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Mit Lust und Liebe, mit List und Tücke bringt Peter von Matt Gedichte und Leser zusammen. Einer der intelligentesten und witzigsten Interpreten der kleinen Form erschließt uns in diesem Buch sechzig lyrische Fundstücke oder Klassiker. Elegant nähert er sich der Lyrik, und jedes Mal lockt er den Leser auf eine Fährte für eigene Gedanken: zu den Schönheiten der Natur, zu Politik und Gesellschaft, zu Vergänglichkeit und Tod, zur Liebe in ihren tausend Formen. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart reicht die Liste der vorgestellten Gedichte: ein Konzentrat deutscher Dichtung, voller Wertschätzung für…mehr

Produktbeschreibung
Mit Lust und Liebe, mit List und Tücke bringt Peter von Matt Gedichte und Leser zusammen. Einer der intelligentesten und witzigsten Interpreten der kleinen Form erschließt uns in diesem Buch sechzig lyrische Fundstücke oder Klassiker. Elegant nähert er sich der Lyrik, und jedes Mal lockt er den Leser auf eine Fährte für eigene Gedanken: zu den Schönheiten der Natur, zu Politik und Gesellschaft, zu Vergänglichkeit und Tod, zur Liebe in ihren tausend Formen. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart reicht die Liste der vorgestellten Gedichte: ein Konzentrat deutscher Dichtung, voller Wertschätzung für Berühmtes und mit offenen Augen für Entdeckungen auf den Seitenwegen.
Autorenporträt
Peter von Matt, geboren 1937 in Luzern, war bis 2002 Professor für Germanistik an der Universität Zürich. Er ist Mitglied verschiedener Akademien. 2014 wurde er mit dem Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main ausgezeichnet. Er lebt in Zürich. Bei Hanser erschienen zuletzt: Das Kalb von der Gotthardpost. Zur Literatur und Politik der Schweiz (2012), Sieben Küsse. Glück und Unglück in der Literatur (2017) und Übeltäter, trockne Schleicher, Lichtgestalten. Die Möglichkeiten der Literatur (ET: 20.02.23).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.09.2011

Wie Blitz
und Donner
Sechzig Gedichte. 600 Jahre deutsche Literaturgeschichte. Von Heinrich Hetzbold von Weißensee über Schiller bis zu Monika Rinck. Peter von Matts kleine Deutungen deutscher Gedichte, meist verfasst für die „Frankfurter Anthologie“, sollten nicht im Bücherregal Platz finden – auch wenn sie sich dort gut ausmachen würden, keine Frage. Vielmehr sollten sie ständiger Begleiter sein. Auf der Parkbank. Auf Reisen. Dem Schweizer zu lauschen, wie er Bekanntes, Goethes „Heidenröslein“ etwa, durch einen gewieften Dreh neu aufschließt und weniger Geläufiges, etwa die inneren Landschaften eines Alexander Xaver Gwerder, ins Bewusstsein rückt, beglückt. Selbst der Kenner wird noch Aha-Erlebnisse haben und an der federnden Stilistik seine reinste Freude. „Die Dichtung gehört zum Planeten wie Blitz und Donner“, heißt es einmal. Wörterleuchten eben. Florian Welle
Peter von Matt: Wörterleuchten. Kleine Deutungen deutscher Gedichte. dtv München 2011, 220 Seiten,
9,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2009

Das bestürzend schöne Heideröslein

Sechzig Gedichte, sechzig Interpretationen: In "Wörterleuchten" bringt Peter von Matt deutsche Lyrik zum Strahlen.

Von Harald Hartung

Peter von Matt hat Glück mit Titeln. Seine Buchtitel locken unsere Neugier, unser spontanes Interesse an. "Liebesverrat" handelt von den Treulosen in der Literatur. Wen berührt das nicht? "Die verdächtige Pracht" lässt uns fragen, was es mit der Schönheit in der Poesie auf sich hat. Nun aber lädt "Wörterleuchten" zur Lektüre von Gedichten ein. Der Titel wirkt wunderbar selbstverständlich. Man muss freilich darauf kommen.

Dass Wörter leuchten, klingt ebenso atmosphärisch wie epiphanisch. Ein Wetterleuchten scheint nicht fern. Oder gar der Blitz von Erkenntnis oder Wandlung. Man weiß aber auch, dass Erleuchtungen kurz sein müssen. Sie vertragen keine Umständlichkeiten. "Nimmt am wenigsten Platz weg", hat T. S. Eliot als Vorteil der Lyrik benannt - eine Maxime, die auch für den Interpreten gelten sollte. Fasst er sich kurz, kann er womöglich dem Epiphanischen der Poesie nahekommen.

Zwei Seiten gibt die "Frankfurter Anthologie" dem Interpreten für die Deutung eines Gedichts. Man kann diese Beschränkung auch sportlich nehmen. Peter von Matt spricht von einer stilistischen Schussfahrt. In den letzten zwei Jahrzehnten hat er sechzig kleine Deutungen geschrieben, die meisten für die "Frankfurter Anthologie". Sechzig "Solitäre", wie er sie doppelsinnig nennt. Es sind einzeln gefasste Edelsteine, Diamanten. Oder auch Baumriesen, freistehend vor dem großen Wald der deutschen Lyrik.

Wo solche Solitäre sind, ist Schönheit. Die Moderne aber hat das Schöne unter Verdacht gestellt. Vor allem in der Lyrik. Seit Hugo Friedrich glauben wir zu wissen, dass moderne Lyrik dissonant, unpersönlich und hässlich ist. Jeder etwas versiertere Lyrikleser kennt Baudelaires Gedicht, das den schillernden Glanz der Fliegen auf einem Stück Aas feiert. Er weiß auch, dass Günter Eichs "Latrine" hundert Jahre später "Hölderlin" auf "Urin" reimt und den stinkenden Graben umschwirrt sieht "von funkelnden Fliegen".

Peter von Matt betreibt eine Revision. Vor gut zehn Jahren schon hat er die "verdächtige Pracht" der Poesie gerechtfertigt. "Das Gedicht will schön sein" heißt es dort; und dieser Wille zur Schönheit gilt ihm als anthropologisches Ereignis, das keine Theorie anfechten kann. Nach dieser Verteidigung der Poesie kann er sich heute zu dem Vergnügen bekennen, das ihm das Schreiben seiner Deutungen bereitet hat. Nicht um "methodische Kunstturnerei" geht es, sondern um Erkenntnis und Eros.

Von Matt sieht sich als Werber. Er wirbt um den Text wie um den Leser. Er nennt sich "matchmaker", Ehestifter. Als solcher darf er sich Listen und Freiheiten herausnehmen. Nicht alles und jedes möchte er verkuppeln. Er fühlt sich frei von Kanon und Poesiegeschichte, frei von der Verpflichtung zu Größe und Bedeutsamkeit. Auch die minderen Solitäre verdienen Liebe und Beachtung.

So gleich das erste Gedicht seiner Sammlung; eines aus dem wenig ergiebigen vierzehnten Jahrhundert. Es ist das anrührende "wol mich der stunde" des fast verschollenen Heinrich Hetzbold von Weißensee. Aus ihm nehmen wir mit, dass ein schöner Frauenmund, der langsam "viunviu" (Fünfe) sagt, etwas ungemein Sinnliches haben kann. Auch das Liebeswörtlein "zuckerkrûtken" (Zuckerkräutchen) rückt uns nahe; als Kosewort aus einer Zeit, als der Zucker noch kostbar war. "Schon beginnen die Laute wieder zu leben", schließt der Interpret.

Er hat überhaupt ein Faible für Liebesglück und Liebesnot und bringt dafür frappierende Beispiele. So fragt Johann Christian Günthers "Als er der Phillis einen Ring mit einem Totenkopfe überreichte": "Wie reimt sich Lieb und Tod zusammen?" Von Matt sieht in dem wahrhaft seltsamen Brautgeschenk ein großes Kompliment. In der Zumutung zeigt sich ihm ein Stück aufgeklärter Philosophie, die "tapfer und leicht" ist.

Manchmal freilich reimen sich Liebe und Tod auf eine Weise, in der wir die Zumutung nicht mehr erkennen. Goethes populäres und harmlos scheinendes "Heideröslein" erhält bei von Matt ein fast bestürzendes Gesicht. Er sieht es als einen schauerlich barbarischen Gesang, der Schönheit und Schändung zynisch paart: "Mußt es eben leiden." Und so stößt der Interpret auch in der Lyrik des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts auf die Spuren von Barbarei in der bürgerlichen Liebeskultur. Die erotischen Lockwesen wie Mignon oder Loreley entfalten eine untergründig tragische Komponente. In der bürgerlichen Realität bleibt der liebenden Frau die Resignation. Die Droste rettet ihr eingekerkertes Leben in die poetische Schöpferkraft. Sie stirbt "versungen und versengt".

Fasziniert und faszinierend schreibt von Matt über den Liebesverrat. So über die "Dschungelliebe" der Lasker-Schüler und Gottfried Benns: "Kaum lagen die beiden zusammen, schrieben sie auch schon darüber." Doch auch in den emanzipiertesten Verhältnissen gibt es eine moralische Grenze - oder doch in der literarischen Moral. "Du machst mir Liebe: blutigelhaft", schreibt Benn, der die Freundin offenbar loswerden wollte, in einem Gedicht; und von Matt kommentiert - und man kann nur bestürzt zustimmen -: "Die Metapher über ihre Art zu lieben, ist abscheulich."

Der Liebesverrat beginnt in der Sprache - und dort findet sich alles andere an Größe und Elend auch: Schönheit und Kitsch, Klang oder Misslaut. Von Matt genügen wenige Hinweise, um den Kunstcharakter eines Gedichts ins Licht zu rücken. Er zeigt, wo Heine oder Mörike gegen das Metrum verstoßen mussten. Oder warum dem österreichischen Emigranten Theodor Kramer Reim und Strophe zur einzigen Heimstatt wurden. Ich habe noch keine Deutung von Celans "Todesfuge" gelesen, wo der Verweis auf den einzigen Reim des Gedichts ("Sein Auge ist blau / er trifft dich genau") so zwingend scheint: "Er steckt im Gedicht wie die Kugel im Erschossenen."

Auch das Phänomen, dass mittelmäßige Poesie eine merkwürdige Unsterblichkeit genießt, findet in von Matt einen Deuter, der uns die Augen für unsere Sentimentalitäten öffnet. Wir begreifen, warum der sonst vergessene Hermann von Gilm mit einem einzigen Gedicht überlebt. "Und laß uns wieder von der Liebe reden, wie einst im Mai", heißt es da; und von Matt macht deutlich, was uns daran berührt: unser unerschöpfliches Bedürfnis, von Liebe zu reden, wie kindlich und nonsenshaft auch immer.

Ähnlich unsterblich ist Hermann Hesses "Seltsam im Nebel zu wandern". Wer diese seine Jugendliebe heute banal und gemeinplätzig findet, bekommt zu lesen, was ihn einst so faszinierte: die Vorstellung, zu den Einsamen und daher Weisen zu gehören. "Gar kein so schlechtes Geschenk", so von Matts ironischer Bescheid, ein feiner Stich in unsere Eitelkeit.

Das Konventionelle erweist sich als zäh, das Bedeutende, sofern es abseitig scheint, hat es schwer. Auch wer den Sprachkritiker und Satiriker Karl Kraus liebt, hält ihn kaum für einen großen Lyriker. Zumal wenn Kraus mit einer doppelten Zumutung aufwartet: mit einem Gedicht an den Schnittlauch, das in der ernsten Form der alkäischen Ode gehalten ist. Von Matt vermag das Schwierigste: Er zeigt, dass dies vor den Schlachten und Propagandalügen des Ersten Weltkriegs geschriebene Gedicht im Motiv der Pflanze das berührende Sinnbild des Heilen findet. Hier zeigt sich der sonst so konziliante Interpret unmissverständlich entschieden: "Wer das unpoetisch findet, sollte seinen Poesiebegriff überdenken."

Peter von Matts großartiges "Wörterleuchten" ist mehr als ein Buch mit klugen und elegant geschriebenen Interpretationen. Es hat ein gar nicht so geheimes Zentrum. Ihr Verfasser muss es nicht eigens bezeichnen, und kein aufmerksamer Leser kann es verkennen. Das Schöne, wie es in den Interpretationen aufscheint, ist mehr als ein ästhetisches Phänomen, ein Produkt von Inspiration und Kunstfleiß. Es hat mit Wirklichkeit und Wahrheit zu tun. Manchmal geben die Schlüsse der Deutungen einen Wink. Am deutlichsten vielleicht aus Anlass von Rühmkorfs Gedicht "Außer der Liebe nichts". Da wird der Ironiker Rühmkorf einmal fromm und bekenntnishaft. Von Matt erkennt in Rühmkorfs Gedicht den Stolz des Sprachmächtigen, der die Wirklichkeit der Welt in sein Wort zu holen vermag. Mit jener Entschiedenheit, die er bei Karl Kraus gezeigt hat, folgt ihm der Interpret: "Wir spüren die Wucht der Wahrheit." Der Dichter ist ihrer nur poetisch teilhaftig. Auch der Deuter besitzt sie nicht. Er kann sie aber im Wörterleuchten aufscheinen lassen - als jene profane Erleuchtung, die uns alle angeht.

Peter von Matt: "Wörterleuchten". Kleine Deutungen deutscher Gedichte. Hanser Verlag, München 2009. 220 S., geb., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Was Lyrik bedeuten kann, hat Manfred Koch so knapp und prägnant wie in diesen Deutungen von Peter von Matt noch kaum je erklärt bekommen. Dabei weiß er genau, wie schwierig es ist, in aller Kürze ein Gedicht zu interpretieren. Matt gelingt das bravourös, wenn wir Koch glauben wollen, durch eine "schlackenlose, pointierte" Sprache, mit den Mitteln der Poesie selbst. So kann der Autor etwa eine Motivgeschichte in 15 Wörtern geben, das Gesamtwerk Eichendorffs in nur zwei Sätzen charakterisieren oder den Anspruch des "Klassischen" so bündig und unverstaubt formulieren wie nie. Besonders hat Koch fasziniert, wie hier lyrische Erfahrung erläutert und gleichsam offeriert wird - als Momente "gewaltiger Energie" und "unerhörter Gegenwart". Die 27 älteren und 33 neuen Interpretationen bilden für Koch eine höchst gelungene Anthologie deutscher Lyrik mit erhellenden Kommentaren.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Pointierte, erhellende, in einem vorbildlichen Deutsch vorgetragene Ausführungen." Günter Ott, Augsburger Allgemeine Zeitung, 10.03.09

"Ein Buch voller Überraschungen." Urs Allemann, Tages-Anzeiger, 25.03.09

"Ein reines Lektürevergnügen." Die Welt, 21.03.09

"Die Deutungen neben den Gedichten werden selbst zu kleinen Meisterwerken." Leipziger Volkszeitung, 04.06.09

"Ein Lieblingsbuch. Wird dreimal zu Weihnachten verschenkt." TZ, 04.12.09