„Verschlungene, undurchsichtige Äußerungen“: A.C. Grayling vermisst bei Wittgenstein Argumente anstelle von Metaphern
Nach eigenem Bekunden geht es dem Autor darum, „einer fachlich nicht vorgebildeten Leserschaft die Grundzüge von Wittgensteins Denken nahe[zu]bringen“, zum anderen solle „der
Platz von Wittgensteins Denken in der analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts verdeutlicht…mehr„Verschlungene, undurchsichtige Äußerungen“: A.C. Grayling vermisst bei Wittgenstein Argumente anstelle von Metaphern
Nach eigenem Bekunden geht es dem Autor darum, „einer fachlich nicht vorgebildeten Leserschaft die Grundzüge von Wittgensteins Denken nahe[zu]bringen“, zum anderen solle „der Platz von Wittgensteins Denken in der analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts verdeutlicht werden“ (7). Was das erste Ziel angeht, ist festzustellen, dass es Grayling gelungen ist, dem philosophischen Laien alle zentralen Elemente von Wittgensteins Denken auf eine verständliche Art und Weise zu erklären, ohne sie dabei zu entstellen.
Nach einem Überblick über die wichtigsten Stationen von Wittgensteins Leben (Kap.1) widmet sich Grayling dem „Tractatus“ (Kap.2). Dabei stellt er zunächst dessen Grundideen vor, darunter auch Kerngedanken der gesamten Philosophie Wittgensteins, etwa dass „die Probleme der Philosophie durch ein angemessenes Verständnis der Funktionsweise der Sprache lösbar sind“ (25). Klar herausgearbeitet ist auch Wittgensteins Auffassung über das Verhältnis von Denken und Sprache, dass also “das, was gesagt werden kann, dasselbe ist wie das, was gedacht werden kann“ (27). Nimmt man noch die These von der Isomorphie von Sprache und Welt hinzu, gewinnt der philosophisch Unbedarfte ein Verständnis davon, warum für Wittgenstein die Untersuchung der Sprache von so großer Bedeutung ist. Der Darstellung der Spätphilosophie (Kap. 3) vorangestellt ist ein Abriss der Phase zwischen „Tractatus“ und „Philosophischen Untersuchungen“, für Grayling eine „Übergangszeit“, in der sich „die Themen seiner Spätphilosophie aus der kritischen Abgrenzung zum Tractatus entwickelten“ (83). Die bekanntesten Theoriestücke der „Philosophischen Untersuchungen“ werden von Grayling anschaulich dargestellt, dies einerseits dadurch, dass er sie in Zusammenhang bzw. Kontrast stellt zur Frühphilosophie als auch durch sein ausgeprägtes Gespür fürs Wesentliche. Dieses erblickt er offensichtlich in Wittgensteins Anti-Mentalismus, so etwa wenn er betont, dass für Wittgenstein die Regelbefolgung keine innere geistige Tätigkeit (105) und das Verstehen durch einen Ausdruck nicht das Durchlaufen eines inneren geistigen Prozesses sei (97).
So sehr Graylings Wiedergabe von Wittgensteins Denken aufgrund seiner Klarheit zu loben ist, so enttäuschend weil überzogen erscheint seine kritische Würdigung. An seine Absicht, Wittgensteins Stellung innerhalb der analytischen Philosophie einzuschätzen, hält er sich nicht. Stattdessen ist er bemüht, Wittgensteins Bedeutung generell herunterzuspielen. Wittgenstein sei „keineswegs eine Schlüsselgestalt der Philosophie des 20. Jahrhunderts“ (149), was Grayling durch eine Kritik zu begründen versucht, die oftmals recht oberflächlich ist: Wittgensteins Schlüsselbegriffe würden „verschiedene Deutungen zulassen“, und daher sei „ein großer Teil der Wittgensteinliteratur nach wie vor mit Klarstellungs- und Erklärungsversuchen beschäftigt“ (148). Dieses Schicksal – so darf man sagen - teilt er sicher mit einer Reihe weiterer Philosophen. Was Grayling insbesondere stört, ist Wittgensteins Gebrauch von Metaphern. Habe man sich erst der „Faszination seiner Metaphern […] entzogen, findet man […] viel weniger Argumentation und sehr viel weniger Bestimmtheit in den entscheidenden Begriffen, als von einer philosophischen Untersuchung erwartet werden kann und muß“ (151). Wittgensteins Hauptbegriffe seien „entweder vage oder metaphorisch oder beides“ (126). Das Resultat sei, dass „die Reise durch Wittgensteins verschlungene, metaphorische, manchmal undurchsichtige Äußerungen lang, die zurückgelegte Entfernung aber kurz“ sei (S.152). Hier wäre zu fragen, ob Wittgensteins Metaphern nicht selbst argumentative Kraft zukommt.
Es sei festgehalten, dass es Grayling gelingt, dem Nichtfachmann einen Zugang zu den Ideen Wittgensteins zu verschaffen, seine Kritik jedoch bisweilen ungerecht(fertigt) und unangemessen trivial daherkommt.