Der vor knapp drei Jahren verstorbene Philipp Freiherr von Boeselager (1917-2008) war der letzte Überlebende des innersten Kreises der militärischen Widerstandsgruppe um Henning von Tresckow und Graf von Stauffenberg, die am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Adolf Hitler verübte. Boeselager war der
Sprengstoffexperte der Verschwörer, da er während des Zweiten Weltkrieges eine heerestechnische…mehrDer vor knapp drei Jahren verstorbene Philipp Freiherr von Boeselager (1917-2008) war der letzte Überlebende des innersten Kreises der militärischen Widerstandsgruppe um Henning von Tresckow und Graf von Stauffenberg, die am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Adolf Hitler verübte. Boeselager war der Sprengstoffexperte der Verschwörer, da er während des Zweiten Weltkrieges eine heerestechnische Versuchseinheit für verschiedene Sprengstoffe aufgebaut hatte.
Im Deutschen Taschenbuch Verlag sind nun seine Erinnerungen als Taschenbuchausgabe erschienen, die 2008 unter dem Originaltitel „Nous voulins tuer Hitler“ in französischer Sprache veröffentlicht wurden. Es sind Geschichten und Episoden, die ein trauriges Kapitel deutscher Geschichte aus der persönlichen Erfahrung beleuchten.
Philipp von Boeselager war das vierte von acht Kindern einer vom rheinischen Katholizismus geprägten Adelsfamilie, die antipreußisch und dem Nationalsozialismus gegenüber skeptisch eingestellt war. Mit 19 Jahren trat er in die Armee (Reiter-Regiment) ein. Als Ordonnanzoffizier wurde er 1941 an der Ostfront eingesetzt, wo er erstmals vom Massenmord an Juden und Zigeunern erfuhr.
1942 lernte Boeselager Henning von Tresckow kennen und schloss sich mit seinem Bruder Georg dessen Widerstandsgruppe an. Bereits 1943 kam es zu zwei geplanten Attentaten, die beide jedoch fehlschlugen.
Nach dem misslungenen Attentat vom 20. Juli 1944 überlebte Boeselager als einer der wenigen Mitverschwörer, weil er von seinen Kameraden auch unter der Folter nicht ver-raten wurde. Immerhin wurden etwa zweihundert der an der Erhebung des 20. Juli Beteiligten hingerichtet. Nach dem Krieg war Boeselager entscheidend an der Entwicklung der deutschen Forstwirtschaft beteiligt. In späteren Jahren war er ein gefragter Zeitzeuge und hielt er Vorträge über seine Erlebnisse und Erfahrungen im Widerstand. Boeselager erhielt mehrere Auszeichnungen, u.a. wurde er im Januar 2004 zum Offizier der Französischen Ehrenlegion ernannt.
Philipp von Boeselagers Erinnerungen sind in langen Gesprächen mit Jérome und Florence Fehrenbach (der Enkelin eines im Krieg gefallenen Freundes) entstanden. Die beiden haben aus diesen erzählten Berichten einen flüssigen und interessanten Text gemacht, dessen deutsche Übersetzung Philipp von Boeselager noch bearbeiten und autorisieren konnte, bevor er im Mai 2008 starb.
Die knapp 200 Seiten bieten keine sensationell neuen Enthüllungen, sie geben aber Aus-kunft über die dramatischen Ereignisse um den 20. Juli 1944 und machen Beweggründe und Gewissenskonflikte der Verschwörer sichtbar. Besonders für Jugendliche, aber auch für jeden politisch Interessierten äußerst lesenswert.
Manfred Orlick