Literatur im 19. Jahrhundert - ein Mittel der Experimentalisierung des Menschen und der GesellschaftIn der Zeit von 1790 bis 1890 entstanden eigenständige Ausprägungen des Experimentellen in Wissenschaft und Kunst. Das dynamische Verhältnis zwischen Literatur und Wissenschaft war durch Entgegensetzung und Konkurrenz geprägt. Gleichzeitig wurden aber die traditionellen Verbindungen der Bereiche weitergeführt und experimentelle Verfahren von namhaften Autoren produktiv in ihre Werke übertragen. Neben der Etablierung des Experiments als Königsweg der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung bildete sich so eine Vielzahl von Experimentalkulturen heraus, die alle Anteil an epistemologischen und poetologischen Fragestellungen hatten.19 Fallstudien zeigen, wie sich die Experimentierzone um 1800 ausweitete und der Versuch sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts radikalisierte, wenn der Mensch und die Gesellschaft zum Experiment erklärt wurden.Aus dem Inhalt:Mario Grizelj: Die »gebildete Wildniß« des romantischen RomansViola van Beek: Experimentelle Ästhetik bei Kleist?Britta Herrmann: Dichtung als »Experimentalphysik des Gemüths«Roland Borgards: Woyzeck als ExperimentJutta Müller-Tamm: Der Wolf in der FabelHelmut Müller-Sievers: Bewegungszwingung und Erzähltechnik im 19. Jh.Michael Gamper: Das Wissen der Literatur aus dem Nicht-Wissen der WissenschaftenNicolas Pethes: Das Experiment als Gattungsstruktur in Strindbergs Vivisektionen
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.2011Ächte Experimente
"Die landläufige Moral wird von zwei Trieben verdunkelt: dem Experimentiertrieb und dem Schönheitstrieb, dem Trieb nach Verstehen und dem nach Vergessen", attestierte einst Hugo von Hofmannsthal seiner Zeit. Tatsächlich stellte der "Trieb nach Verstehen" lange vor 1900 tradierte Wissensbestände, Konventionen und Kunstformen in Frage. Bereits seit der Neuzeit setzte sich das ergebnisoffene Experiment in Wissenschaft und Literatur durch, etwa bei Bacon und Montaigne. Ein kompendiumsähnlich angelegter Sammelband rekonstruiert nun in zwanzig Beiträgen die sich kreuzenden Geschichten des Versuchs in Forschung und Dichtung: von Lichtenbergs systematisch generierten "Pfennigs-Wahrheiten" über die von Novalis geforderte "ächte Experimentirkunst" bis zu Musils zwischen literarischer Essayistik und wissenschaftlichem Experiment changierender Versuchspoetik. ("Experiment und Literatur". Themen, Methoden, Theorien. Herausgegeben von Michael Gamper. Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 578 S., geb., 39,- [Euro].) O.P.
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"Die landläufige Moral wird von zwei Trieben verdunkelt: dem Experimentiertrieb und dem Schönheitstrieb, dem Trieb nach Verstehen und dem nach Vergessen", attestierte einst Hugo von Hofmannsthal seiner Zeit. Tatsächlich stellte der "Trieb nach Verstehen" lange vor 1900 tradierte Wissensbestände, Konventionen und Kunstformen in Frage. Bereits seit der Neuzeit setzte sich das ergebnisoffene Experiment in Wissenschaft und Literatur durch, etwa bei Bacon und Montaigne. Ein kompendiumsähnlich angelegter Sammelband rekonstruiert nun in zwanzig Beiträgen die sich kreuzenden Geschichten des Versuchs in Forschung und Dichtung: von Lichtenbergs systematisch generierten "Pfennigs-Wahrheiten" über die von Novalis geforderte "ächte Experimentirkunst" bis zu Musils zwischen literarischer Essayistik und wissenschaftlichem Experiment changierender Versuchspoetik. ("Experiment und Literatur". Themen, Methoden, Theorien. Herausgegeben von Michael Gamper. Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 578 S., geb., 39,- [Euro].) O.P.
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