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In den letzten Jahren wächst das Interesse an den Arbeiten, die Karl Polanyi zwischen 1920 und 1945 verfasste und die - mit wenigen Ausnahmen - bisher nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. Die in Wien und in England geschriebenen Artikel, Aufsätze und Manuskripte sind nicht nur das Ergebnis intensiver Studien während der zentralen Jahre des Lebens des Autors, sie machen auch den Hauptteil seines Werkes aus. Polanyi analysiert in diesen Arbeiten eine für die Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts entscheidende Periode. Die Schriften behandeln nicht nur die zentralen Problem- und…mehr

Produktbeschreibung
In den letzten Jahren wächst das Interesse an den Arbeiten, die Karl Polanyi zwischen 1920 und 1945 verfasste und die - mit wenigen Ausnahmen - bisher nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. Die in Wien und in England geschriebenen Artikel, Aufsätze und Manuskripte sind nicht nur das Ergebnis intensiver Studien während der zentralen Jahre des Lebens des Autors, sie machen auch den Hauptteil seines Werkes aus. Polanyi analysiert in diesen Arbeiten eine für die Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts entscheidende Periode. Die Schriften behandeln nicht nur die zentralen Problem- und Fragestellungen, deren Resultate, ohne erneut explizit aufgegriffen zu werden, in seinem 1944 publizierten Hauptwerk, The Great Transformation, einfließen, und geben damit Einblick in die Gedankengänge, Ideen und Überlegungen, aus denen jene hervorgegangen sind. Sie sind auch (und vor allen Dingen) wichtige Zeitdokumente, bedeutsam als direkte und unmittelbare Reflexionen über die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse der Zwischenkriegsphase. Polanyi analysiert mit großer Sorgfalt sowohl die wirtschaftlichen wie auch die politischen Ereignisse, die Weltwirtschaftskrise wie die internationale politische Lage, die Versuche, die Bedingungen für Frieden und Aufschwung herzustellen, wie die Konflikte, die in Richtung eines neuen Weltkriegs weisen. Zu den Themen der hauptsächlich für den Österreichischen Volkswirt verfassten Artikel gehören die industrielle Restrukturierung, die korporativen Tendenzen, der Aufstieg des Faschismus sowie die Transformation der ökonomischen und politischen Institutionen in Großbritannien und in den USA während der Periode des New Deal. Diese werden ergänzt durch Arbeiten über grundsätzliche Themen wie Preisbildung, ökonomische Theorie, Soziologie und Theorie des Sozialismus. Allen Untersuchungen unterliegt eine einheitliche, theoretisch und politisch grundlegende Fragestellung: Wie können - nach dem Zusammenbruch des liberalen Systems des 19. Jahrhunderts wie der sozialistischen Hoffnungen der zwanziger Jahre - Demokratie und Freiheit verteidigt und ausgebaut werden?

Die wichtigsten Artikel, Aufsätze und Manuskripte, die in der Periode zwischen 1920 und 1945 entstanden sind, werden nach inhaltlichen Schwerpunkten in drei Bände gruppiert. Band I, der die Überschrift 'Wirtschaftliche Transformation, Gegenbewegungen und der Kampf um die Demokratie' trägt, enthält die Analysen zu den Themenbereichen Wirtschaft, Weltwirtschaftskrise und Wirtschaftspolitik. Gegenstand von Band II ist 'Die internationale Politik zwischen den beiden Weltkriegen'. Band III, in dem wir die theoretischen Arbeiten zur den Fragen Preisbildung, sozialistische Wirtschaftsrechnung, Marxismus, soziologische Theorie, Sozialismus und Demokratie u.a. zusammengefasst haben, steht unter der Überschrift 'Freiheit, Demokratie und Sozialismus'.

Inhalt:
Michele Cangiani und Claus Thomasberger

Vorbemerkung 9

Marktgesellschaft und Demokratie: die Perspektive der
menschlichen Freiheit. Karl Polanyis Arbeiten von 1920 bis 1945 11

I. Politische Kämpfe in den zwanziger Jahren
1. England und die Wahlen 46
2. Zur Krise der englischen Arbeiterbewegung 51
3. Die neue Internationale 56
4. Das Bergbauproblem in England 63
5. Der englische Generalstreik 72
6. Probleme des englischen Generalstreiks 80

II. Liberale Reformprojekte
7. Liberale Wirtschaftsreformen in England 90
8. Liberale Sozialreformer in England 95
9. Schmalenbach und Liberalismus 104

III. Die Weltwirtschaftskrise
10. Zur wirtschaftlichen Neuordnung Europas 110
11. Demokratie und Währung in England 120
12. MacDonald und die Wirtschaftspolitik 129
13. England auf der Waage 134
14. Kritik an Lausanne 142
15. Wirtschaft und Demokratie 149
16. Weltinflationismus 155
17. Von Lausanne bis Washington 163
18. Brain-Trust siegt 170
19. Roosevelt zerschlägt die Konferenz 178

IV. Der Zusammenbruch der Demokratie in Deutschland und in Europa
20. Gegenrevolution 186
21. Staatsgründung 193
22. Hitler und die Wirtschaft 199
23. Korporatives Österreich - eine funktionale Gesellschaft ? 204

V. Restrukturierung und Demokratie in England
24. Wirtschaftsprogramm der Samuel-Liberalen 214
25. Ende der Slums 216
26. Englisches Stahlstatut 218
27. Technologische Arbeitslosigkeit 220
28. Elliot oder Empire ? 223
29. Probleme der Demokratie in England 226
30. Lohntarif-Bill in Lancashire 228
31. Lancashire im Fegefeuer 230
32. Lancashire als Menschheitsfrage 236
33. England überlegt 249
34. Labour und die Eisenindustrie 251
35. Gewerkschaftstagung in Weymouth 253
36. Labour in Southport 256
37. Tory-Planwirtschafter 259
38. Die Liberalen für Empirehandel 261

VI. New Deal
39. Roosevelt im Verfassungskampf 264
40. Amerika im Schmelztiegel 271
41. Roosevelt im Kampf 279
42. T.V.A. - Ein amerikanisches Wirtschaftsexperiment 281
43. Arbeitsrecht in U.S.A. 290
44. Amerikanisches Gewerkschaftsgesetz verfassungsmäßig 291
45. Roosevelts strategischer Rückzug 293
46. Gewerkschaften in den U.S.A. 295

VII. Die Entwicklung in der Sowjetunion
47. Zweiter Fünfjahresplan abgebremst 298
48. Wo hält Sowjetrußland? 308
49. Russischer Verfassungswandel 316
Autorenporträt
Karl Polanyi (1886-1964) in Wien geboren, studiert Recht und Philosophie in Budapest, gründet und wird erster Präsident des Galilei-Kreises, eines Begegnungszentrums für fortschrittliche Intellektuelle. 1919 nach Wien und von dort 1933 nach England emigriert, arbeitet er bis 1938 für den Österreichischen Volkswirt. Von 1940-43 erhält er ein Stipendium, um in den USA die Arbeit an der Great Transformation abzuschließen. Von 1947 bis 1953 ist er als Visiting Professor an der Columbia University tätig. 1957 publiziert er (zusammen mit C.M Arensberg und H.W. Pearson) Trade and Market in the Early Empires. Posthum erschienen: Dahomey and the Slave Trade (1966); Primitive, Archaic and Modern Economies (1968), The Livelihood of Man (1977); in deutscher Sprache: The Great Transformation (1978), Ökonomie und Gesellschaft (1979).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2006

In der Zwischenkriegszeit
Karl Polanyis Schriften über Sozialismus, Faschismus, Demokratie

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war eine Zeit, in welcher der Liberalismus generell den aussterbenden Arten zugeordnet wurde. Zu denen, die ihn für definitiv überholt hielten, zählte Karl Polanyi (1886 bis 1964). Der österreichische Ökonom und Sozialwissenschaftler stand stets im Schatten seines berühmten (und ungleich liberaleren) Bruders Michael Polanyi. In dem Band, der Aufsätze von 1920 bis 1947 versammelt, werden die Grundgedanken Karl Polanyis, die er später in seinem Hauptwerk "The Great Transformation" - geschrieben im kanadischen Exil - ausführlich zusammenfaßte, in ihrer Entstehung und Entwicklung sichtbar. Beeinflußt von Karl Marx und den Kathedersozialisten, erklärte Polanyi, daß der Kapitalismus zwar rückständige, undemokratische Gesellschaften überwunden habe, damit zugleich jedoch auch die gesellschaftliche Kontrolle des Ökonomischen abgeschafft habe. Die Ökonomie herrsche nunmehr über die Menschen und nicht die Menschen über sich selbst. Es bedürfe einer neuen Demokratie, in der die Menschen rational und selbstbestimmt ihre Gesellschaft bedürfnisgerecht gestalteten.

Obwohl die These von der vollständigen "Ökonomisierung der Gesellschaft" auch heute noch zum Phrasenrepertoire der Globalisierungsgegner gehört, könnte man Polanyis Sozialismus - als ein im Gegensatz zum Liberalismus tatsächlich überholtes Relikt vergangener Zeiten - getrost in den Regalen verstauben lassen, statt ihn neu aufzulegen. Und doch bringt die Lektüre des Bandes dann so manches zutage, das auch heute noch von äußerstem Interesse ist. Denn als durchaus nachdenklicher Sozialist machte es sich Polanyi nie einfach mit seinen Argumenten - insbesondere bei der Debatte mit politischen Gegnern. Interessant ist hier unter anderem seine Auseinandersetzung mit der Sozialismuskritik des liberalen Ökonomen Ludwig von Mises, der aufgrund seiner subjektiven Wertlehre den sich frei bildenden Preis als einziges effizientes Koordinationsinstrument in komplexen Wirtschaften sah, weshalb er auch jeder sozialistischen Wirtschaft die Fähigkeit rationaler Kalkulation absprach. Es ist erstaunlich, bis zu welchem Maß Polanyi hier dem Gegner recht gibt. Um den Preis, daß seine verbleibende Argumentation für einen demokratischen Sozialismus recht dünn ausfällt, stellt er fest: "Wir geben . . . unumwunden zu, daß wir die Lösung des Problems der Rechnungslegung in einer zentralen Verwaltungswirtschaft für unmöglich erachten." Das ist mehr, als die meisten Sozialisten in dieser Zeit konzedierten.

Bemerkenswert ist auch die Auseinandersetzung mit dem Faschismus und dessen Theoretikern (insbesondere mit Othmar Spann). Obwohl Polanyi letztlich doch der These anhängt, der Faschismus sei ein degenerierter (oder gar konsequenter) Kapitalismus, scheint ihn doch die Einsicht zu ängstigen, daß Faschismus und Sozialismus auf funktionaler Ebene eine "verblüffende Ähnlichkeit" kennzeichne.

Die Zwischenkriegszeit war dann von tiefen ideologischen Grabenkämpfen geprägt. Polanyis Ideen - so überwunden sie großenteils sein dürften - tragen in ihrer Weise dazu bei, dem heutigen Leser diese Zeit und die Intensität ihrer Debatten zu vermitteln.

DETMAR DOERING.

Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Potsdam.

Karl Polanyi: Chronik der großen Transformation. Artikel und Aufsätze (1920-1947), Band 3: Menschliche Freiheit, politische Demokratie und die Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Faschismus. Herausgegeben von Michele Cangiani, Kari Polanyi-Levitt und Claus Thomasberger. Metropolis-Verlag, Marburg 2005, 339 Seiten, 29,80 Euro.

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