Der Band bietet erstmals einen umfassenden Überblick zur Benutzung von Metaphern in der Philosophie.
In 40 Beiträgen umreißen namhafte Wissenschaftler das Feld der Metaphorologie, erklären Wortbedeutungen und Definitionszusammenhänge, beleuchten die Geschichte und argumentative Verwendung von Schlüsselbegriffen. Zwischen Rhetorik und Logik entfaltet sich das Wirkungsfeld des metaphorologischen Zugangs: in der Metapher verbinden sich sprachliche und logische Kreativität in einer Weise, die für die Zukunft der Philosophie von Bedeutung ist.
In 40 Beiträgen umreißen namhafte Wissenschaftler das Feld der Metaphorologie, erklären Wortbedeutungen und Definitionszusammenhänge, beleuchten die Geschichte und argumentative Verwendung von Schlüsselbegriffen. Zwischen Rhetorik und Logik entfaltet sich das Wirkungsfeld des metaphorologischen Zugangs: in der Metapher verbinden sich sprachliche und logische Kreativität in einer Weise, die für die Zukunft der Philosophie von Bedeutung ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2007Neues von der nackten Wahrheit
Die figürliche Rede hatte in der Philosophie die längste Zeit keinen guten Stand. Wo begriffliche Schärfe und terminologische Durchsichtigkeit das Erkenntnisideal bestimmten, da gerieten die Figuren und allen voran die Metapher in Verdacht, die eigentlichen, ohne alle rhetorischen Kunststücke erreichbaren Einsichten zu unterbieten. Ihre merkwürdige Leistung, uns mit einer wörtlich falschen Bedeutung im übertragenen Sinn doch etwas zu verstehen zu geben, ließ die Metapher in schiefem Licht erscheinen.
Doch gerade diese Abqualifizierungen, hinter denen alte Rivalitäten von Philosophie und Rhetorik standen, brachten den figürlichen Redeweisen vom achtzehnten Jahrhundert an auch ihre Parteigänger. Im Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen und diese Tage erscheinenden "Wörterbuch der philosophischen Metaphern" (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007. 571 S., geb., 99,90 [Euro]) verweist Ralf Konersmann auf diese frühen Vorläufer seines Projekts. Bei Vico nahm der Gedanke Gestalt an, in den Bildern und Metaphern nicht länger bloße Verlegenheiten zu sehen, die der Beschränktheit unserer Erkenntnismöglichkeiten Tribut zollen. Stattdessen wurden sie in Vicos "Neuer Wissenschaft" zum Mittel erklärt, Aufschlüsse über die "Natur der menschlichen Dinge" zu erhalten, über die Art und Weise, wie wir uns auch ohne distinkte Erkenntnisse in der Welt zurechtfinden. Und auch beim Schweizer Ästhetiker und Theologen Johann Georg Sulzer stand die Aufwertung anthropologischer Fragen im Hintergrund, als er 1767 ein Metaphernwörterbuch in Vorschlag brachte. Doch diese Versuche, die Metapher als legitime Figur des Wissens in den Blick zu nehmen, setzten sich nicht durch. Die wohl tradierten Verdachtsmomente illegitimer poetischer Herkunft, leichtfertiger Grenzüberschreitungen und trügerischer Evidenz behielten die Oberhand.
Rund zweihundertfünfzig Jahre später ist die Metapher dagegen fast schon en vogue. Wo immer es um Formen des Wissens und seine Geschichte geht - und es geht auf dem von Wissenschaftsgeschichte, Literatur- und Kulturwissenschaft beackerten Feld nicht eben selten darum -, ist sie meist nicht weit. Der programmatische Anstoß für die Beschäftigung mit Metaphern in der Philosophie liegt dagegen schon einige Jahrzehnte zurück. Er verdankt sich Hans Blumenbergs 1960 erschienenen "Paradigmen zu einer Metaphorologie". In ihnen umriss Blumenberg mit einer Reihe von Beispielen sein Verfahren, anhand von Metaphern an jenen Bereich tiefliegender Vorentscheidungen heranzukommen, in denen sich allererst entscheidet, welche Begriffe überhaupt ausgeprägt werden und was man sich von ihnen erwartet. In dieser Perspektive bot die Geschichte prominenter Metaphern wie "die nackte Wahrheit" oder das "Licht der Vernunft" Aufschlüsse über Konturen geschichtlicher Sinnhorizonte. Blumenberg verstand es, daraus ganze Problemgeschichten der Neuzeit zu entwickeln.
So idiosynkratisch kann ein Wörterbuch der Metaphorik natürlich nicht verfahren. Auch dann nicht, wenn es sich als späte Hommage an Blumenberg versteht. Der Anspruch ist, dass die versammelten vierzig Artikel die wesentliche metaphorische Produktion der Philosophie abdecken. Der Kunstgriff besteht dabei darin, möglichst umfassende Bildfelder unter den titelgebenden Lemmata zu subsumieren. Man darf sich also nicht wundern, auf so weit gefasste Einträge wie "Bilden", "Fließen", "Leben", "Raum", "Sehen", "Sprechen" oder "Weg" zu stoßen. Die Übersichtlichkeit (übrigens selbst ein Lemma) des Wörterbuchs verdankt sich dieser großzügigen Unterteilung in "Titelmetaphern". Die Konsequenz dieses Vorgehens ist, dass den Autoren dieser Beiträge weite Spielräume bleiben.
Tatsächlich hat man sehr unterschiedliche Texte vor sich, im Zugriff wie im Stil. Von der eher strengen Anmutung, die man mit dem Begriff "Wörterbuch" verbindet, ist wenig zu merken. Vierzig meist recht frei gestaltete Essays durchkreuzen das Gebiet auf allen möglichen Routen. Gelehrt unterfüttert sind sie natürlich durchweg, halten sich aber an die Vorgabe, keine Voraussetzungen, gelehrten Abkürzungen oder technischen Jargon zu verwenden. Die Bemerkung des Herausgebers, dass das Buch sich nicht nur an ein akademisch vorbereitetes, sondern ein größeres interessiertes Publikum wendet, kann man deshalb durchaus unterschreiben.
Quellentexte, Filiationen und Querbezüge werden ohne Raumnot ausgebreitet und kommentiert. Naturgemäß kann man nicht alles gleichermaßen interessant finden, doch viel Anregendes wird geboten. Ist das nun eine Einlösung der hochgestochenen Erwartungen, die heute manche mit dem Projekt der Metaphorologie verbinden? Die Verwirklichung dessen, was die in die Jahre gekommene Begriffsgeschichte hartnäckig verdrängt habe, weil es in ihr Konzept des sprachlich durchgeformten Überlieferungszusammenhangs nicht passte?
Man sieht nicht recht, warum es auf eine solche Entgegensetzung hinauslaufen soll. Die Vorzüge einer metapherngeschichtlichen Betrachtung leben nicht von den Fehlstellen begriffsgeschichtlicher Untersuchungen. Es gilt noch immer, dass man sich am besten auf beiden Seiten der ohnehin nicht scharf gezogenen Grenze kundig macht. Einiges Material hat man nun auch auf dem Gebiet der Metaphern an der Hand.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die figürliche Rede hatte in der Philosophie die längste Zeit keinen guten Stand. Wo begriffliche Schärfe und terminologische Durchsichtigkeit das Erkenntnisideal bestimmten, da gerieten die Figuren und allen voran die Metapher in Verdacht, die eigentlichen, ohne alle rhetorischen Kunststücke erreichbaren Einsichten zu unterbieten. Ihre merkwürdige Leistung, uns mit einer wörtlich falschen Bedeutung im übertragenen Sinn doch etwas zu verstehen zu geben, ließ die Metapher in schiefem Licht erscheinen.
Doch gerade diese Abqualifizierungen, hinter denen alte Rivalitäten von Philosophie und Rhetorik standen, brachten den figürlichen Redeweisen vom achtzehnten Jahrhundert an auch ihre Parteigänger. Im Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen und diese Tage erscheinenden "Wörterbuch der philosophischen Metaphern" (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007. 571 S., geb., 99,90 [Euro]) verweist Ralf Konersmann auf diese frühen Vorläufer seines Projekts. Bei Vico nahm der Gedanke Gestalt an, in den Bildern und Metaphern nicht länger bloße Verlegenheiten zu sehen, die der Beschränktheit unserer Erkenntnismöglichkeiten Tribut zollen. Stattdessen wurden sie in Vicos "Neuer Wissenschaft" zum Mittel erklärt, Aufschlüsse über die "Natur der menschlichen Dinge" zu erhalten, über die Art und Weise, wie wir uns auch ohne distinkte Erkenntnisse in der Welt zurechtfinden. Und auch beim Schweizer Ästhetiker und Theologen Johann Georg Sulzer stand die Aufwertung anthropologischer Fragen im Hintergrund, als er 1767 ein Metaphernwörterbuch in Vorschlag brachte. Doch diese Versuche, die Metapher als legitime Figur des Wissens in den Blick zu nehmen, setzten sich nicht durch. Die wohl tradierten Verdachtsmomente illegitimer poetischer Herkunft, leichtfertiger Grenzüberschreitungen und trügerischer Evidenz behielten die Oberhand.
Rund zweihundertfünfzig Jahre später ist die Metapher dagegen fast schon en vogue. Wo immer es um Formen des Wissens und seine Geschichte geht - und es geht auf dem von Wissenschaftsgeschichte, Literatur- und Kulturwissenschaft beackerten Feld nicht eben selten darum -, ist sie meist nicht weit. Der programmatische Anstoß für die Beschäftigung mit Metaphern in der Philosophie liegt dagegen schon einige Jahrzehnte zurück. Er verdankt sich Hans Blumenbergs 1960 erschienenen "Paradigmen zu einer Metaphorologie". In ihnen umriss Blumenberg mit einer Reihe von Beispielen sein Verfahren, anhand von Metaphern an jenen Bereich tiefliegender Vorentscheidungen heranzukommen, in denen sich allererst entscheidet, welche Begriffe überhaupt ausgeprägt werden und was man sich von ihnen erwartet. In dieser Perspektive bot die Geschichte prominenter Metaphern wie "die nackte Wahrheit" oder das "Licht der Vernunft" Aufschlüsse über Konturen geschichtlicher Sinnhorizonte. Blumenberg verstand es, daraus ganze Problemgeschichten der Neuzeit zu entwickeln.
So idiosynkratisch kann ein Wörterbuch der Metaphorik natürlich nicht verfahren. Auch dann nicht, wenn es sich als späte Hommage an Blumenberg versteht. Der Anspruch ist, dass die versammelten vierzig Artikel die wesentliche metaphorische Produktion der Philosophie abdecken. Der Kunstgriff besteht dabei darin, möglichst umfassende Bildfelder unter den titelgebenden Lemmata zu subsumieren. Man darf sich also nicht wundern, auf so weit gefasste Einträge wie "Bilden", "Fließen", "Leben", "Raum", "Sehen", "Sprechen" oder "Weg" zu stoßen. Die Übersichtlichkeit (übrigens selbst ein Lemma) des Wörterbuchs verdankt sich dieser großzügigen Unterteilung in "Titelmetaphern". Die Konsequenz dieses Vorgehens ist, dass den Autoren dieser Beiträge weite Spielräume bleiben.
Tatsächlich hat man sehr unterschiedliche Texte vor sich, im Zugriff wie im Stil. Von der eher strengen Anmutung, die man mit dem Begriff "Wörterbuch" verbindet, ist wenig zu merken. Vierzig meist recht frei gestaltete Essays durchkreuzen das Gebiet auf allen möglichen Routen. Gelehrt unterfüttert sind sie natürlich durchweg, halten sich aber an die Vorgabe, keine Voraussetzungen, gelehrten Abkürzungen oder technischen Jargon zu verwenden. Die Bemerkung des Herausgebers, dass das Buch sich nicht nur an ein akademisch vorbereitetes, sondern ein größeres interessiertes Publikum wendet, kann man deshalb durchaus unterschreiben.
Quellentexte, Filiationen und Querbezüge werden ohne Raumnot ausgebreitet und kommentiert. Naturgemäß kann man nicht alles gleichermaßen interessant finden, doch viel Anregendes wird geboten. Ist das nun eine Einlösung der hochgestochenen Erwartungen, die heute manche mit dem Projekt der Metaphorologie verbinden? Die Verwirklichung dessen, was die in die Jahre gekommene Begriffsgeschichte hartnäckig verdrängt habe, weil es in ihr Konzept des sprachlich durchgeformten Überlieferungszusammenhangs nicht passte?
Man sieht nicht recht, warum es auf eine solche Entgegensetzung hinauslaufen soll. Die Vorzüge einer metapherngeschichtlichen Betrachtung leben nicht von den Fehlstellen begriffsgeschichtlicher Untersuchungen. Es gilt noch immer, dass man sich am besten auf beiden Seiten der ohnehin nicht scharf gezogenen Grenze kundig macht. Einiges Material hat man nun auch auf dem Gebiet der Metaphern an der Hand.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Mit hohem Lob bedenkt Rezensent Uwe Justus Wenzel dieses einbändige "Wörterbuch der philosophischen Metaphern", das Ralf Konersmann herausgegeben hat. Er begrüßt die anfängliche Klarstellung von Konnersmann, dass es hier nicht darum gehe, Metapher und Begriff gegeneinander auszuspielen. Trotzdem scheint ihm das Werk durchaus geeignet, der Begriffsgeschichte "unter die Arme" zu greifen. Er unterstreicht, dass Konersmann das Buch als "Hommage an Blumenberg" verstanden wissen will, sieht ihn aber an auch andere historische Vorbilder wie Giambattisto Vico oder Kant anknüpfen. Die von diversen Autoren stammenden, methodisch recht unterschiedlichen Beiträge über 40 Metaphern charakterisiert Wenzel eher als Studien oder Abhandlungen denn als Wörterbuchartikel. Neben Hannes Böhringers Beitrag über die Metapher des Bauens hebt er besonders Werner Stegmaiers Erwägungen über das Fließen hervor. Manche der Beiträge erinnern Wenzel dabei eher an konventionelle Wort- oder Begriffsgeschichten, da sie den metaphorologischen Aspekt unterbelichtet lassen. Gleichwohl bleiben für ihn "hinreichend viele anregende Studien", die dem von Konersmann bekundeten Interesse gerecht würden, den kognitiven Anspruch der Metapher zu erschließen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH