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Produktdetails
  • Verlag: buchausgabe.de
  • 1., Auflage
  • Seitenzahl: 225
  • Deutsch
  • Abmessung: 21cm x 14cm
  • Gewicht: 295g
  • ISBN-13: 9783942239073
  • ISBN-10: 3942239078
  • Artikelnr.: 30193653
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2010

Logische Wirtschaftsethik
Hardy Bouillon hat eine lesenswerte Schrift verfasst

Seinem selbstgesetzten Ziel wird Hardy Bouillon mit seiner Abhandlung über Wirtschaftsethik ohne Frage gerecht. Mit dem Satz: "Wenn diese Arbeit einen Anstoß zur vertieften Reflexion über die Grundlagen der Wirtschaftsethik gibt, dann ist genau das erreicht, was der Autor erhofft, und mehr als er erwartet", beschließt Bouillon seinen Text, und er kann nach Maßgabe seines eigenen Anspruchs zufrieden auf die getane Arbeit zurückschauen. Wer "Wirtschaft, Ethik und Gerechtigkeit" gelesen hat, kann sich sicher sein, in die erkenntnistheoretischen Abgründe der Wirtschaftsethik geblickt und sie systematisch ausgeleuchtet zu haben - zumindest wenn man sich der Lichtquelle des kritischen Rationalismus in Gefolge von Karl Popper und Hans Albert anvertraut, die einem Bouillon an die Hand gibt.

Das Unbehagen über die aktuelle wirtschaftsethische Literatur und insbesondere deren von Bouillon konstatierte philosophieanalytische und methodologische Unschärfe bilden den Ausgangspunkt der Ausführungen. Schon nach wenigen Seiten findet sich der Leser in einem Seminar zu den Grundfragen der Wissenschaftstheorie wieder, durch das der Autor mit systematischer Umsicht, philosophischer Strenge, aber auch sprachlichem Witz führt. Trotz aller Verästlungen und Seitenwege, die abgegangen und gelegentlich auch zurückgegangen werden, ist die Botschaft des Buches überraschend klar: Nicht Normen sind der Ausgangspunkt der Wirtschaftsethik, sondern das Konzept formaler Gerechtigkeit, an der Normen zu messen sind. So lautet der Merksatz des Buches und der Bouillon'schen Wirtschaftsethik: "Im Sinne der formalen Gerechtigkeit ist wirtschaftliches Handeln gerecht, sofern dabei niemand unbegründet in der Wahrnehmung seiner Freiheiten behindert wird, ungerecht, wenn dabei jemand unbegründet in der Wahrnehmung seiner Freiheiten behindert wird."

Drei wesentliche Kriterien gibt uns Bouillon zur Beurteilung wirtschaftsethischer Probleme an die Hand: 1. Handeln muss vertragskonform sein. 2. Bevorteile die Präferenzen eines Individuums gegenüber denen eines anderen nicht ohne gute Gründe. 3. Beachte die logische Kompatibilität bei der Vermehrung von Eigentum mit dem einmal gewählten Weg der Eigentumsaneignung. Beruht zum Beispiel Eigentum auf Privatisierung bislang freier Güter, ist Diebstahl keine mit dieser Form der Aneignung kompatible Vorgehensweise. Was heißt das für die Praxis?

Hierauf will Bouillon in seinem letzten, leider eher schmalen Teil eine Antwort geben. Auch hier sind seine Argumente schlüssig vorgetragen, jedoch meist nicht wirklich überraschend. So betont er, dass die Frage nach der Einbeziehung von Stakeholdern in Managemententscheidungen wie auch die Förderung von Corporate Citizenship, Corporate Governance und Corporate Social Responsibility immer wieder daran gemessen werden müssen, ob diese Ziele mit den wirtschaftlichen Zielen der Unternehmenseigentümer in Einklang stehen. Auch bei Fragen von Nachhaltigkeit, Ausbeutung, Diskriminierung, Insiderhandel bis hin zu Organhandel und sogar Abtreibung warnt uns Bouillon vor voreiligen Schlüssen des moralischen Bauchgefühls, ohne wirklich neue Impulse für die wirtschaftsethische Praxis und Beratung zu geben. So ist es natürlich richtig, dass wir "fair gehandelten" Kaffee möglicherweise nicht nur aus moralisch guten Gründen kaufen, sondern vielleicht auch um unsere "soziale Korrektheit" zu demonstrieren und somit unsere Reputation zu erhöhen. Aber was ist damit für die Debatte um faire Handelsbeziehungen, Produktionsstandards in Entwicklungsländern oder die aktuelle Diskussion um Konsumentenverantwortung gewonnen?

Nach der Lektüre bleibt der Eindruck, dass dort, wo Bouillon abbricht, es eigentlich erst richtig losgehen müsste. Denn die Stringenz des Arguments und die Regeln der Logik, mit denen Bouillon aufwartet, müssen an der komplexen wirtschaftsethischen Realität gemessen werden. Wir sollten über alle Klarheiten der Schlussfolgerungen nicht vergessen, dass die wirtschaftsethische Analyse insbesondere auch etwas darüber aussagen sollte, warum Menschen gegenüber Unternehmen und Politik Forderungen nach Gerechtigkeit stellen, inwiefern diese nicht nur theoretisch, sondern auch historisch, politisch und kulturell erklärt werden können und warum sie oder warum sie nicht einem friedlichen Miteinander in einer freien Gesellschaft dienlich sind - auch wenn sie uns manchmal nicht ganz logisch erscheinen.

NILS GOLDSCHMIDT

Der Verfasser ist Professor an der Universität der Bundeswehr München.

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