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Die anhaltenden Debatten um Erfolg oder Misslingen des Kapitalismus zeigen: Wirtschaft ist kein ethisch freier Raum, sondern ein von Moral geprägter Schauplatz: ein Thema, das die Philosophin Susanne Hahn und der Wirtschaftswissenschaftler Hartmut Kliemt in diesem Band in zweifacher Perspektive in den Blick nehmen. Die Autoren gehen jeweils von ganz realen Problem aus: der Höhe von Vorstandsbezügen, dem Vorgehen bei Firmenübernahmen, den sog. Übernahmeschlachten, oder dem Agieren von Hedgefonds, den sog. Heuschrecken. Der Allgemeinheitsanspruch philosophischer Moralvorstellungen stößt dabei…mehr

Produktbeschreibung
Die anhaltenden Debatten um Erfolg oder Misslingen des Kapitalismus zeigen: Wirtschaft ist kein ethisch freier Raum, sondern ein von Moral geprägter Schauplatz: ein Thema, das die Philosophin Susanne Hahn und der Wirtschaftswissenschaftler Hartmut Kliemt in diesem Band in zweifacher Perspektive in den Blick nehmen. Die Autoren gehen jeweils von ganz realen Problem aus: der Höhe von Vorstandsbezügen, dem Vorgehen bei Firmenübernahmen, den sog. Übernahmeschlachten, oder dem Agieren von Hedgefonds, den sog. Heuschrecken. Der Allgemeinheitsanspruch philosophischer Moralvorstellungen stößt dabei immer wieder zusammen mit der an Effizienz interessierten Ökonomie. Durch diese Diskussion ergibt sich ein Problemfeld, das uns als Marktteilnehmer alle betrifft: Sowohl Ethik als auch Wirtschaft sollten miteinander ins Gespräch kommen und voneinander lernen.
Autorenporträt
Hartmut Kliemt, geb. 1949, ist Professor für Philosophie und Ökonomik an der Frankfurt School of Finance & Management.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2018

Menschen, Markt, Moral
Gegen Skandale soll Wirtschaftsethik helfen

Die Wirtschaft und vor allem das Ansehen der Wirtschaft werden immer wieder von Skandalen beschädigt. Das sind einmal Bilanzskandale, ein anderes Mal geht es um Korruption und in wieder anderen Fällen um technische Manipulationen oder die Nichteinhaltung sozialer Standards. Das hat den Ruf nach einer Ethik für Manager laut werden lassen. Und spätestens als die amerikanische Businessschmiede Harvard einen Kodex erließ, der die Absolventen für ihre spätere Praxis zu ethisch wertvollem Verhalten verpflichtet, war der Damm gebrochen. Seither steigt die Zahl der Wirtschaftsethik-Veranstaltungen an deutschen Hochschulen. Das junge Fach - so schreiben Christoph Lütge und Matthias Uhl von der Technischen Universität München - müsse jetzt langsam das Stadium der Grundsatzfragen verlassen und eine übergreifende Perspektive einnehmen. Herausgekommen ist ein typisch deutsches Lehrbuch, das sehr viel definiert, beschreibt, empirisch erfasst und misst. Über weite Strecken entsteht der Eindruck, dass hier viel trockenes Wissen gesammelt wurde und vorgetragen wird - aber wenig Ethik.

Spannend wird es nach der Seite 192. Die Autoren sind bei der Unternehmensverantwortung angekommen und damit dem Kern der Wirtschaftsethik. Dort wird sehr lehrreich und spannend der Ansatz Milton Friedmans und auf der anderen Seite der kontinentaleuropäische Ansatz des ehrbaren Kaufmanns diskutiert. Für Friedman ist ein Unternehmen aus der freien Entscheidung seiner Eigentümer entstanden. Daraus leitet er deren Recht ab, allein über die Ziele zu bestimmen, die in der Gewinnmaximierung liegen. Eine soziale Verantwortung lehnt er weitgehend ab. Dafür seien die Unternehmen nicht da und die Manager nicht ausgebildet. Er fordert lediglich die Einhaltung bestehender Gesetze, von denen es allerdings nur so viele wie gerade nötig geben sollte.

Dem gegenüber steht das Konzept des ehrbaren Kaufmanns. Während Friedman darauf setzt, dass gesellschaftlich nichtgewollte Produkte oder Unternehmensstrategien am Markt ausscheiden, erwartet der Ansatz des Ehrbaren Kaufmanns von jedem Akteur ein ethisches Verhalten und dazu persönliche Eigenschaften, die ein solches Verhalten erwarten lassen. Der ehrbare Kaufmann ist danach weltoffen, freiheitlich orientiert; er verhandelt ehrlich, leistet pünktlich und rechnet korrekt ab. Während bei Friedman alles zulässig ist, was sich im Rahmen bestehender Gesetze bewegt, verlangt der ehrbare Kaufmann auch eine individuelle Entscheidung des Kaufmanns, ob eine Handlung moralisch/ethisch zulässig ist oder nicht.

Die Autoren lassen keinen Zweifel daran, dass sie vom ehrbaren Kaufmann wenig halten. Der Begriff der Ehre werde räumlich und zeitlich unterschiedlich interpretiert. Angesichts des Wertepluralismus sei es unzulässig, sich auf einen bestimmten Wertekanon festzulegen. Der Begriff sei auch aus der Zeit gefallen, weil er in einer Epoche geprägt wurde, als das erwünschte soziale Verhalten stärker gesellschaftlich kontrolliert werden konnte, als es in einer von Globalisierung geprägten Welt möglich sei. Abschließend wird das "unzeitgemäß normative Ideal eines Unternehmers" kritisiert, welches eher auf einen zuverlässigen und korrekten Beamten hinauslaufe als auf einen stürmischen Jungunternehmer. Aber um die Ethik kommt man nicht herum, denn die Gesellschaft betrachtet unternehmerische Entscheidungen auch unter moralischen Gesichtspunkten. Daher bringen die Autoren die Moral nicht über die Handelnden ins Spiel, sondern über den Markt und definieren Unternehmensethik als das Management moralischer Risiken. Jetzt funktioniert der normale betriebswirtschaftliche Instrumentenkasten. Dann wird Ethik so behandelt wie eine Mode oder wie technische Veränderungen: Der Markt wird es richten.

Susanne Hahn und Hartmut Kliemt sehen das kritischer. "Aber auch jenseits von Lug und Betrug hat das Herdenverhalten, das uns in Finanzkrisen führte, der These von der Effizienz der Märkte nicht das beste Zeugnis ausgestellt", schreiben sie in ihrem Buch. Sie warnen davor, aus diesem Versagen vorschnell Regeln abzuleiten. Denn "es ist eine Illusion, dass man Regeln einführen könnte, die in ihrem Resultat nur erwünschte Wirkungen zeigen." Solange man Entscheidern Freiräume einräumt, nimmt man automatisch Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen in Kauf. Denn Risiken und Chancen werden unterschiedlich wahrgenommen. Risiken werden meist über- und Chancen unterschätzt. Wenn aber Regeln eher hinderlich sind, bleibt nur die Moral der handelnden Personen. Hahn/Kliemt halten den Einfluss moralischer Motive auf reales Verhalten denn auch für belegt.

Auch bei Hahn/Kliemt siegt der Meinungspluralismus. Aber sie gehen über Lütge/Uhl hinaus. Sie fordern nicht nur Einhaltung der gesetzlichen Regeln und ansonsten Anerkennung des Marktergebnisses. Sie bekennen sich dazu, dass handelnde Personen sich ethisch zu verhalten haben. Die individuelle Verantwortung des einzelnen Marktteilnehmers liege darin, angemessene Sorgfalt in die Bildung begründeter Überzeugungen an den Tag zu legen. Angemessen heißt hier, dass jeder seine normativen und sonstigen Überzeugungen unter Einbeziehung verfügbarer Evidenz und mit dem Ziel der Kohärenz bilden sollte. Ethik ist damit etwas Persönliches. Das kommt vor allem im Lehrbuch von Lütge/Uhl zu kurz. Es wirkt daher über weite Strecken blutleer und steril.

Sie hätten den Sammelband Brun-Hagen Hennerkes / George Augustin: "Wertewandel mitgestalten" (Herder 2012) lesen sollen. Darin kommen Unternehmer zu Wort von Friedrich von Metzler über Nicola Leibinger-Kammüller bis zu Friedhelm Loh oder Heinrich Deichmann. Sie breiten ihr Wertesystem aus, nach dem sie handeln. Sie zeigen, dass es keine spezielle Wirtschaftsethik gibt. Es gibt eine allgemeine Ethik, die auch in der Wirtschaft gilt. Ein bisschen mehr davon hätte man sich in den beiden Neuerscheinungen gewünscht.

GEORG GIERSBERG

Christoph Lütge/Matthias Uhl: Wirtschaftsethik. Verlag Franz Vahlen, München 2018, 270 Seiten, 32,90 Euro.

Susanne Hahn / Hartmut Kliemt: Wirtschaft ohne Ethik? Eine ökonomisch-philosophische Analyse. Reclam Verlag, Stuttgart 2017, 280 Seiten, 22,95 Euro.

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