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Nach "Tiefland" ist dies der lange erwartete neue Roman der Pulitzer-Preisträgerin Jhumpa Lahiri. Eine allein lebende Italienerin in den Vierzigern: unsicher, scheu, orientierungslos, sich selbst fremd. Die Arbeit als Universitätsangestellte garantiert ihr einen unspektakulären Tagesablauf. Sie begibt sich stets an dieselben, ihr vertrauten Orte, in ihre Lieblingsbar, die Schwimmhalle, die Buchhandlung um die Ecke. An den Wochenenden besucht sie ihre alte Mutter. Ihre Einsamkeit lässt sie die Menschen um sich herum genau betrachten - auf der Straße, bei der Maniküre, im Supermarkt, im Zug. Die…mehr

Produktbeschreibung
Nach "Tiefland" ist dies der lange erwartete neue Roman der Pulitzer-Preisträgerin Jhumpa Lahiri.
Eine allein lebende Italienerin in den Vierzigern: unsicher, scheu, orientierungslos, sich selbst fremd. Die Arbeit als Universitätsangestellte garantiert ihr einen unspektakulären Tagesablauf. Sie begibt sich stets an dieselben, ihr vertrauten Orte, in ihre Lieblingsbar, die Schwimmhalle, die Buchhandlung um die Ecke. An den Wochenenden besucht sie ihre alte Mutter. Ihre Einsamkeit lässt sie die Menschen um sich herum genau betrachten - auf der Straße, bei der Maniküre, im Supermarkt, im Zug.
Die Tage vergehen, die Jahreszeiten wechseln. Und eines Tages, bei einem Ausflug ans Meer, geschieht etwas Unerwartetes. Sie trifft eine Entscheidung, die sie selbst überrascht.
Lahiri, bekannt für ihre feinste Beobachtungsgabe und Präzision bei der Figurendarstellung, entwirft das ergreifende Stimmungsbild einer Frau, die an einen Wendepunkt ihres Lebens gerät und deren Schicksal einem ans Herz geht. Suggestive, luzide Prosa mit einem großen Sog.

Autorenporträt
Jhumpa Lahiriist eine US-amerikanische Autorin indischer Abstammung. Sie wurde in London geboren und wuchs in Rhode Island auf. Für ihre Romane und Erzählungen wurde sie u. a. mit dem Pulitzerpreis sowie der von Barack Obama verliehenen National Humanities Medal 2014 ausgezeichnet. 2012 zog Lahiri mit ihrer Familie nach Rom und schreibt seitdem vorwiegend auf Italienisch. Heute lebt sie wieder in New York und lehrt "Kreatives Schreiben" in Princeton. Seit 2005 ist Jhumpa Lahiri Vizepräsidentin des PEN American Center, seit 2012 Mitglied der American Academy of Arts and Letters.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Miryam Schellbach scheint seltsam angetan von Jhumpa Lahiris Bericht aus der Fremde. Wie die Autorin trotz jahrelangen Aufenthalts das andauernde Fremdsein in einer italienischen Stadt empfindet, vermittelt Lahiri laut Rezensentin in einem kargen, zurückgenommenen Italienisch, einer Sprache, die spürbar nicht die eigene Muttersprache ist. So trostlos die einsamen Spaziergänge und Beobachtungen der Autorin auf Schellbach mitunter wirken, so voll von genauen Details sind sie. Eine lesenswerte "geografische wie seelische Standortbestimmung", so Schellbach.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2020

Die Syntax der Einsamkeit
Intimes Lerntagebuch einer Flaneurin in Italien: Jhumpa Lahiris Roman "Wo ich mich finde"

Jhumpa Lahiri hat viele Heimaten. Die international renommierte Schriftstellerin und Pulitzer-Preisträgerin wurde in London geboren, wuchs aber in Rhode Island auf. In der Familie und mit Freunden spricht sie Bengalisch, ihre Romane und Kurzgeschichten schrieb sie bis vor kurzem auf Englisch. Wie ein "Blitzschlag" traf es Lahiri, als sie zum ersten Mal nach Italien reiste und eine intensive Verbundenheit mit der Sprache, der Landschaft und der sprichwörtlichen Dolce Vita empfand. Wie sie sich mit dem Italienischen ein weiteres, ein sprachliches Zuhause eroberte, mühsam und Wort für Wort, beschrieb sie 2015 in dem Essay "In anderen Worten". Um sich in der neuen Sprache zu finden, sich in der ungewohnten semantischen Umgebung zu behaupten, begann Lahiri, auf Italienisch Tagebuch zu schreiben. Jeden Abend ein nüchterner Bericht, erst stockend, monoton, dann immer flüssiger und sicherer. Wer eine Fremdsprache spricht, versteht, auf welche Schwierigkeiten Lahiri traf. Besonders für eine Schriftstellerin, deren Handwerk das eigene Vokabular ist, muss es kränkend sein, in der Semantik beengt nach Worten zu ringen, nicht verstanden zu werden und nur Schrumpfstufen des eigenen Intellekts darbieten zu können.

Eine Sprache neu und so genau zu lernen, dass sie bald die eigene sein soll, kann aber die Wahrnehmung schärfen, für neue Ausdrucksmöglichkeiten sorgen. Gerade ist nun also Jhumpa Lahiris erster auf Italienisch verfasster Roman erschienen. Es ist nicht abwegig, "Wo ich mich finde" als literarisches Äquivalent zu diesem Lerntagebuch zu bezeichnen. Dass die Geschichte auf Italienisch verfasst wurde, markiert den gewaltigen Schritt der Ankunft in der Fremdsprache und ist Zeugnis einer abgeschlossenen Aneignung. Zugleich ist der Ton der Narration Ausdruck von ebendiesem Zustand andauernder Seltsamkeit, in den man auch durch eine neu erlernte Sprache versetzt wird.

Ein gutes Beispiel für die Reichweite semantischer Nuancen ist der Titel des Romans. Im Original lautet er "Dove mi trovo", was sowohl "wo ich mich finde" als auch "wo ich mich befinde" bedeuten kann. Dieses Nebeneinander von geographischer und seelischer Standortbestimmung beschreibt die Thematik des Romans trefflich. Die Erzählerin ist Mitte vierzig, Dozentin an einer Hochschule und Vielleserin, befindet sich in einer unbenannten italienischen Stadt mit Piazzen und Brücken, Trattorien und Espressobars. Dort ringt sie mit dem Sichfinden.

Herzblut ist keines dabei

In 47 kurzen, melancholisch-suchenden Kapiteln folgt man ihr und ihrem andauerndem Selbstgespräch ins Museum, in die Buchhandlung, ins Wartezimmer, ins Schreibwarengeschäft und zum Besuch der Mutter. "Das Einzelgängertum ist mein Metier geworden", heißt es einmal, es "ist eine eigene Disziplin. Ich versuche mich in ihr zu perfektionieren, und doch leide ich darunter." Intim und ungeschützt protokolliert die Ich-Erzählerin das Gefühl, immer ein bisschen unpassend, ein bisschen zu außenstehend zu sein. Die Arbeit an der Hochschule erscheint ihr trostlos, die Blicke der Kollegen wirken prüfend, "Herzblut ist keines dabei". Dennoch hält sie sich fest an der Struktur des Alltags. Einkaufen, der obligatorische Spaziergang, zweimal im Monat die Mutter besuchen. Zweimal in der Woche lässt sie das Abendessen ausfallen, um Bahnen in einem Schwimmbad zu ziehen, "ohne viel Kraft, aber ordentlich, wie es meine Art ist".

In den freien Stunden flaniert sie durch die Stadt, in der sie seit ihrer Geburt lebt, beobachtet Passanten und dichtet ihnen Geschichten an. Da sitzt einmal am Nebentisch im Café ein Mann mit seiner jungen Tochter, die sich seit der Trennung ihrer Eltern nicht mehr für den Vater erwärmen kann. Die Ich-Erzählerin kann den Blick nicht abwenden, sie saugt das Bild der zerbrochenen Familie auf und verliert sich im Schweigen des Vaters, der die stehengelassene Mahlzeit seiner Tochter aufisst, um wenigstens die Oberfläche der Zweisamkeit zu wahren. Mitunter ergeben diese flüchtigen Begegnungen für die Erzählerin einen Spiegel ihrer verpassten Chancen. "Auf der Straße in meinem Viertel begegne ich manchmal einem Mann, mit dem ich eine Geschichte hätte haben können. Wer weiß, vielleicht sogar eine lebenslange." Doch ist dieser Mann inzwischen der Lebensgefährte einer Freundin. Als sie sich beim Einkaufen treffen, vergleicht sie seine üppigen Familieneinkäufe mit ihrem Single-Haushaltsbedarf und schwankt unentschieden zwischen Erleichterung und Neid.

Intime Zeugenschaft beschämt

Aber auch in das Glück der anderen kann die Erzählerin eintauchen. In einem Laden für Koffer beobachtet sie ein junges Paar dabei, wie es eng umschlungen und voller Lust auf die ihm offenstehende Zukunft eine Reise vorbereitet. "Die beiden sind sehr zufrieden, begeistert von ihrem gemeinsamen Abenteuer, sie kommen aus dem Laden und ziehen auf den vier Kofferrädern auch eine unbestreitbare Freude hinter sich her, die sich über das holprige Pflaster der Stadt verbreitet." Diese Beobachtungen sind feine Miniaturen, gesehen aus der Perspektive einer gebrochenen Flaneurin, die befürchtet, im Leben der anderen verlorenzugehen. Passend ist es, dass diese Flaneur-Geschichte sich allein schon dadurch abhebt, dass sie nicht in einer Metropole, nicht in Paris oder Rom spielt, sondern vielleicht in einer kleinen, unbedeutenden und austauschbaren italienischen Stadt. Das Fehlen referentieller Bezüge wie der Personennamen und Orte ist eine Geste der Demut, die sagen will: Einsamkeit findet sich allerorten, sie taugt auch zum kleinen literarischen Motiv, frei von der dandyhaften Blasiertheit des traditionellen Flaneurs, der sich die europäischen Metropolen aneignet.

In diesem Sinne ist auch die Sprache dieser eilig dahingeschriebenen Notizen ungewöhnlich zurückgenommen bis flach. Unter Verzicht auf Idiomatisches ist die Syntax repetitiv und wenig komplex, das Vokabular karg, und der Ton drängt sich kaum auf. Diese Eintönigkeit macht die Leserin zur Zeugin der bewusst verwalteten Einsamkeit der Erzählerin. Einer Einsamkeit, die "einen genauen Umgang mit der Zeit" verlangt: "Darauf habe ich immer geachtet, es ist wie mit dem Geld im Portemonnaie: Wie viel Zeit muss man totschlagen, wie lange ist es noch bis zum Abendessen, bis zum Schlafengehen." Weil sie so intim ist, kann diese Zeugenschaft nicht anders als beschämen. Es ist, als würde man das Tagebuch einer Fremden lesen. Ein hoher Grad an ungeschützter und deshalb schmerzender Selbstreflexion gibt den Blick frei auf die Welt, wie sie für die Augen einer guten Beobachterin aussieht, die sich stets nur am Rande eines Geschehens befindet. Herta Müller beschrieb den Zauber der Fremdsprache einmal so: "In jeder Sprache sitzen andere Augen in den Wörtern." In Lahiris Roman gilt dies für die Sprache der Einsamkeit.

MIRYAM SCHELLBACH

Jhumpa Lahiri: "Wo ich mich finde". Roman.

Aus dem Italienischen

von Margit Knapp. Rowohlt Verlag, Hamburg 2020.

160 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Man erfährt nicht, wie sie heißt. Man weiß nicht, wo sie lebt. Und meist spaziert oder sitzt die Protagonistin recht allein in der Sonne. Doch wie feinsinnig sie ihre Außenwelt aufnimmt und betrachtet, macht dieses Buch zu einem der schönsten des Sommers. Stern 20200618