Nominiert zum Fußballbuch des Jahres beim Deutschen Fußball-Kulturpreis 2022 und für den Bayerischen Buchpreis 2022
"Andreas Bernard war ein sehr talentierter Linksfuß, der mit etwas Glück eine Profilaufbahn hätte einschlagen können. So wie er in diesem Buch unsere Fußballkindheit in München beschreibt, im Verein und auf dem Bolzplatz, so ist es wirklich gewesen." Didi Hamann
Wir gingen raus und spielten Fußball« ist ein Buch über eine Fußball-Kindheit im München der siebziger und achtziger Jahre. Es beschreibt die Siege und Niederlagen auf einem kleinen Tartanplatz mit Handballtoren, die jede spätere Erfahrung der Zugehörigkeit oder des Ausgeschlossen-Seins vorweggenommen haben. Es handelt von den Gesetzen, Ritualen und Freundschaften im Spiel. Der Fußball ist Gegenstand des Buches, der mit Liebe zum Detail verhandelt wird, von der idealen Beschaffenheit der Tornetze bis zur Kicker-Stecktabelle, von der Bedeutung der Rückennummern bis zur Sprache der Bolzplätze. Gleichzeitig wird der Sport aber auch zum Ausgangspunkt, um über die kindliche Wahrnehmung einer Großstadt nachzudenken, über den Zusammenhang von Erinnerung und Literatur und über die Prozesse des autobiografischen Schreibens selbst.
"Andreas Bernard war ein sehr talentierter Linksfuß, der mit etwas Glück eine Profilaufbahn hätte einschlagen können. So wie er in diesem Buch unsere Fußballkindheit in München beschreibt, im Verein und auf dem Bolzplatz, so ist es wirklich gewesen." Didi Hamann
Wir gingen raus und spielten Fußball« ist ein Buch über eine Fußball-Kindheit im München der siebziger und achtziger Jahre. Es beschreibt die Siege und Niederlagen auf einem kleinen Tartanplatz mit Handballtoren, die jede spätere Erfahrung der Zugehörigkeit oder des Ausgeschlossen-Seins vorweggenommen haben. Es handelt von den Gesetzen, Ritualen und Freundschaften im Spiel. Der Fußball ist Gegenstand des Buches, der mit Liebe zum Detail verhandelt wird, von der idealen Beschaffenheit der Tornetze bis zur Kicker-Stecktabelle, von der Bedeutung der Rückennummern bis zur Sprache der Bolzplätze. Gleichzeitig wird der Sport aber auch zum Ausgangspunkt, um über die kindliche Wahrnehmung einer Großstadt nachzudenken, über den Zusammenhang von Erinnerung und Literatur und über die Prozesse des autobiografischen Schreibens selbst.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In den vollen Genuss von Andreas Bernards nostalgischem Fußballbuch kommt man laut Rezensent Matthias Alexander wahrscheinlich nur, wenn man den Sport wie der Autor in den siebziger Jahren der BRD kennenlernte - aber auch außerhalb dieser "Kernzielgruppe" biete das Buch Lesevergnügen und Erkenntnisgewinn, so Alexander. Der Kulturwissenschaftler und Publizist Bernard erinnert sich dort ausführlich und mit großem Gespür für "sprechende Kleinigkeiten", so Alexander, an seine Fußballjugend: an die aufregende Übernachtung beim Auswärtsspiel, an gehässige Kommentare von zuschauenden Vätern, an die elegante Musterung des neuen Adidas-Balls. Dabei fallen Bernards Ausführungen "sentimental", aber nicht "beschönigend" aus, lobt der Kritiker, und auch die essayistischen Ausweitungen des Buchs, in denen der Autor beispielsweise über unauthentisches, angelerntes Fantum nachdenkt, liest Alexander gerne.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2022Auf der Suche nach dem verlorenen Ballgefühl
Schärfung der Sinne: Andreas Bernard erinnert sich an seine Jugend auf dem Bolzplatz
Die Kernzielgruppe dieses schmalen Buchs ist ziemlich klein, eine Teilmenge der Generation Golf: fußballinteressierte männliche Mittelschichtskinder, die in den Siebzigerjahren in Westdeutschland aufgewachsen sind und spätestens die Weltmeisterschaft von 1978 bewusst an den Bildschirmen verfolgt haben. Wer nicht zu diesem Kreis gehört, kann Andreas Bernards Erinnerungen an eine vom Fußball geprägte Jugend in München zwar durchaus mit Erkenntnisgewinn und Vergnügen lesen, wird aber auf jene beinahe ekstatischen Momente verzichten müssen, die nur eine Lektüre beschert, die in tiefen Schichten des eigenen Gedächtnisses abgelagerte Bilder heraufbeschwört - und mit ihnen ein Lebensgefühl.
Etwa wenn Bernard daran erinnert, wie Adidas die Ästhetik des Spiels mit einem Ball namens Tango veränderte, den jeder Jugendliche nach der WM von 1978 unbedingt haben wollte, obwohl er 149 Mark kostete. Wo sich bis dahin Fünf- und Sechsecke in schwarz-weißer Flickenhaftigkeit abgewechselt hatten, sorgten aufgedruckte Kreise plötzlich für eine elegante Dynamisierung der Ballbewegung. Sie passte gut zu den Toren mit den unendlich weit nach hinten und zugleich weich gespannten Netzen, die es in den argentinischen Stadien gab. Die Zeit, die der Ball brauchte, um von der Torlinie ins Netz zu gelangen, dehnte sich beinahe so theatralisch wie der exotische "Goooool"-Ruf der einheimischen Kommentatoren. Die deutschen Kinder vor den Fernsehern konnten hier lernen, dass es in der universellen Sprache des Fußballs Dialekte gibt.
Der 1969 geborene Kulturwissenschaftler und Publizist Bernard hat sein Buch "Wir gingen raus und spielten Fußball" betitelt. Das ist ein Echo von Franz Beckenbauers legendär lässigem Satz, den er während der WM 1990 prägte: "Geht's raus und spielt's Fußball." Es ließe sich auch der leicht vorwurfsvolle Unterton eines Boomers hineinlesen, der den Jüngeren vorwirft, vor der Playstation zu versauern, statt sich an der frischen Luft zu bewegen. Das ist aber nicht Bernards Ansatz, auch wenn er zu Beginn seiner Betrachtungen den heruntergekommenen und verwaisten Bolzplatz seiner Jugend umkreist. Er will niemanden zu irgendetwas erziehen.
Der Autor, bis zu einer schweren Verletzung offenbar ein mehr als passabler Kicker, vergegenwärtigt sich prägende Erfahrungen seiner Jugend. Er tut das in durchaus sentimentaler, aber keinesfalls beschönigender Absicht. Er erzählt vom Gefühl der Fremdheit, das sich einstellt, wenn man mit der Jugendmannschaft zum ersten Mal auswärts übernachtet. Er berichtet vom Schmerz der Selbsterkenntnis, wenn der Vater eines Mitspielers am Spielfeldrand die eigenen Fähigkeiten laut vernehmlich einschätzt: "Gut am Ball, aber zu langsam." Er beschreibt die fußballerischen Tricks der Migrantenkinder, deren Können er zwar bewunderte, aber doch als Selbstzweck betrachtete, über den das Toreschießen vergessen wurde.
Bernard hat ein beneidenswert gutes Gedächtnis für sprechende Kleinigkeiten. Wie noch das beste Fußballspiel hat sein Buch ein paar Längen, insbesondere dort, wo er sich über die Beschaffenheit seiner bevorzugten Plätze auslässt, aber dieses gelegentliche verbale Ballgeschiebe scheint nur dafür da zu sein, eine überraschende Kombination vorzubereiten. Wer Fußball ernst nimmt, so lautet Bernards unausgesprochene Botschaft, schärft seine Sinne, für soziale Unterschiede genauso wie für die Dynamik von Gruppen und selbst für das Wetter: Sobald der heller werdenden Färbung der Dachziegel am Nachbarhaus abzulesen war, dass die Feuchtigkeit eines Regenschauers abzutrocknen begann und somit wieder an Fußballspielen zu denken war, schwang sich der junge Andreas auf sein Rad, um seine Kumpel zu treffen. Genau hinzuhören lernt er vom Vater, der am Tonfall der jargonverhafteten Kommentatoren sofort erkennt, welches Ergebnis am Ende der jeweiligen Spielzusammenfassung in der "Sportschau" stehen wird.
Manchmal nimmt Bernard Erinnerungssplitter zum Anlass für allgemeinere Überlegungen, das Erinnerungsbuch weitet sich dann zum Essay. So stellt er die These auf, dass das deutlich gestiegene Interesse an Fußball in akademischen Kreisen auf ein Buch zurückzuführen sei, auf Nick Hornbys im Jahr 1992 erschienenes "Ballfieber". Das ist wohl zu einfach gedacht, mindestens ebenso groß dürfte der Effekt gewesen sein, dass die akademische Welt zu jener Zeit sozial immer weniger exklusiv geworden ist.
Unbedingt recht hat er aber mit der Analyse, dass die Begeisterung oft ziemlich oberflächlich, geradezu angelernt ausfällt, dass beispielsweise die Sympathie für bestimmte Vereine wie den SC Freiburg und den FC St. Pauli in vielen Fällen opportunistischen "sozialtaktischen" Überlegungen entspringt. Die emotionale und anders als alle menschlichen Beziehungen unverbrüchliche Verbindung mit einem Verein (im Fall von Bernard ist es nun einmal Bayern München) ist für den wahren Fan eine schicksalhafte, nicht zu korrigierende Fügung. Bei Hornby lässt sich das nachlesen. MATTHIAS ALEXANDER
Andreas Bernard: "Wir gingen raus und spielten Fußball".
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2022. 160 S., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schärfung der Sinne: Andreas Bernard erinnert sich an seine Jugend auf dem Bolzplatz
Die Kernzielgruppe dieses schmalen Buchs ist ziemlich klein, eine Teilmenge der Generation Golf: fußballinteressierte männliche Mittelschichtskinder, die in den Siebzigerjahren in Westdeutschland aufgewachsen sind und spätestens die Weltmeisterschaft von 1978 bewusst an den Bildschirmen verfolgt haben. Wer nicht zu diesem Kreis gehört, kann Andreas Bernards Erinnerungen an eine vom Fußball geprägte Jugend in München zwar durchaus mit Erkenntnisgewinn und Vergnügen lesen, wird aber auf jene beinahe ekstatischen Momente verzichten müssen, die nur eine Lektüre beschert, die in tiefen Schichten des eigenen Gedächtnisses abgelagerte Bilder heraufbeschwört - und mit ihnen ein Lebensgefühl.
Etwa wenn Bernard daran erinnert, wie Adidas die Ästhetik des Spiels mit einem Ball namens Tango veränderte, den jeder Jugendliche nach der WM von 1978 unbedingt haben wollte, obwohl er 149 Mark kostete. Wo sich bis dahin Fünf- und Sechsecke in schwarz-weißer Flickenhaftigkeit abgewechselt hatten, sorgten aufgedruckte Kreise plötzlich für eine elegante Dynamisierung der Ballbewegung. Sie passte gut zu den Toren mit den unendlich weit nach hinten und zugleich weich gespannten Netzen, die es in den argentinischen Stadien gab. Die Zeit, die der Ball brauchte, um von der Torlinie ins Netz zu gelangen, dehnte sich beinahe so theatralisch wie der exotische "Goooool"-Ruf der einheimischen Kommentatoren. Die deutschen Kinder vor den Fernsehern konnten hier lernen, dass es in der universellen Sprache des Fußballs Dialekte gibt.
Der 1969 geborene Kulturwissenschaftler und Publizist Bernard hat sein Buch "Wir gingen raus und spielten Fußball" betitelt. Das ist ein Echo von Franz Beckenbauers legendär lässigem Satz, den er während der WM 1990 prägte: "Geht's raus und spielt's Fußball." Es ließe sich auch der leicht vorwurfsvolle Unterton eines Boomers hineinlesen, der den Jüngeren vorwirft, vor der Playstation zu versauern, statt sich an der frischen Luft zu bewegen. Das ist aber nicht Bernards Ansatz, auch wenn er zu Beginn seiner Betrachtungen den heruntergekommenen und verwaisten Bolzplatz seiner Jugend umkreist. Er will niemanden zu irgendetwas erziehen.
Der Autor, bis zu einer schweren Verletzung offenbar ein mehr als passabler Kicker, vergegenwärtigt sich prägende Erfahrungen seiner Jugend. Er tut das in durchaus sentimentaler, aber keinesfalls beschönigender Absicht. Er erzählt vom Gefühl der Fremdheit, das sich einstellt, wenn man mit der Jugendmannschaft zum ersten Mal auswärts übernachtet. Er berichtet vom Schmerz der Selbsterkenntnis, wenn der Vater eines Mitspielers am Spielfeldrand die eigenen Fähigkeiten laut vernehmlich einschätzt: "Gut am Ball, aber zu langsam." Er beschreibt die fußballerischen Tricks der Migrantenkinder, deren Können er zwar bewunderte, aber doch als Selbstzweck betrachtete, über den das Toreschießen vergessen wurde.
Bernard hat ein beneidenswert gutes Gedächtnis für sprechende Kleinigkeiten. Wie noch das beste Fußballspiel hat sein Buch ein paar Längen, insbesondere dort, wo er sich über die Beschaffenheit seiner bevorzugten Plätze auslässt, aber dieses gelegentliche verbale Ballgeschiebe scheint nur dafür da zu sein, eine überraschende Kombination vorzubereiten. Wer Fußball ernst nimmt, so lautet Bernards unausgesprochene Botschaft, schärft seine Sinne, für soziale Unterschiede genauso wie für die Dynamik von Gruppen und selbst für das Wetter: Sobald der heller werdenden Färbung der Dachziegel am Nachbarhaus abzulesen war, dass die Feuchtigkeit eines Regenschauers abzutrocknen begann und somit wieder an Fußballspielen zu denken war, schwang sich der junge Andreas auf sein Rad, um seine Kumpel zu treffen. Genau hinzuhören lernt er vom Vater, der am Tonfall der jargonverhafteten Kommentatoren sofort erkennt, welches Ergebnis am Ende der jeweiligen Spielzusammenfassung in der "Sportschau" stehen wird.
Manchmal nimmt Bernard Erinnerungssplitter zum Anlass für allgemeinere Überlegungen, das Erinnerungsbuch weitet sich dann zum Essay. So stellt er die These auf, dass das deutlich gestiegene Interesse an Fußball in akademischen Kreisen auf ein Buch zurückzuführen sei, auf Nick Hornbys im Jahr 1992 erschienenes "Ballfieber". Das ist wohl zu einfach gedacht, mindestens ebenso groß dürfte der Effekt gewesen sein, dass die akademische Welt zu jener Zeit sozial immer weniger exklusiv geworden ist.
Unbedingt recht hat er aber mit der Analyse, dass die Begeisterung oft ziemlich oberflächlich, geradezu angelernt ausfällt, dass beispielsweise die Sympathie für bestimmte Vereine wie den SC Freiburg und den FC St. Pauli in vielen Fällen opportunistischen "sozialtaktischen" Überlegungen entspringt. Die emotionale und anders als alle menschlichen Beziehungen unverbrüchliche Verbindung mit einem Verein (im Fall von Bernard ist es nun einmal Bayern München) ist für den wahren Fan eine schicksalhafte, nicht zu korrigierende Fügung. Bei Hornby lässt sich das nachlesen. MATTHIAS ALEXANDER
Andreas Bernard: "Wir gingen raus und spielten Fußball".
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2022. 160 S., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Bernard hat ein beneidenswert gutes Gedächtnis für sprechende Kleinigkeiten.« Matthias Alexander, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Oktober 2022 Matthias Alexander FAZ 20221015