Zum WerkFür die Rechtsanwaltschaft bietet die Wirtschaftsmediation ein interessantes und lukratives Geschäftsfeld. Sie können als Mediatorinnen und Mediatoren oder als Vertreterinnen und Vertreter einer Streitpartei Teilnehmende einer Wirtschaftsmediation sein.Der Autor, selbst ein erfahrener Mediator, gibt zahlreiche Tipps, Hinweise und Formulierungshilfen. Dazu zählt auch ein Mustervertrag eines Mediators mit den Auftraggebenden und ein Vertragsmuster für den Abschluss einer erfolgreichen Mediation.InhaltVerhandlungstheoretische Grundlagen der MediationEinleitung des VerfahrensVerfahrensablauf (5-Phasen-Modell)Kosten der MediationVor- und Nachteile der MediationMediation durch GüterichterDie Darstellung orientiert sich am tatsächlichen Ablauf eines Mediationsverfahrens. So ist immer ein schneller Einstieg an der richtigen Stelle möglich.Vorteile auf einen Blicklukratives Geschäftsfeld für Wirtschaftsanwaltschaftmit Vertragsmustern, Formulierungshilfen und Praxistippsmit Kurzkommentierung des MediationsgesetzesZur NeuauflageIm Mittelpunkt der Neuauflage stehen das Mediationsgesetz und seine Folgen in der Praxis. Die Neuauflage bietet dabei auch eine in die Darstellung integrierte Kurzkommentierung des Mediationsgesetzes.Schließlich wird auch die bereits 2017 in Kraft getretene ZMediatAusbV eingearbeitet. Diese Verordnung regelt die Modalitäten einer Zertifizierung als Mediatorin/Mediator.ZielgruppeFür Rechtsanwaltschaft, Güterichterschaft, Justiziariate sowie Mediatorinnen und Mediatoren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.2023Handys aus!
Achtsame Wirtschaftsmediation
Zwanzig Jahre ist es her, dass Jörg Risse, Partner bei Baker & McKenzie in Frankfurt am Main, sein Handbuch zur Wirtschaftsmediation vorlegte. Seitdem ist viel passiert. "Die Mediation hat einen regelrechten Hype" erlebt, berichtet Risse und verweist auf eine explodierende Zahl von Konferenzen, Fachzeitschriften und, noch wichtiger, praktischen Fällen. Man denke nur an Stuttgart 21 oder die Mediation zwischen dem Publizisten Thilo Sarrazin und seinem Arbeitgeber, der Bundesbank. Im deutschen Recht kam die Mediation endgültig an, als im Jahr 2012 (nicht, wie Risse versehentlich schreibt, 2014) das Mediationsgesetz in Kraft trat, später gefolgt von der Normierung einer Ausbildung zum zertifizierten Mediator.
Es gab mithin genügend Gründe, ein neu bearbeitetes Standardwerk vorzulegen: "Von der Erstauflage dieses Buches sind eigentlich nur der erste und der letzte Satz geblieben." Die äußerst gelungenen vielen Sätze dazwischen beinhalten eine Einführung in die Wirtschaftsmediation mit praxisorientierter Anleitung für Mediatoren und der munteren Darstellung verhandlungstheoretischer Grundlagen. Wer also immer schon einmal verstehen wollte, was das Harvard-Modell ist (und auch, was es nicht ist) oder was die Grundzüge der Verhandlungspsychologie sind, wird bei Risse fündig: Vom Rückschaufehler über den Ankereffekt bis hin zu kognitiver Dissonanz oder Confirmation Bias und dem Principal-Agent-Problem sowie "sunk costs" wird alles erklärt.
Dabei muss der Leser dank verständlicher Sprache kein Experte, nicht einmal - wie der Autor - Jurist sein. Risse bildet viele Beispiele und gibt sinnvolle Ratschläge, auch im Kapitel zur Achtsamkeit in der Kommunikation: "Man traut es sich kaum zu sagen, weil es so selbstverständlich ist, muss es aber tun, weil es so oft ignoriert wird: In wichtigen Kommunikationen und Verhandlungen gilt uneingeschränkt die Regel: Handys aus!" Sodann fügt Risse in einer Fußnote hinzu: "Handy aus heißt Handy aus, also nicht nur Stummschaltung oder Flugmodus. Viele scheinen aber vergessen zu haben, wo sich der Abschaltknopf des Handys befindet."
Risse erklärt, was Achtsamkeit bedeutet: Es ist eine besondere Form der eigenen Aufmerksamkeit. Dazu ein Beispiel: Werden wir in Verhandlungen mit einer Äußerung des Gegenübers konfrontiert, reagieren wir darauf; Reaktion folgt Aktion, meist unmittelbar. Die Äußerung "Ihre Forderung ist doch sowieso treuwidrig und außerdem verjährt" kann im Hörer Verärgerung auslösen, aber auch Angst, Aggression oder Enttäuschung. Wer achtsam kommuniziert, nimmt seine Empfindungen zwar wahr, reagiert aber zunächst nicht. "Stattdessen treibt er einen Achtsamkeitskeil zwischen die Aktion (die Äußerung des Gegenübers) und die eigene Reaktion", schreibt Risse. "Das Gefühl wird nicht unterdrückt und ausgeblendet, es wird benannt, dem Gefühl wird Raum gegeben." Viele schlagen vor, das Innehalten und Reflexion zumindest fünf Sekunden dauern sollten, deshalb wird von der "Fünf-Sekunden-Regel" gesprochen. Sich dann noch in die Gefühlswelt des anderen einzufühlen nennt man Empathie. Vorbild für all das sollte aber nicht, jedenfalls nach Ansicht des Rezensenten, die Romanfigur Björn Diemel sein. Und was tut nun eigentlich der Mediator? Sein Fokus liegt auf dem Ablauf der Verhandlungen, nicht deren Inhalt. Ein effizienter Ablauf wird unter anderem durch die Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung ermöglicht. Esoterischer Quatsch ist das keineswegs, sondern führt nachweisbar zu besseren Ergebnissen. "Das effektive Managen der Verhandlungen ist das eigentliche Erfolgsgeheimnis der Mediation", meint Risse.
Hoffentlich hilft sein Buch, mehr Mediationsklauseln in Verträgen zu vereinbaren. Das passiert in Deutschland zwar häufiger als früher, aber immer noch zu selten. "Seit der Erstauflage dieses Buches haben sich immerhin die Fragen rund um die rechtliche Zulässigkeit und Ausgestaltung solcher Klauseln weitgehend geklärt", berichtet Risse. Allerdings fehlten gesetzliche Ausformungen. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt keinen eigenständigen Vertragstyp, der sich mit Streitbeilegungen befasst. Auch das Mediationsgesetz verzichtet darauf, Mediationsvereinbarungen zu adressieren. Die Frage der Rechtsnatur ist, wie sollte es unter Juristen anders sein, umstritten. Risse bezeichnet die Mediationsvereinbarung, wie die verwandte Schiedsvereinbarung, als ein "Dauerschuldverhältnis mit atypischem Inhalt".
Dieser Ansicht sind auch die Autoren in der von Horst Eidenmüller und Gerhard Wagner herausgegebenen Darstellung des Mediationsrechts, die im Jahr 2015 im Verlag Otto Schmidt erschienen und ebenso empfehlenswert ist. Doch die Erfolgsmediation steht und fällt nicht mit ihrem juristischen Sockel. Notwendig sind eine Bereitschaft der Parteien, daran freiwillig teilzunehmen, und der passende Mediator. Jede Mediation ist anders und deshalb herausfordernd. Risse beschreibt ein Spannungsfeld, das zwischen erwünschter Strukturiertheit und notwendiger Flexibilität besteht. Sein Buch hilft exzellent, in diesem Spannungsfeld zu bestehen. Mediationen können finanzielle und emotionale Kosten vermeiden, die mit gerichtlichen Abnutzungskämpfen verbunden sind. Deshalb schließt Risses zweite Auflage mit dem gleichen Zitat, das auch die Erstauflage beendet hatte: "Nichts auf der Welt ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist." Ob der als Zitatgeber benannte Victor Hugo das wirklich so geschrieben hat, steht zwar seit Längerem infrage. Aber die Aussage passt. JOCHEN ZENTHÖFER
Jörg Risse: Wirtschaftsmediation, 2. Auflage, C. H. Beck, München 2022, 678 Seiten, 129 Euro.
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Achtsame Wirtschaftsmediation
Zwanzig Jahre ist es her, dass Jörg Risse, Partner bei Baker & McKenzie in Frankfurt am Main, sein Handbuch zur Wirtschaftsmediation vorlegte. Seitdem ist viel passiert. "Die Mediation hat einen regelrechten Hype" erlebt, berichtet Risse und verweist auf eine explodierende Zahl von Konferenzen, Fachzeitschriften und, noch wichtiger, praktischen Fällen. Man denke nur an Stuttgart 21 oder die Mediation zwischen dem Publizisten Thilo Sarrazin und seinem Arbeitgeber, der Bundesbank. Im deutschen Recht kam die Mediation endgültig an, als im Jahr 2012 (nicht, wie Risse versehentlich schreibt, 2014) das Mediationsgesetz in Kraft trat, später gefolgt von der Normierung einer Ausbildung zum zertifizierten Mediator.
Es gab mithin genügend Gründe, ein neu bearbeitetes Standardwerk vorzulegen: "Von der Erstauflage dieses Buches sind eigentlich nur der erste und der letzte Satz geblieben." Die äußerst gelungenen vielen Sätze dazwischen beinhalten eine Einführung in die Wirtschaftsmediation mit praxisorientierter Anleitung für Mediatoren und der munteren Darstellung verhandlungstheoretischer Grundlagen. Wer also immer schon einmal verstehen wollte, was das Harvard-Modell ist (und auch, was es nicht ist) oder was die Grundzüge der Verhandlungspsychologie sind, wird bei Risse fündig: Vom Rückschaufehler über den Ankereffekt bis hin zu kognitiver Dissonanz oder Confirmation Bias und dem Principal-Agent-Problem sowie "sunk costs" wird alles erklärt.
Dabei muss der Leser dank verständlicher Sprache kein Experte, nicht einmal - wie der Autor - Jurist sein. Risse bildet viele Beispiele und gibt sinnvolle Ratschläge, auch im Kapitel zur Achtsamkeit in der Kommunikation: "Man traut es sich kaum zu sagen, weil es so selbstverständlich ist, muss es aber tun, weil es so oft ignoriert wird: In wichtigen Kommunikationen und Verhandlungen gilt uneingeschränkt die Regel: Handys aus!" Sodann fügt Risse in einer Fußnote hinzu: "Handy aus heißt Handy aus, also nicht nur Stummschaltung oder Flugmodus. Viele scheinen aber vergessen zu haben, wo sich der Abschaltknopf des Handys befindet."
Risse erklärt, was Achtsamkeit bedeutet: Es ist eine besondere Form der eigenen Aufmerksamkeit. Dazu ein Beispiel: Werden wir in Verhandlungen mit einer Äußerung des Gegenübers konfrontiert, reagieren wir darauf; Reaktion folgt Aktion, meist unmittelbar. Die Äußerung "Ihre Forderung ist doch sowieso treuwidrig und außerdem verjährt" kann im Hörer Verärgerung auslösen, aber auch Angst, Aggression oder Enttäuschung. Wer achtsam kommuniziert, nimmt seine Empfindungen zwar wahr, reagiert aber zunächst nicht. "Stattdessen treibt er einen Achtsamkeitskeil zwischen die Aktion (die Äußerung des Gegenübers) und die eigene Reaktion", schreibt Risse. "Das Gefühl wird nicht unterdrückt und ausgeblendet, es wird benannt, dem Gefühl wird Raum gegeben." Viele schlagen vor, das Innehalten und Reflexion zumindest fünf Sekunden dauern sollten, deshalb wird von der "Fünf-Sekunden-Regel" gesprochen. Sich dann noch in die Gefühlswelt des anderen einzufühlen nennt man Empathie. Vorbild für all das sollte aber nicht, jedenfalls nach Ansicht des Rezensenten, die Romanfigur Björn Diemel sein. Und was tut nun eigentlich der Mediator? Sein Fokus liegt auf dem Ablauf der Verhandlungen, nicht deren Inhalt. Ein effizienter Ablauf wird unter anderem durch die Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung ermöglicht. Esoterischer Quatsch ist das keineswegs, sondern führt nachweisbar zu besseren Ergebnissen. "Das effektive Managen der Verhandlungen ist das eigentliche Erfolgsgeheimnis der Mediation", meint Risse.
Hoffentlich hilft sein Buch, mehr Mediationsklauseln in Verträgen zu vereinbaren. Das passiert in Deutschland zwar häufiger als früher, aber immer noch zu selten. "Seit der Erstauflage dieses Buches haben sich immerhin die Fragen rund um die rechtliche Zulässigkeit und Ausgestaltung solcher Klauseln weitgehend geklärt", berichtet Risse. Allerdings fehlten gesetzliche Ausformungen. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt keinen eigenständigen Vertragstyp, der sich mit Streitbeilegungen befasst. Auch das Mediationsgesetz verzichtet darauf, Mediationsvereinbarungen zu adressieren. Die Frage der Rechtsnatur ist, wie sollte es unter Juristen anders sein, umstritten. Risse bezeichnet die Mediationsvereinbarung, wie die verwandte Schiedsvereinbarung, als ein "Dauerschuldverhältnis mit atypischem Inhalt".
Dieser Ansicht sind auch die Autoren in der von Horst Eidenmüller und Gerhard Wagner herausgegebenen Darstellung des Mediationsrechts, die im Jahr 2015 im Verlag Otto Schmidt erschienen und ebenso empfehlenswert ist. Doch die Erfolgsmediation steht und fällt nicht mit ihrem juristischen Sockel. Notwendig sind eine Bereitschaft der Parteien, daran freiwillig teilzunehmen, und der passende Mediator. Jede Mediation ist anders und deshalb herausfordernd. Risse beschreibt ein Spannungsfeld, das zwischen erwünschter Strukturiertheit und notwendiger Flexibilität besteht. Sein Buch hilft exzellent, in diesem Spannungsfeld zu bestehen. Mediationen können finanzielle und emotionale Kosten vermeiden, die mit gerichtlichen Abnutzungskämpfen verbunden sind. Deshalb schließt Risses zweite Auflage mit dem gleichen Zitat, das auch die Erstauflage beendet hatte: "Nichts auf der Welt ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist." Ob der als Zitatgeber benannte Victor Hugo das wirklich so geschrieben hat, steht zwar seit Längerem infrage. Aber die Aussage passt. JOCHEN ZENTHÖFER
Jörg Risse: Wirtschaftsmediation, 2. Auflage, C. H. Beck, München 2022, 678 Seiten, 129 Euro.
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