Der beliebte und erfolgreiche Chorleiter Fred Schecher, geboren 1924 in Aschaffenburg, widmet seine Autobiografie der Musik. Die Erzählung seines Lebens führt aus dem Spessartdorf Rück in die unvergessenen Fernsehshows der Siebziger Jahre. Stets bestimmte die Musik Schechers Lebensweg, vom Orgelspiel in der heimatlichen Dorfkirche und der Truppenunterhaltung im Zweiten Weltkrieg bis hin zur Gründung des Fred-Schecher-Chores in den goldenen Jahren der deutschen Fernsehunterhaltung.Fred Schecher erzählt sein Leben, das ihn weit über seine Heimatregion am Main bekannt machte, in spannenden, anrührenden und witzigen Episoden. Dorfgeschichten um den musikalischen Großvater und Küfermeister Otto Miltenberger sowie um den Schullehrer Heinrich Kaufer finden ebenso Platz wie Erlebnisse aus dem Zweiten Weltkrieg und der Kriegsgefangenschaft bis hin zu den Begegnungen mit legendären Show-Stars der deutschen Fernsehgeschichte um Peter Frankenfeld, Maria Mucke, Bill Ramsey, Iwan Rebroff, Heinz Schenk, Ilse Werner etc.Der Rückblick Fred Schechers auf sein Leben in einem bewegten Jahrhundert ist ergänzt um eine musikalische Chronik, die sein künstlerisches Wirken in den jahrelangen Tätigkeiten als Chorleiter sowie das kompositorische Schaffen verzeichnet.
Vom Spessartdorf Rück ins Fernsehen: Fred Schecher erinnert in seinen Memoiren an die Erfolge des nach ihm benannten Chores.
Von Agnes Schönberger
ASCHAFFENBURG. Bill Ramsey wunderte sich. "Warum sprechen Ihre Leute so hervorragend Deutsch?", wollte er vom Chorleiter wissen. "Warum sollten sie nicht?", entgegnete dieser. "Aber Sie sind doch der bekannte Tschechen-Chor aus Prag", beharrte der Sänger und Schauspieler. Sein Gegenüber klärte ihn auf. "Nein, wir sind der Fred-Schecher-Chor und kommen aus dem Spessart."
An diese Episode vor 40 Jahren erinnert der 1924 in Aschaffenburg geborene Fred Schecher in seinen Memoiren, die kurz vor seinem heutigen 85. Geburtstag erschienen sind. Die Erzählung seines Lebens "Wo sind all die Jahre geblieben" führt aus dem kleinen Spessartdorf Rück im Kreis Miltenberg in die Fernsehshows der sechziger und siebziger Jahre.
Der von Schecher 1962 gegründete und nach ihm benannte Chor hatte in jener Zeit glamouröse Auftritte mit Legenden der deutschen Fernsehunterhaltung wie Peter Frankenfeld, Heinz Schenk, Bill Ramsey, Iwan Rebroff oder Ilse Werner. Dem Ensemble mit seinen hoch begabten Amateursängern war 1964 bei einem Vorsingen für das ZDF unter Tausenden von Bewerbern mit dem Gospel "Look away Dixieland" und einem siebenstimmigen "Ave Maria" von Anton Bruckner der Durchbruch gelungen. Frankenfeld war begeistert und ließ den Chor in seiner neuen Sendereihe "Und Ihr Steckenpferd" auftreten. Das war der Beginn einer einzigartigen Erfolgsgeschichte, die dem Fred-Schecher-Chor Engagements in Rundfunk und Fernsehen, Schallplattenaufnahmen sowie Konzerte in ganz Deutschland und 1975 sogar eine Reise nach Amerika verschafften.
Gerne nahmen die Sänger auch die gutdotierten Aufträge für Werbespots an. Für eine dieser Aufnahmen fuhren sie nach Frankfurt, wo sie erst vor Ort Noten und Texte ausgehändigt bekamen. Die Bayern, die entweder Mitglieder oder eifrige Sympathisanten der CSU waren, sollten ausgerechnet für die hessische SPD Werbung machen. Seine Leute hätten zwar komische Gesichter gemacht. Doch sie lassen ihren Chorleiter nicht im Stich und schmettern vielstimmig ein "Vorwärts mit der SPD!" in die Mikrophone.
Der Titel des Buches mag zwar wehmütig klingen. Doch traurig ist es nicht. Im Gegenteil: Das Lesen bereitet Vergnügen. Schecher erzählt unterhaltsam und witzig auch von den kleinen Begebenheiten in Rück, in das die Familie schon bald nach seiner Geburt gezogen war. Er erinnert an seinen musikalischen Großvater Otto Miltenberger und an das strenge Regiment des Pfarrers, der selbst bei kleinsten Vergehen mit dem Rohrstock auf Finger oder das Hinterteil schlug. "Gott sei Dank wurde der ansonsten sehr gescheite Herr nach einem Jahr versetzt", schreibt Schecher, der mit seiner Autobiographie auch den Menschen in der Mainregion ein Denkmal gesetzt hat. Für seine Verdienste war ihm 1995 die Ehrenmedaille in Gold des Landkreises Miltenberg verliehen worden, eine Auszeichnung, die bisher erst fünf Personen erhalten haben. Im Mittelpunkt der Veröffentlichung steht natürlich die Musik. Denn Schecher hatte schon unmittelbar nach Kriegsende die Leitung des Chores "Concordia Rück-Schippach" übernommen. Erst 2007 gab er nach 62 Jahren seine Chorleitertätigkeit auf.
"Die Musik hat mich durchs Leben getragen und mehrmals vor Gefahren bewahrt", meint Schecher, der damit auf seine Erlebnisse als Soldat und Kriegsgefangener anspielt. Mit Akkordeon und Gesang bringt er seine Kameraden auf andere Gedanken. Schließlich wird er in eine Propagandakompanie aufgenommen. Auch in der Lazarettstadt Brünn, wohin er Anfang 1945 nach einer Verwundung gebracht wird, spricht sich seine Begabung schnell herum. Als er bei einem Konzert im Dom als Ersatz für einen erkrankten Tenor einspringen muss, lässt er sich als "Fred Schecher vom Opernhaus Frankfurt" ankündigen. "Der liebe Gott möge mir diese Notlüge verzeihen, denn ich hatte zu diesem Zeitpunkt das Opernhaus Frankfurt noch nie gesehen." Schecher ist zu Hause in Rück, als er am 2. Mai in amerikanische Gefangenschaft gerät und nach Bad Kreuznach-Bretzenheim gebracht wird. In dem Lager herrschen menschenunwürdige Zustände. Doch nach Wochen in Hunger und Elend rettet ihn wieder die Musik. Schecher darf bei den Tanzpartys der Amerikaner auftreten. Er wird neu eingekleidet und bekommt zu essen. Ende Juni darf er als einer der ersten Gefangenen das Lager verlassen. Der ihm wohlgesinnte Major trägt als Grund in den Entlassungsschein Folgendes ein: "Landwirtschaftlicher Arbeiter, der bei der Ernte gebraucht wird".
Auf Drängen seiner Eltern wird Schecher, der lieber Musik studiert hätte, Lehrer. Als Rektor der Elsenfelder Mozartschule trifft er in den sechziger Jahren eine Entscheidung, die heute wohl für Schlagzeilen sorgen würde. Da die Zahl der türkischen Schüler auf 100 angestiegen war, wurden vier türkische Lehrer eingestellt. "Es waren lauter nette Burschen. Doch kamen sie eines Tages zu mir ins Rektorat und beantragten die Entfernung der Kruzifixe aus ihren Räumen. Nach Rücksprache mit dem Schulamt konnte ich ihnen dies genehmigen", heißt es in dem Buch.
Fred Schecher wird sein Buch "Wo sind all die Jahre geblieben" am Donnerstag um 19.30 Uhr im Bürgerzentrum Elsenfeld vorstellen. Als Gäste werden Freunde und langjährige Weggefährten wie die Schauspielerin am Burgtheater Wien, Maria Happel, die Sopranistinnen Anna Rose Seuffert und Theresa Happel sowie die Aschaffenburger Autorin Irmes Eberth erwartet. Der Eintritt ist frei.
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