Peggy Mädlers Roman über zwei Freundinnen, von denen die eine gelernt hat, dass es immer etwas zu verlieren gibt, und die andere, dass es immer irgendwie weitergeht. Eine Geschichte über das Älterwerden und Abschiednehmen, über Neuanfänge und das Immer-wieder-Weitermachen.
Almut und Rosa, zwei Mädchen im Böhmen der 1940er Jahre, sind beste Freundinnen. Als Almuts Vater überraschend stirbt und ihre Mutter Selbstmord begeht, nimmt Rosas Mutter, eine deutsche Kommunistin und Antifaschistin, die nach dem Krieg wie alle Deutschen die Tschechoslowakei verlassen muss, beide Mädchen mit nach Brandenburg. Sie teilen Erfahrungen von Verlust und Entwurzelung, aber auch von wachsender Verbundenheit mit dem neugegründeten Staat. Almut und Rosa werden Lehrerinnen, ziehen nach Berlin, doch mit 30 entscheidet sich Rosa abermals für einen Neuanfang: Wenige Monate vor dem Mauerbau steigt sie nur mit einer Handtasche in die S-Bahn nach Westberlin. Almuts Welt bricht auseinander, verliert ihrOben und Unten, ist sie doch selbst auf der Suche nach etwas, das bleibt.Ein halbes Jahrhundert später hat Almuts Tochter Elli ebenfalls eine beste Freundin, die Dramaturgin Kristine. Und sie ist es schließlich, die sich im Alter um Almut kümmert, als Elli in Basel eine Stelle am Theater hat. Erfahrungen und Erinnerungen lagern sich wie Sedimente ab. Lebenswege verschlingen sich, zwischen den Familien und den Generationen, es geht immer auch ums Weggehen, Ankommen oder Bleiben, und um den Moment, in dem man sieht, was wirklich zählt.
Almut und Rosa, zwei Mädchen im Böhmen der 1940er Jahre, sind beste Freundinnen. Als Almuts Vater überraschend stirbt und ihre Mutter Selbstmord begeht, nimmt Rosas Mutter, eine deutsche Kommunistin und Antifaschistin, die nach dem Krieg wie alle Deutschen die Tschechoslowakei verlassen muss, beide Mädchen mit nach Brandenburg. Sie teilen Erfahrungen von Verlust und Entwurzelung, aber auch von wachsender Verbundenheit mit dem neugegründeten Staat. Almut und Rosa werden Lehrerinnen, ziehen nach Berlin, doch mit 30 entscheidet sich Rosa abermals für einen Neuanfang: Wenige Monate vor dem Mauerbau steigt sie nur mit einer Handtasche in die S-Bahn nach Westberlin. Almuts Welt bricht auseinander, verliert ihrOben und Unten, ist sie doch selbst auf der Suche nach etwas, das bleibt.Ein halbes Jahrhundert später hat Almuts Tochter Elli ebenfalls eine beste Freundin, die Dramaturgin Kristine. Und sie ist es schließlich, die sich im Alter um Almut kümmert, als Elli in Basel eine Stelle am Theater hat. Erfahrungen und Erinnerungen lagern sich wie Sedimente ab. Lebenswege verschlingen sich, zwischen den Familien und den Generationen, es geht immer auch ums Weggehen, Ankommen oder Bleiben, und um den Moment, in dem man sieht, was wirklich zählt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2019Zielloses Heimweh
Peggy Mädlers Roman "Wohin wir gehen" ist Rückverwandlung von Zeitgeschichte in Alltag, eine Meditation über Bleibendes und Verschwindendes im Leben - und eine Eloge auf die Freundschaft.
Ein Lebensweg, der sich von oben betrachtet nicht als Arabeske ausnimmt, sondern als Strich, hat allen Zielstrebigkeitsempfehlungen zum Trotz etwas Tristes. Oft lauert das Glück schließlich in den Verschlingungen, finden Menschen auf Umwegen zueinander. Peggy Mädler nimmt in einem federleichten Roman nun (abermals) die gewundenen Lebenslinien mehrerer Personen aus gleich drei Generationen und drei politischen Systemen in den Blick. Das zunächst schwer überschaubare Spurenknäuel entwirrt sich im vor und zurück springenden Fortgang des Erzählens auf ganz unangestrengte Weise, so, als erhielten die einzelnen Lebensfäden jeweils ihre eigene Farbe. Dabei wird deutlich, wie sich über die Zeiten hinweg Muster wiederholen, Schlaufen der Zufriedenheit, aber auch lose Enden voller Enttäuschungen, Abschiede und Einsamkeit. Als Substrat des Buches könnte man das bezeichnen, was über solche Lebensbrüche seit je hinweghilft: die Bindekraft der Freundschaft. Hier ist es jeweils die Liebe zu einer Lebensfreundin, die selbst Eltern- und Partnerbeziehungen überdauert: "Jetzt bist du der Mensch, der mich am längsten kennt."
Mit wenigen gut gesetzten Strichen werden die Biographien der ersten Generation skizziert. Eine junge Deutsche namens Martha Glöckner lernt 1927 in Brno, damals Brünn, den Tschechen Karl Horák kennen und entscheidet sich für ein radikal mit den Erwartungen ihrer Eltern brechendes Leben. "Ist ihr bewusst", fragt die zurückblickende Erzählerin, die hier die Perspektive von Marthas Tochter einnimmt, "dass es keinen Weg zurück gibt?" Von Phasen der Schwermut ist das weitere Leben Marthas im nordböhmischen Reichenberg gezeichnet, nicht minder stark aber durch das Auftauchen Idas, einer unwahrscheinlichen Freundin: Kreißsaal-Nachbarin und überzeugte deutsche Kommunistin. Die Töchter der beiden Frauen, Almut, halbe Tschechin, und Rosa, Deutsche, wachsen unbekümmert als beste Freundinnen auf, bis die Zeitläufte diese Ära der Unschuld beenden. Der rücklings abgestürzte Engel der Geschichte nimmt Ida den Bruder und den Ehemann. Sie selbst aber, die Antifaschistin, überlebt die im Protektorat Böhmen und Mähren wütenden Nationalsozialisten. Almut hingegen verliert in dieser Zeit beide Eltern: den Vater an den Schlag und die Mutter an die Dunkelheit der Seele. Auch das Unglück, zeigt sich da, bewegt sich auf verschlungenen Pfaden.
Aus den Freundinnen werden endgültig Schwestern, als Ida die verwaiste Almut neben Rosa als zweite Tochter annimmt. Gemeinsam verlassen die drei nach dem Krieg die Tschechoslowakei, um im Osten Deutschlands den Sozialismus aufzubauen, bis ihnen allmählich das Leben, die Politik und die Ideologie in die Quere kommen. Peggy Mädler, 1976 in Dresden geboren und jüngst wohlverdient mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet, gelingt dabei ein gestochen scharfes, vielschichtiges Porträt der DDR aus der Perspektive jener, deren Hoffnungen bitter enttäuscht wurden. Bewusst setzt die Autorin auf jene reduzierte Faktensprache, mit der in sozialistischer Gefühlsabstinenz Gesellschaft zu erfassen versucht wurde. Man kann nun förmlich zusehen, wie die anfangs zwar bereits vom Mangel gekennzeichneten, aber noch offenen Strukturen sich nach und nach in eine Funktionärsdiktatur verwandeln. Nur für angepasste Bürger bleiben Freiräume. Eben das führt zu dem großen Zerwürfnis, das bald wie ein Schatten über dieser vom Schicksal zusammengefügten Familie hängt.
Die dritte porträtierte Generation besteht aus Almuts Tochter Elli und ihrer wiederum besten Freundin Kristine, die sich als Alleinerziehende in Berlin um die inzwischen alt gewordene Almut kümmert, während Elli mit ihrem Freund nach Basel gezogen ist. Vieles an dieser Frauenfreundschaft wirkt wie ein Spiegelbild der vorausliegenden, nur dass die belastende Trennung hier freiwillig vollzogen wurde. Wohin sie gehen, das wissen Mädlers Figuren nicht, aber dass sie eigentlich nur wieder beieinander ankommen möchten, wird ihnen allen mit der Zeit bewusst.
Spätestens seit Elena Ferrante kann der soziologisch potente Freundinnen-Roman nicht mehr als Nischengenre gelten. Während sich das Erzählte mit seinen Beiläufigkeiten in Bezug auf die junge DDR auch hier elegant zum Gesellschaftsporträt verdichtet (ohne gleich Jahrhundertroman sein zu wollen), wirkt das gentrifizierte Berlin der Gegenwartsebene leider etwas abziehbildhaft. Mädlers schlichter Stil, der auf alles Metaphorische und poetisch Mehrdeutige verzichtet, um ganz im Observieren aufzugehen, erinnert zudem mitunter an den raunenden Ton von Magazinreportagen: "Die Schatten der Bäume ziehen durch die verschiedenen Bilder und plötzlich ist auf einer der schwarz-weißen Fotografien doch auch Martha zu sehen, wie versehentlich hineingeraten. Der Blick fällt auf runde Schultern, darüber ein langer Hals, das leicht gelockte, dunkle Haar ist hochgesteckt . . . Das ist deine Großmutter, wird Almut Jahrzehnte später ihrer Tochter Elli erklären."
Meist wird in wechselnd personaler Perspektive erzählt, gern stakkatohaft im mitfühlenden Präsens: "Am Morgen frische Brötchen für das Frühstück besorgen, während Elli noch schläft. In den nächsten zwei Tagen zusammen ins Tinguely-Museum und in die Kunsthalle gehen und jedes Mal hat Elli schon den Eintritt bezahlt." Das rückt uns nah, beinahe aufdringlich nah an die Figuren heran, ist aber auch einer der Gründe dafür, warum der Roman so stark im Zweidimensionalen verbleibt. Was etwas kurz kommt in dieser so authentisch aus dem Leben gegriffenen Meditation über wahre Freundschaft ist die Tiefe, das Überindividuelle. Einmal immerhin wird Johannes Hofer erwähnt, jener Mediziner, der im 17. Jahrhundert die Schweizerkrankheit entdeckte, ein Heimweh, das zum Tod führen könne. Kurzgeschlossen mit der Idee, dass Heimat kein Ort ist, sondern Angenommensein, liegt da ein Schlüssel für die Erzählung bereit: Lebensfreunde zu besitzen, rettet vor Dunkelheit, führt aber später fast zwangsläufig zu einer Sehnsucht, die kaum zu ertragen ist. Und doch: ein lohnender Deal.
Ihre ganz im Konkreten verankerte Seifenblasen-Poetik - luftige Szenen und schillernde Erinnerungen vor historisch akkurater Kulisse - beherrscht die Autorin indes mit größter Souveränität. Die so sympathischen wie durchschnittlichen Heldinnen lassen uns, angesichts des Herzensheimwehs immer leicht melancholisch gestimmt, daran teilhaben, wie das Leben an ihnen vorüberzieht, als handele es sich um Landschaften vor dem Zugfenster.
Immer wieder meint man im Vorübereilen einen Weg wiederzuerkennen, ein Haus, eine winkende Person, aber letztlich speist sich aller Lebensmut vielleicht nur aus der Gewissheit, in diesem durch die Zeit donnernden Zug zu sitzen, in dem vor und nach und neben uns weitere Personen sitzen. Wir sind letztlich allein (zumal seit Gott nicht mehr an uns glaubt), aber mit etwas Glück gemeinsam allein.
OLIVER JUNGEN
Peggy Mädler: "Wohin wir gehen". Roman.
Galiani Verlag, Berlin 2019. 222 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Peggy Mädlers Roman "Wohin wir gehen" ist Rückverwandlung von Zeitgeschichte in Alltag, eine Meditation über Bleibendes und Verschwindendes im Leben - und eine Eloge auf die Freundschaft.
Ein Lebensweg, der sich von oben betrachtet nicht als Arabeske ausnimmt, sondern als Strich, hat allen Zielstrebigkeitsempfehlungen zum Trotz etwas Tristes. Oft lauert das Glück schließlich in den Verschlingungen, finden Menschen auf Umwegen zueinander. Peggy Mädler nimmt in einem federleichten Roman nun (abermals) die gewundenen Lebenslinien mehrerer Personen aus gleich drei Generationen und drei politischen Systemen in den Blick. Das zunächst schwer überschaubare Spurenknäuel entwirrt sich im vor und zurück springenden Fortgang des Erzählens auf ganz unangestrengte Weise, so, als erhielten die einzelnen Lebensfäden jeweils ihre eigene Farbe. Dabei wird deutlich, wie sich über die Zeiten hinweg Muster wiederholen, Schlaufen der Zufriedenheit, aber auch lose Enden voller Enttäuschungen, Abschiede und Einsamkeit. Als Substrat des Buches könnte man das bezeichnen, was über solche Lebensbrüche seit je hinweghilft: die Bindekraft der Freundschaft. Hier ist es jeweils die Liebe zu einer Lebensfreundin, die selbst Eltern- und Partnerbeziehungen überdauert: "Jetzt bist du der Mensch, der mich am längsten kennt."
Mit wenigen gut gesetzten Strichen werden die Biographien der ersten Generation skizziert. Eine junge Deutsche namens Martha Glöckner lernt 1927 in Brno, damals Brünn, den Tschechen Karl Horák kennen und entscheidet sich für ein radikal mit den Erwartungen ihrer Eltern brechendes Leben. "Ist ihr bewusst", fragt die zurückblickende Erzählerin, die hier die Perspektive von Marthas Tochter einnimmt, "dass es keinen Weg zurück gibt?" Von Phasen der Schwermut ist das weitere Leben Marthas im nordböhmischen Reichenberg gezeichnet, nicht minder stark aber durch das Auftauchen Idas, einer unwahrscheinlichen Freundin: Kreißsaal-Nachbarin und überzeugte deutsche Kommunistin. Die Töchter der beiden Frauen, Almut, halbe Tschechin, und Rosa, Deutsche, wachsen unbekümmert als beste Freundinnen auf, bis die Zeitläufte diese Ära der Unschuld beenden. Der rücklings abgestürzte Engel der Geschichte nimmt Ida den Bruder und den Ehemann. Sie selbst aber, die Antifaschistin, überlebt die im Protektorat Böhmen und Mähren wütenden Nationalsozialisten. Almut hingegen verliert in dieser Zeit beide Eltern: den Vater an den Schlag und die Mutter an die Dunkelheit der Seele. Auch das Unglück, zeigt sich da, bewegt sich auf verschlungenen Pfaden.
Aus den Freundinnen werden endgültig Schwestern, als Ida die verwaiste Almut neben Rosa als zweite Tochter annimmt. Gemeinsam verlassen die drei nach dem Krieg die Tschechoslowakei, um im Osten Deutschlands den Sozialismus aufzubauen, bis ihnen allmählich das Leben, die Politik und die Ideologie in die Quere kommen. Peggy Mädler, 1976 in Dresden geboren und jüngst wohlverdient mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet, gelingt dabei ein gestochen scharfes, vielschichtiges Porträt der DDR aus der Perspektive jener, deren Hoffnungen bitter enttäuscht wurden. Bewusst setzt die Autorin auf jene reduzierte Faktensprache, mit der in sozialistischer Gefühlsabstinenz Gesellschaft zu erfassen versucht wurde. Man kann nun förmlich zusehen, wie die anfangs zwar bereits vom Mangel gekennzeichneten, aber noch offenen Strukturen sich nach und nach in eine Funktionärsdiktatur verwandeln. Nur für angepasste Bürger bleiben Freiräume. Eben das führt zu dem großen Zerwürfnis, das bald wie ein Schatten über dieser vom Schicksal zusammengefügten Familie hängt.
Die dritte porträtierte Generation besteht aus Almuts Tochter Elli und ihrer wiederum besten Freundin Kristine, die sich als Alleinerziehende in Berlin um die inzwischen alt gewordene Almut kümmert, während Elli mit ihrem Freund nach Basel gezogen ist. Vieles an dieser Frauenfreundschaft wirkt wie ein Spiegelbild der vorausliegenden, nur dass die belastende Trennung hier freiwillig vollzogen wurde. Wohin sie gehen, das wissen Mädlers Figuren nicht, aber dass sie eigentlich nur wieder beieinander ankommen möchten, wird ihnen allen mit der Zeit bewusst.
Spätestens seit Elena Ferrante kann der soziologisch potente Freundinnen-Roman nicht mehr als Nischengenre gelten. Während sich das Erzählte mit seinen Beiläufigkeiten in Bezug auf die junge DDR auch hier elegant zum Gesellschaftsporträt verdichtet (ohne gleich Jahrhundertroman sein zu wollen), wirkt das gentrifizierte Berlin der Gegenwartsebene leider etwas abziehbildhaft. Mädlers schlichter Stil, der auf alles Metaphorische und poetisch Mehrdeutige verzichtet, um ganz im Observieren aufzugehen, erinnert zudem mitunter an den raunenden Ton von Magazinreportagen: "Die Schatten der Bäume ziehen durch die verschiedenen Bilder und plötzlich ist auf einer der schwarz-weißen Fotografien doch auch Martha zu sehen, wie versehentlich hineingeraten. Der Blick fällt auf runde Schultern, darüber ein langer Hals, das leicht gelockte, dunkle Haar ist hochgesteckt . . . Das ist deine Großmutter, wird Almut Jahrzehnte später ihrer Tochter Elli erklären."
Meist wird in wechselnd personaler Perspektive erzählt, gern stakkatohaft im mitfühlenden Präsens: "Am Morgen frische Brötchen für das Frühstück besorgen, während Elli noch schläft. In den nächsten zwei Tagen zusammen ins Tinguely-Museum und in die Kunsthalle gehen und jedes Mal hat Elli schon den Eintritt bezahlt." Das rückt uns nah, beinahe aufdringlich nah an die Figuren heran, ist aber auch einer der Gründe dafür, warum der Roman so stark im Zweidimensionalen verbleibt. Was etwas kurz kommt in dieser so authentisch aus dem Leben gegriffenen Meditation über wahre Freundschaft ist die Tiefe, das Überindividuelle. Einmal immerhin wird Johannes Hofer erwähnt, jener Mediziner, der im 17. Jahrhundert die Schweizerkrankheit entdeckte, ein Heimweh, das zum Tod führen könne. Kurzgeschlossen mit der Idee, dass Heimat kein Ort ist, sondern Angenommensein, liegt da ein Schlüssel für die Erzählung bereit: Lebensfreunde zu besitzen, rettet vor Dunkelheit, führt aber später fast zwangsläufig zu einer Sehnsucht, die kaum zu ertragen ist. Und doch: ein lohnender Deal.
Ihre ganz im Konkreten verankerte Seifenblasen-Poetik - luftige Szenen und schillernde Erinnerungen vor historisch akkurater Kulisse - beherrscht die Autorin indes mit größter Souveränität. Die so sympathischen wie durchschnittlichen Heldinnen lassen uns, angesichts des Herzensheimwehs immer leicht melancholisch gestimmt, daran teilhaben, wie das Leben an ihnen vorüberzieht, als handele es sich um Landschaften vor dem Zugfenster.
Immer wieder meint man im Vorübereilen einen Weg wiederzuerkennen, ein Haus, eine winkende Person, aber letztlich speist sich aller Lebensmut vielleicht nur aus der Gewissheit, in diesem durch die Zeit donnernden Zug zu sitzen, in dem vor und nach und neben uns weitere Personen sitzen. Wir sind letztlich allein (zumal seit Gott nicht mehr an uns glaubt), aber mit etwas Glück gemeinsam allein.
OLIVER JUNGEN
Peggy Mädler: "Wohin wir gehen". Roman.
Galiani Verlag, Berlin 2019. 222 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein zartes, liebevolles Buch über Freundschaft, über die Freundschaft zwischen zwei Frauen, ein Buch über Heimat und Entwurzelung und eine Hommage an die Kraft und den Zauber des Erzählens. Nicola Steiner Radio SRF 2 Kultur 52 beste Bücher 20190712