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Das Zeitalter der Ichlinge geht zu Ende. In der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist kein Platz mehr für Egoisten und Narzissten. Das "Ich" hat ausgedient. Und "Wir"-Gefühle werden wichtiger. Horst W. Opaschowski, der Leiter der renommierten Hamburger "Stiftung für Zukunftsfragen", weiß, wovon er spricht. Er ist seit Jahrzehnten eine unumstößliche Größe in der Zukunftsforschung. Seine empirischen Studien basieren auf ungezählten Interviews und Umfragen in ganz Europa. Und es gibt hierzulande kaum jemanden, der die verschiedenen Generationen so intensiv und gewissenhaft erforscht hat wie…mehr

Produktbeschreibung
Das Zeitalter der Ichlinge geht zu Ende. In der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist kein Platz mehr für Egoisten und Narzissten. Das "Ich" hat ausgedient. Und "Wir"-Gefühle werden wichtiger. Horst W. Opaschowski, der Leiter der renommierten Hamburger "Stiftung für Zukunftsfragen", weiß, wovon er spricht. Er ist seit Jahrzehnten eine unumstößliche Größe in der Zukunftsforschung. Seine empirischen Studien basieren auf ungezählten Interviews und Umfragen in ganz Europa. Und es gibt hierzulande kaum jemanden, der die verschiedenen Generationen so intensiv und gewissenhaft erforscht hat wie der Hamburger Erziehungswissenschaftler, der Anfang 2011 die Geschäftsführung der Stiftung abgeben wird. Jetzt hat er das große Abschlusswerk seiner aktiven Institutstätigkeit vorgelegt. Erstmals gibt er darin auch Auskunft über besondere Ereignisse, Situationen und persönliche Erfahrungen aus seinem Leben. Ganz privat, ein Mensch mit Herz und Seele!
Autorenporträt
Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, geboren 1941, Zukunftsforscher und Berater für Wirtschaft und Politik, war Wissenschaftlicher Leiter der BAT Stiftung für Zukunftsfragen (ehemals BAT Freizeit-Forschungsinstitut) in Hamburg. Er hat sich im In- und Ausland als Mr. Zukunft (dpa) einen Namen gemacht. Er gilt als Visionär mit Augenmaß und Bodenhaftung. Zugleich agiert er als leidenschaftlicher Anwalt für eine neue Generationengerechtigkeit (Die ZEIT).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2011

Gemeinschaft ist jetzt sehr angesagt
Soziale Verantwortung in Zeiten der Krise: Horst Opaschowski stilisiert fromme Wünsche zum Trend

Zu den Lieblingsfeinden der heutigen Verwalter religiöser oder altbürgerlicher Wertehimmel gehört der Selbstverwirklichungsakrobat, das bindungs- und verantwortungslos dahintreibende Produkt einer "Diktatur des Relativismus". Den Lebensraum dieser unsympathischen Spezies Mensch bilden allerdings eher amerikanische Fernsehserien als die reale Alltagswelt. Der Rezensent kennt jedenfalls niemanden, auf den diese Beschreibung zuträfe. Wer einen Beruf auszuüben, sich um seine Familie zu kümmern und daneben noch dreimal pro Woche das Fußballtraining der D-Jugend zu leiten hat, dem fehlt Zeit wie Energie für extravagante Selbstverwirklichungsaktionen.

Freilich, heute wird später geheiratet als früher, Kinder sind nicht mehr selbstverständlich und Scheidungen häufig. Daran dürften aber Faktoren wie die allgemeine Erhöhung des Ausbildungsniveaus, der damit einhergehende Abbau von wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen sowie die Verbreiterung des Spektrums sozial akzeptierter Lebensentwürfe von Frauen einen weitaus größeren Anteil haben als die angebliche Neigung zu einem unbekümmert-hedonistischen Drauflosleben. Die Individualisierung und Moralisierung komplexer sozialer Veränderungsprozesse hat freilich etwas Bequemes. Nicht zuletzt verkaufen sich Umkehrparolen à la "Vom Ich zum Wir" immer gut, zumal in Krisenzeiten, die der Einzelne in Gemeinschaft besser zu bestehen hofft als allein.

Dass auch Zukunftsforscher nicht vor einer solchen simplification terrible gefeit sind, lehrt das neueste Buch von Horst Opaschowski, seines Zeichen Erziehungswissenschaftler und bis Ende 2010 wissenschaftlicher Leiter der von British American Tobacco finanzierten Hamburger "Stiftung für Zukunftsfragen". Das seiner Philippika gegen "das maßlose Ich und das übersättigte Selbst" zugrundeliegende Deutungsschema ist kaum subtiler als eine oberbayerische Sonntagspredigt. In Zeiten des Wohllebens sei es "einfach, hauptsächlich für sich selbst zu leben, sein Ego auszuleben. Wenn aber der Wohlstand auf breiter Ebene stagniert oder gar sinkt, dann treten andere Bedürfnisse in den Vordergrund. Die Menschen wünschen sich im Umgang miteinander wieder mehr menschliche Wärme und Zusammenhalt."

Dem entspreche, so will Opaschowski durch zahlreiche Umfragen herausgefunden haben, eine sich seit einigen Jahren vollziehende "Überwindung der verengten narzisstischen Nabelschau zugunsten des wiedergefundenen Blicks auf das Wir und auf Wertorientierung". Der Familiensinn nehme zu, Gemeinsinn bürgere sich wieder ein, und soziale Verantwortung kehre zurück. Vor allem aber wachse die Bereitschaft zur Bildung von "Gemeinschaften auf Gegenseitigkeit". Die "Gesellschaft der Ichlinge" werde zunehmend ersetzt durch Praktiken eines "Sozialunternehmertums mit Kalkül: Ich helfe dir, damit auch mir geholfen wird."

Die von Opaschowski angeführten Umfrageergebnisse sind freilich nicht im mindesten überraschend. Dass angesichts der wachsenden Skepsis gegenüber den Problemlösungsfähigkeiten der etablierten Großinstitutionen die Bedeutung informeller Nahbereichsbeziehungen höher gewichtet wird, als dies in der Blütezeit des Wohlfahrtsstaats der Fall war, versteht sich nahezu von selbst. Die schönsten Umfragewerte ändern allerdings nichts daran, dass den meisten Vereinen die Besetzung von Ehrenämtern heute weitaus schwerer fällt als vor zwanzig Jahren. Und ob die nachwachsende Generation ihre alten Eltern einmal mit so viel Einsatz pflegen wird, wie dies bislang noch überwiegend der Fall ist, muss sich erst noch herausstellen.

Derartige Bedenken gegenüber seiner allzu frohen Botschaft geraten Opaschowski allerdings von vornherein nicht in den Blick. Er versäumt es nämlich fast durchweg, das, was seine Interviewpartner auf den ihnen vorgelegten Fragebögen ankreuzen, mit dem abzugleichen, was sie tun. Auch auf die institutionellen Rahmenbedingungen individuellen Handelns geht er kaum ein.

Bei Lichte betrachtet, ist der von ihm als gesicherter Trend ausgegebene Befund kaum mehr als eine Anhäufung frommer Wünsche, analysiert durch eine Linse von evident unprofessionellem Schliff. Mögen sich die Redenschreiber des Bundespräsidenten daraus bedienen! Ernsthafte Zukunftsforschung sieht anders aus. Britisch American Tobacco sollte sein Geld lieber für die Lungenkrebsforschung ausgeben.

MICHAEL PAWLIK

Horst Opaschowski: "Wir!" Warum Ichlinge keine Zukunft mehr haben.

Murmann Verlag, Hamburg 2010. 221 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Michael Pawlik springt nicht eben zimperlich um mit Horst Opaschowskis Buch "Wir!". Darin behauptet der ehemalige Leiter der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen ein neues allgemeines Bedürfnis nach Gemeinschaftlichkeit, wie Pawlik informiert. Opaschowskis Analyse basiert dabei auf selbst geführten Umfragen, ist zu erfahren, wobei der Autor allerdings kaum bemüht sei, die Kongruenz von Reden und Handeln seiner Gesprächspartner zu überprüfen. Und für gegenwärtige Formen des Individualismus - den Intimfeind Opaschowskis - findet der Rezensent eine Menge soziohistorischer und -ökonomischer Erklärungen jenseits von Egoismus und Hedonismus, die der Autor jedoch sämtlich nicht zur Kenntnis nehme. "Kaum subtiler als eine oberbayerische Sonntagspredigt" ist das Werk in den Augen Pawliks, zudem "evident unprofessionell" und der "Stiftung für Zukunftsfragen" nicht eben zu höherem Ruhm gereichend. Dem Hauptsponsor besagter Stiftung, einem Tabakkonzern, rät der Kritiker lieber zu Investitionen in die Lungenkrebsforschung.

© Perlentaucher Medien GmbH