Das Niveau der wirtschaftlichen Freiheit in einer Volkswirtschaft gilt als bedeutende institutionelle Determinante des Wirtschaftswachstums - wie aber wirkt sich die wirtschaftliche Freiheit auf Einkommensungleichheit und physische Lebensqualität aus? Bezüglich dieser Zusammenhänge liegen weder eine allgemein akzeptierte Theorie noch eindeutige empirische Ergebnisse vor. Ziel des Buches ist es, ausgehend von der Rational-Choice Theorie und Public-Choice Ansätzen Hypothesen über diese Zusammenhänge zu formulieren und mittels umfangreicher empirischer Analysen zu testen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2003Freiheit und Gleichheit
Guido Mehlkop ist den Auswirkungen der Liberalisierung auf der Spur
Guido Mehlkop: Wirtschaftliche Freiheit, Einkommensungleichheit und physische Lebensqualität. Eine international vergleichende Studie. Leske + Budrich, Opladen 2002, 248 Seiten, 16,90 Euro.
In der ordnungspolitischen Diskussion gehören die Auswirkungen der binnen- und außenwirtschaftlichen Liberalisierung auf Einkommensverteilung und Lebensqualität zu den Dauerthemen. Diese Debatte wird insbesondere seit den spektakulären Aktionen von Globalisierungsgegnern auch von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen - und der Eindruck, daß die Liberalisierung Ungleichheit nicht abbaut, sondern verschärft und zugleich auf Kosten der Lebensqualität geht, bringt ihre Vertreter oftmals argumentativ in die Defensive. Guido Mehlkop stellt in seinem Buch daher neuerlich die Frage, ob und wie weit die Erfahrungsdaten der vergangenen Jahrzehnte diesen Eindruck rechtfertigen.
Als Forschungsbeitrag und als Versuch, diese für die Praxis der Ordnungspolitik wesentlichen Fragen zu beantworten, geht sein Buch dabei deutlich über alles bisher Veröffentlichte hinaus. Zunächst referiert Mehlkop den Stand der Diskussion und begründet, warum manche Fragen bisher nur unbefriedigend beantwortet worden sind. Mit Hilfe der statistischen Methode der Mehrvariablenanalyse mißt er danach den Einfluß der wirtschaftlichen Freiheit, ausgedrückt in einem Gesamtindex, sowie den Einfluß einzelner Komponenten dieses Index auf die Ungleichheit der Einkommensverteilung und die physische Lebensqualität. Diese Ergebnisse vergleicht der Autor sodann mit der Auswirkung anderer Bestimmungsgrößen über einen langen Zeitraum hinweg.
Es zeigt sich: Die Daten liefern keine Anhaltspunkte dafür, daß mehr wirtschaftliche Freiheit als solche mehr Ungleichheit der Einkommensverteilung bedeutet. Anders sieht es nur bei zwei von sieben Komponenten des Index der Wirtschaftsfreiheit aus. Je größer die Rolle des Marktes für Produktion und Verteilung, desto ausgeprägter ist meistens auch die Ungleichheit der Einkommen. Das gleiche gilt für die Transaktionsfreiheit auf Kapital- und Finanzmärkten. Dagegen spricht in Mehlkops Ergebnissen wenig für die verbreitete Annahme, daß ein hoher Staatsanteil am Bruttoinlandsprodukt tatsächlich der Umverteilung von oben nach unten zugute kommt - und damit einer Verringerung der Ungleichheit.
Mit Blick auf die physische Lebensqualität ergibt sich für den Einfluß der Wirtschaftsfreiheit - sowohl insgesamt als auch in den einzelnen Komponenten des Index - ein noch klareres Bild. Mit Ausnahme der Staatsquote und der Währungsstabilität, für die sich kein deutlicher positiver oder negativer Einfluß zeigt, sind sämtliche Komponenten der Wirtschaftsfreiheit eindeutig und ausgeprägt mit höherer Lebensqualität verbunden.
Einzelheiten in Mehlkops Buch mögen auf Kritik stoßen, zum Beispiel, wenn er wie die Weltbank als Indikator für die physische Lebensqualität neben der Kindersterblichkeit und der Alphabetisierung die Lebenserwartung verwendet. Dieser Teilindikator mißt die Quantität, nicht die Qualität des Lebens. Da indes Gesellschaften mit einer hohen durchschnittlichen Lebenserwartung der Bürger zumeist auch höheren Wohlstand genießen, ist die Verknüpfung dennoch immerhin nicht abwegig.
Auch gilt es bei der Lektüre von Forschungsarbeiten, stets die Grenzen der Anwendbarkeit im Auge zu behalten. So läßt sich etwa für die Außenwirtschaftspolitik nicht folgern, daß in jeder Lage eine sofortige, weltumspannende Beseitigung aller Handelsschranken den besten Weg darstellen würde. Die Gründung des deutschen Zollvereins 1834 war kein Fehler, sondern ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Industrialisierung Deutschlands. Im übrigen ist daran zu erinnern, daß die Überlegenheit freiheitlicher Ordnungen nicht nur in deren wirtschaftlichem Potential liegt, sondern auch "jenseits von Angebot und Nachfrage", wie es Wilhelm Röpke ausdrückte.
HANS KAMMLER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Guido Mehlkop ist den Auswirkungen der Liberalisierung auf der Spur
Guido Mehlkop: Wirtschaftliche Freiheit, Einkommensungleichheit und physische Lebensqualität. Eine international vergleichende Studie. Leske + Budrich, Opladen 2002, 248 Seiten, 16,90 Euro.
In der ordnungspolitischen Diskussion gehören die Auswirkungen der binnen- und außenwirtschaftlichen Liberalisierung auf Einkommensverteilung und Lebensqualität zu den Dauerthemen. Diese Debatte wird insbesondere seit den spektakulären Aktionen von Globalisierungsgegnern auch von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen - und der Eindruck, daß die Liberalisierung Ungleichheit nicht abbaut, sondern verschärft und zugleich auf Kosten der Lebensqualität geht, bringt ihre Vertreter oftmals argumentativ in die Defensive. Guido Mehlkop stellt in seinem Buch daher neuerlich die Frage, ob und wie weit die Erfahrungsdaten der vergangenen Jahrzehnte diesen Eindruck rechtfertigen.
Als Forschungsbeitrag und als Versuch, diese für die Praxis der Ordnungspolitik wesentlichen Fragen zu beantworten, geht sein Buch dabei deutlich über alles bisher Veröffentlichte hinaus. Zunächst referiert Mehlkop den Stand der Diskussion und begründet, warum manche Fragen bisher nur unbefriedigend beantwortet worden sind. Mit Hilfe der statistischen Methode der Mehrvariablenanalyse mißt er danach den Einfluß der wirtschaftlichen Freiheit, ausgedrückt in einem Gesamtindex, sowie den Einfluß einzelner Komponenten dieses Index auf die Ungleichheit der Einkommensverteilung und die physische Lebensqualität. Diese Ergebnisse vergleicht der Autor sodann mit der Auswirkung anderer Bestimmungsgrößen über einen langen Zeitraum hinweg.
Es zeigt sich: Die Daten liefern keine Anhaltspunkte dafür, daß mehr wirtschaftliche Freiheit als solche mehr Ungleichheit der Einkommensverteilung bedeutet. Anders sieht es nur bei zwei von sieben Komponenten des Index der Wirtschaftsfreiheit aus. Je größer die Rolle des Marktes für Produktion und Verteilung, desto ausgeprägter ist meistens auch die Ungleichheit der Einkommen. Das gleiche gilt für die Transaktionsfreiheit auf Kapital- und Finanzmärkten. Dagegen spricht in Mehlkops Ergebnissen wenig für die verbreitete Annahme, daß ein hoher Staatsanteil am Bruttoinlandsprodukt tatsächlich der Umverteilung von oben nach unten zugute kommt - und damit einer Verringerung der Ungleichheit.
Mit Blick auf die physische Lebensqualität ergibt sich für den Einfluß der Wirtschaftsfreiheit - sowohl insgesamt als auch in den einzelnen Komponenten des Index - ein noch klareres Bild. Mit Ausnahme der Staatsquote und der Währungsstabilität, für die sich kein deutlicher positiver oder negativer Einfluß zeigt, sind sämtliche Komponenten der Wirtschaftsfreiheit eindeutig und ausgeprägt mit höherer Lebensqualität verbunden.
Einzelheiten in Mehlkops Buch mögen auf Kritik stoßen, zum Beispiel, wenn er wie die Weltbank als Indikator für die physische Lebensqualität neben der Kindersterblichkeit und der Alphabetisierung die Lebenserwartung verwendet. Dieser Teilindikator mißt die Quantität, nicht die Qualität des Lebens. Da indes Gesellschaften mit einer hohen durchschnittlichen Lebenserwartung der Bürger zumeist auch höheren Wohlstand genießen, ist die Verknüpfung dennoch immerhin nicht abwegig.
Auch gilt es bei der Lektüre von Forschungsarbeiten, stets die Grenzen der Anwendbarkeit im Auge zu behalten. So läßt sich etwa für die Außenwirtschaftspolitik nicht folgern, daß in jeder Lage eine sofortige, weltumspannende Beseitigung aller Handelsschranken den besten Weg darstellen würde. Die Gründung des deutschen Zollvereins 1834 war kein Fehler, sondern ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Industrialisierung Deutschlands. Im übrigen ist daran zu erinnern, daß die Überlegenheit freiheitlicher Ordnungen nicht nur in deren wirtschaftlichem Potential liegt, sondern auch "jenseits von Angebot und Nachfrage", wie es Wilhelm Röpke ausdrückte.
HANS KAMMLER
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Angesichts des steigenden öffentlichen Interesses an den Auswirkungen der wirtschaftlichen Liberalisierung und der Globalisierung begrüßt Hans Kammler diese Studie von Guido Mehrkop. Sie gehe "deutlich über alles bisher Veröffentlichte hinaus", lobt er nachdrücklich. Der Rezensent zeigt sich insgesamt sowohl von der im Buch angewandten Methodik der "Mehrvariablenanalyse" als auch von den Ergebnissen des Autors überzeugt und er findet, dass die Untersuchung insgesamt ein "klareres Bild" der wirtschaftlichen Zusammenhänge zeichnet. Details, wie die Zugrundelegung von Kindersterblichkeit und Alphabetisierung zur Beurteilung der Lebensqualität, finden nicht immer die volle Zustimmung des Rezensenten, doch insgesamt lobt er die Studie Mehrkops als sehr überzeugend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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