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Die deutsche Vereinigung war eine der Sternstunden der an solchen nicht gerade reichen deutschen Geschichte. Das Buch beschreibt knapp und verständlich den Prozeß der deutschen Einigung als Ergebnis der friedlichen Revolution der Menschen der DDR. Es schildert den Wandel der weltpolitischen Konstellationen, vor allem durch Gorbatschow innerhalb der damaligen Sowjetunion, der die Voraussetzungen schuf für die deutsche Wiedervereinigung. Die finanz-, wirtschafts- und sozialpolitischen Verhandlungen zwischen Deutschland West und Deutschland Ost werden auf der Basis neu erschlossener Quellen mit…mehr

Produktbeschreibung
Die deutsche Vereinigung war eine der Sternstunden der an solchen nicht gerade reichen deutschen Geschichte. Das Buch beschreibt knapp und verständlich den Prozeß der deutschen Einigung als Ergebnis der friedlichen Revolution der Menschen der DDR. Es schildert den Wandel der weltpolitischen Konstellationen, vor allem durch Gorbatschow innerhalb der damaligen Sowjetunion, der die Voraussetzungen schuf für die deutsche Wiedervereinigung. Die finanz-, wirtschafts- und sozialpolitischen Verhandlungen zwischen Deutschland West und Deutschland Ost werden auf der Basis neu erschlossener Quellen mit interessanten Details beleuchtet, die Ergebnisse analysiert und auch die verfassungsrechtlichen Optionen skizziert.
Autorenporträt
Gerhard A. Ritter ist Prof. em. für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 1976 bis 1980 war er Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands. Er ist Honorary Fellow des St. Antony's College Oxford sowie korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 2007 erhielt er den "Preis des Historischen Kollegs".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.11.2009

Die Idee der Freiheit veränderte die Geschichte
An der Revolution vor 20 Jahren war nicht Schabowskis Zettel schuld, sondern es waren die Protestbewegungen in allen Winkeln der DDR
Es gibt kaum ein Stück Papier, über das in diesen Tagen mehr geschrieben und gerätselt wird als über jenen Zettel, den Günter Schabowski vor 20 Jahren in Händen hielt. Was er daraus am 9. November 1989 vor laufenden Kameras über die kurz zuvor vom Zentralkomitee der SED beschlossene neue Reisefreiheit vorlas, veränderte die Welt: Stunden später stürmten die Menschen durch die Berliner Grenzstation Bornholmer Straße gen Westen, Trabbis röhrten über den Kurfürstendamm, und im fernen Bonn erhoben sich die Abgeordneten und sangen die Nationalhymne.
Rasendschnell kam es nun zu Veränderungen, die man nach 40 Jahren DDR kaum mehr für möglich gehalten hatte: Politbürogrößen entpuppten sich als Pappkameraden, wo einst die zentralistische SED-Staatsmacht regierte, übernahmen „runde Tische” die Regie, und selbst die Alliierten blockierten das Streben der beiden deutschen Staaten zur Einheit nicht. So war binnen weniger Monate die Wiedervereinigung vollbracht: Von den Vertragsverhandlungen über die Währungsunion bis zur formellen Einheit am 3. Oktober 1990.
Fast schien es so, als habe Schabowski nur zufällig den Stein ins Rollen gebracht, der die Wende brachte. Doch Geschichte vollzieht sich nicht in Zufällen, auch wenn das manchmal so aussieht. Diese These vertritt der Historiker Wolfgang Schuller, und er belegt sie eindrucksvoll mit einer gekonnt komponierten Mischung aus Analyse und konkreter Beschreibung. Eher enttäuschend hingegen der Band seines Historikerkollegen Gerhard A. Ritter. Die interessantesten Passagen darin sind ein Neuaufguss von Ritters brillanter Analyse über den „Preis der Einheit”, die bereits 2007 erschien. Der Verlag wollte wohl unbedingt ein Buch des angesehenen Professors zum 9. November produzieren – auch um den Preis der Doublette.
Akribisch hat Schuller Einzelheiten über Demonstrationszüge und örtliche Auseinandersetzungen aus kaum bekannten Gemeinden wie Crivitz in Mecklenburg-Vorpommern oder dem thüringischen Städtchen Arnstadt zusammengetragen. Er wiegt damit ein Manko auf, das viele Bücher über den 9. November kennzeichnet: Entweder sind sie allzu metropolenlastig auf einzelne Orte und Personen konzentriert, deren tatsächliche Bedeutung im Prozess der Umwälzung weit überschätzt wird; oder sie halten sich in Miniaturbeschreibungen fest, die über das konkrete Beispiel intellektuell nicht hinauswachsen können und den Kern der Dynamik, die zum Ende der DDR führte, nicht ergründen. Der Mauerfall war „nicht vom Himmel gekommen”, wie Schuller feststellt. Und die Revolution hatte nicht nur in Leipzig, Dresden oder Berlin stattgefunden.
Just die Tatsache, dass sich selbst in entlegenen Winkeln der Ost-Republik Protestbewegungen bildeten, ist einer der Hauptgründe dafür, warum die Revolution von 1989 die erste wirklich erfolgreiche Erhebung auf deutschem Boden werden konnte. Und es ist ein zynischer Treppenwitz der Geschichte, dass die Schauplätze, auf denen die Bewegung der Bürger sich ausbreitete, heute oft verödet sind: Es waren die alten Marktplätze und Pflastergassen der kleineren und größeren Städte, welche die Kulissen bildeten für die friedliche Revolution. Heute sieht man hier leere Schaufensterscheiben hinter aufwändig restaurierten Fassaden – was die DDR in über 40 Jahre währendem Nichtstun an alten Stadtstrukturen noch hinterlassen hatte, fiel vor dem Ansturm der Globalisierung in Form von „Shopping-Malls” bald wie ein Kartenhaus zusammen.
„Feuerwehr für das Volk”
Dabei hatte sich der Kommunismus gleichsam mit eigenen Waffen schlagen lassen. „Die Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift”, lautete eine der goldenen Losungen im Vokabular des Marxismus-Leninismus. Dieser Satz bewahrheitete sich im Herbst 1989, freilich völlig anders, als die Staatssozialisten sich das dachten, wie Schuller ausführt: „Die Idee der Freiheit wurde zur materiellen Gewalt, weil sie die Massen ergriffen hatte.” Interessant wird es in Schullers Buch immer dann, wenn sich ein allgemeiner Befund aus konkreten Fallbeispielen erschließt. So hing etwa die Versorgungslage in der sächsischen Stadt Oschatz an einer Handvoll Auspuffrohre: Weil diese an einigen Traktoren fehlten, hatte die LPG größte Probleme, ihre Ernte einzubringen. Weil zudem eine Achse für einen Lkw nicht beschaffbar war, fielen reihenweise Transporte von Lebensmitteln aus – so banal konnten die Gründe dafür sein, dass in den HO-Läden Reis und Linsen, Kekse und Marmelade fehlten und selbst die Milch zur Mangelware wurde.
Spannend auch, was Schuller aus den Protokollen von Politbürositzungen und Zusammenkünften des SED-Zentralkomitees zitiert, die in der entscheidenden Zeit stattfanden. Da glaubt der Staatsratsvorsitzende Willi Stoph im September 1989 angesichts der Flüchtlingswelle über Ungarn noch unerschütterlich an die Macht der Indoktrinierung: Weil die Menschen „bei uns erzogen und aufgewachsen sind”, könnten sie eigentlich nicht unzufrieden sein, so seine Theorie. Und am Morgen nach dem 9. November verbreitet SED-Chef Egon Krenz noch Zweckoptimismus: „Genossen, über zwei Drittel derer, die heute Nacht Westberlin besucht haben, sind inzwischen wieder auf ihren Arbeitsplätzen hier, das ist ein positives Signal.”
Nein, die DDR-Führung hatte nichts kapiert von dem, was da ablief. Das machte sie so hilflos. Der Wendepunkt war bereits Anfang Oktober eingeleitet, als die Staatsmacht sich nach verschiedenen Scharmützeln und Verhaftungen zurückzog und den Demonstranten die Straße überließ: So distanzierte sich die freiwillige Feuerwehr Plauen am 8. Oktober davon, dass ihre Tanklöschzüge am Tag zuvor als Wasserwerfer missbraucht worden waren. „Feuerwehr für das Volk: Ja!”, hieß es in einem Spruchband, „Wasserwerfer gegen das Volk: Nie wieder!”.
Über den Rest der Geschichte gibt es eine schier unendliche Schwemme von Büchern. Lesenswert darunter ist ein kleines Bändchen über den Mut einzelner Akteure in Arnstadt, wo die Revolution von einem hektographierten Gedicht ausgelöst wurde, das unter anderem am Schaufenster des HO-Geschäfts wie auch auf der Toilette im Hauptbahnhof klebte. Originell auch die Zusammenstellung von Einzelerlebnissen, die von der Thüringer Bundestagsabgeordneten Petra Heß in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Christoph Kloft herausgegeben wurde. Hier berichtet der letzte Vizepräsident der DDR-Staatsbank, Edgar Most, wie noch auf dem Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 darüber diskutiert wurde, die gesellschaftlichen „Kampfgruppen” gegen das Volk zu bewaffnen, da auf die Soldaten kein Verlass mehr sei: Most fiel in diesem Moment, siedend heiß ein, dass in den Tresoren der Staatsbank neben Geld und Devisen auch kistenweise Kalaschnikows lagerten. Herzzerreißend schließlich, wie eine westdeutsche Schriftstellerin einen befreundeten West-Wissenschaftler rügt, der – gleichsam auf intellektueller Montage – die Uni Erfurt mit aufbaute und dafür eine langersehnte Professur erhielt: „Warum liebst Du das Land nicht, das Dir Anerkennung, Geld und Freiheit schenkt?” CHRISTIANE KOHL
WOLFGANG SCHULLER: Die deutsche Revolution. Rowohlt, Berlin 2009. 381 Seiten, 19,90 Euro.
JAN SCHÖNFELDER: Der Mut der Einzelnen. Die Revolution in Arnstadt 1989. Dr. Bussert & Stadeler, Jena 2009. 159 Seiten, 12,90 Euro.
PETRA HESS / CHRISTOPH KLOFT: 09.11.1989. Der Mauerfall 20 Jahre danach. . . Rhein-Mosel-Verlag, Zell 2009. 253 Seiten, 19,80 Euro
GERHARD A. RITTER: Wir sind das Volk! Wir sind das Volk! Becksche Reihe, München 2009. 190 S., 12,95 Euro.
GÜNTER SCHABOWSKI / FRANK SIEREN: Wir haben fast alles falsch gemacht. Econ, Berlin 2009. 280 Seiten, 19,90 Euro.
Geschafft: Berliner feiern drei Tage nach dem Mauerfall auf den Resten der Sperranlagen. Foto: AP
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2010

Zeitdruck
Einheit und Sozialstaat

Gerhard A. Ritter nimmt den umfassenden Transformationsprozess in den Fokus, der auf die friedliche Revolution von 1989/90 folgte und gleichsam die zweite Revolution darstellt. Dieser Adaptionsprozess setzte bereits in den letzten Monaten der DDR mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ein. Dabei verliert der Autor keineswegs aus den Augen, dass die Wiedervereinigung ohne den Willen der Menschen in der DDR zur Einheit nicht zustande gekommen wäre. Vielmehr hat die Dynamik der inneren Einigung die äußere Einigung stets vorangetrieben - man denke nur an die zirka 10 000 "DDRler", die seit der Öffnung der Mauer Monat für Monat den ungeliebten SED-Staat verließen. Das Herzstück des hoch informativen Büchleins ist der "Sozialpolitik in der deutschen Einigung" gewidmet. Damals kamen ordnungspolitisch zwei Staaten wie Feuer und Wasser mit ebenso unterschiedlicher Wirtschaftsleistung zusammen. Das galt auch für die Sozialsysteme mit ihren Bestandteilen Sozialversicherung, Renten, Arbeitslosen- und Unfallversicherung, Sozialhilfe und Kriegsopferversorgung sowie das Gesundheitswesen und das Arbeitsrecht. Überzeugend weist Ritter nach, dass es letztlich keine Alternative zur Übertragung des bundesdeutschen Sozialstaats auf die neuen Bundesländer gab, dadurch aber "die latente Krise des deutschen Sozialstaats entscheidend verschärft" wurde.

Angesichts des Problem- und Zeitdrucks waren es vor allem die Exekutive und die Ministerialbürokratie, die zum permanenten Handeln gezwungen wurden. Fehler blieben nicht aus, wie bei der Finanzierung der Wiedervereinigung, die zu wesentlichen Teilen von den Solidargemeinschaften der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung getragen wurde und die unteren und mittleren Schichten der Bevölkerung "überproportional belastete". Die parallele Erhöhung der Tariflöhne und -gehälter, die wiederum aus sozialpolitischen Gründen erfolgte, verschlechterte die Konkurrenzfähigkeit der neuen Bundesländer gegenüber den übrigen ehemaligen Ostblockstaaten.

GÜNTHER HEYDEMANN

Gerhard A. Ritter: Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk! Geschichte der deutschen Einigung. C.H. Beck, München 2009. 190 S., 12,95 [Euro].

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