2001 ziehen die USA in den Krieg. Gegen Bin Laden, gegen Hussein, und vor allem gegen den eigenen Bedeutungsverlust. Heute ist Saddam tot, Osama auch, doch die einzige Supermacht ist schwächer als je zuvor. In "Wir erschossen auch Hunde" erzählt Phil Klay von den jungen Männern, die in diesem Krieg den höchsten Preis zahlen mussten. Es sind knallharte Erzählungen von Häuserkämpfen in Falludscha, aussichtslosen Hilfsmissionen in Afghanistan und dem Heimkehren in ein fremdgewordenes Land. Ein Land, das bei all dem Hintergrundrauschen aus Konsum und Entertainment kein Interesse am Leiden seiner Soldaten hat. Denn ihre traumatischen Erfahrungen beweisen nur die grenzenlose Ohnmacht und lassen etwas erahnen, was noch vor wenigen Jahren unvorstellbar schien: "America is broken, man."
Phil Klay kämpfte als US-Marine im Irak, davon handelt dieses Buch. In "Wir erschossen auch Hunde" gibt er eine authentische Vorstellung vom Krieg und dem, was er an Angst, Sehnsucht und allerletzter Euphorie mit sich bringt. Damit fragt er zur gleichen Zeit kompromisslos und bildgewaltig nach den Überlebenschancen einer dekadenten Supermacht.
Phil Klay kämpfte als US-Marine im Irak, davon handelt dieses Buch. In "Wir erschossen auch Hunde" gibt er eine authentische Vorstellung vom Krieg und dem, was er an Angst, Sehnsucht und allerletzter Euphorie mit sich bringt. Damit fragt er zur gleichen Zeit kompromisslos und bildgewaltig nach den Überlebenschancen einer dekadenten Supermacht.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ebenso gebannt wie bewegt hat Rezensent Jens-Christian Rabe Phil Klays nun unter dem Titel "Wir erschossen auch Hunde" gelungen ins Deutsche übersetzte Irakkriegs-Geschichten gelesen. Klay, der selbst zwischen Januar 2007 und Februar 2008 in der irakischen Provinz Al-Anbar stationiert war, erzählt hier von zwölf Veteranen, die auf unterschiedliche Art und Weise in die Gesellschaft zurückkehren, so der Rezensent. Beeindruckt vermerkt er, dass es dem Autor gelinge, trotz zahlreicher ähnlicher Bücher oder Filme, den Leser sofort zu packen: Klay schreibe in einem "Kriegsreportage-Paranoia-Stakkato", mit harten Schnitten und nüchternen Worten, so Rabe, der hier zwar literarische Vorbilder erkennt, aber insbesondere den ganz eigenen, nicht selten gar humorvollen Ton des Autors lobt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2014Wir führen Krieg im Irak, weil wir im Irak Krieg führen
Rückkehr in Albträume: In seinem Debütband "Wir erschossen auch Hunde" erzählt Phil Klay Geschichten von Soldaten im Einsatz. Man sollte sie lesen, denn dieser Autor weiß, worüber er schreibt.
Von Sandra Kegel
Die drängenden Fragen der Gegenwart scheuen Gegenwartsautoren hierzulande wie Veganer Gerichte mit Fleisch. Vielleicht haben die Romanciers bloß keine Lust, dorthin zu gehen, wo es weh tut, in die Kampfzonen, die Kriegsgebiete, die Krisenherde, von denen es ja nicht wenige gibt. Doch was uns heute politisch und gesellschaftlich umtreibt, findet literarisch kaum Beachtung, sondern wird im Fernsehspiel, gern auch sonntagabends im "Tatort" verhandelt. Begibt sich ein Autor doch einmal auf die Spur der Aktualität - zum Beispiel mit Bundeswehrsoldaten an den Hindukusch -, ist es garantiert ein Journalist, wie im Fall von Linus Reichlin und Dirk Kurbjuweit, die beide Romane über Afghanistan veröffentlicht haben.
"Kriegsbraut" aus der Feder des "Spiegel"-Redakteurs Kurbjuweit erzählt zwar konventionell, aber interessant von der Problematik deutscher Kriegseinsätze und beruht auf akribischen Nachforschungen des Autors, der mehrmals in Kabul war. Sein Kollege Reichlin äußerte anlässlich seines Romans "Das Leuchten in der Ferne" hingegen nonchalant, seinen Stoff allein aus Büchern, Gesprächen und dem Internet gezogen zu haben. Gerade weil es Schriftstellern, anders als Journalisten oder Historikern, weniger um äußere Fakten als um innere Wahrheiten zu tun ist, wünscht man sich hier aber besondere Sorgfalt im Umgang mit der Wirklichkeit. Wie das aussehen könnte, führt jetzt ein junger Amerikaner vor, Phil Klay, der, gerade einunddreißig Jahre alt, mit seinem literarischen Debüt in der englischsprachigen Welt für Furore sorgt.
"Redeployment" - zu Deutsch etwa Neueinsatz oder Umgruppierung - heißt seine Sammlung von zwölf Kurzgeschichten, die, verfasst in einer direkten, schnörkellosen Sprache, von amerikanischen Soldaten vor, während und nach ihrem Einsatz im Irak handelt. Jede Geschichte ist aus der Perspektive eines anderen Erzählers geschildert, und jede Geschichte arbeitet ein anderes Dilemma, einen anderen schwierigen Moment heraus. Ekstase und Ekel, Stolz und Mitleid, Angst und Übermut; was der Krieg mit Menschen anrichtet und welche widersprüchlichen Empfindungen er die schwerbewaffneten Männer durchmachen lässt, ausgesetzt in einem Land, das sie nicht kennen, das sie nicht verstehen und das sie im staatlichen Auftrag zerstören sollen - davon handelt dieses inhaltlich vielgestaltige und moralisch komplexe Debüt.
Der deutsche Titel "Wir erschossen auch Hunde", der den ersten Satz des Buchs zitiert, ist zwar in seiner Drastik auffälliger, verliert aber dafür die Zweideutigkeit des Originals. Denn es geht in diesen Storys längst nicht nur um die Härte des Krieges an sich und die seelische Grausamkeit auf Schlachtfeldern im Allgemeinen. Sondern eben auch, mit grimmigem Humor und bei Gott nicht politisch korrekt abgemildert, um die Umdeutung jener Eindrücke, die auch Soldaten oft nur aus Kriegsfilmen im Kino kennen, sowie um die Wiedereingliederungsversuche der Veteranen im zivilen Leben, mit denkbar grotesken Folgen.
Phil Klay weiß, wovon er spricht. Nach seinem Studium am Ivy-League-College Dartmouth ging der 1983 geborene Autor zu den Marines und diente von 2007 bis 2008 in der irakischen Provinz An-Albar. Sein Buch ist keine autobiographische Fiktion, sondern erarbeitet sich das Denken und Fühlen, den Witz, die Angst und die Abgebrühtheit der Soldaten mit der Präzision eines Scharfschützen. Zugleich ist das Buch auch eine böse Satire auf all jene Bücher, die im Krieg die Begegnung mit der harten, umgeschminkten "Welt-wie-sie-wirklich-ist" außerhalb der Blase Amerikas beschwören.
Geschickt vermeidet Klay die Klischees vom Aufenthalt im Herzen der Finsternis. Derer bedienen sich hier allenfalls noch die Veteranen, um in der Bar eine Frau zu beeindrucken. In Wirklichkeit aber ist alles komplizierter. "Wie viele Vietnam-Veteranen braucht man, um eine Glühbirne reinzudrehen?", zitiert Klay einen Veteranen-Witz. Antwort: "Du kannst dir das nicht vorstellen, du warst nicht dabei."
Gleich in der Eingangsgeschichte, "Truppenverlegung", erkundet der Autor das Innenleben eines Soldaten, der, in Tarnmontur und das Gewehr zwischen den Knien, die Heimreise über Kuweit in einer Linienmaschine antreten muss. Die Bilder getöteter Kinder sind sehr gegenwärtig, als er sich zwischen die aufgeräumten Urlauber in den Sessel fallen lässt. Der innere Film reißt aber auch nicht ab, als er den steifen Empfang am Stützpunkt in Lejeune längst überstanden hat und wieder bei der Familie ist.
Beklemmend ist der Moment, als der Erzähler mit seiner Frau zum Einkaufen nach Wilmington fährt und sich erinnert, wie er das letzte Mal eine Straße in einer Stadt entlanglief. Da beobachtete ein Marine die Dächer gegenüber, ein anderer die Fensterfront im Obergeschoss, und der letzte sicherte nach hinten. Das steckt ihm im Blut, und es macht ihn fast verrückt, dass er jetzt, hier, in Wilmington, keine Krieger um sich hat und keine Waffe zur Hand. "Du erschrickst zehnmal, weil du merkst, dass sie nicht da ist." Stattdessen steht er bei American Eagle Outfitters in der Umkleidekabine und will sie nicht mehr verlassen.
Die posttraumatische Belastungsstörung, die Soldaten aus dem Krieg mitbringen, zeigt sich hier weniger als Störung, sondern eher als gesteigerte Wachheit. Sie sehen und hören anders als früher, jedes kleinste Detail bemerken sie und würden wohl eine Zehn-Cent-Münze in zwanzig Meter Entfernung entdecken. Zugleich haben sie den ganzen Block im Visier - Fähigkeiten, die im Alltag einer amerikanischen Kleinstadt unbrauchbar sind.
Ein verstörter Pastor kommt in den von Hannes Meyer flüssig übersetzten Storys ebenso zu Wort wie ein Jurastudent der NYU, der mit Freunden seine künftigen Chancen auslotet. Bob betrachtet den Irak-Krieg eher existentialistisch: "Wir führten Krieg im Irak, weil wir im Irak Krieg führten." Und die Erzählung "Geld als Waffensystem" handelt vom Zynismus des Systems, das lieber Baseball-Trikots in den Irak liefert als die dringend benötigte Wasserleitung, weil das bessere Bilder bringt. "Wenn Sie hier Erfolg haben wollen, Finger weg von großen, ehrgeizigen Projekten", wird ein Neuankömmling gewarnt. "Wir sind hier im Irak. Bringen Sie Witwen Bienenzucht bei." Das bringt die meisten Punkte.
Ein anderer Marine schildert, wie er zuhause, je nachdem, ob er mit Konservativen redet oder mit Liberalen, den Krieg jeweils kritisiert oder verteidigt. Klay tut keines von beidem, sondern beschreibt in immer neuen Varianten, wie Krieg erfahren wird, ganz konkret in der Uniform - und wie er klingt. Denn so schwer Krieg in Worten zu fassen ist, bringt er doch eine eigene Sprache hervor, für die Klay, einst Assistent von Richard Ford, ein gutes Ohr beweist. Neben dem Jargon fasziniert ihn die Verkürzungsmanie der Soldaten. Eine Erzählung besteht fast nur aus Akronymen, und das Glossar am Ende des Buchs ist hilfreich, um all die "OIF", und "IED" zu entschlüsseln.
Der Vorgesetzte eines Platoons kommt nicht darüber hinweg, dass er seine Marines in die Todeszone geschickt hat. Doch die innere Logik von Kriegen, die auf Zerstörung und Vernichtung ausgerichtet sind, lässt sich nicht aushebeln. Mancher reagiert darauf mit Hybris. "Das Seltsame am Leben als Veteran ist, dass man sich wirklich als etwas Besseres fühlt als andere Menschen", heißt es an einer Stelle.
Amerikanische Kritiker haben Phil Klays Debüt, das soeben mit dem amerikanischen National Book ausgezeichnet wurde, mit Tim O'Briens Erzählsammlung "The Things, they carried" verglichen, die als wichtigste literarische Auseinandersetzung mit dem Vietnam-Krieg gilt. Doch eher lässt sich ein Bezug zu Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" herstellen. Das Epos über den Ersten Weltkrieg von 1929, das bis heute als meistgelesenes Buch der deutschen Literatur gilt und erst kürzlich in einer überarbeiteten Fassung erschien, in der sämtliche ursprünglichen Streichungen zurückgenommen wurden, überrascht bei neuerlicher Lektüre nicht nur durch den unheimlich modernen, unprätentiösen Ton existentieller Verlassenheit. Erst heute fällt auf, wie sehr dieser Text nicht nur von den traumatischen Fronterlebnissen des jungen Paul Böhmer handelt, sondern mindestens so sehr von den Nachwirkungen des Krieges auf eine ganze Generation. Remarque selbst sah seinen Roman immer schon eher als ein "Nachkriegsbuch" an, wie Thomas F. Schneider in seinem aufschlussreichen Nachwort schreibt. Den Erfolg erklärte sich sein Autor damit, dass es die Frage stellt, was aus den Menschen geworden ist, die auf diese Weise mit dem Tod konfrontiert waren. Hundert Jahre später schreibt Phil Klay, so alt wie damals Remarque, über einen Krieg unserer Zeit. Wer künftig in der "Tagesschau" Menschen sieht, die irgendwo in Tarnuniformen aus Flugzeugträgern steigen, hat dann zumindest eine Ahnung davon, was in ihnen vorgeht.
Phil Klay: "Wir erschossen auch Hunde". Stories.
Aus dem Amerikanischen von Hannes Meyer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 300 S., br., 16,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rückkehr in Albträume: In seinem Debütband "Wir erschossen auch Hunde" erzählt Phil Klay Geschichten von Soldaten im Einsatz. Man sollte sie lesen, denn dieser Autor weiß, worüber er schreibt.
Von Sandra Kegel
Die drängenden Fragen der Gegenwart scheuen Gegenwartsautoren hierzulande wie Veganer Gerichte mit Fleisch. Vielleicht haben die Romanciers bloß keine Lust, dorthin zu gehen, wo es weh tut, in die Kampfzonen, die Kriegsgebiete, die Krisenherde, von denen es ja nicht wenige gibt. Doch was uns heute politisch und gesellschaftlich umtreibt, findet literarisch kaum Beachtung, sondern wird im Fernsehspiel, gern auch sonntagabends im "Tatort" verhandelt. Begibt sich ein Autor doch einmal auf die Spur der Aktualität - zum Beispiel mit Bundeswehrsoldaten an den Hindukusch -, ist es garantiert ein Journalist, wie im Fall von Linus Reichlin und Dirk Kurbjuweit, die beide Romane über Afghanistan veröffentlicht haben.
"Kriegsbraut" aus der Feder des "Spiegel"-Redakteurs Kurbjuweit erzählt zwar konventionell, aber interessant von der Problematik deutscher Kriegseinsätze und beruht auf akribischen Nachforschungen des Autors, der mehrmals in Kabul war. Sein Kollege Reichlin äußerte anlässlich seines Romans "Das Leuchten in der Ferne" hingegen nonchalant, seinen Stoff allein aus Büchern, Gesprächen und dem Internet gezogen zu haben. Gerade weil es Schriftstellern, anders als Journalisten oder Historikern, weniger um äußere Fakten als um innere Wahrheiten zu tun ist, wünscht man sich hier aber besondere Sorgfalt im Umgang mit der Wirklichkeit. Wie das aussehen könnte, führt jetzt ein junger Amerikaner vor, Phil Klay, der, gerade einunddreißig Jahre alt, mit seinem literarischen Debüt in der englischsprachigen Welt für Furore sorgt.
"Redeployment" - zu Deutsch etwa Neueinsatz oder Umgruppierung - heißt seine Sammlung von zwölf Kurzgeschichten, die, verfasst in einer direkten, schnörkellosen Sprache, von amerikanischen Soldaten vor, während und nach ihrem Einsatz im Irak handelt. Jede Geschichte ist aus der Perspektive eines anderen Erzählers geschildert, und jede Geschichte arbeitet ein anderes Dilemma, einen anderen schwierigen Moment heraus. Ekstase und Ekel, Stolz und Mitleid, Angst und Übermut; was der Krieg mit Menschen anrichtet und welche widersprüchlichen Empfindungen er die schwerbewaffneten Männer durchmachen lässt, ausgesetzt in einem Land, das sie nicht kennen, das sie nicht verstehen und das sie im staatlichen Auftrag zerstören sollen - davon handelt dieses inhaltlich vielgestaltige und moralisch komplexe Debüt.
Der deutsche Titel "Wir erschossen auch Hunde", der den ersten Satz des Buchs zitiert, ist zwar in seiner Drastik auffälliger, verliert aber dafür die Zweideutigkeit des Originals. Denn es geht in diesen Storys längst nicht nur um die Härte des Krieges an sich und die seelische Grausamkeit auf Schlachtfeldern im Allgemeinen. Sondern eben auch, mit grimmigem Humor und bei Gott nicht politisch korrekt abgemildert, um die Umdeutung jener Eindrücke, die auch Soldaten oft nur aus Kriegsfilmen im Kino kennen, sowie um die Wiedereingliederungsversuche der Veteranen im zivilen Leben, mit denkbar grotesken Folgen.
Phil Klay weiß, wovon er spricht. Nach seinem Studium am Ivy-League-College Dartmouth ging der 1983 geborene Autor zu den Marines und diente von 2007 bis 2008 in der irakischen Provinz An-Albar. Sein Buch ist keine autobiographische Fiktion, sondern erarbeitet sich das Denken und Fühlen, den Witz, die Angst und die Abgebrühtheit der Soldaten mit der Präzision eines Scharfschützen. Zugleich ist das Buch auch eine böse Satire auf all jene Bücher, die im Krieg die Begegnung mit der harten, umgeschminkten "Welt-wie-sie-wirklich-ist" außerhalb der Blase Amerikas beschwören.
Geschickt vermeidet Klay die Klischees vom Aufenthalt im Herzen der Finsternis. Derer bedienen sich hier allenfalls noch die Veteranen, um in der Bar eine Frau zu beeindrucken. In Wirklichkeit aber ist alles komplizierter. "Wie viele Vietnam-Veteranen braucht man, um eine Glühbirne reinzudrehen?", zitiert Klay einen Veteranen-Witz. Antwort: "Du kannst dir das nicht vorstellen, du warst nicht dabei."
Gleich in der Eingangsgeschichte, "Truppenverlegung", erkundet der Autor das Innenleben eines Soldaten, der, in Tarnmontur und das Gewehr zwischen den Knien, die Heimreise über Kuweit in einer Linienmaschine antreten muss. Die Bilder getöteter Kinder sind sehr gegenwärtig, als er sich zwischen die aufgeräumten Urlauber in den Sessel fallen lässt. Der innere Film reißt aber auch nicht ab, als er den steifen Empfang am Stützpunkt in Lejeune längst überstanden hat und wieder bei der Familie ist.
Beklemmend ist der Moment, als der Erzähler mit seiner Frau zum Einkaufen nach Wilmington fährt und sich erinnert, wie er das letzte Mal eine Straße in einer Stadt entlanglief. Da beobachtete ein Marine die Dächer gegenüber, ein anderer die Fensterfront im Obergeschoss, und der letzte sicherte nach hinten. Das steckt ihm im Blut, und es macht ihn fast verrückt, dass er jetzt, hier, in Wilmington, keine Krieger um sich hat und keine Waffe zur Hand. "Du erschrickst zehnmal, weil du merkst, dass sie nicht da ist." Stattdessen steht er bei American Eagle Outfitters in der Umkleidekabine und will sie nicht mehr verlassen.
Die posttraumatische Belastungsstörung, die Soldaten aus dem Krieg mitbringen, zeigt sich hier weniger als Störung, sondern eher als gesteigerte Wachheit. Sie sehen und hören anders als früher, jedes kleinste Detail bemerken sie und würden wohl eine Zehn-Cent-Münze in zwanzig Meter Entfernung entdecken. Zugleich haben sie den ganzen Block im Visier - Fähigkeiten, die im Alltag einer amerikanischen Kleinstadt unbrauchbar sind.
Ein verstörter Pastor kommt in den von Hannes Meyer flüssig übersetzten Storys ebenso zu Wort wie ein Jurastudent der NYU, der mit Freunden seine künftigen Chancen auslotet. Bob betrachtet den Irak-Krieg eher existentialistisch: "Wir führten Krieg im Irak, weil wir im Irak Krieg führten." Und die Erzählung "Geld als Waffensystem" handelt vom Zynismus des Systems, das lieber Baseball-Trikots in den Irak liefert als die dringend benötigte Wasserleitung, weil das bessere Bilder bringt. "Wenn Sie hier Erfolg haben wollen, Finger weg von großen, ehrgeizigen Projekten", wird ein Neuankömmling gewarnt. "Wir sind hier im Irak. Bringen Sie Witwen Bienenzucht bei." Das bringt die meisten Punkte.
Ein anderer Marine schildert, wie er zuhause, je nachdem, ob er mit Konservativen redet oder mit Liberalen, den Krieg jeweils kritisiert oder verteidigt. Klay tut keines von beidem, sondern beschreibt in immer neuen Varianten, wie Krieg erfahren wird, ganz konkret in der Uniform - und wie er klingt. Denn so schwer Krieg in Worten zu fassen ist, bringt er doch eine eigene Sprache hervor, für die Klay, einst Assistent von Richard Ford, ein gutes Ohr beweist. Neben dem Jargon fasziniert ihn die Verkürzungsmanie der Soldaten. Eine Erzählung besteht fast nur aus Akronymen, und das Glossar am Ende des Buchs ist hilfreich, um all die "OIF", und "IED" zu entschlüsseln.
Der Vorgesetzte eines Platoons kommt nicht darüber hinweg, dass er seine Marines in die Todeszone geschickt hat. Doch die innere Logik von Kriegen, die auf Zerstörung und Vernichtung ausgerichtet sind, lässt sich nicht aushebeln. Mancher reagiert darauf mit Hybris. "Das Seltsame am Leben als Veteran ist, dass man sich wirklich als etwas Besseres fühlt als andere Menschen", heißt es an einer Stelle.
Amerikanische Kritiker haben Phil Klays Debüt, das soeben mit dem amerikanischen National Book ausgezeichnet wurde, mit Tim O'Briens Erzählsammlung "The Things, they carried" verglichen, die als wichtigste literarische Auseinandersetzung mit dem Vietnam-Krieg gilt. Doch eher lässt sich ein Bezug zu Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" herstellen. Das Epos über den Ersten Weltkrieg von 1929, das bis heute als meistgelesenes Buch der deutschen Literatur gilt und erst kürzlich in einer überarbeiteten Fassung erschien, in der sämtliche ursprünglichen Streichungen zurückgenommen wurden, überrascht bei neuerlicher Lektüre nicht nur durch den unheimlich modernen, unprätentiösen Ton existentieller Verlassenheit. Erst heute fällt auf, wie sehr dieser Text nicht nur von den traumatischen Fronterlebnissen des jungen Paul Böhmer handelt, sondern mindestens so sehr von den Nachwirkungen des Krieges auf eine ganze Generation. Remarque selbst sah seinen Roman immer schon eher als ein "Nachkriegsbuch" an, wie Thomas F. Schneider in seinem aufschlussreichen Nachwort schreibt. Den Erfolg erklärte sich sein Autor damit, dass es die Frage stellt, was aus den Menschen geworden ist, die auf diese Weise mit dem Tod konfrontiert waren. Hundert Jahre später schreibt Phil Klay, so alt wie damals Remarque, über einen Krieg unserer Zeit. Wer künftig in der "Tagesschau" Menschen sieht, die irgendwo in Tarnuniformen aus Flugzeugträgern steigen, hat dann zumindest eine Ahnung davon, was in ihnen vorgeht.
Phil Klay: "Wir erschossen auch Hunde". Stories.
Aus dem Amerikanischen von Hannes Meyer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 300 S., br., 16,99 [Euro].
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"Klays bitterer Witz und sein unbarmherziger Realismus kolorieren die allmählich verblassenden Bilder des Irak-Krieges nach. In pointierten Verdichtungen gelingt es ihm, den Irrwitz des Wiederaufbaus zu illustrieren."
Thomas Andre, Spiegel Online 07.11.2014
Thomas Andre, Spiegel Online 07.11.2014