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Heute strömen Kulturschaffende scharenweise nach Berlin, doch in den 80er- und 90er-Jahren lag das unbestrittene Zentrum der bundesdeutschen Kunst- und Kulturszene ganz woanders: in Köln.
Der Startschuss für Kölns Aufstieg fiel am 15. Januar 1980, als im Basement die unbekannte britische Band Joy Division spielte. Peter Bömmels, Mitglied der Künstlergruppe »Mühlheimer Freiheit«, war von diesem neuen Sound dermaßen beeindruckt, dass er kurz darauf mit sieben Mitstreiter:innen die Zeitschrift SPEX gründete.
Hier meldete sich ein ganz neuer Musikjournalismus zu Wort, dessen
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Produktbeschreibung
Heute strömen Kulturschaffende scharenweise nach Berlin, doch in den 80er- und 90er-Jahren lag das unbestrittene Zentrum der bundesdeutschen Kunst- und Kulturszene ganz woanders: in Köln.

Der Startschuss für Kölns Aufstieg fiel am 15. Januar 1980, als im Basement die unbekannte britische Band Joy Division spielte. Peter Bömmels, Mitglied der Künstlergruppe »Mühlheimer Freiheit«, war von diesem neuen Sound dermaßen beeindruckt, dass er kurz darauf mit sieben Mitstreiter:innen die Zeitschrift SPEX gründete.

Hier meldete sich ein ganz neuer Musikjournalismus zu Wort, dessen kulturwissenschaftliche Analysen und steile Thesen nachts an denselben Kneipentresen ersonnen wurden, an denen zur gleichen Zeit etwa die späteren Gründer des Technolabels Kompakt standen, während sich nebenan New Yorker Künstler:innen und die Köpfe der legendären Autorenwerkstatt betranken. Die ganze Stadt flirrte vor kreativer Energie, und während wenige Kilometer weiter die Regierungsgeschicke gelenkt wurden, strahlte rund 15 Jahre lang die Kulturmetropole Köln weit über die Grenzen des Rheinlands hinaus.

Gisa Funck und Gregor Schwering haben Akteurinnen und Akteure aus der Zeit getroffen. Sie haben Geschichten gesammelt, Zeitdokumente studiert und in der eigenen Erinnerung gegraben. Ihr Buch ist das Porträt einer vergangenen Epoche und der letzten vordigitalen Bohème.
Autorenporträt
Gisa Alexandra Funck, geboren 1968, lebt in Köln und arbeitet als Literaturkritikerin und Autorin für den Deutschlandfunk und den WDR. Davor war sie lange als Feuilletonistin für verschiedene Zeitungen (FAZ, SZ, Tagespiegel, taz) tätig und Denis Schecks Assistentin bei der ARD-Literatursendung »Druckfrisch«. Ihr Buch »Echt fertig - Tagebuch einer Examenskandidatin« (ebenfalls erschienen bei Kiepenheuer & Witsch) wurde ein Longseller.

Gregor Schwering, geboren 1962, lebt in Köln, besuchte 1980 das dortige Joy Division-Konzert, war Mitte der 1990er-Jahre Leiter der Kölner Autorenwerkstatt und arbeitete als Journalist sowie für diverse Kölner Galerien. Heute ist er als Literatur- und Medienwissenschaftler an der Universität Bochum beschäftigt.
Rezensionen
»Am Ende schlägt man das Buch mit einem weinenden und einem lachenden Auge zu. Weinend, weil solche Locations wie der Rose Club oder das Underground heute nur noch Erinnerungen sind. Und lachend, weil einige Zitate einfach zu köstlich sind.« Susanne Schramm Kölnische Rundschau 20231106

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Bernard bedauert unendlich die Inkongruenz zwischen spannenden Zitaten und langweiligen Erklär- und Rückblickstexten in dem von Gisa Funck und Gregor Schwering besorgten Band über die Kölner Subkultur 1980 bis 1995. Das gerade für so ein Thema vielversprechende Format der Oral History wird im Band nur notdürftig umgesetzt, beklagt Bernard. Ob es an der zur Verfügung stehenden Anzahl an willigen GesprächspartnerInnen lag, vermag der Rezensent nicht zu sagen. Schlagend aber scheint ihm die verheerende Wirkung der konventionellen, mit Floskeln wie "Szenemensch" und "Popbibel" unfreiwillige Komik stiftenden Texte von Funck/Schwering. Den Kontrast zwischen dem "Marketingvokabular" der Herausgeber und dem Formbewusstsein eines Diedrich Diederichsen findet der Rezensent ernüchternd.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.12.2023

Als Köln
mal
heiß war
Das Buch „Wir waren
hochgemute
Nichtskönner“
zieht Bilanz
zur einstigen
Subkultur-Metropole.
Und scheitert kläglich.
Die Oral History, die Geschichtserzählung in Form des Zusammenschnitts von Interviews mit Zeitzeugen, hat sich vor allem in der Popkultur als stimmiges Genre des Rückblicks erwiesen. Das Buch „Please Kill Me“, über die frühe New Yorker Punk-Bewegung, war 1996 der erste große Versuch dieser Art, und in Deutschland gelang Jürgen Teipel fünf Jahre später in einem ganz ähnlichen Format die amtliche Erzählung über die Anfänge von Punk und New Wave in Hamburg, Düsseldorf und Berlin.
Gerade in subkulturellen Sphären, in denen sich die entscheidenden Begegnungen und Ideen (zumindest bis zur Etablierung des Internets) vor aller Dokumentation ergaben, in denen das nächtliche Palaver, das gemeinsame Herumstehen, Trinken und Musikhören jenes Epizentrum sozialer Energie aufwühlte, an deren Ende neue Jugendbewegungen und Weltkarrieren, Ruhm, Verrat und Zusammenbruch standen, ist die vielstimmig-mündliche, von den Herausgebern sorgsam edierte Erinnerung vielleicht sogar der einzig mögliche Weg getreuer Geschichtsschreibung. Nun haben die Journalistin Gisa Funck und der Literaturwissenschaftler Gregor Schwering das Buchformat auf die „rauschhaften Jahre der Kölner Subkultur 1980 – 1995“ angewandt, passenderweise im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen. Tatsächlich sind die Zeitschrift Spex, die einflussreiche Musik- und vor allem die Kunst- und Galerieszene dafür verantwortlich gewesen, dass Köln zwischen dem flirrenden München der Siebzigerjahre und dem wiedervereinigten Berlin mindestens ein Jahrzehnt lang zur kulturellen Metropole Deutschlands wurde.
Die inhaltlichen Voraussetzungen sind also zweifellos gegeben, um „Wir waren hochgemute Nichtskönner“ zu einer weiteren lesenswerten Oral History der jüngeren Zeit zu machen. Dass das Buch diese Erwartung nicht einlösen kann, hat zwei Gründe. Zum einen ist der Band, trotz seiner an Teipels „Verschwende deine Jugend“ orientierten Aufmachung und Bewerbung, keine unkommentierte Edition von Interviews, sondern ein Hybrid. Die Originalzitate der Befragten machen vielleicht ein gutes Drittel des Buches aus, der Rest ist ein konventioneller, durchgeschriebener Rückblicktest der beiden Herausgeber. Insgesamt kommen nur 16 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zu Wort. Entscheidende Protagonisten aus Journalismus, Literatur und Kunst fehlen, und man fragt sich, wie viele der vermutlich Angefragten, von Clara Drechsler bis Jutta Koether, von Albert Oehlen bis Rainald Goetz die Mitwirkung abgelehnt haben, bevor sich die vorliegende notdürftige Gestaltung ergab. Die Verbindung der Originalzitate durch die Herausgebertexte hemmt die Genese der Oral History, deren geschichtliche Wahrheit sich gerade durch die Lücken zwischen den Erinnerungssplittern entfaltet, durch den Imaginationsraum, der beim Lesen der arrangierten Fragmente entsteht. Konkurrierende, oft widersprüchliche Perspektiven und fehlende übergeordnete Analyse sorgen für die besondere Intensität dieses Formats. Die über das Buch verstreuten Erinnerungsfragmente, zum Beispiel von Isabelle Graw, Marcel Beyer und vor allem von Diedrich Diederichsen, sind so unterhaltsam und erkenntnisreich, dass etwa die Erfindung der deutschen Popkritik durch Spex in den frühen Achtzigerjahren immer wieder anschaulich wird.
Diese Stellen verblassen aber angesichts des zweiten, fundamentalen Problems des Bandes: der Sprache der durchgeschriebenen Rückblickpassagen. Gerade vor dem Hintergrund seines Sujets – der Entwicklung neuer künstlerischer Formen in Literatur, Journalismus, Musik und Kunst im Köln der Achtzigerjahre –, ist es schwer zu ertragen, dass „Wir waren hochgemute Nichtskönner“ von Gisa Funck und Gregor Schwering in einer Diktion referiert wird, die Floskel an Floskel, Etikett an Etikett reiht.
In beinahe jedem Satz finden sich abgegriffene Formulierungen wie „Szenemensch“, „Trendmedium“, „Popbibel“, „Chartstürmer“, „Wohlfühlpop“. An manchen Stellen kollidieren das Formbewusstsein der Interviewten und das achtlose Marketingvokabular der Herausgeber auf eine Weise, die dem Tonfall des Buches unfreiwillige Komik verleiht. „In den späten 1970er-Jahren“, so Diedrich Diederichsens schöne Erinnerung, „entstand leider diese schlimme Konvention, wie man über Popmusik journalistisch schreiben müsste, also diese locker-flapsige Jugendkeller-Sprache“. Und er ergänzt: „Man schrieb also statt über eine Platte über eine ,Scheibe‘, und für eine CD verwendete man das Wort ,Silberling‘.“ Im darauffolgenden Absatz ist im Fließtext, wie um die Kontinuität des flockigen Synonymdeliriums zu belegen, von den „damals angesagten“ Theoretikern des Poststrukturalismus die Rede, von „Denk-Gurus“ wie Lacan oder Deleuze. Schon 30 Seiten zuvor kamen die „Theoriejünger der Postmoderne“ und der „schwer angesagte Theorie-Guru“ Jean Baudrillard zur Sprache.
Das Dilemma des Buches besteht also darin, dass die Neugier beim Lesen, die sich durch die Interviewfragmente immer wieder entfacht, von der Sprache der Herausgeber unverzüglich erstickt wird. Im langen ersten Kapitel zur Geschichte von Spex erfährt man etwa, dass die aufkommenden Copyshops um 1980 die Bedingung der Möglichkeit der Fanzines gewesen seien. Es ist von der auch in subkulturellen Kreisen unerträglichen Asymmetrie der Geschlechterbeziehungen die Rede, vom saturierten Desinteresse der Kölner Bohème an der Wiedervereinigung, das sich erst durch die rechtsradikalen Anschläge 1992 ändert, durch die jähe Erkenntnis, dass Pop-Kompetenz nicht mehr zwangsläufig eine dissidente politische Einstellung bedeutete. All das sind Themen, von denen man gerne Näheres aus Gesprächen mit den damals Beteiligten erfahren würde. Und so unternimmt man den fast unmöglichen und letztlich scheiternden Versuch, ein Buch gegen seine eigene Sprache zu lesen.
ANDREAS BERNARD
Gisa Funck, Gregor Schwering: „Wir waren hochgemute Nichtskönner“ – Die rauschhaften Jahre der Kölner Subkultur 1980–1995. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023. 352 Seiten,
28 Euro.
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