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Voller Erwartungen kommt Anna nach Iquitos, um ihren Vater zu besuchen. Als sie sich jedoch in Enrico verliebt, gerät sie schnell in einen Strudel widersprüchlicher Gefühle, der eine Kette fataler Ereignisse auslöst. Denn Enrico verbindet mehr mit der Lebensgefährtin von Annas Vater, als er zugeben möchte ... Ein fesselnder Roman über Liebe und Eifersucht mitten im Dschungel des Amazonas - dort, wo nach den Mythen der Indios einst das Paradies war.

Produktbeschreibung
Voller Erwartungen kommt Anna nach Iquitos, um ihren Vater zu besuchen. Als sie sich jedoch in Enrico verliebt, gerät sie schnell in einen Strudel widersprüchlicher Gefühle, der eine Kette fataler Ereignisse auslöst. Denn Enrico verbindet mehr mit der Lebensgefährtin von Annas Vater, als er zugeben möchte ...
Ein fesselnder Roman über Liebe und Eifersucht mitten im Dschungel des Amazonas - dort, wo nach den Mythen der Indios einst das Paradies war.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.1999

Ein klarer Fall von Eifersucht
"Wo einst das Paradies war": Das deutsche Debüt des Chilenen Carlos Franz · Von Jochen Hieber

Man schwebt in dieses Buch hinein. Mit der Schilderung eines Landeanflugs auf die Stadt Iquitos im Nordosten Perus, einer berückenden Miniatur, beginnt "Wo einst das Paradies war", das Erzähldebüt des Chilenen Carlos Franz in Deutschland. Kaum gelandet, wird man von einem Konsul in Empfang genommen, den man auf Anhieb wieder zu erkennen meint: "Es ist dieser ältere einsame Mann, den wir stets rauchend auf Bahnsteigen antreffen."

Rauchen wird er das ganze Buch hindurch. Aber ist er wirklich einsam und schon ein älterer Herr? Er hat, das erfährt man bald, eine Frau, eine hinreißend schöne und sinnliche, Julia mit Namen, "Ende zwanzig", indianischer Herkunft, zu alledem noch eine so sanfte wie selbstbewusste Heldin der Fürsorglichkeit. Der Konsul ist zur Zeit der Handlung "fünfzig oder einundfünfzig Jahre alt", wird jedoch von der Ich-Erzählerin des Romans merkwürdig widersprüchlich charakterisiert. Mal als "attraktiver, reifer, interessanter Mann" mit makellos flachem Bauch, mal als Tennisspieler, nun plötzlich doch mit kleinem Spitzbauch, der den "reuigen Trinker" verrät, meist jedoch als resignierter Schwerenöter an der Schwelle zum Greisenalter. Die Zeit totzuschlagen, die ihm noch bleibt, scheint dann sein einziges Begehr.

Anna, die Erzählerin des Carlos Franz, ist die Tochter des Konsuls. Das mag den widersprüchlichen Blick hinreichend erklären, zumal die äußere Konstruktion des Romans sonst ganz eindeutig ist. Gerade neunzehn geworden, als das Drama des Konsuls seinen Lauf nahm, erzählt Anna darüber im Rückblick, ein Jahrzehnt danach. Und während das einst Erlebte noch einmal an ihr vorüberzieht, fliegt sie - wir sind in der Mitte der achtziger Jahre - ein letztes Mal mit dem Vater: Sie begleitet den Sarg mit dem Verstorbenen auf dem Weg in die Heimat.

Im Grunde hat sie ihn auf dem Gewissen. Denn damals, in Iquitos, hat ihre Intrige seine Zuversicht und seine Lebensenergie zerstört, die letzten Jahre waren nur noch ein langer und leiser Abschied. Anna ist ein Scheidungskind, aufgewachsen bei der Mutter in Santiago de Chile, schon als neunjähriges Mädchen dem Vater in den großen Ferien nachreisend an die stets wechselnden Stationen einer mittelmäßigen Diplomatenkarriere. "Versetzungsort" lautet der Begriff, der ihr Leben nachhaltig prägte: "Ich glaube, ,aufbrechen' ist das Wort, das ich ihn . . . am häufigsten aussprechen gehört habe." Nun aber will sie ihn festhalten, will ihn für sich. Mit den Liebhaberinnen, die er öfter wechselte als die Länder, hatte sie sich ohne große Mühe arrangiert. Julia indes, die er heiraten und deretwegen er sesshaft werden will, ist die Bedrohung schlechthin. Ein klarer Fall von Eifersucht.

Carlos Franz lässt seiner Erzählerin angemessen Zeit, um die Katastrophe zu entfalten. Darüber entstehen die besten Kapitel des Romans. Vom Flughafen geht es zum Haus des Konsuls. Der Weg dorthin bietet Gelegenheit, das Panorama der Stadt vorzuführen, einen Blick auf den Flusshafen zu werfen, die herrschenden Probleme - "Guerrilla, Drogenhändler, Regierung: jeder gegen jeden" - anzudeuten und darüber jene Atmosphäre zu erzeugen, der das Buch einige bezwingende Passagen verdankt. Ohne je das exotische Ambiente dieser tropischen Provinz zu romantisieren, nutzt der Autor die besondere Aura des Ortes, um die Leser bei Laune und in Spannung zu halten. Zwei Kilometer ist der Amazonas breit, drei Breitengrade liegt Iquitos unter dem Äquator, "jener imaginären Linie, die die Welt in zwei Hälften teilt". Auf dem Landweg ist die Stadt nicht zu erreichen, der Dschungel schließt sie ein. Auch deshalb halten sich die Leute an die Theorie, hier sei einst das Paradies gewesen: "Ein großes warmes Land wie dieses, voller Wald, umgeben von Flüssen. So steht es in der Bibel . . ."

Ziemlich genau zwischen mythischer Vergangenheit und schäbiger Gegenwart liegt "Petrus' Bar", eine nicht unwürdige "Anlegestelle aus Flaschen und Gläsern". Ihren ersten Auftritt haben dort zwei Sonderbeauftragte des Außenministeriums, offenkundig aus dem Chile Pinochets entsandt, um den Konsul unter die Lupe zu nehmen: Sie könnten einer Groteske von Friedrich Dürrenmatt entstammen. An Graham Greenes Qualitäten erinnert eine Expedition, die den Konsul und seine Tochter an die Grenze zu Kolumbien und Brasilien führt. Glanzstück dabei die Beschreibung eines Indiopaars in heftigem Streit und inniger Emphase: er blind, sie seine Führerin, beide miteinander weinend aus lauter Liebe und lauter Hass. Stimmige Sätze, originelle Sprachbilder. Die Lichterkette am Dorfplatz geht aus, die Glühbirnchen verlöschen, eins nach dem andern: "Es war, als zöge jemand den Reißverschluss einer Reisetasche zu und verbände die beiden Hälften der Nacht." Wenn Anna vom ersten Jungen erzählt, der mit ihr schlafen wollte, ergibt das einen Absatz von umwerfender Komik und heiligem Ernst. Und wenn der Konsul den Polizeichef von Iquitos ironisch bedauert, beweist auch der Autor Esprit: "Aber was Sie hier treiben, ist wirklich unerklärlich. Dieser Feldzug gegen die Korruption an einem Ort, wo korrumpieren so natürlich ist."

Carlos Franz, 1959 als Sohn eines Diplomaten geboren, kann eine Menge. Sein erster, bisher nicht übersetzter Roman "Santiago Cero" (1989) wurde mehrfach ausgezeichnet, der Autor als großes Erzählversprechen Lateinamerikas gefeiert. "Wo einst das Paradies war", im Original vor drei Jahren erschienen, rechtfertigt manche Erwartung und belegt die Tugenden des Verfassers, vor allem sein szenisches Vermögen und seine Fähigkeit zum prägnanten Dialog.

Recht glücklich aber wird man mit dem Buch nicht. Und man kann den Beginn des kleinen Unglücks genau bestimmen: Es fängt auf Seite 169 an. Da kniet Lucas, der jüngere der beiden Schergen Pinochets, im Hof des Konsuls, kippt langsam zur Seite und schlägt mit dem Kopf aufs Pflaster. Er stirbt im Krankenhaus, getötet durch einen Messerstich. Siebzig Seiten hat die Handlung jetzt noch vor sich, bevor sie in einen melancholisch schönen Epilog münden darf. Auf diesen siebzig Seiten aber verspielt Carlos Franz nicht wenig von dem Kapital, das er zuvor akkumuliert hat. Er verspielt es, weil er, mitten im Fluss, das Genre wechselt. Aus einem mehrteils ruhigen Roman der Seelenlagen und Stimmungen, der Landschaften und Lebensläufe wird nun eine hektisch rudernde Agentengeschichte, die immer kolportagehaftere Züge annimmt, unserem Glauben an die Wahrscheinlichkeit des Geschehens immer größere Zumutungen abverlangt, um schließlich eine einzige Zumutung zu werden.

Schuld daran hat vor allem Enrico, der begnadete Jagdflieger und chilenische Dissident im peruanischen Exil. Aber ist er das überhaupt? Oder ist er nur in die Rolle eines Toten geschlüpft? Und wer ist er dann? Sicher ist nur, dass der Konsul, aus welchen Gründen immer, seine schützende Hand über ihn hält, ihm keineswegs heimlich etwa sein Gartenhaus als freundliches Asyl überlässt. Kann er das so einfach? Er ist Beamter eines diktatorischen Staates, der zwar weit weg ist, dem gegenüber er sich sonst aber loyal verhält. Hätte man ihn nicht sofort vom Dienst suspendiert? Der Roman verweigert nun entschlossen handlungslogische Folgerichtigkeit, liefert dafür ein heftiges Liebeswallen zwischen Anna und Enrico, begibt sich in die blutige Unterwelt von Iquitos, lässt Passformulare abhanden kommen, ein Flugzeug in die Luft gehen und im Unwetter über dem Dschungel abstürzen. Im Nu aber sind die Leichen der Opfer, äußerlich unversehrt, auch schon in der Pathologie von Iquitos. Die arme Julia, von Anna erfolgreich denunziert, ist tot, der arme Konsul wieder dem Suff verfallen.

Im Epilog, der wieder ein wenig versöhnt, ist Anna über den Wolken, kein Unwetter weit und breit, weltweise Sentenzen statt dessen: "Für die unbedeutendsten Posten", lautet eine, "zahlt man den höchsten Preis." Kein dummer Gedanke.

Carlos Franz: "Wo einst das Paradies war". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Willi Zurbrüggen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999. 252 S., geb., 39,90 DM.

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