'Stimmung' ist um 1900 eine virulente Diskursfigur, die physikalisches, psychologisches, philosophisches, künstlerisches und literarisches Wissen vermittelt. Diese Vermittlung kann aber nicht auf Übertragungen zwischen Disziplinen reduziert werden. Wie die frühen Texte des Ingenieurs, studierten Psychologen und Dichters Robert Musil exemplarisch zeigen, wird das 'Wissen um Stimmung' durch die Literatur nicht nur inszeniert, sondern auch transformiert und sogar wieder als Stimmung konstituiert. Im Gegensatz zur bisherigen Forschung sieht Sergej Rickenbacher zwischen Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) und Vereinigungen (1911) keinen Bruch in Musils literarischem Schreiben. Vielmehr lassen sich beide Texte mit einer Kombination von Diskursanalyse und close reading als Elemente der gleichen historischen Wissensformation lesen. Die Studie beschränkt sich aber nicht auf einen wissensgeschichtlichen Kommentar. Vielmehr zeigt sich, dass das 'Wissen um Stimmung' in Musils Texten immer auch ein genuin literarisches Phänomen mit ethischer Tragweite ist: Die Stimmungen wirken in Musils Poetik wieder auf den Leser zurück.
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