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Schon vor zwanzig Jahren verwies Peter Rühmkorf mit dem Gedichtband »Haltbar bis 1999« auf seinen siebzigsten Geburtstag im Oktober diesen Jahres. Nun reflektiert er seine dichterische Herkunft und geht den lyrischen Einflüssen nach, mit denen er als Kind in Berührung kam.Er sieht die Wurzeln seiner Poesie in Abzählreimen, Nonsensversen und Werbesprüchen als »Bauklötze oder Backformen einer Vorschule der Ästhetik«. Später setzte er sich intensiv mit dem Expressionismus und dem modernen Schreiben in deutscher Sprache auseinander. Doch Rühmkorf war schon immer ein Spötter, denn bereits sein…mehr

Produktbeschreibung
Schon vor zwanzig Jahren verwies Peter Rühmkorf mit dem Gedichtband »Haltbar bis 1999« auf seinen siebzigsten Geburtstag im Oktober diesen Jahres. Nun reflektiert er seine dichterische Herkunft und geht den lyrischen Einflüssen nach, mit denen er als Kind in Berührung kam.Er sieht die Wurzeln seiner Poesie in Abzählreimen, Nonsensversen und Werbesprüchen als »Bauklötze oder Backformen einer Vorschule der Ästhetik«. Später setzte er sich intensiv mit dem Expressionismus und dem modernen Schreiben in deutscher Sprache auseinander. Doch Rühmkorf war schon immer ein Spötter, denn bereits sein erstes »expressionistisches« Gedicht ist eine Parodie. Rühmkorf erinnert sich auch an die heldenhaften Dichtungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die eine so große Faszination auf ihn ausübten, daß er noch heute daraus rezitieren könnte. Der Dichter und Spötter führt in diesem Essay durch sein poetisches Leben und zeigt die vielfältigen Quellen, aus denen er sein dichterisches Material bezieht. Zudem erschienen von Peter Rühmkorf im Wallstein Verlag:Ich habe Lust, im weiten Feld...Betrachtungen einer abgeräumten Schachfigur. ISBN 3-89244-231-2Deutschland, ein Lügenmärchen. ISBN 3-89244-065-4Zur Reihe »Göttinger Sudelblätter«:Anknüpfend an die literarische und ästhetische Tradition der Aufklärung erscheinen seit 1990 im Wallstein Verlag die »Göttinger Sudelblätter«. Herausgeber dieser Buchreihe in Heftform ist der Literaturkritiker und Schriftsteller Heinz Ludwig Arnold, der 1999 mit dem Niedersachsenpreis ausgezeichnet wurde.Die Reihe ist zeitgenössischer Prosa und kritischer Essayistik vorbehalten und erscheint in lockerer Folge von ca. drei Heften im Jahr.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.1999

Ohrwürmer im Sauerteig
Launige Ahnengalerie: Peter Rühmkorfs "Wo ich gelernt habe"

Die "Göttinger Sudelblätter", dem Andenken Lichtenbergs gewidmet, zählen nicht zu den Blättern, die rasch welken. Jetzt erfrischt Peter Rühmkorf den Leser mit einem Stück vergnüglicher Ahnenkunde, "Wo ich gelernt habe". In seiner "Naturgeschichte des Reims" ("agar agar - zaurzaurim", 1981), die zu verschweigen er hier eigentlich gar keinen Anlass hatte, machte er Jagd auf den "Urreim", vor allem im Revier der Kinder- und Abzählverse. Jetzt fragt er, wann wohl der "Urknall" stattgefunden habe, bei dem ihm "Sprache zum erstenmal als Poesie aufging". Wieder stößt er auf "bereits mit der Muttermilch" eingeflößte "protozoische Abzählreime", aber auch auf die Gelegenheitsgedichte, mit denen seine Mutter, Lehrerin in einem niedersächsischen Dorf, bei Feiern und Feten poetische Girlanden wand. Rühmkorf schämt sich nicht, durch "Ohrwürmer" der literarischen Subkultur mit dem Reim, der Lyrik vertraut geworden zu sein.

Zu solchen Ohrwürmern wurden die in der "Dressierschule" auswendig gelernten Gedichte der Klassiker nicht, jedenfalls nicht unmittelbar. Die Wirkungsgeschichte von Literatur macht merkwürdige Bocksprünge: nicht das Klassikerzitat selbst, sondern seine parodistische Form ist lebendig geblieben (im Buch "Über das Volksvermögen" hat Rühmkorf solche Persiflagen der Schüler gesammelt). Und nicht zufällig gefielen ihm die Scherzlieder im "Kommersbuch", das er im Nachlass des Großvaters fand; es waren die "fahrenden Schüler", deren Weisen ihn anlockten.

Die Parodie ist ein Sauerteig, der in vielen seiner Gedichte wirksam blieb und dem wir originell gebrochene Lesarten von Gedichten Walthers von der Vogelweide oder Barthold Hinrich Brockes', Klopstocks oder Eichendorffs verdanken. Rühmkorf, die Reinkarnation des mittelalterlichen Vaganten, hielt sich aber vor allem an die Töne von Dichtern unseres Jahrhunderts, beging frech-freien Mundraub bei Expressionisten, bei Majakowskij und Kästner, Tucholsky und Ringelnatz. Und auch diese Autoren verblassen als Sterne minderer Ordnung vor Rühmkorfs beiden "konkurrierenden Leitgestirnen": Benn und Brecht. Zwischen diesen beiden "Polen" geriet er wirklich in ein "Hochspannungsfeld".

Nicht so ganz neu ist für uns diese "Ahnenkunde". Und doch lassen wir uns alles gern ein weiteres Mal erzählen. Denn unwiderstehlich ist die Mischung aus Selbstironie, Pointensicherheit und mit dem Publikum spielender Rede in diesem kleinen essayistischen Bildungsroman des Lyrikers Rühmkorf.

WALTER HINCK

Peter Rühmkorf: "Wo ich gelernt habe". Wallstein Verlag, Göttingen 1999 (= Göttinger Sudelblätter). 44 S., br., 24,- DM.

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