Milchmädchen
Über mangelnde Arbeit kann sich DJ nicht beklagen: Seit sich ihr Vater beim Umhieven des Mistwagens die Hüfte gebrochen hat, bleibt alles an ihr hängen: 32 Kühe füttern, melken, Stall ausmisten... Doch dann taucht Brian Nelson auf der Farm auf, der Football-Star der Nachbarschule, um ihr ein bisschen unter die Arme zu greifen. Das hat DJ gerade noch gefehlt. Brian ist nämlich ein unausstehlicher Angeber und bei der Heuernte alles andere als ein Star. Und dass er ihr vorwirft, sie führe das Leben einer Kuh, ist auch nicht gerade charmant. Allerdings macht es Spaß, mit ihm Football zu spielen. Und mit ihm zu reden auch. Doch nie im Leben würde Brian mit einer Kuh ausgehen. Oder?
Über mangelnde Arbeit kann sich DJ nicht beklagen: Seit sich ihr Vater beim Umhieven des Mistwagens die Hüfte gebrochen hat, bleibt alles an ihr hängen: 32 Kühe füttern, melken, Stall ausmisten... Doch dann taucht Brian Nelson auf der Farm auf, der Football-Star der Nachbarschule, um ihr ein bisschen unter die Arme zu greifen. Das hat DJ gerade noch gefehlt. Brian ist nämlich ein unausstehlicher Angeber und bei der Heuernte alles andere als ein Star. Und dass er ihr vorwirft, sie führe das Leben einer Kuh, ist auch nicht gerade charmant. Allerdings macht es Spaß, mit ihm Football zu spielen. Und mit ihm zu reden auch. Doch nie im Leben würde Brian mit einer Kuh ausgehen. Oder?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2006Immer ich!
Vertraute Pfade: Catherine Murdock rettet Aschenputtel
Kühe müssen gemolken werden, täglich zweimal. Das Heu muß gemäht, getrocknet, zu Ballen gepreßt und eingefahren werden. Das ist der Alltag einer Fünfzehnjährigen, die alle nur DJ nennen. Sie lebt auf einer Farm in Wisconsin, und seitdem ihr Vater sich die Hüfte gebrochen hat, muß ihre Mutter die Familie finanziell über Wasser halten. Die älteren Brüder gehen aufs College, und ihr kleiner Bruder soll vor allem Football spielen. Also muß DJ den Farmbetrieb im Alleingang schmeißen - neben der Schule.
"Ich weiß, wo eure Milch und eure Hamburger herkommen", verkündet sie und macht damit klar: Es liegen Welten zwischen ihr und ihren Mitschülern, den Jungs und ihren fönfrisierten Mädchen. Doch etwas verbindet sie alle dennoch: Keiner tut das, was er wirklich will.
Natürlich hat das alles viel mit den schwer symbolischen Kühen zu tun, die brav im Stall stehen, Milch geben und Kälber bekommen, immerzu. Sie machen es einfach, genau wie DJ einfach tut, was man von ihr erwartet. Dabei hat sie eine Mordswut. Weil sie nach der Arbeit im Stall so müde ist, daß an Hausaufgaben oder Kino nicht mehr zu denken ist.
Ganz klar: Das arme, fleißige Mädchen gehört gerettet. Der Prinz heißt Brian, sein Reich ist der Footballplatz, und er ist ebenso beliebt wie gutaussehend. Selbstredend können sich die beiden erst einmal nicht ausstehen. Doch der Knabe erweist sich als sympathisch, psychologisch versiert und sensibel, das Märchen nimmt seinen Lauf. Und weil Romane solcher Art nicht gerade das transportieren, was Mädchen heute darstellen sollen, wird das Ganze emanzipatorisch noch etwas aufgemotzt.
Um psychologische Feinstudien geht es hier also nicht, die Autorin bringt ihre Geschichte zügig zum Happy-End. Aber braucht man diese 250 Seiten, auf denen erzählt wird, was auf Seite 9 schon klar ist, wirklich? Vielleicht nicht. Nur gibt es ein Alter, in dem junge Mädchen solche Geschichten gerne lesen. Für dieses Alter ist "Wir Kühe" nicht das schlechteste Lesefutter. Murdock ist sich sehr bewußt, was und für wen sie schreibt. Sie bedient Erwartungen ihrer Leserinnen, weiß sie aber auch als solche ins Bewußtsein zu rufen. Hin und wieder stellt sie Fallen, und dann muß sich, wer schon die Augen verdreht hatte, eingestehen, die Autorin unterschätzt zu haben. Und das sind allemal die erfreulichsten Überraschungen.
ANTJE KEIL
Catherine Gilbert Murdock: "Wir Kühe". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Gerda Bean. Carlsen Verlag. Hamburg 2006. 271 S., br., 14,00 [Euro]. Ab 11 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vertraute Pfade: Catherine Murdock rettet Aschenputtel
Kühe müssen gemolken werden, täglich zweimal. Das Heu muß gemäht, getrocknet, zu Ballen gepreßt und eingefahren werden. Das ist der Alltag einer Fünfzehnjährigen, die alle nur DJ nennen. Sie lebt auf einer Farm in Wisconsin, und seitdem ihr Vater sich die Hüfte gebrochen hat, muß ihre Mutter die Familie finanziell über Wasser halten. Die älteren Brüder gehen aufs College, und ihr kleiner Bruder soll vor allem Football spielen. Also muß DJ den Farmbetrieb im Alleingang schmeißen - neben der Schule.
"Ich weiß, wo eure Milch und eure Hamburger herkommen", verkündet sie und macht damit klar: Es liegen Welten zwischen ihr und ihren Mitschülern, den Jungs und ihren fönfrisierten Mädchen. Doch etwas verbindet sie alle dennoch: Keiner tut das, was er wirklich will.
Natürlich hat das alles viel mit den schwer symbolischen Kühen zu tun, die brav im Stall stehen, Milch geben und Kälber bekommen, immerzu. Sie machen es einfach, genau wie DJ einfach tut, was man von ihr erwartet. Dabei hat sie eine Mordswut. Weil sie nach der Arbeit im Stall so müde ist, daß an Hausaufgaben oder Kino nicht mehr zu denken ist.
Ganz klar: Das arme, fleißige Mädchen gehört gerettet. Der Prinz heißt Brian, sein Reich ist der Footballplatz, und er ist ebenso beliebt wie gutaussehend. Selbstredend können sich die beiden erst einmal nicht ausstehen. Doch der Knabe erweist sich als sympathisch, psychologisch versiert und sensibel, das Märchen nimmt seinen Lauf. Und weil Romane solcher Art nicht gerade das transportieren, was Mädchen heute darstellen sollen, wird das Ganze emanzipatorisch noch etwas aufgemotzt.
Um psychologische Feinstudien geht es hier also nicht, die Autorin bringt ihre Geschichte zügig zum Happy-End. Aber braucht man diese 250 Seiten, auf denen erzählt wird, was auf Seite 9 schon klar ist, wirklich? Vielleicht nicht. Nur gibt es ein Alter, in dem junge Mädchen solche Geschichten gerne lesen. Für dieses Alter ist "Wir Kühe" nicht das schlechteste Lesefutter. Murdock ist sich sehr bewußt, was und für wen sie schreibt. Sie bedient Erwartungen ihrer Leserinnen, weiß sie aber auch als solche ins Bewußtsein zu rufen. Hin und wieder stellt sie Fallen, und dann muß sich, wer schon die Augen verdreht hatte, eingestehen, die Autorin unterschätzt zu haben. Und das sind allemal die erfreulichsten Überraschungen.
ANTJE KEIL
Catherine Gilbert Murdock: "Wir Kühe". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Gerda Bean. Carlsen Verlag. Hamburg 2006. 271 S., br., 14,00 [Euro]. Ab 11 J.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein "emanzipatorisch aufgemotztes" Märchen? Antje Keil will schon die Augen verdrehen, weil sie nach 9 Seiten schon weiß, was hier auf 250 Seiten ausgewalzt werden wird. Dann aber wählt sie doch nicht die Abkürzung zum Happy-End und entdeckt zu ihrer Überraschung "Fallen", mit deren Hilfe die Autorin Catherine Gilbert Murdock die bequeme Übereinkunft zwischen Stoff und Leser unterläuft. Wie diese Fallen aussehen, sagt Keil zwar nicht, der Kniff jedoch gefällt ihr so gut, dass sie jungen Mädchen den Wunsch nach Lektüren wie dieser gerne zugesteht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ein besonderes Jugendbuch." , Süddeutsche Zeitung 20151104