"And now for something completely different!"
Als im September 1969 die ersten Folge von Monty Python's Flying Circus gedreht wurde, war John Cleese knapp dreißig Jahre alt. Bis zu diesem Moment hatte das Leben bereits schwerwiegende Fragen aufgeworfen. Hatten die Deutschen kurz nach seiner Geburt sein unbedeutendes englisches Heimatdorf tatsächlich nur bombardiert, um zu beweisen, dass sie doch Sinn für Humor besaßen? Würde er sich je wieder von dem Trauma erholen, als Kleinkind von einem Kaninchen gebissen worden zu sein? Warum hatte man ihn für seinen ersten ernsthaften Bühnenauftritt als Luzifer ausgerechnet in Strumpfhosen gesteckt? In seiner Autobiografie zeichnet Weltstar John Cleese ein Porträt des Künstlers als junger Mann bis zur Gründung von Monty Python, um diesen und vielen anderen Fragen auf den Grund zu gehen.
"Wo war ich noch mal?" erzählt den Lebensweg eines schüchternen englischen Schlaks zum gefeierten Komödianten, der den Humor ganzer Generationen prägen sollte.
Als im September 1969 die ersten Folge von Monty Python's Flying Circus gedreht wurde, war John Cleese knapp dreißig Jahre alt. Bis zu diesem Moment hatte das Leben bereits schwerwiegende Fragen aufgeworfen. Hatten die Deutschen kurz nach seiner Geburt sein unbedeutendes englisches Heimatdorf tatsächlich nur bombardiert, um zu beweisen, dass sie doch Sinn für Humor besaßen? Würde er sich je wieder von dem Trauma erholen, als Kleinkind von einem Kaninchen gebissen worden zu sein? Warum hatte man ihn für seinen ersten ernsthaften Bühnenauftritt als Luzifer ausgerechnet in Strumpfhosen gesteckt? In seiner Autobiografie zeichnet Weltstar John Cleese ein Porträt des Künstlers als junger Mann bis zur Gründung von Monty Python, um diesen und vielen anderen Fragen auf den Grund zu gehen.
"Wo war ich noch mal?" erzählt den Lebensweg eines schüchternen englischen Schlaks zum gefeierten Komödianten, der den Humor ganzer Generationen prägen sollte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2015Der Erfinder des tödlichen Witzes
Monty Python's Flying Circus hat das Empire britischen Humors in Fernsehen und Film unbesiegbar gemacht. John Cleese, einer der Urheber, erinnert sich.
Dieser Mann, der sehr gescheit aussieht, wenn er gerade keine Faxen macht, kann zwar lustiger zucken und brüllen als schreiben, aber dafür schreibt er noch gescheiter, als er aussieht, wenn er gerade nicht zuckt und brüllt. Wenn er dann noch darüber schreibt, wie er zum Zucken und Brüllen gekommen ist und warum er das so gut kann, haben alle etwas davon - selbst diejenigen, die ihm lieber zuschauen und zuhören, als das zu lesen, was er schreibt.
Der Schauspieler und Drehbuchautor John Cleese, einer der legendären Autoren und eines der noch legendäreren Gesichter von "Monty Python's Flying Circus", hat eine Autobiographie geschrieben, die uns die Vorgeschichte bis zur Geburt der Fernsehshow erzählt, die den Namen "Monty Python" in den siebziger Jahren zur Weltmarke machte. Das Buch heißt auf Englisch "So, anyway", was man auf Deutsch ohne Krämpfe "Ja, jedenfalls" hätte wiedergeben können, aber lieber in die etwas höflichere Wendung "Wo war ich noch mal?" gegossen hat. Die Übersetzung von Yvonne Badal ist insgesamt ganz ausgezeichnet; sie macht Cleese vor allem nie höflicher, als er ist - noch in der Zielgeraden darf er die Diskussionsbeiträge seines Kollegen Terry Jones bei gemeinsamen Ideenfindungssitzungen der weltberühmten Komikertruppe liebevoll als das "irrationale Gewäsch aus dem Mund eines düsteren, reizbaren, plumpen, keltischen Halbzwergs" schmähen. Und mitten im Buch erfahren wir ohne die bei Übersetzungstätigkeit heute so oft von Lektoraten verlangte Glättung des Extravaganten, das Bekenntnis seines langjährigen wichtigsten Schreibpartners Graham Chapman zur Homosexualität habe John Cleese zwar nicht abgestoßen, aber doch "sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr überrascht".
Dass Cleeses Sprachgefühl ihn oft nah an die Grenze zu Regionen führt, in denen herumliegt, was die Stilkunde "gesucht" und "bemüht" nennen würde - ein Spiel mit dem Feuer, bei dem er stets gewinnt -, findet sich in Formulierungen wie "das beutelte mich" und Wörtern wie "Mühewaltungen" abgebildet. Die zahlreichen Grüße ans deutsche Publikum sind von ausgesuchter Milde, ob da nun Moselwein gelobt wird oder die militärisch sinnlosen Bombenangriffe auf Cleeses Heimatgegend um das verschlafene Weston-super-Mare als Äußerungen von "teutonischem joie de vivre" ausgelegt werden - "am sinnvollsten scheint mir die Erklärung meines Vaters zu sein: Die Deutschen haben Weston bombardiert, um zu beweisen, dass sie nicht so humorlos sind, wie man es ihnen nachsagt."
Schon im Eingangskapitel erfahren wir, dass der Familienname des Helden ursprünglich tatsächlich "Cheese" lautete, genau wie die Klügsten, aber auch die Dümmsten im Publikum es immer schon vermutet haben. Fotos unterrichten darüber, dass John Cleeses Mutter aussah wie er (also nicht einfach: ihm ähnelte, sondern wirklich haargenau so aussah, wie er aussieht, wenn er in scheußlichen Kleidern und mit grässlichen Perücken eine seiner unbegreiflichen Hausfrauengestalten spielt).
Sein Vater sah hingegen bloß aus wie James Joyce als kleiner Angestellter. Ihm dürfte der berühmte, 1939 geborene Sohn wenig mehr verdanken als Haltung und Intelligenz, die Mutter dagegen hat mit ihrer Dauerjammerei, ihrer Angst vor allem ("Mutter erlebte den Kosmos als eine einzige riesige Sprengfalle") und einer daraus abgeleiteten erpresserischen Hilflosigkeit, die der Sohn nicht ohne Empathie schildert, immerhin einen entscheidenden Anstoß zur Berufswahl des jungen Künstlers gegeben: "Einmal, ich erinnere mich noch gut, listete sie gerade methodisch alle Gründe auf, weshalb sie nicht mehr weiterleben wollte, während ich mich angesichts meiner Machtlosigkeit, ihr zu helfen, wie üblich deprimiert und als Versager fühlte. Plötzlich hörte ich mich sagen: ,Mutter, ich habe eine Idee.' ,Ach ja, und wie sieht die aus?' ,Ich kenne einen kleinen Mann, der lebt in Fulham. Mit dem könnte ich mal reden, und wenn du dich nächste Woche immer noch so fühlst - aber nur, wenn du das willst-, könnte er nach Weston kommen und dich umbringen.' Stille. ,O Gott, ich bin zu weit gegangen', dachte ich. Und dann fing sie laut gackernd an zu lachen. Ich glaube, ich habe sie nie so sehr geliebt wie in diesem Moment."
Das Buch enthält sehr viele schöne Stellen, aber wenige, die so schön sind wie diese. Sie rührt selbst Deutsche, und man tut Cleese, schlau, wie er ist, gewiss nicht unrecht, wenn man vermutet: Genau das soll sie auch.
DIETMAR DATH
John Cleese: "Wo war ich noch mal?" Autobiographie.
Aus dem Englischen von Yvonne Badal. Blessing Verlag, München 2015. 480 S., Abb., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Monty Python's Flying Circus hat das Empire britischen Humors in Fernsehen und Film unbesiegbar gemacht. John Cleese, einer der Urheber, erinnert sich.
Dieser Mann, der sehr gescheit aussieht, wenn er gerade keine Faxen macht, kann zwar lustiger zucken und brüllen als schreiben, aber dafür schreibt er noch gescheiter, als er aussieht, wenn er gerade nicht zuckt und brüllt. Wenn er dann noch darüber schreibt, wie er zum Zucken und Brüllen gekommen ist und warum er das so gut kann, haben alle etwas davon - selbst diejenigen, die ihm lieber zuschauen und zuhören, als das zu lesen, was er schreibt.
Der Schauspieler und Drehbuchautor John Cleese, einer der legendären Autoren und eines der noch legendäreren Gesichter von "Monty Python's Flying Circus", hat eine Autobiographie geschrieben, die uns die Vorgeschichte bis zur Geburt der Fernsehshow erzählt, die den Namen "Monty Python" in den siebziger Jahren zur Weltmarke machte. Das Buch heißt auf Englisch "So, anyway", was man auf Deutsch ohne Krämpfe "Ja, jedenfalls" hätte wiedergeben können, aber lieber in die etwas höflichere Wendung "Wo war ich noch mal?" gegossen hat. Die Übersetzung von Yvonne Badal ist insgesamt ganz ausgezeichnet; sie macht Cleese vor allem nie höflicher, als er ist - noch in der Zielgeraden darf er die Diskussionsbeiträge seines Kollegen Terry Jones bei gemeinsamen Ideenfindungssitzungen der weltberühmten Komikertruppe liebevoll als das "irrationale Gewäsch aus dem Mund eines düsteren, reizbaren, plumpen, keltischen Halbzwergs" schmähen. Und mitten im Buch erfahren wir ohne die bei Übersetzungstätigkeit heute so oft von Lektoraten verlangte Glättung des Extravaganten, das Bekenntnis seines langjährigen wichtigsten Schreibpartners Graham Chapman zur Homosexualität habe John Cleese zwar nicht abgestoßen, aber doch "sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr überrascht".
Dass Cleeses Sprachgefühl ihn oft nah an die Grenze zu Regionen führt, in denen herumliegt, was die Stilkunde "gesucht" und "bemüht" nennen würde - ein Spiel mit dem Feuer, bei dem er stets gewinnt -, findet sich in Formulierungen wie "das beutelte mich" und Wörtern wie "Mühewaltungen" abgebildet. Die zahlreichen Grüße ans deutsche Publikum sind von ausgesuchter Milde, ob da nun Moselwein gelobt wird oder die militärisch sinnlosen Bombenangriffe auf Cleeses Heimatgegend um das verschlafene Weston-super-Mare als Äußerungen von "teutonischem joie de vivre" ausgelegt werden - "am sinnvollsten scheint mir die Erklärung meines Vaters zu sein: Die Deutschen haben Weston bombardiert, um zu beweisen, dass sie nicht so humorlos sind, wie man es ihnen nachsagt."
Schon im Eingangskapitel erfahren wir, dass der Familienname des Helden ursprünglich tatsächlich "Cheese" lautete, genau wie die Klügsten, aber auch die Dümmsten im Publikum es immer schon vermutet haben. Fotos unterrichten darüber, dass John Cleeses Mutter aussah wie er (also nicht einfach: ihm ähnelte, sondern wirklich haargenau so aussah, wie er aussieht, wenn er in scheußlichen Kleidern und mit grässlichen Perücken eine seiner unbegreiflichen Hausfrauengestalten spielt).
Sein Vater sah hingegen bloß aus wie James Joyce als kleiner Angestellter. Ihm dürfte der berühmte, 1939 geborene Sohn wenig mehr verdanken als Haltung und Intelligenz, die Mutter dagegen hat mit ihrer Dauerjammerei, ihrer Angst vor allem ("Mutter erlebte den Kosmos als eine einzige riesige Sprengfalle") und einer daraus abgeleiteten erpresserischen Hilflosigkeit, die der Sohn nicht ohne Empathie schildert, immerhin einen entscheidenden Anstoß zur Berufswahl des jungen Künstlers gegeben: "Einmal, ich erinnere mich noch gut, listete sie gerade methodisch alle Gründe auf, weshalb sie nicht mehr weiterleben wollte, während ich mich angesichts meiner Machtlosigkeit, ihr zu helfen, wie üblich deprimiert und als Versager fühlte. Plötzlich hörte ich mich sagen: ,Mutter, ich habe eine Idee.' ,Ach ja, und wie sieht die aus?' ,Ich kenne einen kleinen Mann, der lebt in Fulham. Mit dem könnte ich mal reden, und wenn du dich nächste Woche immer noch so fühlst - aber nur, wenn du das willst-, könnte er nach Weston kommen und dich umbringen.' Stille. ,O Gott, ich bin zu weit gegangen', dachte ich. Und dann fing sie laut gackernd an zu lachen. Ich glaube, ich habe sie nie so sehr geliebt wie in diesem Moment."
Das Buch enthält sehr viele schöne Stellen, aber wenige, die so schön sind wie diese. Sie rührt selbst Deutsche, und man tut Cleese, schlau, wie er ist, gewiss nicht unrecht, wenn man vermutet: Genau das soll sie auch.
DIETMAR DATH
John Cleese: "Wo war ich noch mal?" Autobiographie.
Aus dem Englischen von Yvonne Badal. Blessing Verlag, München 2015. 480 S., Abb., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Das Buch ist weniger eine Autobiographie als der Entwicklungsroman eines Komikers, so etwas wie Goethes Wilhelm Meister. Nur witziger." Stefan Keim, WDR 3