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Die Studie nähert sich dem Mnemosyne-Atlas und dem Passagen-Werk über einen Vergleich ihrer zentralen Bildbegriffe, dem Symbol bei Warburg und dem dialektischen Bild bei Benjamin. Entlang der Motivkomplexe Symptom/Erinnerung, Ausdruck/Leiblichkeit und Symbol/Allegorie sowie mithilfe von drei gemeinsamen Dritten - Freud, Cassirer und Goethe - rekonstruiert die Autorin die methodischen Prämissen einer Wissenschaft an und in Bildern. Warburgs humanistisch motivierte Renaissanceforschung und Benjamins marxistisch informiertes Stück Geschichtsphilosophie des neunzehnten Jahrhunderts, die…mehr

Produktbeschreibung
Die Studie nähert sich dem Mnemosyne-Atlas und dem Passagen-Werk über einen Vergleich ihrer zentralen Bildbegriffe, dem Symbol bei Warburg und dem dialektischen Bild bei Benjamin. Entlang der Motivkomplexe Symptom/Erinnerung, Ausdruck/Leiblichkeit und Symbol/Allegorie sowie mithilfe von drei gemeinsamen Dritten - Freud, Cassirer und Goethe - rekonstruiert die Autorin die methodischen Prämissen einer Wissenschaft an und in Bildern. Warburgs humanistisch motivierte Renaissanceforschung und Benjamins marxistisch informiertes Stück Geschichtsphilosophie des neunzehnten Jahrhunderts, die Bildersammlung eines Kunsthistorikers und die Exzerpt- und Aphorismensammlung eines Philosophen zeigen nämlich eine auffällige Parallele: Beide bemühen sich um eine neue Form der anschaulichen Geschichtsdarstellung. Während Warburg im Mnemosyne-Atlas die Geistesgeschichte der Neuzeit anhand ihrer bildlichen Symbole sichtbar machen will, faßt Benjamin Bauten, soziale Typen und andere kulturelle Phänomene des 19. Jahrhunderts als "dialektische Bilder". Mit Freuds Symptombegriff deutet die Autorin den Mnemosyne-Atlas und das Passagen-Werk als Archäologien der Moderne, die auf die Ausgrabung und Distanzierung von verschütteten Wunsch- und Angstbildern zielen. Auf der Folie von Cassirers Ausdrucksbegriff faßt sie die Denkfiguren Geste, Gestus und Gestalt als Metaphern auf, die das Leib-Seele-Verhältnis auf die Beziehung von Bild und Bedeutung übertragen und dabei eine dritte Bildform zwischen der geläufigen Unterscheidung von Symbol und Allegorie anvisieren. In Warburgs und Benjamins Rekurs auf Goethes Naturwissenschaften - den Begriff der Metamorphose und des symbolischen Urphänomens - weist sie schließlich den Versuch nach, die Grenzen zwischen Wissenschaft und Kunst neu zu ziehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.07.2004

Flüchtlinge der Dialektik
Cornelia Zumbusch vergleicht Aby Warburg und Walter Benjamin
Ein Aufsatz von Wolfgang Kemp, der vor 30 Jahren in den „Kritischen Berichten”erschien, hat seitdem die Geister nicht in Ruhe gelassen. Kemp erinnerte an die Geschichte der verpassten Begegnung von Walter Benjamin und Aby Warburg (siehe dazu jetzt den nebenstehenden Text von Sigrid Weigel). Als erster unternahm er den Versuch, Denkstrukturen und Wahrnehmungsweisen der beiden bedeutendsten deutsch-jüdischen Hermeneuten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu vergleichen. Für die meisten Autoren, die seither in Kemps Fußstapfen getreten sind, war Benjamin die Haupt- und Warburg nur die Nebenfigur, der Ikonologe das „bewegte Beiwerk” des Philologen. Diese Asymmetrie hat die Berliner Kunsthistorikerin Cornelia Zumbusch jetzt umgekehrt: Von Warburg her verspricht sie sich einen neuen Blick auf Benjamin. Polemischer gesprochen: „Dem in poststrukturalistischen Lesarten präsentierten Symbolphilosophen Benjamin möchte ich mit Hilfe von Warburgs Symbolbegriff den Bildtheoretiker Benjamin zur Seite stellen.”
Zweck der Übung ist nicht, Benjamin zum Ikonologen ehrenhalber zu promovieren. „Wissenschaft in Bildern” - so der Titel der Studie - bedeutet nicht „Wissenschaft von Bildern”, wie unbedarfte Epigonen der Ikonologie meinen. Nach Zumbusch wollen Warburg und Benjamin Aufklärung über Bilder in Bildern betreiben. Daraus ergibt sich deren dreifache Funktion: „Die Bilder geben im Mnemosyne-Atlas wie im Passagen-Werk sowohl den privilegierten Gegenstand als auch den Deutungsschlüssel und das Medium der Darstellung für das historische Material ab.”
Statt ein weiteres Mal die überkommene Kluft von Wissenschaft und Kunst aufzureißen, beschreibt Zumbusch die Konstitution einer „Wissenschaft nach dem Beispiel von Kunst”. Mit nie ermüdender Geduld entwickelt sie die verwickelten Begriffsnetze, in denen Benjamin und Warburg das scheue Wild der historischen Intuition einfingen. Nur selten unterläuft ihr eine Achtlosigkeit gegen die Capricen ihrer Gewährsleute, auch wenn ihr Warburgs Hybridisierung der Theoriesprache gelegentlich ein wenig auf die Nerven zu gehen scheint.
In ihrem Vergleich der beiden Kunst-Wissenschaftler schlägt Zumbusch drei verschiedene Wege ein. Der erste und aufregendste führt in die Gegenwart des Archaischen bei Warburg und Benjamin: hier die „Urgeschichte der Moderne”, dort das „Nachleben der Antike”. Dem einen begegnet die rekurrente Archaik auf den Gräbern, Truhen und Votivbildern des Quattrocento, dem anderen enthüllt sie sich in den Phantasmagorien der Warenwelt des 19. Jahrhunderts. Wie kann man diese Archäologien der Moderne miteinander vergleichen? Zumbusch schaltet Freud als Mittelsmann ein: Die Traumdeutung wird zum tertium comparationis - auch wenn, wie die Autorin bemerkt, Warburgs Pathosformel dem Konversionssymptom in Freuds „Studien zur Hysterie” näher steht als dem Wunschsymbol der „Traumdeutung”.
Von der dunklen Seite
Der zweite Weg erschließt weitere Vergleichsfelder: Warburgs Ausdruckskunde und Benjamins Physiognomik. Der dritte schließlich Warburgs Lehre vom Symbol und Benjamins Allegorie in der Moderne. Im Zentrum der Erörterung steht immer der Begriff des Bildes, den sowohl Warburg als auch Benjamin als spannungsvollen Einstand zwischen Gegensätzen auffassen. „Im Denkraum wie im dialektischen Bild”, so Zumbusch, „kommt eine Bewegung im Zustand der höchsten Spannung zwischen zwei Extremen zum Stillstand.” Auch wenn Benjamin von der „Dialektik im Stillstand” spricht, gehört er doch - gemeinsam mit Warburg - zu den Denkern des 20. Jahrhunderts, die dem ternären Raum der Dialektik zu entkommen suchen und dafür alle Ambivalenzen und Einbrüche der „Polarität” in Kauf nehmen.
Zu einer wechselseitigen Rezeption Warburgs und Benjamins ist es allenfalls von Seiten des letzteren gekommen. Um so spannender die Seiten, auf denen Zumbusch das Nachleben der dämonischen Antike Warburgs in der Benjaminschen Geschichtsphilosophie nachzeichnet. Insofern Warburgs Aufsatz zur „Heidnisch-antiken Wahrsagung” in Benjamins Transposition der barocken Allegorie eingegangen ist, führen dessen Spuren tatsächlich ins theoretische Zentrum des Passagen-Projekts. So dass diese kunstvollste, aus der Zeitgenossenschaft des Films und des Surrealismus entwickelte Analyse der Moderne ihrerseits noch in der „Tradition der dunklen Seite der Antikenrezeption” steht.
Schon jetzt ist klar, dass Cornelia Zumbuschs dichte, konzentrierte Studie zu den wenigen Arbeiten gehören wird, die in der Warburg-Forschung Epoche machen. Ebenso klar ist freilich auch, dass sie nicht alle Wahlverwandtschaften der beiden melancholischen Kunst-Wissenschaftler Warburg und Benjamin reflektiert hat. Die „Andacht zum Unbedeutenden”, die Roland Kany bedacht hat, die jüdisch-rabbinischen Wurzeln der „messianischen” Philologie, auf die Georg Syamken hingewiesen hat, bleiben von der Betrachtung ausgespart. Aber man verriete sowohl Benjamin wie Warburg, verspürte man nicht am Ende einer so gradiosen Arbeit der Assimilation ein gewisses Verlangen nach Dissimilation.
ULRICH RAULFF
CORNELIA ZUMBUSCH: Wissenschaft in Bildern. Akademie Verlag, Berlin 2004. 388 Seiten, 39,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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"Dieses Buch (zugl. FU Berlin, Diss., 2002) Resultat einer produktiven Kooperation von Literatur- und Kunstwissenschaft, ist in mancher Hinsicht eine Pionierleistung." -- Germanistik, Bd. 46/2005, Heft 3-4

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hocherfreut und überaus angeregt hat Ulrich Raulff die Studie von Cornelia Zumbusch zugeklappt, die ihm eine ganz neue Perspektive auf das Verhältnis des Denkens "der beiden bedeutendsten deutsch-jüdischen Hermeneuten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts", Aby Warburg und Walter Benjamin, eröffnet hat. Zum Dank schenkt er der Autorin folgenden hübschen Satz: "Mit nie ermüdender Geduld entwickelt sie die verwickelten Begriffsnetze, in denen Benjamin und Warburg das scheue Wild der historischen Intuition einfingen." Die Begriffsnetze einer "Wissenschaft in Bildern", wohlgemerkt - beide wollten eine "Wissenschaft nach dem Beispiel der Kunst" formieren. Und indem sie Warburg und Benjamin als Ikonologen parallel liest, so Raulff, verschiebt Zumbusch auch die traditionelle wissenschaftshistorische Gewichtung der intellektuellen Pfunde: Es geht hier um Benjamin via Warburg, um des letzteren Einfluss auf die Lehren des anderen. Der genaue Vergleich setzt dreifach an: bei der "Gegenwart des Archaischen" in den Werken beider, bei Warburgs Ausdruckskunde und Benjamins Physiognomik" und schließlich bei "Warburgs Lehre vom Symbol und Benjamins Allegorie der Moderne". All das, so der Rezensent, ist wahnsinnig spannend und wird dafür sorgen, "dass Cornelia Zumbuschs dichte, konzentrierte Studie zu den wenigen Arbeiten gehören wird, die in der Warburg-Forschung Epoche machen".

© Perlentaucher Medien GmbH
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