Provokant, kritisch, kämpferisch
Der jährliche Hungertod von mehreren zehn Millionen Menschen ist der Skandal unseres Jahrhunderts. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Und das auf einem Planeten, der grenzenlosen Überfluss produziert. Dieser Massenvernichtung von menschlichem Leben begegnet die öffentliche Meinung mit eisiger Gleichgültigkeit - solange die alltäglichen Katastrophen nicht allzu aufdringlich »sichtbar« werden, wie etwa die Hungersnot, die seit Sommer 2011 in fünf Ländern am Horn von Afrika eine tödliche Bedrohung darstellt.
Jean Ziegler verbindet seine Erfahrungen aus acht Jahren als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung mit seinem unermüdlichen Kampf für eine friedliche, gerechte Welt. Er erinnert an die dramatische ungleiche Verteilung von Reichtum, an die strukturelle Gewalt unserer Weltordnung, an Milliardenzocker, die Nahrungsmittel monströs verteuern, und er zeichnet das brutale Bild des Hungers.
Der jährliche Hungertod von mehreren zehn Millionen Menschen ist der Skandal unseres Jahrhunderts. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Und das auf einem Planeten, der grenzenlosen Überfluss produziert. Dieser Massenvernichtung von menschlichem Leben begegnet die öffentliche Meinung mit eisiger Gleichgültigkeit - solange die alltäglichen Katastrophen nicht allzu aufdringlich »sichtbar« werden, wie etwa die Hungersnot, die seit Sommer 2011 in fünf Ländern am Horn von Afrika eine tödliche Bedrohung darstellt.
Jean Ziegler verbindet seine Erfahrungen aus acht Jahren als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung mit seinem unermüdlichen Kampf für eine friedliche, gerechte Welt. Er erinnert an die dramatische ungleiche Verteilung von Reichtum, an die strukturelle Gewalt unserer Weltordnung, an Milliardenzocker, die Nahrungsmittel monströs verteuern, und er zeichnet das brutale Bild des Hungers.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Jean Ziegler haut mit seinem neuen Buch "Wir lassen sie verhungern" vehement in alte Kerben, berichtet Karin Steinberger. Erstaunlich findet sie, wie einfach die Welt durch Zieglers Brille aussehen kann: Die Guten, die Bösen, das Problem, die Lösung, alles Fakten, bekannte noch dazu, es müsste nur mal einer den Hebel umlegen, erfährt die Rezensentin vom Autor. Durch die Blume gibt es hier nichts, die Schuldigen stehen auf Seite Siebzehn. Und weil die Gier sich so schlecht anklagen lässt, wird sie hier würdig vertreten durch die "räuberischen Oligarchen des globalisierten Finanzkapitals", insbesondere die Agrokonzerne und Hedgefonds. Manch einer mag derart gerasterte Erklärungen belächeln, meint Steinberger, doch der Soziologe Ziegler hat jahrelang für die UN als Sonderberichterstatter gearbeitet und ist heute Vizepräsident des beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrats. Mangelnden Einblick in das politische Geschäft kann ihm also keiner vorwerfen. Selbst wenn so jemand zum zehnten Mal "Feuer" ruft, guckt man besser noch mal hin, rät die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2012Ein ätzend scharfer Freund-Feind-Mechanismus
Der Schweizer Jean Ziegler kämpft seit Jahren gegen Hunger und Unterernährung in der Welt. Mit seinen Rundum-Attacken will er mobilisieren, macht sich dabei aber auch viele Gegner.
Von Wilfried von Bredow
Hunger und Unterernährung sind eine Geißel der Menschheit. Es gibt viele Verursacher des Hungers. Mangelhafte Ernten infolge von Dürrekatastrophen, Überschwemmungen, Pflanzenkrankheiten und Ungeziefer gehören dazu. Manche dieser Naturkatastrophen gehen auf menschliches Verhalten zurück. Solches Verhalten aus Unwissenheit oder, schlimmer noch, als bewusste Politik zur Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen, Ideologien oder wirtschaftlicher Interessen verletzt nicht nur das Recht jedes Menschen auf ausreichende Nahrung, sondern verdunkelt alle hoffnungsfrohen Vorstellungen über angeborene Menschenfreundlichkeit als Gattungsmerkmal. Dennoch ist es wichtig, gegen den Hunger in der Welt anzugehen. Alle, die sich dieser Aufgabe widmen, verdienen Respekt und Unterstützung.
Der Soziologe Jean Ziegler, Jahrgang 1934, ist ein etwas pittoresker Veteran des politischen Kampfes gegen den Hunger. Lange Zeit ein aufmüpfiger sozialistischer Abgeordneter im eidgenössischen Parlament, hatte er von 2000 bis 2008 den Posten des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung inne. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und sich damit auch viele Feinde gemacht. Das ist Schlüsselwort für Zieglers Schaffen: Feinde. Er ist ein Schriftsteller, der mit Wut und Wonne polarisiert. Sein Weltbild beruht auf einem ätzend scharfen Freund-Feind-Mechanismus. Die Guten, das ist das einfache Volk, die Campesinos und Landpächter, die Besitzlosen - schon allein deswegen, weil sie besitzlos sind. Die Bösen sind die Reichen, die Großgrundbesitzer, die Manager der transnationalen Konzerne, die von ihnen bestochenen Politiker und heute vor allem die Spekulanten. Diese Zweiteilung der Menschheit in viele machtlose Gute und wenige mächtige Böse setzt bei Ziegler eine enorme, aber eindimensionale Empörungsdynamik frei.
Die komplexen Sachverhalte der Welternährungsdefizite werden nicht analysiert. Stattdessen klagt Ziegler an. Er will entlarven, nicht argumentieren. Wer den Feind kennt, darf ihn mit allen Mitteln angreifen. Das sind im Falle Zieglers verbale Mittel. Raubgesindel, Kreuzritter des Neoliberalismus, Raubritter, Geier, Kraken und Tigerhaie, so wird der Feind charakterisiert. Alle entweder skrupellos oder zynisch, Kriminelle halt. Manchmal gerät seine Sprache dabei in die Gefilde unfreiwilliger Komik. So wenn er Pascal Lamy, den Generalsekretär der Welthandelsorganisation, als "Savonarola des Freihandels" bezeichnet. Oder die Welthandelsorganisation, den Internationale Währungsfonds "und, in geringerem Maße, die Weltbank" als die drei apokalyptischen Reiter des Hungers identifiziert. Da werden die Weltbank-Mitarbeiter aber erleichtert sein, dass sie nur in geringerem Maße apokalyptische Reiter sind.
Es mag ja sein, dass solch schriller Attacken-Enthusiasmus sein Publikum findet. Aber letztlich verschwendet Ziegler seine Intelligenz. Seine Erkenntnisse in die Vielgestaltigkeit des Hunger-Phänomens auf der Welt gehen unter in einem Wust von zuweilen nicht ganz uneitel erzählten Anekdoten, oberflächlichen Ausflügen in die "Theorie" (etwa zu Malthus) oder Geschichte (Stalin kommt nur am Rande, Mao gar nicht vor) und verknappten Augenzeugen-Reportagen von seinen Reisen in die Hungergebiete. Zustimmung wird er nur bei denen einheimsen können, die ohnehin überzeugte und militante Kapitalismusgegner sind und voller Missverstand auf revolutionäre Bewegungen in den Entwicklungsländern hoffen samt einem Übersprung-Effekt auf die Industrieländer. Der Kampf gegen den Hunger verdient unsere Unterstützung. Aber wer uns mit fragwürdigen Übertreibungen und Rundum-Attacken mobilisieren will, schadet nur seinen eigenen Zielen.
Jean Ziegler: Wir lassen sie verhungern. Die Massenvernichtung in der Dritten Welt.
C. Bertelsmann Verlag, München 2012. 320 S., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Schweizer Jean Ziegler kämpft seit Jahren gegen Hunger und Unterernährung in der Welt. Mit seinen Rundum-Attacken will er mobilisieren, macht sich dabei aber auch viele Gegner.
Von Wilfried von Bredow
Hunger und Unterernährung sind eine Geißel der Menschheit. Es gibt viele Verursacher des Hungers. Mangelhafte Ernten infolge von Dürrekatastrophen, Überschwemmungen, Pflanzenkrankheiten und Ungeziefer gehören dazu. Manche dieser Naturkatastrophen gehen auf menschliches Verhalten zurück. Solches Verhalten aus Unwissenheit oder, schlimmer noch, als bewusste Politik zur Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen, Ideologien oder wirtschaftlicher Interessen verletzt nicht nur das Recht jedes Menschen auf ausreichende Nahrung, sondern verdunkelt alle hoffnungsfrohen Vorstellungen über angeborene Menschenfreundlichkeit als Gattungsmerkmal. Dennoch ist es wichtig, gegen den Hunger in der Welt anzugehen. Alle, die sich dieser Aufgabe widmen, verdienen Respekt und Unterstützung.
Der Soziologe Jean Ziegler, Jahrgang 1934, ist ein etwas pittoresker Veteran des politischen Kampfes gegen den Hunger. Lange Zeit ein aufmüpfiger sozialistischer Abgeordneter im eidgenössischen Parlament, hatte er von 2000 bis 2008 den Posten des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung inne. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und sich damit auch viele Feinde gemacht. Das ist Schlüsselwort für Zieglers Schaffen: Feinde. Er ist ein Schriftsteller, der mit Wut und Wonne polarisiert. Sein Weltbild beruht auf einem ätzend scharfen Freund-Feind-Mechanismus. Die Guten, das ist das einfache Volk, die Campesinos und Landpächter, die Besitzlosen - schon allein deswegen, weil sie besitzlos sind. Die Bösen sind die Reichen, die Großgrundbesitzer, die Manager der transnationalen Konzerne, die von ihnen bestochenen Politiker und heute vor allem die Spekulanten. Diese Zweiteilung der Menschheit in viele machtlose Gute und wenige mächtige Böse setzt bei Ziegler eine enorme, aber eindimensionale Empörungsdynamik frei.
Die komplexen Sachverhalte der Welternährungsdefizite werden nicht analysiert. Stattdessen klagt Ziegler an. Er will entlarven, nicht argumentieren. Wer den Feind kennt, darf ihn mit allen Mitteln angreifen. Das sind im Falle Zieglers verbale Mittel. Raubgesindel, Kreuzritter des Neoliberalismus, Raubritter, Geier, Kraken und Tigerhaie, so wird der Feind charakterisiert. Alle entweder skrupellos oder zynisch, Kriminelle halt. Manchmal gerät seine Sprache dabei in die Gefilde unfreiwilliger Komik. So wenn er Pascal Lamy, den Generalsekretär der Welthandelsorganisation, als "Savonarola des Freihandels" bezeichnet. Oder die Welthandelsorganisation, den Internationale Währungsfonds "und, in geringerem Maße, die Weltbank" als die drei apokalyptischen Reiter des Hungers identifiziert. Da werden die Weltbank-Mitarbeiter aber erleichtert sein, dass sie nur in geringerem Maße apokalyptische Reiter sind.
Es mag ja sein, dass solch schriller Attacken-Enthusiasmus sein Publikum findet. Aber letztlich verschwendet Ziegler seine Intelligenz. Seine Erkenntnisse in die Vielgestaltigkeit des Hunger-Phänomens auf der Welt gehen unter in einem Wust von zuweilen nicht ganz uneitel erzählten Anekdoten, oberflächlichen Ausflügen in die "Theorie" (etwa zu Malthus) oder Geschichte (Stalin kommt nur am Rande, Mao gar nicht vor) und verknappten Augenzeugen-Reportagen von seinen Reisen in die Hungergebiete. Zustimmung wird er nur bei denen einheimsen können, die ohnehin überzeugte und militante Kapitalismusgegner sind und voller Missverstand auf revolutionäre Bewegungen in den Entwicklungsländern hoffen samt einem Übersprung-Effekt auf die Industrieländer. Der Kampf gegen den Hunger verdient unsere Unterstützung. Aber wer uns mit fragwürdigen Übertreibungen und Rundum-Attacken mobilisieren will, schadet nur seinen eigenen Zielen.
Jean Ziegler: Wir lassen sie verhungern. Die Massenvernichtung in der Dritten Welt.
C. Bertelsmann Verlag, München 2012. 320 S., 19,99 [Euro].
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