«Also, diese Nase - Sie müssen Jude sein!»
Ein deutscher Student beschließt, für ein Jahr in Israel zu leben. Schon die erste Taxifahrt stellt den Hamburger Pfarrerssohn vor ungeahnte Herausforderungen. Damit nicht genug: Er muss koscher wohnen, im Schutzraum vor Raketen aus dem Gaza-Streifen zittern und in Jerusalem einen Arabischkurs für Anfänger besuchen. Und dann sind da auch noch die israelischen Frauen: «Du bist Deutscher. Dein Großvater war ein Nazi. Dein Vater ist Pastor? Und du bist nicht einmal beschnitten. Ich fasse es nicht.»
«Ein politisches, menschliches, reales, leichtes, sympathisches Buch. Markus Flohr analysiert und bewertet nicht, sondern Israel darf einfach Israel sein.» Thees Uhlmann
«Hab nur zwei Seiten gelesen und dachte mir: für einen Protestanten ganz schön komisch.» Oliver Polak
Ein deutscher Student beschließt, für ein Jahr in Israel zu leben. Schon die erste Taxifahrt stellt den Hamburger Pfarrerssohn vor ungeahnte Herausforderungen. Damit nicht genug: Er muss koscher wohnen, im Schutzraum vor Raketen aus dem Gaza-Streifen zittern und in Jerusalem einen Arabischkurs für Anfänger besuchen. Und dann sind da auch noch die israelischen Frauen: «Du bist Deutscher. Dein Großvater war ein Nazi. Dein Vater ist Pastor? Und du bist nicht einmal beschnitten. Ich fasse es nicht.»
«Ein politisches, menschliches, reales, leichtes, sympathisches Buch. Markus Flohr analysiert und bewertet nicht, sondern Israel darf einfach Israel sein.» Thees Uhlmann
«Hab nur zwei Seiten gelesen und dachte mir: für einen Protestanten ganz schön komisch.» Oliver Polak
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2011NEUE REISEBÜCHER
Für die Tasche Wenn ein deutscher Student beschließt, für ein Jahr in Israel zu leben, ist nichts einfach: Schon auf der Busfahrt vom Flughafen fällt das Wort "Auschwitz", in der WG ist sogar das Besteck koscher, und die "Jerusalem Post" widmet dem Sport gerade mal zwei Seiten. An jeder Ecke lauern interkulturelle Fettnäpfchen. Wegen seiner großen Nase halten die Israelis ihn für einen Juden, und der palästinensische Taxifahrer findet Deutschland prima, weil es dort keine Israelis gibt. Solches zu erleben ist sicher nicht lustig. Davon zu lesen, schon.
"Wo samstags immer Sonntag ist", lautet das Buch von Markus Flohr. Von Oktober 2008 an lebte der damals 28-Jährige ein Jahr lang in Israel: Er, ein Deutscher, Sohn eines Pastors, musste sich zurechtfinden zwischen den Fronten. Er lernte hebräisch und arabisch, begriff jüdische Feiertage und palästinensisches Leid und tauchte ein in das Leben hinter den Fernsehbildern: Er traf die Kunststudentin Noa und den Fotografen Simson, den Orthodoxen Joel und die Juristin Ruth. Er begleitet Israels Jugend, wie sie liebt und streitet, Arak trinkt und Fußball spielt, nachts auf die Altstadtmauer klettert und hofft, dass man sie nicht für Terroristen hält. Dabei ist es gleich, ob Flohr vom palästinensischen Oktoberfest erzählt oder von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem - sein Ton bleibt leicht und wertfrei.
Und sobald einmal Beklommenheit aufkommt, kontert der Autor mit Situationskomik: "Gelobt sei Gott, der Herr, der uns Zehenspitzen gab", schreibt Flohr, als er und seine Freundin nachts am Schlafzimmer der Eltern vorbeischleichen. Die junge Frau tut gut daran, das Verhältnis zu verheimlichen: "Dein Großvater war ein Nazi. Dein Vater ein Pastor. Und du bist nicht einmal beschnitten." Selbst das Romantische ist in diesem Land politisch.
Denn in Israel ist immer auch Krieg, beiläufig, nebenbei. Und auch während Flohrs Aufenthalt eskaliert die Lage kaum einen Steinschlag entfernt von ihm und seinen Freunden. Und was passierte? Joel ging beten, als der Angriff auf Gaza begann. Noa fuhr nach Sderot, um ihre Großmutter in Sicherheit zu bringen. Und Ruth sah sich zum dritten Mal ihre "Seinfeld"- DVD an und aß Schokoladeneis, während Kassam-Raketen einschlugen und Soldaten patrouillierten.
Dieser ganze Kram, schreibt Flohr, sei wie der Versuch, zehn Millionen Menschen in ein Taxi zu setzten. "Rein, Tür zu, ab gehts." Besser kann man den Nahostkonflikt nicht erklären.
rojk
Markus Flohr: "Wo samstags immer Sonntag ist". Rowohlt 2011, 250 Seiten, 14,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für die Tasche Wenn ein deutscher Student beschließt, für ein Jahr in Israel zu leben, ist nichts einfach: Schon auf der Busfahrt vom Flughafen fällt das Wort "Auschwitz", in der WG ist sogar das Besteck koscher, und die "Jerusalem Post" widmet dem Sport gerade mal zwei Seiten. An jeder Ecke lauern interkulturelle Fettnäpfchen. Wegen seiner großen Nase halten die Israelis ihn für einen Juden, und der palästinensische Taxifahrer findet Deutschland prima, weil es dort keine Israelis gibt. Solches zu erleben ist sicher nicht lustig. Davon zu lesen, schon.
"Wo samstags immer Sonntag ist", lautet das Buch von Markus Flohr. Von Oktober 2008 an lebte der damals 28-Jährige ein Jahr lang in Israel: Er, ein Deutscher, Sohn eines Pastors, musste sich zurechtfinden zwischen den Fronten. Er lernte hebräisch und arabisch, begriff jüdische Feiertage und palästinensisches Leid und tauchte ein in das Leben hinter den Fernsehbildern: Er traf die Kunststudentin Noa und den Fotografen Simson, den Orthodoxen Joel und die Juristin Ruth. Er begleitet Israels Jugend, wie sie liebt und streitet, Arak trinkt und Fußball spielt, nachts auf die Altstadtmauer klettert und hofft, dass man sie nicht für Terroristen hält. Dabei ist es gleich, ob Flohr vom palästinensischen Oktoberfest erzählt oder von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem - sein Ton bleibt leicht und wertfrei.
Und sobald einmal Beklommenheit aufkommt, kontert der Autor mit Situationskomik: "Gelobt sei Gott, der Herr, der uns Zehenspitzen gab", schreibt Flohr, als er und seine Freundin nachts am Schlafzimmer der Eltern vorbeischleichen. Die junge Frau tut gut daran, das Verhältnis zu verheimlichen: "Dein Großvater war ein Nazi. Dein Vater ein Pastor. Und du bist nicht einmal beschnitten." Selbst das Romantische ist in diesem Land politisch.
Denn in Israel ist immer auch Krieg, beiläufig, nebenbei. Und auch während Flohrs Aufenthalt eskaliert die Lage kaum einen Steinschlag entfernt von ihm und seinen Freunden. Und was passierte? Joel ging beten, als der Angriff auf Gaza begann. Noa fuhr nach Sderot, um ihre Großmutter in Sicherheit zu bringen. Und Ruth sah sich zum dritten Mal ihre "Seinfeld"- DVD an und aß Schokoladeneis, während Kassam-Raketen einschlugen und Soldaten patrouillierten.
Dieser ganze Kram, schreibt Flohr, sei wie der Versuch, zehn Millionen Menschen in ein Taxi zu setzten. "Rein, Tür zu, ab gehts." Besser kann man den Nahostkonflikt nicht erklären.
rojk
Markus Flohr: "Wo samstags immer Sonntag ist". Rowohlt 2011, 250 Seiten, 14,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Besser kann man den Nahostkonflikt nicht erklären. FAZ
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