Die Geschichte von Oskar Schindler zeigt: Es war möglich, etwas gegen den Nazi-Terror zu tun. Hunderte von Menschen in Deutschland und in den besetzten Ländern haben unter größter Gefahr Juden vor dem sicheren Tod gerettet. Eva Fogelman, selbst Tochter eines Überlebenden, erzählt ihre spannenden, manchmal kaum vorstellbaren Geschichten und zeichnet ein differenziertes Bild der Umstände, persönlichen Voraussetzungen und Motive. Ein Lehrstück über moralische Standfestigkeit und mutige Humanität.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.1995Beispiele von bleibender Gültigkeit
Eine Studie über die Retter verfolgter Juden
Eva Fogelman: Wir waren keine Helden. Lebensretter im Angesicht des Holocaust. Motive, Geschichten, Hintergründe. Aus dem Englischen von Bodo Schulze. Campus Verlag, Frankfurt am Main und New York, 1995. 323 Seiten, 39,80 Mark.
So umfassend und totalitär die Diktatur der Nationalsozialisten auch war, Widerstand und vor allem Rettung von Juden war bedingt möglich. In Deutschland, in Dänemark, Holland und Polen gab es mutige Menschen, die das wagten. Eva Fogelman, Tochter eines polnischen Juden, der von seinen Nachbarn versteckt und gerettet wurde, arbeitet als Sozialpsychologin und Therapeutin am "Institute for Mental Health" in New York. Sie behandelt Holocaust-Überlebende und andere vom Holocaust traumatisch betroffene Menschen. Ihre Untersuchung basiert auf Ergebnissen von Behandlungen und Befragungen aus den letzten zehn Jahren. Darin werden sehr eindringlich die Taten von mehreren Rettern, die zu Unrecht unbekannt geblieben sind, geschildert.
Es geht der Verfasserin nicht darum, ein oder zwei Fälle in den Mittelpunkt zu stellen, sondern aus den etwa hundert Fällen, die sie anspricht, ein Psychogramm der Retter und Retterinnen zu erstellen. Was hat diese Menschen zu ihrer Tat bewogen? Handelten sie impulsiv oder aus der momentanen Empörung heraus, oder läßt sich eine gewisse Stetigkeit bei ihnen feststellen? Kann man von einem bestimmten Menschentypus sprechen, der veranlagt ist, Retter zu sein?
Die Hauptmotive waren religiöse und moralische Überzeugungen und die Ablehnung des Antisemitismus. Widerstand gegen die Nazis spielte natürlich eine Rolle, obwohl es, wie Frau Fogelman feststellt, in den verschiedenen Widerstandsbewegungen oft antisemitische Tendenzen gab. Es war eher eine überzeugte projüdische Haltung, die den Ansporn zu der Tat gab. Der Entschluß zu helfen reifte langsam, aber stetig heran. Zuerst gab es das Bewußtwerden, die Bereitschaft, nicht die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen und wahrzunehmen, was die Nazis vorhatten: die Vernichtung der Juden. Es folgte dann schrittweise das gefährliche Handeln.
Gewiß: viele Rettungsversuche scheiterten, aber sie hatten reale Erfolgschancen. Die Retter waren in keinem Fall romantisch veranlagte Menschen. Ihre Taten - das wußten sie - waren mit vielen Beschwernissen, mit Enge und Entbehrungen verknüpft. Die Retter waren weder von Abenteuerlust getrieben, noch neigten sie zum Selbstmord. Eva Fogelman verkennt nicht, daß es auch verworrene Motive bei manchen Rettern gab. Sie schildert die persönlich sehr schwierigen Verhältnisse zwischen Rettern und Geretteten während des Krieges und in den Jahren danach. In Polen hofften einige, die vor allem jüdische Kinder gerettet hatten, daß diese nach dem Krieg zum Katholizismus übertreten würden - eine Hoffnung, die natürlich unerfüllt blieb.
Alles in allem waren die Retter in den verschiedenen Ländern Menschen, die trotz aller Unterschiedlichkeit der Motive sehr hohe moralische Ansprüche an sich selbst stellten. Das wurde von jüdischer Seite nicht gebührend anerkannt. Dies veranlaßte Fogelman, zu einer Mitbegründerin der "Jewish Foundation for Christian Rescuers" zu werden. Es ist eine Stiftung, die sich auf mannigfältige Weise für ehemalige Retter einsetzt, innerjüdisch nicht immer gern gesehen wird und sogar mit Yad Vaschem gewisse Probleme hat.
In dem Epilog betont die Verfasserin, daß kein Volk im Grunde vor Untaten, wie sie die Nazis verübten, gefeit sei. Äußerst besorgt äußert sie sich über die nationalistischen und starken antiarabischen Tendenzen in Israel. Sie fordert Menschenrechte überall. Die Nazis sind längst besiegt. Das Beispiel, das die Retter gaben, ist immer noch aktuell. NACHUM ORLAND
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Studie über die Retter verfolgter Juden
Eva Fogelman: Wir waren keine Helden. Lebensretter im Angesicht des Holocaust. Motive, Geschichten, Hintergründe. Aus dem Englischen von Bodo Schulze. Campus Verlag, Frankfurt am Main und New York, 1995. 323 Seiten, 39,80 Mark.
So umfassend und totalitär die Diktatur der Nationalsozialisten auch war, Widerstand und vor allem Rettung von Juden war bedingt möglich. In Deutschland, in Dänemark, Holland und Polen gab es mutige Menschen, die das wagten. Eva Fogelman, Tochter eines polnischen Juden, der von seinen Nachbarn versteckt und gerettet wurde, arbeitet als Sozialpsychologin und Therapeutin am "Institute for Mental Health" in New York. Sie behandelt Holocaust-Überlebende und andere vom Holocaust traumatisch betroffene Menschen. Ihre Untersuchung basiert auf Ergebnissen von Behandlungen und Befragungen aus den letzten zehn Jahren. Darin werden sehr eindringlich die Taten von mehreren Rettern, die zu Unrecht unbekannt geblieben sind, geschildert.
Es geht der Verfasserin nicht darum, ein oder zwei Fälle in den Mittelpunkt zu stellen, sondern aus den etwa hundert Fällen, die sie anspricht, ein Psychogramm der Retter und Retterinnen zu erstellen. Was hat diese Menschen zu ihrer Tat bewogen? Handelten sie impulsiv oder aus der momentanen Empörung heraus, oder läßt sich eine gewisse Stetigkeit bei ihnen feststellen? Kann man von einem bestimmten Menschentypus sprechen, der veranlagt ist, Retter zu sein?
Die Hauptmotive waren religiöse und moralische Überzeugungen und die Ablehnung des Antisemitismus. Widerstand gegen die Nazis spielte natürlich eine Rolle, obwohl es, wie Frau Fogelman feststellt, in den verschiedenen Widerstandsbewegungen oft antisemitische Tendenzen gab. Es war eher eine überzeugte projüdische Haltung, die den Ansporn zu der Tat gab. Der Entschluß zu helfen reifte langsam, aber stetig heran. Zuerst gab es das Bewußtwerden, die Bereitschaft, nicht die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen und wahrzunehmen, was die Nazis vorhatten: die Vernichtung der Juden. Es folgte dann schrittweise das gefährliche Handeln.
Gewiß: viele Rettungsversuche scheiterten, aber sie hatten reale Erfolgschancen. Die Retter waren in keinem Fall romantisch veranlagte Menschen. Ihre Taten - das wußten sie - waren mit vielen Beschwernissen, mit Enge und Entbehrungen verknüpft. Die Retter waren weder von Abenteuerlust getrieben, noch neigten sie zum Selbstmord. Eva Fogelman verkennt nicht, daß es auch verworrene Motive bei manchen Rettern gab. Sie schildert die persönlich sehr schwierigen Verhältnisse zwischen Rettern und Geretteten während des Krieges und in den Jahren danach. In Polen hofften einige, die vor allem jüdische Kinder gerettet hatten, daß diese nach dem Krieg zum Katholizismus übertreten würden - eine Hoffnung, die natürlich unerfüllt blieb.
Alles in allem waren die Retter in den verschiedenen Ländern Menschen, die trotz aller Unterschiedlichkeit der Motive sehr hohe moralische Ansprüche an sich selbst stellten. Das wurde von jüdischer Seite nicht gebührend anerkannt. Dies veranlaßte Fogelman, zu einer Mitbegründerin der "Jewish Foundation for Christian Rescuers" zu werden. Es ist eine Stiftung, die sich auf mannigfältige Weise für ehemalige Retter einsetzt, innerjüdisch nicht immer gern gesehen wird und sogar mit Yad Vaschem gewisse Probleme hat.
In dem Epilog betont die Verfasserin, daß kein Volk im Grunde vor Untaten, wie sie die Nazis verübten, gefeit sei. Äußerst besorgt äußert sie sich über die nationalistischen und starken antiarabischen Tendenzen in Israel. Sie fordert Menschenrechte überall. Die Nazis sind längst besiegt. Das Beispiel, das die Retter gaben, ist immer noch aktuell. NACHUM ORLAND
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