Die Geschichte einer unmöglichen Liebe
Es ist eine Liebesgeschichte, um die sich viele Legenden ranken: Ingeborg Bachmann und Paul Celan lernten sich als junge, noch unbekannte Lyriker im Frühling 1948 kennen, und ihre Beziehung, die immer wieder von Phasen des Rückzugs gezeichnet war, dauerte bis Anfang der Sechzigerjahre, als beide schon längst zu den bedeutendsten Dichtern der deutschen Nachkriegszeit zählten. Kaum jemand wusste von der Nähe der beiden, und sie hielten es auch in der Tat nie lange miteinander aus - zu unvereinbar der biografische Hintergrund, zu groß die gegenseitig zugefügten Verletzungen, zu sehr hatten sie ihr Leben der Dichtung verschrieben.
Der vielfach ausgezeichnete Kritiker Helmut Böttiger legt die bislang erste umfassende Darstellung der Beziehung Bachmanns und Celans vor. Eine faszinierende psychologische Studie zweier herausragender Dichter, die gemeinsam um Worte rangen, einander brauchten und doch nicht miteinander leben konnten.
Ausstattung: mit Abb.
Es ist eine Liebesgeschichte, um die sich viele Legenden ranken: Ingeborg Bachmann und Paul Celan lernten sich als junge, noch unbekannte Lyriker im Frühling 1948 kennen, und ihre Beziehung, die immer wieder von Phasen des Rückzugs gezeichnet war, dauerte bis Anfang der Sechzigerjahre, als beide schon längst zu den bedeutendsten Dichtern der deutschen Nachkriegszeit zählten. Kaum jemand wusste von der Nähe der beiden, und sie hielten es auch in der Tat nie lange miteinander aus - zu unvereinbar der biografische Hintergrund, zu groß die gegenseitig zugefügten Verletzungen, zu sehr hatten sie ihr Leben der Dichtung verschrieben.
Der vielfach ausgezeichnete Kritiker Helmut Böttiger legt die bislang erste umfassende Darstellung der Beziehung Bachmanns und Celans vor. Eine faszinierende psychologische Studie zweier herausragender Dichter, die gemeinsam um Worte rangen, einander brauchten und doch nicht miteinander leben konnten.
Ausstattung: mit Abb.
buecher-magazin.deDass Paul Celan und Ingeborg Bachmann ein Liebespaar waren, blieb lange ihr Geheimnis. Als vor rund zehn Jahren ein Briefwechsel der Lyriker erschien, wurde deutlich: Sie waren einander auf dämonische Art verfallen, konnten ihre Liebe jedoch nie wirklich leben. Paul Celan heiratete Gisèle Lestrange. Ingeborg Bachmann lebte mit Max Frisch zusammen. Der Literaturkritiker und Celan-Experte Helmut Böttiger hat ihre Briefwechsel studiert; und bereits 2012 ein Buch über die Gruppe 47 herausgebracht. Jene Schriftstellergruppe, bei der Celan und Bachmann nach fünfjähriger Beziehungspause aufeinandertrafen. Bachmann wollte dort ihr Gedicht "Dunkles sagen" vortragen, doch ihre Stimme brach. Es war die direkte Antwort auf Celans Gedicht "Corona", das er ihr Jahre zuvor gewidmet hatte. Helmut Böttiger präsentiert solche Szenen präzise anhand von Fakten und respektvollen Interpretationen. Von Celan weiß man zu wenig, von Bachmann zu viel, gibt er zu verstehen. Die realen Personen hinter diesen Zuschreibungen zu erkennen, sei eine schwere Aufgabe, sagt er im Interview. Es gelingt ihm: Durch seine mit Bedacht gewählten Deutungen ersinnt er eine wundersame Rekonstruktion dieser verhängnisvollen Beziehung.
© BÜCHERmagazin, Jeanne Wellnitz (jw)
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.11.2017Um Mitternacht
Die Literatur als Echoraum des Lebens: Helmut Böttiger über
die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan
VON CHRISTOPH BARTMANN
Im Wiener Frühjahr des Jahres 1948 sind sich Ingeborg Bachmann und Paul Celan begegnet. Ihre Liebesgeschichte ist nicht bloß Literaturgeschichte geworden, sie hat sich in eine Legende verwandelt, ähnlich wie die Beziehung zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger. Die Veröffentlichung des Briefwechsels („Herzzeit“, 2008) hat die Neugier auf eine solidere Textbasis gestellt. Seitdem sind neue Bachmann-Biografien erschienen, zuletzt gab es einen Bachmann-Celan-Film („Die Geträumten“), und ohne Übertreibung könnte man sich die Dichter auch in einer TV-Miniserie vorstellen.
Während andere Autoren und Werke der Gruppe-47-Generation höchstens noch versunkenes Kulturgut darstellen, scheinen Bachmann und Celan lebendiger denn je. Oder müsste man sagen: Bachmann plus N. N.? Zum steten Interesse trägt die effektvoll verschleppte Edition der Bachmann-Briefe bei. Wenn in einigen Jahren ihr Briefwechsel mit Max Frisch vorliegt, wird auch das wieder Anlass zu weitreichenden Betrachtungen geben.
Helmut Böttiger hat nun eine erfreulich sachliche, textnahe Untersuchung der Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan vorgelegt. Er glaubt nicht, wie manche Vorgänger, man dürfe über Bachmann und Celan lediglich als literarisch-intellektuelle Phänomene sprechen, da alles andere irrelevant und indiskret sei. Er rückt seinen Figuren aber auch nicht näher auf den Pelz als nötig. Als Kenner der deutschen Nachkriegsliteratur und vor allem der Gruppe 47 interessiert ihn vor allem der literatur- und zeitgeschichtliche Rahmen der Bachmann-Celan-Konstellation. Dazu gehört ein genauer Blick auf die berühmt-berüchtigte Tagung der Gruppe im Frühjahr 1952 in Niendorf. Zu ihr hatte Hans Werner Richter Bachmann und, auf ihre Vermittlung, auch Celan eingeladen, zwei junge lyrische Talente mit Wiener Hintergrund.
Fast vergessen ist, dass Bachmann bei der Preisverleihung leer ausging, während Celan mit der „Todesfuge“ auf dem dritten Platz landete (den Preis der Gruppe 47 gewann damals Ilse Aichinger). In Erinnerung ist Niendorf wegen eines Zwischenfalls, der damals nicht nach außen drang und den erst Jahrzehnte später Walter Jens publik machte. Hans Werner Richter habe auf Celans Lesung mit dem Satz reagiert: „Der liest ja wie Goebbels.“ War die Gruppe 47, in der deutsche Männer mit Weltkriegserfahrung die Mehrheit bildeten, ein Klub von Antisemiten?
Richter hat sich später an die Situation nach seinem Fauxpas erinnert: „Paul Celan verlangte Rechenschaft und versuchte mich in die Position eines ehemaligen Nationalsozialisten zu drängen. Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann weinten und baten mich unter wahren Tränenströmen immer wieder, mich zu entschuldigen, was ich dann schließlich tat. Paul Celan hat es mir nie vergessen.“ Vielleicht war Niendorf die Urszene all dessen, was Böttiger rückblickend als „das Unmögliche“ bezeichnet. Das Unmögliche nicht nur einer dauerhaften, vielleicht sogar glücklichen Verbindung zwischen Bachmann und Celan, sondern auch das Unmögliche einer glückenden Ankunft Celans in der westdeutschen Nachkriegswirklichkeit. Bachmanns Tränen in Niendorf und andernorts scheinen dann der Ausdruck einer Verzweiflung zu sein, die über die individuelle Liebesgeschichte und ihr Scheitern hinausreicht. 1948 in Wien verliebt sie sich fast identifikatorisch in den staatenlosen jüdischen Dichter aus Bukarest, der seine Eltern im Holocaust verloren hat – als könne sie sich auf diese Weise von der eigenen Kärntner Familienbiografie mit NS-Verbindungen lösen. Sie verliebt sich auch in ein Dichtungsideal des hohen Vorkriegstons, das im Kahlschlag-Deutschland fehl am Platz wirkt und das Hans Werner Richter dann in Niendorf ohne einen Anflug von Sensibilität mit Goebbels assoziiert. Bachmann kann Celan nicht vor Richter schützen, Richters Entschuldigung macht nichts gut, und die Wunde, die Celan in Niendorf zugefügt wurde, wird nicht mehr heilen. Interessanterweise haben Bachmann und Celan in diesen Zeiten großer Lebens- und Liebeslabilität ihre größten literarischen Erfolge gefeiert. Man entdeckt, bei Bachmann und bei Celan, wohl eine Neigung zu Unglück und Missgeschick, ebenso aber den Drang und das Talent, allen Widrigkeiten zum Trotz berühmt zu werden. Wer wie Bachmann mit 28 Jahren auf dem Spiegel-Titel war, mag den Ruhm beinahe als Selbstverständlichkeit betrachtet haben. Trotz des Ruhms bleibt Bachmanns Leben ungesichert, manchmal wohl auch ökonomisch prekär. Celan wäre seinerseits ohne seine Frau Gisèle Lestrange und ohne einen Lektorenposten an der École Normale Supérieure – der Bachmann in einem späten Brief als der Gipfel aller Kränkungen erscheint – kaum über die Runden gekommen.
Die eigentliche Liebesaffäre zwischen Bachmann und Celan ist kurz gewesen. Sie umfasst die Jahre 1948/1949, ehe Celan nach Paris zieht, wo er bald Gisèle Lestrange heiraten wird – was ihn, wie Böttiger berichtet, von außerehelichen Beziehungen selten abgehalten hat. Im Herbst 1957 kommt es, bei Gelegenheit einer Wuppertaler Tagung über „Literaturkritik – kritisch betrachtet“, zu einer stürmischen Wiederbegegnung. Aus Paris schreibt Celan „Lies, Ingeborg, lies“ und legt sein Gedicht „Weiß und Leicht“ bei, drei Tage später schickt er ihr das Gedicht „Köln, Am Hof“, das mit den Zeilen beginnt: „Herzzeit, es stehn/die Geträumten für/die Mitternachtsziffer.“ Und weiter: „Verbannt und Verloren/waren daheim.“
Alles an diesen Zeilen, das zeigt Böttiger im Detail, ist sprechend, weist über die Biografien hinaus und zugleich tief auf sie zurück. Was Bachmann und Celan in der gelebten Realität versäumt haben mögen, holen sie im Feld der literarischen Mythologie nach. Verbannt und verloren, sind sie daheim nur in einer lyrischen Zwiesprache, die, so intim sie auch ist, auf eine Nachwelt gerichtet scheint. Man steht gebannt vor der poetischen Inbrunst, mit der sich die beiden Liebenden über Jahre bearbeiten, abgewandt von allen übrigen Zeit- und Weltfragen und wild entschlossen, nicht voneinander zu lassen – auch wenn sie nicht zueinanderfinden können.
Aus Paris schreibt Celan „Lies
Ingeborg, lies“ und legt sein
Gedicht „Weiß und Leicht“ bei
Die Ärzte. Am Krankenbett eines Mannes streiten zwei Ärzte
so lang über die Behandlungsmethode, bis der Patient stirbt. Daraufhin triumphieren beide:
Wäre er meinem Rat gefolgt, „er wäre noch am Leben“.
Helmut Böttiger: Wir sagen uns Dunkles. Die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017. 270 Seiten, 22 Euro. E-Book 18,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Die Literatur als Echoraum des Lebens: Helmut Böttiger über
die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan
VON CHRISTOPH BARTMANN
Im Wiener Frühjahr des Jahres 1948 sind sich Ingeborg Bachmann und Paul Celan begegnet. Ihre Liebesgeschichte ist nicht bloß Literaturgeschichte geworden, sie hat sich in eine Legende verwandelt, ähnlich wie die Beziehung zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger. Die Veröffentlichung des Briefwechsels („Herzzeit“, 2008) hat die Neugier auf eine solidere Textbasis gestellt. Seitdem sind neue Bachmann-Biografien erschienen, zuletzt gab es einen Bachmann-Celan-Film („Die Geträumten“), und ohne Übertreibung könnte man sich die Dichter auch in einer TV-Miniserie vorstellen.
Während andere Autoren und Werke der Gruppe-47-Generation höchstens noch versunkenes Kulturgut darstellen, scheinen Bachmann und Celan lebendiger denn je. Oder müsste man sagen: Bachmann plus N. N.? Zum steten Interesse trägt die effektvoll verschleppte Edition der Bachmann-Briefe bei. Wenn in einigen Jahren ihr Briefwechsel mit Max Frisch vorliegt, wird auch das wieder Anlass zu weitreichenden Betrachtungen geben.
Helmut Böttiger hat nun eine erfreulich sachliche, textnahe Untersuchung der Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan vorgelegt. Er glaubt nicht, wie manche Vorgänger, man dürfe über Bachmann und Celan lediglich als literarisch-intellektuelle Phänomene sprechen, da alles andere irrelevant und indiskret sei. Er rückt seinen Figuren aber auch nicht näher auf den Pelz als nötig. Als Kenner der deutschen Nachkriegsliteratur und vor allem der Gruppe 47 interessiert ihn vor allem der literatur- und zeitgeschichtliche Rahmen der Bachmann-Celan-Konstellation. Dazu gehört ein genauer Blick auf die berühmt-berüchtigte Tagung der Gruppe im Frühjahr 1952 in Niendorf. Zu ihr hatte Hans Werner Richter Bachmann und, auf ihre Vermittlung, auch Celan eingeladen, zwei junge lyrische Talente mit Wiener Hintergrund.
Fast vergessen ist, dass Bachmann bei der Preisverleihung leer ausging, während Celan mit der „Todesfuge“ auf dem dritten Platz landete (den Preis der Gruppe 47 gewann damals Ilse Aichinger). In Erinnerung ist Niendorf wegen eines Zwischenfalls, der damals nicht nach außen drang und den erst Jahrzehnte später Walter Jens publik machte. Hans Werner Richter habe auf Celans Lesung mit dem Satz reagiert: „Der liest ja wie Goebbels.“ War die Gruppe 47, in der deutsche Männer mit Weltkriegserfahrung die Mehrheit bildeten, ein Klub von Antisemiten?
Richter hat sich später an die Situation nach seinem Fauxpas erinnert: „Paul Celan verlangte Rechenschaft und versuchte mich in die Position eines ehemaligen Nationalsozialisten zu drängen. Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann weinten und baten mich unter wahren Tränenströmen immer wieder, mich zu entschuldigen, was ich dann schließlich tat. Paul Celan hat es mir nie vergessen.“ Vielleicht war Niendorf die Urszene all dessen, was Böttiger rückblickend als „das Unmögliche“ bezeichnet. Das Unmögliche nicht nur einer dauerhaften, vielleicht sogar glücklichen Verbindung zwischen Bachmann und Celan, sondern auch das Unmögliche einer glückenden Ankunft Celans in der westdeutschen Nachkriegswirklichkeit. Bachmanns Tränen in Niendorf und andernorts scheinen dann der Ausdruck einer Verzweiflung zu sein, die über die individuelle Liebesgeschichte und ihr Scheitern hinausreicht. 1948 in Wien verliebt sie sich fast identifikatorisch in den staatenlosen jüdischen Dichter aus Bukarest, der seine Eltern im Holocaust verloren hat – als könne sie sich auf diese Weise von der eigenen Kärntner Familienbiografie mit NS-Verbindungen lösen. Sie verliebt sich auch in ein Dichtungsideal des hohen Vorkriegstons, das im Kahlschlag-Deutschland fehl am Platz wirkt und das Hans Werner Richter dann in Niendorf ohne einen Anflug von Sensibilität mit Goebbels assoziiert. Bachmann kann Celan nicht vor Richter schützen, Richters Entschuldigung macht nichts gut, und die Wunde, die Celan in Niendorf zugefügt wurde, wird nicht mehr heilen. Interessanterweise haben Bachmann und Celan in diesen Zeiten großer Lebens- und Liebeslabilität ihre größten literarischen Erfolge gefeiert. Man entdeckt, bei Bachmann und bei Celan, wohl eine Neigung zu Unglück und Missgeschick, ebenso aber den Drang und das Talent, allen Widrigkeiten zum Trotz berühmt zu werden. Wer wie Bachmann mit 28 Jahren auf dem Spiegel-Titel war, mag den Ruhm beinahe als Selbstverständlichkeit betrachtet haben. Trotz des Ruhms bleibt Bachmanns Leben ungesichert, manchmal wohl auch ökonomisch prekär. Celan wäre seinerseits ohne seine Frau Gisèle Lestrange und ohne einen Lektorenposten an der École Normale Supérieure – der Bachmann in einem späten Brief als der Gipfel aller Kränkungen erscheint – kaum über die Runden gekommen.
Die eigentliche Liebesaffäre zwischen Bachmann und Celan ist kurz gewesen. Sie umfasst die Jahre 1948/1949, ehe Celan nach Paris zieht, wo er bald Gisèle Lestrange heiraten wird – was ihn, wie Böttiger berichtet, von außerehelichen Beziehungen selten abgehalten hat. Im Herbst 1957 kommt es, bei Gelegenheit einer Wuppertaler Tagung über „Literaturkritik – kritisch betrachtet“, zu einer stürmischen Wiederbegegnung. Aus Paris schreibt Celan „Lies, Ingeborg, lies“ und legt sein Gedicht „Weiß und Leicht“ bei, drei Tage später schickt er ihr das Gedicht „Köln, Am Hof“, das mit den Zeilen beginnt: „Herzzeit, es stehn/die Geträumten für/die Mitternachtsziffer.“ Und weiter: „Verbannt und Verloren/waren daheim.“
Alles an diesen Zeilen, das zeigt Böttiger im Detail, ist sprechend, weist über die Biografien hinaus und zugleich tief auf sie zurück. Was Bachmann und Celan in der gelebten Realität versäumt haben mögen, holen sie im Feld der literarischen Mythologie nach. Verbannt und verloren, sind sie daheim nur in einer lyrischen Zwiesprache, die, so intim sie auch ist, auf eine Nachwelt gerichtet scheint. Man steht gebannt vor der poetischen Inbrunst, mit der sich die beiden Liebenden über Jahre bearbeiten, abgewandt von allen übrigen Zeit- und Weltfragen und wild entschlossen, nicht voneinander zu lassen – auch wenn sie nicht zueinanderfinden können.
Aus Paris schreibt Celan „Lies
Ingeborg, lies“ und legt sein
Gedicht „Weiß und Leicht“ bei
Die Ärzte. Am Krankenbett eines Mannes streiten zwei Ärzte
so lang über die Behandlungsmethode, bis der Patient stirbt. Daraufhin triumphieren beide:
Wäre er meinem Rat gefolgt, „er wäre noch am Leben“.
Helmut Böttiger: Wir sagen uns Dunkles. Die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017. 270 Seiten, 22 Euro. E-Book 18,99 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017Der Ort ihrer Liebe war nur die Literatur
Helmut Böttigers Buch "Wir sagen uns Dunkles" erzählt vom Scheitern der Faszination zwischen den Lyrikern Ingeborg Bachmann und Paul Celan.
Von Wiebke Porombka
Am 17. Mai 1948 schreibt Ingeborg Bachmann an ihre Eltern, dass sie am Tag zuvor auf einer Feier bei dem surrealistischen Maler Edgar Jené "den bekannten Lyriker Pau Celan etwas ins Auge fasste". Diese lakonische, vermutlich bewusst lapidar gehaltene Notiz verzeichnet den Beginn einer der tragischsten und zur Mythisierung prädestinierten Schriftstellerlieben, die das vergangene Jahrhundert kannte. Nicht allein, dass mit Ingeborg Bachmann und Paul Celan die wesentlichen deutschsprachigen Dichtergestalten der Nachkriegszeit die Protagonisten sind, macht dieses Verhältnis in der Rezeption so sensibel, sondern zudem, dass sich in ihrer gescheiterte Beziehung das größte Verbrechen des zwanzigsten Jahrhunderts als unheilvoller Akteur mit eingeschrieben hat.
Paul Celan, der Jude aus Czernowitz, dessen Eltern in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet wurden, der selbst ein rumänisches Arbeitslager überlebt hat und gerade als displaced person in Wien angelangt ist, trifft auf die fünfeinhalb Jahre jüngere Klagenfurterin Ingeborg Bachmann, die Tochter eines früh in die NSDAP eingetretenen Schuldirektors, die zum Philosophiestudium in die österreichische Hauptstadt gekommen ist und erste Fühler im Literaturbetrieb ausstreckt - zielstrebig, wie etwa ihre Liaison mit dem wesentlich älteren Schriftsteller und Kritiker Hans Weigel zeigt. Die Traumatisierung des einen konnte natürlich gerade diejenige nicht heilen, die zumindest symbolisch zur Seite der Täter gehörte.
Lange Jahre wusste man nichts von der Verbindung von Bachmann und Celan. Erst deren 2008 publizierter Briefwechsel "Herzzeit" eröffnete Einblicke in die über Jahre bestehende, aufgeladene und äußerst wechselhafte Beziehung. Wenn nun der Literaturkritiker Helmut Böttiger, der zuletzt eine luzide, materialreiche Studie über die Gruppe 47 publiziert hat, in seinem Buch "Wir sagen uns Dunkles" diese Liebesgeschichte zu erzählen verspricht, dann ist dieses Unternehmen in mehrfacher Hinsicht nicht unheikel. Zum einen deshalb, weil die Gefahr groß ist, den vielfach evozierten Mythen, die sich um die beiden Dichter ranken, zu erliegen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob und wie detailliert das Privatleben von Schriftstellern überhaupt Gegenstand öffentlicher Wahrnehmung und Diskussion sein sollte - im allgegenwärtigen Authentizitätsfuror freilich dürfte hierüber von vornherein weitgehender Konsens bestehen.
Nun macht Böttiger erfreulicherweise aber etwas anderes. Er verleiht dem Verhältnis von Bachmann und Celan, das 1948 mit sechs gemeinsamen Wochen in Wien beginnt, Transparenz, ohne die Beteiligten zu entblößen und ohne auch nur in die Nähe eines raunenden oder bedeutungsschwangeren Tons zu geraten. Er bettet die Beziehung in ihren historischen Kontext ein, entfaltet, quellengesättigt und atmosphärisch, das kulturelle Panorama der Nachkriegszeit und legt dabei die Dynamiken eines seine Kräfteverhältnisse neu auslotenden Literaturbetriebs frei, innerhalb dessen sich die beiden jungen Dichter zu etablieren versuchten, was zwangsläufig auch in ihr Verhältnis hineinspielen musste.
Erhellend ist vor allem die dichte, bis in die Kompositionsstrukturen vordringende und horizontaufreißende Lektüre von Gedichten Bachmanns und Celans, vermittels derer Böttiger Korrespondenzen zwischen einzelnen Gedichten, die Aufnahme und Fortschreibung von Motiven freilegt. Beginnend mit Celans bereits am 23. Mai 1948, nur eine Woche nach dem ersten Zusammentreffen, verfassten Gedicht "In Ägypten", über das für Böttiger wesentliche Gedicht "Corona", in dem sich die später von Bachmann aufgenommene Zeile "wir sagen uns Dunkles" findet, wird sich dieses innerliterarische Liebesgespräch bis in Bachmanns 1971 erschienenen Roman "Malina" fortsetzen. Die Liebesgeschichte, die im Alltag keinen Bestand haben sollte, wird von Böttiger immer wieder dorthin überführt, wo sie ihren Platz hatte: in die Literatur.
Einer der neuralgischen Punkte in der Beziehung von Bachmann und Celan und damit ein zentrales Kapitel in Böttigers Buch ist die Tagung der Gruppe 47 im Mai 1952 in Niendorf, auf der sich sämtliche Ebenen auf dramatische Weise miteinander verschlingen. Böttiger schildert hier zunächst die Hintergründe des erst nachträglich, 1976, durch Walter Jens aufgebrachten Antisemitismus-Vorwurfs gegen das Schriftsteller-Treffen, der in dieser pauschalen Form nicht zu halten ist. Unglückseligerweise, so legt Böttiger dar, war es ausgerechnet der gewiss nicht als Nazi-Sympathisant geltende Hans Werner Richter, der abseits der offiziellen Diskussion mit Blick auf Celans Vortrag den kaum verzeihlichen Goebbels-Vergleich zog.
Aufschlussreich sind in diesen Zusammenhang die widersprüchlichen Beschreibungen der Reaktion Bachmanns. Richter erinnert sich in seinem Tagebuch, Bachmann habe ihn weinend angefleht, sich bei Celan zu entschuldigen. Celan dagegen fühlte sich von Bachmann ignoriert und also verraten. Hier kann man ein frühes Indiz erkennen für Celans zunehmende Überzeugung, schutzlos antisemitischem Ressentiment ausgesetzt zu sein. Eine Entwicklung, die mit seiner in den frühen sechziger Jahren offen ausbrechenden psychischen Erkrankung in fataler Weise korrespondierte.
Dass er in Niendorf unter anderem das Bachmann gewidmete Gedicht "In Ägypten" vortrug, musste diese zutiefst erschüttern. Dass sie wiederum das ebenfalls auf ihn Bezug nehmende "Dunkles zu sagen" lesen wollte und ihr dabei die Stimme versagte - wer wollte das angesichts des emotionalen Hintergrunds nicht verstehen? Allein: Von den Anwesenden ahnte niemand, welch innere Stürme da tobten.
Dank der Eindrücklichkeit von Böttigers Studie gibt es immer wieder Momente, in denen man der Hoffnung nach einem glücklichen Ausgang erliegt - etwa während der Schilderung eines für beide überraschenden Zusammentreffens in Wuppertal 1957. Danach wird es Celan sein, der geradezu euphorisch für eine Zukunft mit Bachmann wirbt.
Helmut Böttiger: "Wir sagen uns Dunkles". Die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan.
Deutsche Verlagsanstalt, München 2017. 272 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Helmut Böttigers Buch "Wir sagen uns Dunkles" erzählt vom Scheitern der Faszination zwischen den Lyrikern Ingeborg Bachmann und Paul Celan.
Von Wiebke Porombka
Am 17. Mai 1948 schreibt Ingeborg Bachmann an ihre Eltern, dass sie am Tag zuvor auf einer Feier bei dem surrealistischen Maler Edgar Jené "den bekannten Lyriker Pau Celan etwas ins Auge fasste". Diese lakonische, vermutlich bewusst lapidar gehaltene Notiz verzeichnet den Beginn einer der tragischsten und zur Mythisierung prädestinierten Schriftstellerlieben, die das vergangene Jahrhundert kannte. Nicht allein, dass mit Ingeborg Bachmann und Paul Celan die wesentlichen deutschsprachigen Dichtergestalten der Nachkriegszeit die Protagonisten sind, macht dieses Verhältnis in der Rezeption so sensibel, sondern zudem, dass sich in ihrer gescheiterte Beziehung das größte Verbrechen des zwanzigsten Jahrhunderts als unheilvoller Akteur mit eingeschrieben hat.
Paul Celan, der Jude aus Czernowitz, dessen Eltern in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet wurden, der selbst ein rumänisches Arbeitslager überlebt hat und gerade als displaced person in Wien angelangt ist, trifft auf die fünfeinhalb Jahre jüngere Klagenfurterin Ingeborg Bachmann, die Tochter eines früh in die NSDAP eingetretenen Schuldirektors, die zum Philosophiestudium in die österreichische Hauptstadt gekommen ist und erste Fühler im Literaturbetrieb ausstreckt - zielstrebig, wie etwa ihre Liaison mit dem wesentlich älteren Schriftsteller und Kritiker Hans Weigel zeigt. Die Traumatisierung des einen konnte natürlich gerade diejenige nicht heilen, die zumindest symbolisch zur Seite der Täter gehörte.
Lange Jahre wusste man nichts von der Verbindung von Bachmann und Celan. Erst deren 2008 publizierter Briefwechsel "Herzzeit" eröffnete Einblicke in die über Jahre bestehende, aufgeladene und äußerst wechselhafte Beziehung. Wenn nun der Literaturkritiker Helmut Böttiger, der zuletzt eine luzide, materialreiche Studie über die Gruppe 47 publiziert hat, in seinem Buch "Wir sagen uns Dunkles" diese Liebesgeschichte zu erzählen verspricht, dann ist dieses Unternehmen in mehrfacher Hinsicht nicht unheikel. Zum einen deshalb, weil die Gefahr groß ist, den vielfach evozierten Mythen, die sich um die beiden Dichter ranken, zu erliegen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob und wie detailliert das Privatleben von Schriftstellern überhaupt Gegenstand öffentlicher Wahrnehmung und Diskussion sein sollte - im allgegenwärtigen Authentizitätsfuror freilich dürfte hierüber von vornherein weitgehender Konsens bestehen.
Nun macht Böttiger erfreulicherweise aber etwas anderes. Er verleiht dem Verhältnis von Bachmann und Celan, das 1948 mit sechs gemeinsamen Wochen in Wien beginnt, Transparenz, ohne die Beteiligten zu entblößen und ohne auch nur in die Nähe eines raunenden oder bedeutungsschwangeren Tons zu geraten. Er bettet die Beziehung in ihren historischen Kontext ein, entfaltet, quellengesättigt und atmosphärisch, das kulturelle Panorama der Nachkriegszeit und legt dabei die Dynamiken eines seine Kräfteverhältnisse neu auslotenden Literaturbetriebs frei, innerhalb dessen sich die beiden jungen Dichter zu etablieren versuchten, was zwangsläufig auch in ihr Verhältnis hineinspielen musste.
Erhellend ist vor allem die dichte, bis in die Kompositionsstrukturen vordringende und horizontaufreißende Lektüre von Gedichten Bachmanns und Celans, vermittels derer Böttiger Korrespondenzen zwischen einzelnen Gedichten, die Aufnahme und Fortschreibung von Motiven freilegt. Beginnend mit Celans bereits am 23. Mai 1948, nur eine Woche nach dem ersten Zusammentreffen, verfassten Gedicht "In Ägypten", über das für Böttiger wesentliche Gedicht "Corona", in dem sich die später von Bachmann aufgenommene Zeile "wir sagen uns Dunkles" findet, wird sich dieses innerliterarische Liebesgespräch bis in Bachmanns 1971 erschienenen Roman "Malina" fortsetzen. Die Liebesgeschichte, die im Alltag keinen Bestand haben sollte, wird von Böttiger immer wieder dorthin überführt, wo sie ihren Platz hatte: in die Literatur.
Einer der neuralgischen Punkte in der Beziehung von Bachmann und Celan und damit ein zentrales Kapitel in Böttigers Buch ist die Tagung der Gruppe 47 im Mai 1952 in Niendorf, auf der sich sämtliche Ebenen auf dramatische Weise miteinander verschlingen. Böttiger schildert hier zunächst die Hintergründe des erst nachträglich, 1976, durch Walter Jens aufgebrachten Antisemitismus-Vorwurfs gegen das Schriftsteller-Treffen, der in dieser pauschalen Form nicht zu halten ist. Unglückseligerweise, so legt Böttiger dar, war es ausgerechnet der gewiss nicht als Nazi-Sympathisant geltende Hans Werner Richter, der abseits der offiziellen Diskussion mit Blick auf Celans Vortrag den kaum verzeihlichen Goebbels-Vergleich zog.
Aufschlussreich sind in diesen Zusammenhang die widersprüchlichen Beschreibungen der Reaktion Bachmanns. Richter erinnert sich in seinem Tagebuch, Bachmann habe ihn weinend angefleht, sich bei Celan zu entschuldigen. Celan dagegen fühlte sich von Bachmann ignoriert und also verraten. Hier kann man ein frühes Indiz erkennen für Celans zunehmende Überzeugung, schutzlos antisemitischem Ressentiment ausgesetzt zu sein. Eine Entwicklung, die mit seiner in den frühen sechziger Jahren offen ausbrechenden psychischen Erkrankung in fataler Weise korrespondierte.
Dass er in Niendorf unter anderem das Bachmann gewidmete Gedicht "In Ägypten" vortrug, musste diese zutiefst erschüttern. Dass sie wiederum das ebenfalls auf ihn Bezug nehmende "Dunkles zu sagen" lesen wollte und ihr dabei die Stimme versagte - wer wollte das angesichts des emotionalen Hintergrunds nicht verstehen? Allein: Von den Anwesenden ahnte niemand, welch innere Stürme da tobten.
Dank der Eindrücklichkeit von Böttigers Studie gibt es immer wieder Momente, in denen man der Hoffnung nach einem glücklichen Ausgang erliegt - etwa während der Schilderung eines für beide überraschenden Zusammentreffens in Wuppertal 1957. Danach wird es Celan sein, der geradezu euphorisch für eine Zukunft mit Bachmann wirbt.
Helmut Böttiger: "Wir sagen uns Dunkles". Die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan.
Deutsche Verlagsanstalt, München 2017. 272 S., geb., 22,- [Euro].
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