Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den wohlverdienten Ruhestand, Arbeitskräfte fehlen. Wie angesichts des demografischen Wandels künftig die Renten und Pensionen gezahlt werden, ist unklar. Zu den Lösungsvorschlägen gehört auch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit; in der Professorenschaft ist Bereitschaft zur freiwilligen Längerarbeit überproportional groß. Die bestehenden, ökonomisch sinnvollen Regelungen lassen diese bereits zu; die Praxis an den Universitäten ist jedoch höchst heterogen. Der interdisziplinär angelegte Band beleuchtet die maßgeblichen Aspekte des Beamten-, Hochschul-, Europarechts und der Rechtsvergleichung sowie die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer potenziellen Anpassung des Ruhestandsalters. Mit konkreten Vorschlägen aus juristischer und ökonomischer Perspektive entwickeln die "Augsburger-Freiburger Thesen" das bisherige Recht praxistauglich weiter.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2023Länger arbeiten
Professoren dienen als Vorbild
Wohlstand kann durch Längerbeschäftigung gesichert werden. Aber wer will länger arbeiten? Unter den Universitätsprofessoren, schreiben Lars Feld und Thomas M. J. Möllers, sei die Bereitschaft groß. Doch während einige Universitäten die Weiterbeschäftigung ermöglichen, schließen andere eine solche gänzlich aus. Letzteres ist möglicherweise rechtswidrig. Es verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, meinen Feld und Möllers. Verbote widersprächen zudem dem Regelungszweck des Gesetzgebers, die Versorgungskassen sicherer zu machen.
Politisch kommt Unterstützung aus der CDU. Generalsekretär Carsten Linnemann hatte angeregt, dass jeder, der wolle, in seinem Beruf freiwillig länger arbeiten können solle. Allerdings verlangt dies bei Beamten ein sogenanntes "dienstliches Interesse". Die Anforderungen, wann das vorliegt, sind unterschiedlich: In manchen Bundesländern muss es der Beamte nachweisen, was oft nicht gelingt. In den USA dürfen Professoren seit 1994 so lange arbeiten, wie sie wollen. Das Durchschnittsalter hat sich dadurch nur gering erhöht. Was aber ist mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs? Ist eine ausgewogene Altersstruktur nicht auch erstrebenswert? Bei der Weiterbeschäftigung gehe es nur um drei Jahre, heißt es dazu. Die Auswirkungen seien gering: Bei einer Fakultät von 25 Mitgliedern, die jeweils für 25 Jahre eine Professur innehaben, würde statt alle 12 Monate eine Stelle alle 13 Monate frei werden, "was schwerlich eine dramatische Änderung ist", wie der Ökonom Michael Krause schreibt. Für Ältere könne man "Seniorprofessuren" einführen. In manchen Bundesländern gibt es diese schon. Sie sind in der Regel von Gremienarbeit befreit. Jüngere Akademiker, die an der Universität nicht gebraucht würden, könnten, so meinen Feld und Möllers, "angesichts der allgemeinen demographischen Entwicklung problemlos und mit hoher Produktivität bei anderen staatlichen Arbeitgebern, Forschungsinstitutionen und in der Privatwirtschaft tätig werden". Das Buch enthält als "Augsburger-Freiburger Thesen" bezeichnete spannende Vorschläge, wie die freiwillige Längerarbeit umgesetzt werden kann. Auf die Kraft seiner Wissenschaftler sollte Deutschland nicht verzichten. JOCHEN ZENTHÖFER
Lars P. Feld und Thomas M. J. Möllers (Hrsg.): Wohlstandssicherung durch freiwillige Längerbeschäftigung, Mohr Siebeck, Tübingen 2023, 181 Seiten, 89 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Professoren dienen als Vorbild
Wohlstand kann durch Längerbeschäftigung gesichert werden. Aber wer will länger arbeiten? Unter den Universitätsprofessoren, schreiben Lars Feld und Thomas M. J. Möllers, sei die Bereitschaft groß. Doch während einige Universitäten die Weiterbeschäftigung ermöglichen, schließen andere eine solche gänzlich aus. Letzteres ist möglicherweise rechtswidrig. Es verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, meinen Feld und Möllers. Verbote widersprächen zudem dem Regelungszweck des Gesetzgebers, die Versorgungskassen sicherer zu machen.
Politisch kommt Unterstützung aus der CDU. Generalsekretär Carsten Linnemann hatte angeregt, dass jeder, der wolle, in seinem Beruf freiwillig länger arbeiten können solle. Allerdings verlangt dies bei Beamten ein sogenanntes "dienstliches Interesse". Die Anforderungen, wann das vorliegt, sind unterschiedlich: In manchen Bundesländern muss es der Beamte nachweisen, was oft nicht gelingt. In den USA dürfen Professoren seit 1994 so lange arbeiten, wie sie wollen. Das Durchschnittsalter hat sich dadurch nur gering erhöht. Was aber ist mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs? Ist eine ausgewogene Altersstruktur nicht auch erstrebenswert? Bei der Weiterbeschäftigung gehe es nur um drei Jahre, heißt es dazu. Die Auswirkungen seien gering: Bei einer Fakultät von 25 Mitgliedern, die jeweils für 25 Jahre eine Professur innehaben, würde statt alle 12 Monate eine Stelle alle 13 Monate frei werden, "was schwerlich eine dramatische Änderung ist", wie der Ökonom Michael Krause schreibt. Für Ältere könne man "Seniorprofessuren" einführen. In manchen Bundesländern gibt es diese schon. Sie sind in der Regel von Gremienarbeit befreit. Jüngere Akademiker, die an der Universität nicht gebraucht würden, könnten, so meinen Feld und Möllers, "angesichts der allgemeinen demographischen Entwicklung problemlos und mit hoher Produktivität bei anderen staatlichen Arbeitgebern, Forschungsinstitutionen und in der Privatwirtschaft tätig werden". Das Buch enthält als "Augsburger-Freiburger Thesen" bezeichnete spannende Vorschläge, wie die freiwillige Längerarbeit umgesetzt werden kann. Auf die Kraft seiner Wissenschaftler sollte Deutschland nicht verzichten. JOCHEN ZENTHÖFER
Lars P. Feld und Thomas M. J. Möllers (Hrsg.): Wohlstandssicherung durch freiwillige Längerbeschäftigung, Mohr Siebeck, Tübingen 2023, 181 Seiten, 89 Euro.
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