Der bedeutende britische Philosoph John Gray betrachtet den modernen Menschen als zaudernd und zögernd. Ihm gelingt es nicht, die Zufälligkeit seiner eigenen Spezies anzunehmen - mit fatalen Folgen. In England wird Ende des 19. Jahrhunderts in esoterischer Manier versucht, Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen. Einen aggressiven Weg schlagen Naturwissenschaftler und Techniker der jungen Sowjetunion nach 1917 ein. Sie versetzen sich in die Rolle göttlicher Designer und erschaffen den »Neuen Menschen«, um das Paradies auf Erden zu errichten. Welt und Mensch sollen radikal modernisiert und wider besseres Wissen unsterblich werden.
Eine Fata Morgana, die noch bis heute in der Medizin, der Genetik und in den politischen Ideologien weiterwirkt und für viele unfassbare Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts verantwortlich ist.
Eine Fata Morgana, die noch bis heute in der Medizin, der Genetik und in den politischen Ideologien weiterwirkt und für viele unfassbare Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts verantwortlich ist.
In seiner etwas holzig zu lesenden Kritik nimmt Hans Ulrich Gumbrecht den leicht erhöhten Standpunkt des approbierten Akademikers ein und merkt zunächst einmal an, dass Gray als Philosoph bei sinnsuchenden Lesern wohl angesehener sei als bei Kollegen vom Fach. Dann lässt sich Gumbrecht aber doch auf die offenbar recht komplexe Argumente ein und bescheinigt dem Buch vor allem zwei positive Eigenschaften: Es geht auf hier wohl nicht so bekannte britische und russische Debatten der nachdarwinistischen Ära ein, die mit "Spiritismus" und dem "neuen Menschen" Ersatz für Gott nach seinem Ableben suchten. Zweitens reagiere Gray auf neuerdings wieder stärkere Unsterblichkeitssehnsüchte und stößt damit eine wichtige Debatte an. Den aus ökologischen Untergangszenarien bekannten drohenden und moralisierenden Ton schätzt Gumbrecht dagegen nicht so sehr und schließt wieder von oben herab: Kühn seien Grays Thesen ja nicht, aber er liefere interessantes Material.
© Perlentaucher Medien GmbH
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