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Bonn im Jahr 1994. Anne möchte raus aus ihrer piefigen Heimatstadt, aber wohin, das weiß sie so wenig wie ihre Freundinnen. Wenigstens ihr Bewusstsein wollen sie erweitern, also besuchen sie Schamanen, schweigen in einem Ashram und futtern Drogenpilze. Mit bösem Witz und Ironie erzählt die Gegenwartsautorin Barbara Peveling eine Generation nach 68 von neuen Helden und alten Träumen - eine Aufbruchs- und Sehnsuchtsgeschichte der Generation VW Polo.

Produktbeschreibung
Bonn im Jahr 1994. Anne möchte raus aus ihrer piefigen Heimatstadt, aber wohin, das weiß sie so wenig wie ihre Freundinnen. Wenigstens ihr Bewusstsein wollen sie erweitern, also besuchen sie Schamanen, schweigen in einem Ashram und futtern Drogenpilze. Mit bösem Witz und Ironie erzählt die Gegenwartsautorin Barbara Peveling eine Generation nach 68 von neuen Helden und alten Träumen - eine Aufbruchs- und Sehnsuchtsgeschichte der Generation VW Polo.
Autorenporträt
Barbara Peveling, geboren 1974, aufgewachsen in Bonn und in der Schweiz, studierte in Tübingen Ethnologie und Pädagogik. Sie promoviert über das Zusammenleben von Juden und Muslimen in einem Viertel von Marseille und lebt mit ihrer Familie in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2009

Flucht vor Gartenzwergen

Die Drogen funktionieren nicht mehr: Barbara Peveling erzählt in ihrem Debüt von der Ziellosigkeit westdeutscher Jugendlicher, die in den neunziger Jahren nicht wissen, wohin mit sich.

Junge Menschen neigen dazu, nicht zu wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Sie sind deswegen empfänglich für Zeichen eines Schicksals respektive: für einen schicksalhaft anmutenden Erwecker, der ihnen sagt, wozu sie angeblich berufen sind. In der amerikanischen Literatur bezeichnet man solche Initiationsgeschichten jugendlicher Helden auf Sinnsuche mit dem Namen Coming-of-age, die immer schmerzhaft und nicht selten tragisch verlaufen. Schließlich malt man sich in jungen Jahren so manchen Schicksalswink grandioser aus, als er tatsächlich ist.

Auch Anne, die Ich-Erzählerin aus Barbara Pevelings Debütroman "Wir Glückspilze", fällt in diese Heldenkategorie einer Heranwachsenden ohne Zielperspektive, aber mit höchsten Ansprüchen. Das "Gartenzwergleben" ihrer Eltern möchte Anne unbedingt hinter sich lassen. Nichts Geringeres als "Erleuchtung" strebt sie an. Nur wie gelangt man dorthin? Das weiß die Bonner Studentin mit Anfang zwanzig dummerweise nicht. Und so kommt Anne auch nicht auf den nächstliegenden Schritt, nämlich bei ihren Eltern auszuziehen, sondern sitzt stattdessen lieber bei Räucherstäbchen und Kräutertee mit ihren beiden Freundinnen Simone und Eva zusammen, um Haschisch zu rauchen oder psychedelische Pilze einzuwerfen.

Carlos Castaneda lässt bei Peveling grüßen. Aber nur noch ganz weit von ferne, als Etikett ohne Inhalt. Denn ihr Posthippie-Trio aus der westdeutschen Provinz Mitte der neunziger Jahre schwärmt nicht nur für den Grunge-Rocker Kurt Cobain. Die drei Mädchen der "Generation VW Polo" (Pressetext) haben auch nichts mehr mit Flower-Power-Ideologie und bewusstseinserweiternder Rauscherfahrung am Hut. So gesteht Anne dem Leser gleich zu Anfang lapidar: "Was man anfangen will mit seinem Leben, sollte man spätestens beim Abi wissen. Ich hatte es nach der dreizehnten Klasse nicht gewusst und auch nicht, als ich mich für Deutsch und Geschichte auf Lehramt eingeschrieben hatte. Bis Eva mir von dem Glück auf Pilzen erzählte."

Anne und ihre Freundinnen nehmen also nur Drogen, weil ihnen schlicht nichts Besseres einfällt, um die Zeit totzuschlagen. Und das Einzige, wofür Pevelings antriebslose Protagonistin sich überhaupt ein bisschen interessiert, ist ein gewisser Mike Jonas, weil der in seiner langen schwarzen Lederhose aussieht "wie Kurt Cobain auf meinem Poster". Mike Jonas aber wiederum ist, für solche Geschichten typisch, natürlich nicht besonders an Anne interessiert. Was sich dann jedoch weder wirklich schlimm noch irgendwie tragisch auswirkt.

So wie sich überhaupt nie etwas in dieser merkwürdig teilnahmslosen Jugendchronik wirklich schlimm oder tragisch auswirkt. Anne schmeißt weiterhin Drogentrips. Fährt zum nächsten Festival. Belegt ein zweiwöchiges Schweigeseminar. Und fängt schließlich etwas mit einem anderen Typen an, der als Tramp mit einem alten Bus durch die Gegend zieht. Nachhaltig beeindruckt oder innerlich berührt ist die junge Frau von alledem nicht, sondern bleibt stets nur "Zuschauerin" ihrer Existenz. Oder, wie Anne es selbst nach neunundneunzig langen Seiten treffsicher formuliert: "Das war es wohl, was mein größtes Problem war, in Wahrheit nicht in der Lage zu sein, eine einzige Entscheidung mit Konsequenzen zu treffen."

Nun kann man über jugendliche Perspektivlosigkeit, die sich in Drogenexzessen austobt, natürlich trotzdem rasante Romane schreiben. Nur sollten die zumindest ansatzweise etwas an schwarzhumoriger "Trainspotting"-Schärfe gewinnen, um nicht genauso öde zu wirken, wie die planlosen Protagonisten darin ihr Leben empfinden. Bei der ehemaligen Open-Mike-Teilnehmerin Peveling, die als Schreibtalent gilt, regiert jedoch im ersten Roman leider zu sehr eine ähnliche Unentschlossenheit, wie sie auch dessen Heldin kennzeichnet.

Offenbar konnte sich die Debütantin, Jahrgang 1974, nicht richtig entscheiden, ob sie nun eine dornige Coming-of-age-Geschichte schreiben wollte oder eine süffisante Parodie auf die esoterische Erweckungsliteratur. Für Ersteres macht sich Anne zu oft über ihre Drogen- und Guru-Erlebnisse lustig. Für Letzteres sind ihre Scherze insgesamt einfach zu brav. An einer Stelle erzählt Anne da etwa, dass sich ihre Eltern angeblich als verhinderte Selbstmörder kennengelernt hätten, die beide von derselben Brücke in den Tod springen wollten. Ihr Vater habe im entscheidenden Moment einen Kamm verloren, die Mutter hob ihn auf, und beide hätten gelacht. "Wer über sich selbst lacht, der bringt sich nicht gleich um", witzelt Anne zum Schluss der Anekdote altklug und reduziert die Suizidabsicht ihrer Eltern zum harmlosen Konversationsgag.

Von echter Verzweiflung, Schmerz oder gar rebellischer Wut, die jedes packende Jugenddrama ebenso durchzieht wie jede spannende Drogenstory, ist in "Wir Glückspilze" nichts zu spüren. Das mag als mahnendes Porträt einer emotional abgestumpften Konsumgeneration vielleicht sogar beabsichtigt sein. Doch eine Heldin, die für ein Nahtoderlebnis noch nicht einmal mehr Zynismus parat hat, wird auch dem Leser allzu schnell egal - ganz gleich, welch spektakuläre Drogen sie auch nimmt.

GISA FUNCK.

Barbara Peveling: "Wir Glückspilze". Roman. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2009. 128 S., geb., 12,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass die junge Debütantin als Schreibtalent gilt, kann Gisa Funck nicht so ganz nachvollziehen. Den ersten Roman von Barbara Peveling findet sie jedenfalls sterbensöde. Zwar hält sie eine Coming-of-age-Geschichte mit den richtigen Ingredienzien, erzählt mit der adäquaten Haltung, nach wie vor für lesenswert. Was Peveling hier vorlegt, scheint ihr allerdings ganz ohne Biss zu sein und von einer Unentschiedenheit in Ton und Stil, die der Gleichgültigkeit der jugendlichen Kurt- Cobain-Verehrerin allzu ähnlich sieht, wie Funck findet.

© Perlentaucher Medien GmbH