lebensgeschichten im Buch auch miteinander verzahnt sind, wie Gauß erklärt, so sehr macht die kontrastive Konstellation in einem einzigen Roman für den Rezensenten Sinn. Darüber hinaus aber bietet der Text Gauß eine Stiftersche Art des Verweilens bei den Dingen, den Möbeln, der Gartenpflanzen, dem Essen, den Gesten der im Verlauf der Handlung von der Autorin ins Bild gebrachten Familienmitglieder, die der Rezensent sensationell findet. Zum einen, weil er spüren kann, wie die Zeit darüber vergeht, das Leben, zum anderen, da es spannend ist und Charaktere sich mit solcher Ausführlichkeit ganz gut ergründen lassen, wie Gauß meint.
© Perlentaucher Medien GmbH
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