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Lothar war Pilot - bevor es geschah. Danach begann er zu trinken und verlor seinen Job. Seine Frau Ruth war damals Stewardess, nun hilft sie in der Telefonseelsorge, damit es wenigstens anderen besser geht. Merten ist ihr Sohn, er glaubt, als einziger zu wissen, warum sein Bruder ermordet wurde. In der Familie Wilber klafft eine Lücke. Man redet nicht über Jakob und über den Grund, warum er nicht mehr da ist. Es herrscht eine gespenstische Stille. Am Tag der Verurteilung des Mörders zünden sie neben Jakobs Foto eine Kerze an und warten, bis der Anruf kommt: lebenslänglich. Nachts liegen die…mehr

Produktbeschreibung
Lothar war Pilot - bevor es geschah. Danach begann er zu trinken und verlor seinen Job. Seine Frau Ruth war damals Stewardess, nun hilft sie in der Telefonseelsorge, damit es wenigstens anderen besser geht. Merten ist ihr Sohn, er glaubt, als einziger zu wissen, warum sein Bruder ermordet wurde. In der Familie Wilber klafft eine Lücke. Man redet nicht über Jakob und über den Grund, warum er nicht mehr da ist. Es herrscht eine gespenstische Stille. Am Tag der Verurteilung des Mörders zünden sie neben Jakobs Foto eine Kerze an und warten, bis der Anruf kommt: lebenslänglich. Nachts liegen die Eltern nebeneinander und Ruth fragt: "Bist du erleichtert?" - "Nein". Jakob war der Lieblingssohn seines Vaters, er hatte seine Unerschrockenheit geerbt. Aber was für Lothar Mut warm hielt Ruth für Übermut. Schließlich ist sie es, die einen Schritt macht, um die Starre aufzubrechen.
Autorenporträt
Andreas Schäfer wurde 1969 in Hamburg geboren, wuchs in Frankfurt/Main auf und lebt heute mit seiner Familie in Berlin. Er schreibt Reportagen und Theaterkritiken für den "Tagesspiegel". 2011 wurde Andreas Schäfer mit dem "Anna Seghers-Preis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2010

Lautlose Explosion

Wenn ein Kind stirbt: Andreas Schäfers "Wir vier" ist ein solide konstruiertes, doch geheimnisloses Familiendrama über die Frage nach dem Weiterleben.

Nichts" heißt das erste Wort dieses Romans, und "nichts" steht auch im Fokus des Erzählens: das abwehrende Schweigen einer Familie nach dem Tod des Erstgeborenen. Würden wohl Worte etwas am Weiterleben dieser beschädigten Restfamilie ändern? Geradezu vorbildlich entwirft Andreas Schäfer schon in der Syntax dieses ersten Satzes den gesamten Roman: ein bedeutungsschwerer Gedankenstrich, der dem "Nichts" folgt; sodann aber doch eine kleine Einschränkung. Dieses Zurück und Vor ist der Tanzschritt dieser das Sprechen ständig verhindernden Prosa. Ab und an lüftet sich der Vorhang und gibt einen Spalt frei auf die Vergangenheit. Dann schließt er sich leise und zittert kurz nach.

Nur - der Text weiß zu viel von seiner Strategie, und so setzen sich die Figuren fast wie unter Zugzwang in Bewegung: Ruth, die Mutter, "gläsern und zerbrechlich" - ihr reicht ein Blick, um ihr Gegenüber zu durchleuchten; Lothar, der besserwisserische Vater, ein frühverrenteter Pilot, den bisweilen "Piratenkraft" durchjagt, vor allem, wenn er an seinen geplanten Segelflugplatz denkt; und Merten, der übrig gebliebene, introvertierte zweite Sohn. Die neue Freundin an seiner Seite spürt ihn nur mit Mühe: "Es ist, als wärst du nur da, wenn wir zusammen sind." Im Wald, wo das Paar spazieren geht, "nur Nadeln und Rinde". Wie ein Schatten hängt der tote Bruder über dieser Geschichte. Spärlich und in Raten erfährt man Details: Jakob wurde auf offener Straße im Herzen Frankfurts niedergestochen, der Täter hinter Gitter gebracht. Und doch scheint das Familienunglück schon viel früher ins schmucke Taunus-Haus eingezogen zu sein.

Warum aber will diese Gesamtlähmung nicht so recht ergreifen? Warum scheint mit dem ersten "Nichts" schon alles erzählt? Ein Auszug dieses zweiten Romans des 1969 geborenen und in Berlin lebenden Andreas Schäfer war bereits vergangenes Jahr in Klagenfurt zu hören. Das jetzt vorliegende Ganze vertieft den im Zentrum stehenden Vorgang einer nur sehr langsam absinkenden und immer wieder stoßweise ergreifenden Trauer. Sie ist bleiern und hemmt: Man blickt mit "banger Begeisterung", fällt schon nach der Begrüßung in sich zusammen, entzieht die Hand, weicht Blicken aus, verhält sich eher "als Zuschauerin" des Lebens, statt wirklich daran teilzunehmen. "Es regierten die Dinge, unberührt wirkende Oberflächen mit abweisendem Glanz." Und wenn doch einmal Begeisterung aufglimmt, "explodiert" sie "lautlos". Warum die Mutter unter der wattigen Decke dieses Alltags dennoch heimlich Kontakt zum Täter sucht, bleibt undeutlich; ein Aufwallen von Restenergie, die sie kurzzeitig belebt und seltsam befriedigt zurücklässt, obwohl das Projekt verläppert. Vermutlich soll ebendas gezeigt werden: wie Trauer die Trauernden verkapselt und vereinzelt. Und statt ein Familientherapeutenprogramm für seinen Roman zu bemühen, zeichnet Schäfer ebendie Furchen und notdürftigen Verklebungen nach, die der Schmerz bei seinen drei Einzelwesen hinterlässt. Manchmal kommt es zu unbeholfenen Begegnungen und Aufrissen der Vergangenheit. Und schon geht alles seinen gewohnten Gang. "Lothar nickte. Dann harkte er weiter."

Andreas Schäfer entgeht keine Geste, kein Geräusch. Aber die beschriebenen Details - das Schnappen eines Feuerzeugs, das Quietschen der Haustür - sind oft von einer Alltäglichkeit, dass sie den überzeugenden Passagen die erzählerische Kraft rauben. Auch die Figuren geraten bisweilen allzu mechanisch, ausgestattet mit typischen Männer- und Fraueneigenschaften. Es scheint, dass nicht nur diese Familie, sondern auch Sprache und Bilder dieses Romans keine Widersprüche, keinen Ausschlag dulden. Und so treibt alles gleichförmig in die alten Muster. Der Besitzerstolz des Vaters verschiebt sich leicht vom hauseigenen Pool aufs neue Grundstück fürs Segelflugzeug; die Mutter gönnt sich neben allen Rätseln um den Tod ihres Sohnes einfach selbst ein kleines Geheimnis; und Merten, den der Vater schon immer benachteiligte, läuft irritiert mit der Kamera durch Frankfurt auf der Suche nach klaren Bildern, die er verschwimmen lassen kann. Jeder hat seine eigene Technik; Merten etwa verspürt "ein Gefühl von Bedrohung, das verschwand, sobald man sich darauf konzentrierte".

"Wir vier" ist ein solide gebauter Roman, dem trotz der im Kern gepflegten Tabus das fehlt, was ihn hervorheben würde: ein Geheimnis.

ANJA HIRSCH

Andreas Schäfer: "Wir vier". Roman. DuMont Verlag, Köln 2010. 188 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anja Hirsch wird nicht fündig in diesem Roman von Andreas Schäfer. Ein Geheimnis sucht sie bis zum Schluss vergebens. Die solide Bauweise des Textes, der den verhaltenen Bewegungen der Figuren, einer Familie nach einem schweren Schicksalsschlag, bis in die Syntax hinein folgt, wie Hirsch feststellt, genügt der Rezensentin nicht. Die "Gesamtlähmung" der Trauer ums Taunus-Haus leuchtet ihr allzu rasch ein. Und ist das Personal nicht doch etwas zu schematisch? Hirsch vermutet, dass der Autor dem Text einfach zuviel von seiner Strategie der Gleichförmigkeit einschreibt, bei aller Aufmerksamkeit für Gesten und Geräusche.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Unglaublich feinfühlig erzählt." BUCHMARKT

"Exzellenter Roman - ein Buch das einem nachgeht."
RBB Stilbruch

" Wir vier erzählt von Familiendynamik, von untergründig schwelenden Konflikten, von schicksalhaften Bindungen (das Buch verblüfft durch eine schier nicht mehr auszuhaltende Intensität - eine Intensität, die ganz aus der Zurücknahme, der Zügelung sprachlicher Mittel entsteht sowie aus dem Geizen mit aller Fülle. Sparsam schraffiert kommt dieses schmale sprachliche Kunstwerk daher (...) Eine wahre Rarität angesichts der plakativen Prosa dieses Frühjahrs."
LITERARISCHE WELT

"Andreas Schäfer schlägt in seinem Buch betont leise Töne an. Das tut dem Buch ausgesprochen gut."
TAZ

"Genau, dicht und berührend."
WDR5

"Schäfer erzählt in einer glasklaren, vollkommen ausbalancierten Sprache, die auf jeden Überfluss souverän verzichtet. Desto abgründiger verbirgt sich dahinter das Rätselhafte, das die Lesenden in seinen Bann schlägt."
BASLER ZEITUNG

"Schäfers Prosa ist eine angenehm zurückgenommene, fast kühle, zuweilen leuchtende."
DER TAGESSPIEGEL

"Familiendrama mit Sogwirkung."
BIELEFELDER

"Auf der glatten Oberfläche einer elegant gespannten Sprache erzeugt er einen Unterton von Bedrohung, indem er beides zusammenfügt: die grausame Stille nach einer Katastrophe und den Nachhall verlorenen Glücks. (...) Präzise und dennoch einfühlsam inszeniert Andreas Schäfer ein Ballet der Verfehlungen."
SZ

"Geschickt lässt Schäfer uns Stationen der Kastrophe anschauen (...) und langsam begreift der Leser die schicksalhafte Dimension dieser Geschichte."
FRANKFURTER RUNDSCHAU

"Behutsam nähert sich Andreas Schäfer dem Thema Familientrauma. (...) Ohne künstliche Dramatik schildert er die Geschichte derer, die zum Weitermachen verdammt, aber dafür nicht gewappnet sind."
SPIEGEL
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