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Eintracht Frankfurt galt früher als 'Judenclub'. Daher war die Eintracht von der Machtübernahme der Nazis stärker betroffen als andere prominente Fußballvereine. Matthias Thoma, der bereits mehrfach zur Geschichte der Eintracht publizierte und derzeit das Vereinsmuseum mit aufbaut, beleuchtet diese Phase in seinem Buch intensiv. Er verfolgt die Schicksale insbesondere jüdischer Mitglieder und untersucht die Methoden, wie die NS-Machthaber einen traditionell weltoffenen Verein unter ihre Kontrolle brachten.

Produktbeschreibung
Eintracht Frankfurt galt früher als 'Judenclub'. Daher war die Eintracht von der Machtübernahme der Nazis stärker betroffen als andere prominente Fußballvereine. Matthias Thoma, der bereits mehrfach zur Geschichte der Eintracht publizierte und derzeit das Vereinsmuseum mit aufbaut, beleuchtet diese Phase in seinem Buch intensiv. Er verfolgt die Schicksale insbesondere jüdischer Mitglieder und untersucht die Methoden, wie die NS-Machthaber einen traditionell weltoffenen Verein unter ihre Kontrolle brachten.
Autorenporträt
Matthias Thoma, der bereits mehrfach zur Geschichte der Eintracht publizierte, baut derzeit das Vereinsmuseum mit auf.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2007

Die "Juddebube"
Ein Buch über die Frankfurter Eintracht zur Nazi-Zeit

Die Eintracht hat den Fußballanhängern in Deutschland lange als "Judenverein" gegolten, ihre Spieler hießen im Volksmund die "Juddebube". Mit Antisemitismus hatte das anfänglich allerdings nur wenig zu tun. Zum "Judenverein" wurde die Eintracht Frankfurt, weil von ihren Gründungsjahren bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten jüdische Frankfurter als Förderer, Funktionäre und Sportler den Verein mitgetragen haben. Diese verdrängte und vergessene Geschichte des großen Frankfurter Sportclubs hat jetzt Matthias Thoma in seinem Buch "Wir waren die Juddebube" wieder in Erinnerung gerufen.

Walter Bensemann etwa, der große jüdische Pionier des deutschen Fußballs, der vielen Vereinen in Süddeutschland auf die Beine geholfen hat und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) mitzubegründen half, ist einer der Väter der Frankfurter Kickers 1899 gewesen, eines der beiden Vorgängervereine der Eintracht. Als "Judenverein" galt übrigens auch Bayern München, nicht jedoch der FSV Frankfurt, der lange die Nummer eins im Frankfurter Fußball war. Dabei hatten die Kicker vom Bornheimer Hang mit Alfred Meyers einen Vorsitzenden jüdischen Glaubens, der aber Ende April 1933 unter dem Druck der neuen politischen Verhältnisse zurücktrat. Mit Juden wurde indes nur die Eintracht identifiziert, der liberale, weltoffene Club mit seinem jüdischen Sponsor Walter Neumann.

"Schlappe-Stinnes" lautete der Spitzname Neumanns, weil er Schlappe - Schuhe - herstellte und in diesem Wirtschaftszweig zusammen mit seinen Cousins Fritz und Lothar Adler so bedeutend war wie damals der Unternehmer Hugo Stinnes mit seinem riesigen Handels- und Industriekonzern. "Größte Schuhfirma der Welt" wurde das Pantoffel-Reich der drei Frankfurter genannt, die an der Mainzer Landstraße in ihrem Unternehmen J. & C. A. Schneider Sommerschuhe, Haus-, Turn- und Sportschuhe sowie Herrengamaschen herstellen ließen und im benachbarten Unternehmen Adler & Neumann Kamelhaarschuhe - Schlappen. Woher der heute noch in Frankfurt gängige Name "Schlappekicker" rührt. Nach den Initialen der früheren Firmeninhaber nannten sich die Schneider-Mitarbeiter gerne JCASianer.

Die Eintracht-Spieler haben nicht nur in den Schlappen von Schneider gespielt, sie haben in dieser bekannten Schuhfabrik häufig auch ihren Lebensunterhalt verdient. Genauer gesagt: Sie standen auf der Lohnliste des Unternehmens - ohne dass sie viel in der Fabrik oder in deren Büros arbeiten mussten. Heute würde man von "Werksprofis" sprechen. Als Amateure durften die Fußballer kein Geld fürs Spielen bekommen. Mit ihrer Anstellung bei "Schlappeschneider" war den Sportregeln formal Genüge getan, die Spieler wurden offiziell ja nur für ihre Tätigkeit bei Schneider bezahlt. Sportlich ist diese Strategie für die Eintracht aufgegangen, sie wurde in den zwanziger Jahren einer der erfolgreichsten Fußballvereine Deutschlands. Im Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1932 trat faktisch eine Werksmannschaft an: Mit Gramlich, Mantel, Schütz, Stubb, Ehmer, Leis, Möbs, Schaller und dem Ersatzspieler Kron sowie dem verletzten Kellerhoff stellten die "Juddebube vom Schlappeschneider" fast das gesamte Team. Freilich siegte im Nürnberger Stadion damals die andere "Judenmannschaft", der FC Bayern, mit 2:0. Auf der Fahrt nach Nürnberg war der Eintracht-Tross als "Judenclub" verunglimpft worden - ein Vorzeichen des kommenden Unheils.

Hugo Reiss, ein anderer bekannter Eintracht-Jude, ist nach der Machtübernahme der Nazis als Schatzmeister abgesetzt worden. Er emigrierte 1937, nachdem er auch seinen Arbeitsplatz beim "Schlappeschneider" verloren hatte, nach Italien und später nach Chile, wo er 1972 starb. Zuvor schon war Arthur Cahn, sein Vereinskamerad, der den zweiten Vorgängerclub, den FFC Victoria, mitaufgebaut hatte, ebenfalls nach Chile geflüchtet.

Es war ausgerechnet ein Jude, Emanuel Rothschild, welcher der Eintracht nach dem Krieg wieder zur Lizenz verhalf. Seit den zwanziger Jahren Mitglied des Vereins, überlebte er in einer "privilegierten Mischehe" als Gatte einer christlichen Frau die Verfolgung, die ihm nach der Pogromnacht von 1938 fast den Tod im KZ Dachau gebracht hätte. 1945 tauchte er unter und konnte so der Deportation der verbliebenen "Privilegierten" entgehen. Rothschild reichte damals im Namen der Eintracht bei der Militärregierung den Antrag auf Wiederzulassung ein, 1947 durfte der Verein neu gegründet werden.

Der Name "Juddebube" für die Eintracht-Spieler ist noch nicht völlig vergessen. "Ei, de Juddebub ist wieder da", wurde der bekennende Eintracht-Fan Thoma von jenem alten Herrn freundschaftlich begrüßt, den er in seinem Zivildienst betreute. Doch "Juddebub" wird auch als Schimpfwort benutzt, wie Michael Gabriel vom Eintracht-Fanprojekt, der Thomas Buch im Jüdischen Museum vorstellte, während seiner Zeit in der Eintracht-Jugend erfahren musste. "Juddebube", kreischte ein böser Rentner die jungen Spieler immer an, wenn er sich in seinem Kleingarten gestört fühlte.

HANS RIEBSAMEN.

Matthias Thoma: "Wir waren die Juddebube. Eintracht Frankfurt in der NS-Zeit". Verlag Die Werkstatt 2007, ISBN 978-3-89533-560-0, Preis 19,90 Euro.

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