1919. Der Albtraum des Ersten Weltkriegs ist endlich zu Ende, und das geschundene Frankreich versucht krampfhaft, in die Normalität zurückzufinden. Dabei sind die zahlreichen Landser, die nun von den Schlachtfeldern heimkehren, oft eher hinderlich. Das erfahren auch Albert und Edouard, der eine schwer traumatisiert, der andere entsetzlich entstellt. Zu verdanken haben sie dies ihrem Ex-Kommandeur, einem skrupellosen Karrieristen, der für seine Beförderung über Leichen geht, zur Not selbst die der eigenen Kameraden. So finden sich die beiden schicksalhaft aneinander geketteten Leidensgenossen nach Kriegsende im Abseits wieder, denn die "dankbare" Nation hat für Krüppel keinen Platz, sondern allenfalls ein schlechtes Gewissen, das man mit patriotischen Denkmälern und Kriegsgräbern beschwichtigt. Das erkennen auch Albert und Edouard, woraufhin sie einen verwegenen Plan schmieden, um sich an den vaterländischen Heuchlern zu rächen. Niemand soll ungeschoren davonkommen. Und da man sich im Leben immer zweimal sieht, begegnet ihnen alsbald auch ihr Ex-Leutnant wieder, nun zu einem besonders zynischen Kriegsgewinnler mutiert...
Pierre Lemaitres Roman "Wir sehen uns dort oben" war 2013 ein literarischer Überraschungserfolg in Frankreich und gewann sogar den renommierten Prix Goncourt. Ein dickes, 500 Seiten pralles Buch, das zwischen Schwejkiade und galliger Groteske pendelt und dabei voller starker Bilder steckt. Darum hat Lemaitre selbst für eine Comic-Fassung gesorgt und mit Christian de Metter ("Shutter Island", "Scarface") einen ausgezeichneten Illustrator gefunden, der mit seinen Zeichnungen und dank seiner durchdachten Farbgebung die Stimmung der Erzählung perfekt auf den Punkt bringt. Ohne viele Worte übrigens, schließlich kann Edouard aufgrund seiner Kriegsverletzung nicht mehr reden. Ein aufsehenerregender Comic-Roman, der seiner Vorlage mehr als gerecht wird.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Pierre Lemaitres Roman "Wir sehen uns dort oben" war 2013 ein literarischer Überraschungserfolg in Frankreich und gewann sogar den renommierten Prix Goncourt. Ein dickes, 500 Seiten pralles Buch, das zwischen Schwejkiade und galliger Groteske pendelt und dabei voller starker Bilder steckt. Darum hat Lemaitre selbst für eine Comic-Fassung gesorgt und mit Christian de Metter ("Shutter Island", "Scarface") einen ausgezeichneten Illustrator gefunden, der mit seinen Zeichnungen und dank seiner durchdachten Farbgebung die Stimmung der Erzählung perfekt auf den Punkt bringt. Ohne viele Worte übrigens, schließlich kann Edouard aufgrund seiner Kriegsverletzung nicht mehr reden. Ein aufsehenerregender Comic-Roman, der seiner Vorlage mehr als gerecht wird.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.09.2017NEUE TASCHENBÜCHER
Geschäfte
mit dem Tod
November 1918. Leutnant Pradelle ist „schrecklich zivilisiert“. Andererseits „abgrundtief brutal. Ein bisschen so wie dieser Krieg.“ Der dauert nur noch wenige Tage, und Pradelle fürchtet um die Beförderung zum Hauptmann, die ihm ein gutes Leben nach dem Schlachten sichern würde. Also lässt er die Soldaten noch eben einen „winzigen Punkt auf der Landkarte“ stürmen. Der Einsatz kostet Édouard den Unterkiefer, Albert hat sein Trauma weg. Fortan begleiten wir die drei Protagonisten in die Nachkriegszeit. Krieg ist immer Geschäft, auch danach. Während Pradelle sich mit dem falschen Umbetten von Soldatenleichen nur bereichern will, ziehen Édouard und Albert einen illegalen Handel mit Gefallenendenkmälern auf, um zu überleben. Pierre Lemaitre hat Krimis geschrieben, ehe er mit „Wir sehen uns dort oben“ den Prix Goncourt gewann. Das Buch ist sehr spannend und, für einen Weltkriegsroman, unerwartet locker geschrieben, auch voll Sarkasmus. Über Albert heißt es: „Er wusste, dass man sich von allem erholte, aber seit er den Krieg gewonnen hatte, kam es ihm so vor, als verlöre er ihn im Nachhinein doch noch, jeden Tag ein bisschen mehr.“ FLORIAN WELLE
Pierre Lemaitre: Wir sehen uns dort oben. Roman. Aus dem Französischen von Antje Peter. btb, München 2017. 522 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Geschäfte
mit dem Tod
November 1918. Leutnant Pradelle ist „schrecklich zivilisiert“. Andererseits „abgrundtief brutal. Ein bisschen so wie dieser Krieg.“ Der dauert nur noch wenige Tage, und Pradelle fürchtet um die Beförderung zum Hauptmann, die ihm ein gutes Leben nach dem Schlachten sichern würde. Also lässt er die Soldaten noch eben einen „winzigen Punkt auf der Landkarte“ stürmen. Der Einsatz kostet Édouard den Unterkiefer, Albert hat sein Trauma weg. Fortan begleiten wir die drei Protagonisten in die Nachkriegszeit. Krieg ist immer Geschäft, auch danach. Während Pradelle sich mit dem falschen Umbetten von Soldatenleichen nur bereichern will, ziehen Édouard und Albert einen illegalen Handel mit Gefallenendenkmälern auf, um zu überleben. Pierre Lemaitre hat Krimis geschrieben, ehe er mit „Wir sehen uns dort oben“ den Prix Goncourt gewann. Das Buch ist sehr spannend und, für einen Weltkriegsroman, unerwartet locker geschrieben, auch voll Sarkasmus. Über Albert heißt es: „Er wusste, dass man sich von allem erholte, aber seit er den Krieg gewonnen hatte, kam es ihm so vor, als verlöre er ihn im Nachhinein doch noch, jeden Tag ein bisschen mehr.“ FLORIAN WELLE
Pierre Lemaitre: Wir sehen uns dort oben. Roman. Aus dem Französischen von Antje Peter. btb, München 2017. 522 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de