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Eine Bestandsaufnahme der jüngsten Geschichte Polens. Der Autor ist seit 20 Jahren ein intimer Kenner der politischen Verhältnisse vor Ort.
Nach der Niederlage von Regierungschef Kaczynski bei der polnischen Parlamentswahl am 21. Oktober 2007 ging ein Aufatmen durch die westlichen Hauptstädte. Doch schon bald tauchte die bange Frage auf, ob es der neuen Regierung gelingen wird, möglichst rasch die schlimmsten Fehler der letzten beiden Jahre zu korrigieren die Beschädigung der Gewaltenteilung und des Rechtsstaats sowie die politische Isolierung Polens auf der europäischen Bühne. Die…mehr

Produktbeschreibung
Eine Bestandsaufnahme der jüngsten Geschichte Polens. Der Autor ist seit 20 Jahren ein intimer Kenner der politischen Verhältnisse vor Ort.
Nach der Niederlage von Regierungschef Kaczynski bei der polnischen Parlamentswahl am 21. Oktober 2007 ging ein Aufatmen durch die westlichen Hauptstädte. Doch schon bald tauchte die bange Frage auf, ob es der neuen Regierung gelingen wird, möglichst rasch die schlimmsten Fehler der letzten beiden Jahre zu korrigieren die Beschädigung der Gewaltenteilung und des Rechtsstaats sowie die politische Isolierung Polens auf der europäischen Bühne. Die zweijährige"Doppelherrschaft"der Kaczynskis an der Spitze von Staat und Regierung war kein politischer Betriebsunfall, nach dem man schnell zur demokratischparlamentarischen Tagesordnung übergehen kann. Die Ursachen reichen bis zum Systemwechsel im Jahr 1989 zurück, und die katastrophalen Folgen werden nicht von heute auf morgen zu beheben sein. Aber die enorme Mobilisierung der Wähler bei der letzten Parlamentswahl hat gezeigt, welche Energien in der polnischen Gesellschaft stecken. Das Buch bietet Antworten auf Fragen wie: Wo liegen die historischen und gesellschaftlichen Ursachen der Kaczynski-Ära? Wie lautet die innen und außenpolitische Schadensbilanz der letzten zwei Jahre? Worin bestehen die wichtigstenAufgaben der neuen Regierung? Welche Chancen hat Regierungschef Tusk unter Präsident Kaczynski? Was kann der Westen tun, um Polens Integration in Europa zu stärken?
Autorenporträt
Reinhold Vetter, geboren 1946; Ingenieur für Vermessungswesen, Studium der Politikwissenschaft und Journalistik; 1984 - 1988 beim WDR-Hörfunk in Köln, 1988 - 1994 ARD-Korrespondent (Hörfunk) in Warschau; Korrespondent des Handelsblattes zunächst in Warschau (1994 - 2000), dann in Budapest (2000 - 2003) und seit 2004 wieder in Warschau. Reinhold Vetter lebt als freier Wissenschaftler und Publizist in Berlin und Warschau mit dem Arbeitsschwerpunkt: Zeitgeschichte, Politik und Wirtschaft in Ostmitteleuropa. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, Aufsätze in Fachzeitschriften und regelmäßige Beiträge für die "Neue Züricher Zeitung".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.07.2008

Schmerzhafte Lektion
Eine Schadensbilanz der Kaczynski-Brüder in Polen
Sucht man nach den Ursprüngen des nationalkonservativen Denkens in Polen, wie es von den Kaczynskis repräsentiert wird, dann reicht es nicht, Erfahrungen in kommunistischen Zeiten zu analysieren, das politische Schicksal der Brüder in den Jahren 1989 bis 2005 nachzuzeichnen und ihre intellektuellen Stichwortgeber aus jüngster Zeit zu berücksichtigen”, schreibt Reinhold Vetter in seiner Suche nach dem Verständnis für die Entwicklung Polens heute. Und er fährt fort: „Vielmehr muss man bis in die zweite polnische Republik zwischen den beiden Weltkriegen zurückgehen, aus der traditionalistische Elemente des Denkens der Kaczynskis stammen.”
In der Tat. Zwar ist die Politik Polens inzwischen mit den vorgezogenen Neuwahlen zum Sejm im vergangenen Oktober durch die überwältigende Wahl von Donald Tusk zum neuen Regierungschef von außen gesehen wieder ins Lot gekommen. Doch über rund zwei Jahre lang hatte der Auftritt der Zwillingsbrüder an der Spitze des Staates für so viel Unruhe und Aufregung gesorgt, dass man sich allseits fragte, wie so etwas nur möglich sei. Dabei ist die Sorge im Lande selbst tatsächlich sehr viel größer gewesen als bei den Nachbarn auf der europäischen Bühne. Doch bis in die aktuelle Tagespolitik hinein sorgt das Präsidialamt von Lech Kaczynski, der als Staatsoberhaupt ja regulär noch gut zwei Jahre im Amt bleibt, weiter für allerhand Durcheinander und ständig wiederkehrende Verstimmung mit der Regierung.
Panne der Geschichte
Jüngste Beispiele für die europapolitische Dimension der Verhältnisse in Polen sind der Wirbel um die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages in Warschau, bei dem sich die Brüder erneut an die Spitze national-klerikaler Kreise stellten und Drohkulissen aufbauten, sowie aktuell in der Frage engerer Beziehungen zu Georgien und der Ukraine. Soweit irgendmöglich, macht sich der Staatspräsident Lech Kaczynski weiter recht ungeniert zum Vertreter der Parteiinteressen seines Bruders und konterkariert oder unterläuft nach Kräften die Politik der Regierung Tusk. Betroffen davon ist besonders das Verhältnis Polens zu den Nachbarstaaten, seine Rolle in EU und Nato, vor allem aber die Strategie des Landes in Form und Inhalt gegenüber Russland.
Insofern kommt die Publikation zum Thema „Wohin steuert Polen?” von Reinhold Vetter genau zum richtigen Zeitpunkt und geht einem weit verbreiteten Interesse nach. Denn die Aufgeschlossenheit im deutschsprachigen Raum gegenüber der Entwicklung in Polen ist doch beträchtlich, historisch gesehen ebenso wie unter wirtschaftlichem Gesichtspunkt. War, so stellt sich die Frage, die Machtübernahme durch Politiker vom Schlage der Gebrüder Kaczynski im Herbst 2005, also rund fünfzehn Jahre nach dem politischen Umbruch in Osteuropa, eher eine Panne der Geschichte oder einfach unausweichlich?
Schüren von Misstrauen
Eine erste Antwort darauf legt die graphische Gestaltung des Titels des Buches nahe. Sie zeigt einen farbigen Flächenfallschirm, an dem vor himmelblauer Kulisse eine kleine, dunkel gekleidete Figur hängt, unter der noch ein überproportional großes Segel in den polnischen Nationalfarben Weiß und Rot angebracht ist. Befindet sich die Politik Polens demzufolge im freien Fall, abhängig von Strömungen zwischen Mythen und Symbolen?
Der Autor Reinhold Vetter, der seit vielen Jahren als Korrespondent der ARD und des Handelsblattes in Polen tätig ist, geht solchen Fragen umfassend und mit nüchterner Analyse auf den Grund. Knapp und gut verständlich skizziert er den Hintergrund der Zwillingsbrüder und die Entwicklung ihrer politischen Karriere. Wie sie gezielt durch das Schüren von Misstrauen gegenüber Deutschland Stimmung machten, wie sie darangingen, Feindbilder und Schlüsselbegriffe neu zu besetzen, welche Anleihen bei den politischen Ahnen aus der Zwischenkriegszeit erfolgreich waren und mit welch rücksichtsloser Machtausübung sie ihre Ziele durchzusetzen verstanden. Klar und übersichtlich nennt der Autor Ross und Reiter auch in der innenpolitischen Schadensbilanz. Dabei ist seine Darstellung keineswegs einseitig.
Gut gegliedert, mit hilfreichen Literaturhinweisen und mit einer Zeittafel ausgestattet, liefert das Buch auf rund 200 Seiten Fakten und Anhaltspunkte dafür, weshalb im Dunstkreis von Skandalen und vermeintlichen Korruptionsaffären eine so simpel gestrickte Parteiideologie, wie die der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit” mit Hilfe der extremen Rechten in Polen an die Macht kommen konnte. Ein Lehrstück in Demokratie, denn die Wahlbeteiligung für den neuen Sejm lag im Herbst 2005 bei lediglich knapp 41 Prozent. Und selbst bei der kurz darauf folgenden Stichwahl für den Staatspräsidenten gingen damals auch nur 50 Prozent an die Urnen.
Doch der Autor geht auch auf die rasante wirtschaftliche Entwicklung des Landes ein, die Verwerfungen zwischen der gelenkten Staats- und der Marktwirtschaft, die enormen Umstrukturierungen im gesellschaftlichen und industriellen Bereich, den Mangel an demokratischen Erfahrungen, die Schwachpunkte im System, die partielle Dynamik ebenso wie die Passivität der seinerzeitigen Oppositionspartei, die jetzt die Regierung stellt. Trotz des eindeutigen Wahlsiegs der „Bürgerplattform” unter seinem Parteichef Donald Tusk und anhaltender Sympathiewerte bleibt daher nach Ansicht des Autors die Perspektive für die politische Entwicklung Polens in Europa noch weiter unsicher und gebremst. Eine schmerzhafte und zugleich hilfreiche Lektion, ein Sachbuch zur Zeitgeschichte, wie man es sich wünscht.
JULIAN H. WYSZYNSKI-TRZYWDAR
REINHOLD VETTER: Wohin steuert Polen? Das schwierige Erbe der Kaczynskis. Christoph Links Verlag, Berlin 2008. 207 Seiten, 16,90 Euro.
Politik mit Feindbildern: Polens damaliger Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski im September 2006 mit einer Maschinenpistole im Anschlag während einer Rüstungsmesse in Kielce. Foto: Dariusz Gacek/Reporter/Eastway
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als "umsichtiges, aufklärendes Journalistenbuch" lobt Rezensent Gunter Hofmann diese Betrachtungen über die Kaczynski-Ära und ihre Folgen. Denn es handelt sich nicht nur um eine "kleine Liebeserklärung" des Warschauer "Handelsblatt"-Korrespondenten an Polen, sondern das Buch verschaffe darüber hinaus auch viele Kenntnisse über das Land und seine Geschichte, die man dringend brauche, um den von den Zwillingen angefachten Kulturkrieg nicht auf dem gleichen Niveau zu beantworten.

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