Produktdetails
- Verlag: Rotbuch
- ISBN-13: 9783880221543
- ISBN-10: 3880221545
- Artikelnr.: 23939371
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2014Widerstandssprache
"Wie bringt einer fünfzig Personen auf knapp 230 Seiten zueinander, gegeneinander und miteinander in Aktion? Und das ohne den tragenden und gelegentlich trägen Rahmen, der Familienromane und Sagas zusammenhält?" So fragte Heinrich Böll 1977 in einer Besprechung von "Wird Zeit, dass wir leben". Der zuerst 1976 erschienene Roman des 1928 geborenen und 2008 verstorbenen Christian Geissler spielt in den dreißiger Jahren in Hamburg. Im Zentrum des Geschehens steht der Polizist Leo Kantfisch. Er ist einer historischen Person, dem kommunistischen Polizisten Bruno Meyer, nachgebildet. Der hatte versucht, zwei Aktivisten des Hamburger Aufstands von 1923 aus dem Gefängnis zu befreien, was unglücklich ausging. Geissler schildert seine literarisierte Version über einen Akt des Widerstands gegen die Nationalsozialisten in einer streng durchgeformten Sprache, die versucht, Bewegungen und Wandlungen im Bewusstsein der handelnden Personen mimetisch nachzubilden und die Frage nach der Gewalt als Mittel politischen Umsturzes zu erörtern. Man sollte die Lektüre mit dem instruktiven Nachwort von Detlef Grumbach beginnen, um leichter in diesen Roman hineinzufinden, der den Auftakt einer Geissler-Werkausgabe im Verbrecher Verlag bildet. (Christian Geissler: "Wird Zeit, dass wir leben". Roman. Verbrecher Verlag, Berlin 2013. 360 S., geb., 22, - [Euro].) btro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Wie bringt einer fünfzig Personen auf knapp 230 Seiten zueinander, gegeneinander und miteinander in Aktion? Und das ohne den tragenden und gelegentlich trägen Rahmen, der Familienromane und Sagas zusammenhält?" So fragte Heinrich Böll 1977 in einer Besprechung von "Wird Zeit, dass wir leben". Der zuerst 1976 erschienene Roman des 1928 geborenen und 2008 verstorbenen Christian Geissler spielt in den dreißiger Jahren in Hamburg. Im Zentrum des Geschehens steht der Polizist Leo Kantfisch. Er ist einer historischen Person, dem kommunistischen Polizisten Bruno Meyer, nachgebildet. Der hatte versucht, zwei Aktivisten des Hamburger Aufstands von 1923 aus dem Gefängnis zu befreien, was unglücklich ausging. Geissler schildert seine literarisierte Version über einen Akt des Widerstands gegen die Nationalsozialisten in einer streng durchgeformten Sprache, die versucht, Bewegungen und Wandlungen im Bewusstsein der handelnden Personen mimetisch nachzubilden und die Frage nach der Gewalt als Mittel politischen Umsturzes zu erörtern. Man sollte die Lektüre mit dem instruktiven Nachwort von Detlef Grumbach beginnen, um leichter in diesen Roman hineinzufinden, der den Auftakt einer Geissler-Werkausgabe im Verbrecher Verlag bildet. (Christian Geissler: "Wird Zeit, dass wir leben". Roman. Verbrecher Verlag, Berlin 2013. 360 S., geb., 22, - [Euro].) btro
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Helmut Böttiger hält große Stücke auf Christian Geissler und seinen Versuch einer historischen wie ästhetischen Wahrheitssuche. Er rückt ihn sogar in die Nähe von Peter Weiss. Wie schwer ein solcher Ansatz vor dem Hintergrund der 70er Jahre, dem "deutschen Herbst", ist, wird Böttiger beim Lesen des Romans von 1976 allerdings auch klar. Die Handlung um die Befreiung eines Kommunisten aus Nazihaft spielt in den 20ern und 30ern, erklärt Böttiger und betont die Formbewusstheit der von Geissler versuchten Gesellschaftsdiagnose. Für Böttiger ein wichtiger Unterschied zur üblichen Polit-Prosa. Wie der Autor die Handlung sich aus Kunstgeflecht und poetischer Verdichtung entwickeln lässt, frei von Psychologisierung und Figurenführung, als Blick von unten, hat den Rezensenten schwer beeindruckt. Zumal er im harschen Ton des Ganzen immer etwas Gegenläufiges und Irritierendes erspürt, das die (historischen) Ereignisse unterminiert. Auch als politische Quellenkunde taugt das Buch laut Böttiger gut, weil es Hoffnungen wie Verfehlungen gleichermaßen zeigt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2014Die Formulare und der Terror
Flaschenpost aus der bleiernen Zeit: Christian Geisslers Roman „Wird Zeit, dass wir leben“ (1976) ist wieder da
Diese Militanz verstört. Man muss sich ihr heute fast archäologisch nähern. Christian Geissler, 1928 in Hamburg geboren, alt genug, um 1944/45 noch als Flakhelfer am Krieg teilnehmen zu müssen, veröffentlichte diesen Roman 1976 im Rotbuch-Verlag, in der politisch stark aufgeladenen Periode unmittelbar vor dem „Deutschen Herbst“ und dem Tod der in Stuttgart-Stammheim inhaftierten Mitglieder der „Rote Armee Fraktion“. Geissler spielt gezielt mit diesem zeitgenössischen Hintergrund, er ist ständig mit im Blickfeld – der Text selbst allerdings handelt von den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Der Autor berichtet anfangs in wenigen kurzen Sätzen von einem Hinweis, der für ihn „beispielhaft“ gewesen sei: Es geht um einen Hamburger Polizisten, der 1933/1934 versucht hat, in Nazideutschland politische Gefangene zu befreien.
Die konkreten Vorgänge, auf die er sich bezieht, und die Namen teilt Geissler nicht mit. Seine literarische Umformung entwirft eine ganz andere Realität. Im Mittelpunkt steht zwar tatsächlich die Befreiung eines führenden Kommunisten aus der Nazihaft, aber sie ist eingebettet in ein vielfältiges Personenensemble, ein breites gesellschaftliches Spektrum: Gutsherr, Büchsenschmied, Straßenmädchen, Bandenchefs, Arbeiter und Arbeitslose. Es geht Geissler um eine Gesellschaftsdiagnose. Sein rhythmusbetonter, eigenwillig stilisierter rhetorischer Duktus unterscheidet sich dabei erheblich von der landläufigen politischen Prosa jener Zeit, in der das richtige Bewusstsein ideal hervorleuchtete.
Aus dem Post-68er-Milieu der alten Bundesrepublik wie auch der DDR-Literatur sticht Geissler grell heraus: Er verbindet radikale politische Positionen mit einer an die künstlerische Avantgarde anschließenden formbewussten Sprache. Ihre Grundlage bildet der Hamburger Slang in verschiedenen sozialen, vor allem proletarischen Abfärbungen. Daraus entsteht ein nüchternes, karges Kunstgeflecht, eine poetische Verdichtung. Es wird nichts erzählt, die Handlung entfaltet sich durch eine Art Cluster-Technik. Hier geht alles von der Basis aus, es gibt es keine Romantisierungen, keine landläufige Psychologie und Personenführung. Die Sprache schafft eine neue Form von Wirklichkeit, sie hat mit dem üblichen Realismus wenig zu tun.
Diese Sprache bildet die Hauptaussage des Romans. Mit ihr treten auch die Konflikte innerhalb der Kommunistischen Partei in den Vordergrund: unbedingte Parteidisziplin auf der einen, harscher Eigensinn auf der anderen Seite. Vor allem bei der zentralen Frage, ob man den Nationalsozialisten als friedliche Massenbewegung oder mit Waffengewalt entgegentreten solle, scheiden sich die Geister. Der Funktionär Schlosser steht für die strikte Parteilinie, die Gruppe um Leo Kantfisch und das Gutsknechtsmädchen Karo für das, was die Parteioberen als „individuellen Terror“ ablehnen. Die KPD-Führung wolle sich nicht mit dem Mördern gemein machen, sagt Schlosser einmal in einer Diskussion. Doch der Roman entwirft dann eine historisch einmalige Pointe: Schlosser wird von den Nazis verhaftet, und der Gruppe um Kantfisch gelingt es mit eben jener brachialen Gewalt, die der Funktionär vorher abgelehnt hat, ihn zu befreien.
In der Realität sah das Geschehen, auf das sich Geissler bezieht, ganz anders aus. In seinem aufschlussreichen Nachwort berichtet Detlef Grumbach, dass der inhaftierte führende Hamburger KPD-Genosse Fiete Schulze, das Vorbild für Geisslers Figur Schlosser, im Juni 1935 hingerichtet wurde. Die Befreiungsaktion, die der Polizist Bruno Meyer und seine Geliebte tatsächlich geplant hatten, flog schon vorher durch einen Spitzel auf. Nach 1945 geriet dieser Akt des Widerstands in Vergessenheit. Meyer, der „Held“ der Geschichte, mit dem Geissler einige Gespräche für seinen Roman geführt hatte, kritisierte den fertigen Text dann vehement.
Geisslers „exemplarische Aktion“ ist so etwas wie eine konkrete Utopie, die sich an den Wirklichkeiten der Dreißiger- wie der Siebzigerjahre hart stößt. Durch den rauen, harschen Ton des Textes wird immer auch etwas Irritierendes vermittelt, etwas Gegenläufiges. Doch die Initialzündung für seinen Roman war eindeutig die gewaltsame Befreiung des Kaufhausbrandstifters Andreas Baader aus dem Gefängnis im Mai 1970. Geissler sah darin einen notwendigen Akt der Gegenwehr (ohne die weitere Entwicklung zu ahnen).
Geissler scheint sich zu einem kompromisslosen Blick von unten zu zwingen, zum Anprangern der Herrschaftsverhältnisse und der Funktionäre – „für richtigen Kampf hast du nie Formulare“ – doch die politischen Aporien lugen immer wieder zwischen den Zeilen durch. Bis zu seinem Tod im Jahre 2008 arbeitete sich Geissler daran ab, auf eine exemplarische Weise, die heute wie eine historische Akte wirkt.
Die Widersprüche, in die sich Geissler verstrickt sah, werden nicht nur in der Ablehnung seines Romans durch die vermeintliche Hauptfigur Bruno Meyer alias Leo Kantfisch deutlich. Sie wurzelten auch in seiner Gegenwart, in seiner Einschätzung der RAF. Deren Entwicklung, den „individuellen Terror“ und seine Abgründe hat er 1988 in seinem Roman „Kamalatta“ reflektiert, der Titel verweist auf eine der poetischen Formeln der Unverständlichkeit und höheren Klarheit bei Hölderlin. Die Vermittlung von historischer und ästhetischer Wahrheitssuche erweist sich als wahre Sisyphus-Arbeit.
„Wird Zeit, dass wir leben“ ist ein spannungsreiches Dokument für die Bewusstseinslage der siebziger Jahre, eine politische Quellenkunde der Hoffnungen, Verfehlungen und Irrtümer, und der Roman frappiert immer noch durch die Spracharbeit dieses monolithischen Schriftstellers. Sie hat weitaus eher überdauert als seine politische Arbeit. Christian Geissler ist der einzige Autor, den man in die Nähe von Peter Weiss und dessen monumentaler „Ästhetik des Widerstands“ rücken kann.
HELMUT BÖTTIGER
Christian Geissler: Wird Zeit, dass wir leben. Geschichte einer exemplarischen Aktion. Mit einem Nachwort von Detlef Grumbach. Verbrecher Verlag, Berlin 2013. 357 Seiten, 22 Euro.
Die Kunstsprache dieses Romans
wurzelt im Hamburger Slang
Christian Geissler,
geboren 1928 in Hamburg, starb 2008 in
seiner Heimatstadt. Seit 1959 lebte er als freier Autor. Sein Debüt „Anfrage“ erschien 1960.
Foto: Bruno Brückner
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Flaschenpost aus der bleiernen Zeit: Christian Geisslers Roman „Wird Zeit, dass wir leben“ (1976) ist wieder da
Diese Militanz verstört. Man muss sich ihr heute fast archäologisch nähern. Christian Geissler, 1928 in Hamburg geboren, alt genug, um 1944/45 noch als Flakhelfer am Krieg teilnehmen zu müssen, veröffentlichte diesen Roman 1976 im Rotbuch-Verlag, in der politisch stark aufgeladenen Periode unmittelbar vor dem „Deutschen Herbst“ und dem Tod der in Stuttgart-Stammheim inhaftierten Mitglieder der „Rote Armee Fraktion“. Geissler spielt gezielt mit diesem zeitgenössischen Hintergrund, er ist ständig mit im Blickfeld – der Text selbst allerdings handelt von den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Der Autor berichtet anfangs in wenigen kurzen Sätzen von einem Hinweis, der für ihn „beispielhaft“ gewesen sei: Es geht um einen Hamburger Polizisten, der 1933/1934 versucht hat, in Nazideutschland politische Gefangene zu befreien.
Die konkreten Vorgänge, auf die er sich bezieht, und die Namen teilt Geissler nicht mit. Seine literarische Umformung entwirft eine ganz andere Realität. Im Mittelpunkt steht zwar tatsächlich die Befreiung eines führenden Kommunisten aus der Nazihaft, aber sie ist eingebettet in ein vielfältiges Personenensemble, ein breites gesellschaftliches Spektrum: Gutsherr, Büchsenschmied, Straßenmädchen, Bandenchefs, Arbeiter und Arbeitslose. Es geht Geissler um eine Gesellschaftsdiagnose. Sein rhythmusbetonter, eigenwillig stilisierter rhetorischer Duktus unterscheidet sich dabei erheblich von der landläufigen politischen Prosa jener Zeit, in der das richtige Bewusstsein ideal hervorleuchtete.
Aus dem Post-68er-Milieu der alten Bundesrepublik wie auch der DDR-Literatur sticht Geissler grell heraus: Er verbindet radikale politische Positionen mit einer an die künstlerische Avantgarde anschließenden formbewussten Sprache. Ihre Grundlage bildet der Hamburger Slang in verschiedenen sozialen, vor allem proletarischen Abfärbungen. Daraus entsteht ein nüchternes, karges Kunstgeflecht, eine poetische Verdichtung. Es wird nichts erzählt, die Handlung entfaltet sich durch eine Art Cluster-Technik. Hier geht alles von der Basis aus, es gibt es keine Romantisierungen, keine landläufige Psychologie und Personenführung. Die Sprache schafft eine neue Form von Wirklichkeit, sie hat mit dem üblichen Realismus wenig zu tun.
Diese Sprache bildet die Hauptaussage des Romans. Mit ihr treten auch die Konflikte innerhalb der Kommunistischen Partei in den Vordergrund: unbedingte Parteidisziplin auf der einen, harscher Eigensinn auf der anderen Seite. Vor allem bei der zentralen Frage, ob man den Nationalsozialisten als friedliche Massenbewegung oder mit Waffengewalt entgegentreten solle, scheiden sich die Geister. Der Funktionär Schlosser steht für die strikte Parteilinie, die Gruppe um Leo Kantfisch und das Gutsknechtsmädchen Karo für das, was die Parteioberen als „individuellen Terror“ ablehnen. Die KPD-Führung wolle sich nicht mit dem Mördern gemein machen, sagt Schlosser einmal in einer Diskussion. Doch der Roman entwirft dann eine historisch einmalige Pointe: Schlosser wird von den Nazis verhaftet, und der Gruppe um Kantfisch gelingt es mit eben jener brachialen Gewalt, die der Funktionär vorher abgelehnt hat, ihn zu befreien.
In der Realität sah das Geschehen, auf das sich Geissler bezieht, ganz anders aus. In seinem aufschlussreichen Nachwort berichtet Detlef Grumbach, dass der inhaftierte führende Hamburger KPD-Genosse Fiete Schulze, das Vorbild für Geisslers Figur Schlosser, im Juni 1935 hingerichtet wurde. Die Befreiungsaktion, die der Polizist Bruno Meyer und seine Geliebte tatsächlich geplant hatten, flog schon vorher durch einen Spitzel auf. Nach 1945 geriet dieser Akt des Widerstands in Vergessenheit. Meyer, der „Held“ der Geschichte, mit dem Geissler einige Gespräche für seinen Roman geführt hatte, kritisierte den fertigen Text dann vehement.
Geisslers „exemplarische Aktion“ ist so etwas wie eine konkrete Utopie, die sich an den Wirklichkeiten der Dreißiger- wie der Siebzigerjahre hart stößt. Durch den rauen, harschen Ton des Textes wird immer auch etwas Irritierendes vermittelt, etwas Gegenläufiges. Doch die Initialzündung für seinen Roman war eindeutig die gewaltsame Befreiung des Kaufhausbrandstifters Andreas Baader aus dem Gefängnis im Mai 1970. Geissler sah darin einen notwendigen Akt der Gegenwehr (ohne die weitere Entwicklung zu ahnen).
Geissler scheint sich zu einem kompromisslosen Blick von unten zu zwingen, zum Anprangern der Herrschaftsverhältnisse und der Funktionäre – „für richtigen Kampf hast du nie Formulare“ – doch die politischen Aporien lugen immer wieder zwischen den Zeilen durch. Bis zu seinem Tod im Jahre 2008 arbeitete sich Geissler daran ab, auf eine exemplarische Weise, die heute wie eine historische Akte wirkt.
Die Widersprüche, in die sich Geissler verstrickt sah, werden nicht nur in der Ablehnung seines Romans durch die vermeintliche Hauptfigur Bruno Meyer alias Leo Kantfisch deutlich. Sie wurzelten auch in seiner Gegenwart, in seiner Einschätzung der RAF. Deren Entwicklung, den „individuellen Terror“ und seine Abgründe hat er 1988 in seinem Roman „Kamalatta“ reflektiert, der Titel verweist auf eine der poetischen Formeln der Unverständlichkeit und höheren Klarheit bei Hölderlin. Die Vermittlung von historischer und ästhetischer Wahrheitssuche erweist sich als wahre Sisyphus-Arbeit.
„Wird Zeit, dass wir leben“ ist ein spannungsreiches Dokument für die Bewusstseinslage der siebziger Jahre, eine politische Quellenkunde der Hoffnungen, Verfehlungen und Irrtümer, und der Roman frappiert immer noch durch die Spracharbeit dieses monolithischen Schriftstellers. Sie hat weitaus eher überdauert als seine politische Arbeit. Christian Geissler ist der einzige Autor, den man in die Nähe von Peter Weiss und dessen monumentaler „Ästhetik des Widerstands“ rücken kann.
HELMUT BÖTTIGER
Christian Geissler: Wird Zeit, dass wir leben. Geschichte einer exemplarischen Aktion. Mit einem Nachwort von Detlef Grumbach. Verbrecher Verlag, Berlin 2013. 357 Seiten, 22 Euro.
Die Kunstsprache dieses Romans
wurzelt im Hamburger Slang
Christian Geissler,
geboren 1928 in Hamburg, starb 2008 in
seiner Heimatstadt. Seit 1959 lebte er als freier Autor. Sein Debüt „Anfrage“ erschien 1960.
Foto: Bruno Brückner
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