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Kann die Hirnforschung Religion erklären?- Die Experimente der Hirnforscher kritisch beleuchtet- Eine heiße Diskussion zwischen Naturwissenschaftlern und Theologen- Was ist von Nahtoderfahrungen zu halten?

Produktbeschreibung
Kann die Hirnforschung Religion erklären?- Die Experimente der Hirnforscher kritisch beleuchtet- Eine heiße Diskussion zwischen Naturwissenschaftlern und Theologen- Was ist von Nahtoderfahrungen zu halten?
Autorenporträt
Goller, HansHans Goller, geboren 1942, Prof. Dr., Psychologe, Psychotherapeut, Philosoph und Theologe; Mitglied der Gesellschaft Jesu (Jesuiten); bis zu seiner Emeritierung Universitätsprofessor für Christliche Philosophie in Innsbruck; zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themenbereichen Nahtoderfahrung, Leib-Seele-Problem, Hirnforschung und Bewusstsein.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2015

Rein in den Tunnel und rauf in höhere Sphären
Das soll christliche Philosophie sein? Hans Goller versucht sich am richtigen neurowissenschaftlichen Gottesbeweis

Muss das auch noch sein? So fragt man sich, wenn man das erste Mal mit dem Begriff Neurotheologie konfrontiert wird. An die Neurodidaktik, die über die Hirnforschung die Schulpädagogik verbessern will, hat man sich schon gewöhnt, genauso wie an die Neuroökonomie, die Entscheidungen in der Wirtschaft neurowissenschaftlich zu analysieren versucht. Und nun also auch die Neurotheologie, mit der die Neurowissenschaften den Gottesglauben und das religiöse Empfinden angehen.

Muss es sein? Das fragt man sich auch, wenn man Hans Gollers sorgfältige und umfassende Darstellung der neurowissenschaftlichen Experimente und Erkenntnisse zur Neurotheologie liest. Denn die Neurowissenschaft ist Teildisziplin der Naturwissenschaften und so ist das Ergebnis auch ohne Experimente schon von vorneherein klar: In den Naturwissenschaften gibt es keine Seele und keinen Gott. Daher müssen Beschäftigungen mit Glaubensfragen aus der Sicht der Neurowissenschaft pure Hirnfunktionen sein.

Hans Goller erweist der Hirnforschung damit sehr viel Ehre, wenn er der Neurotheologie ein ganzes Buch widmet. Liest man aber, dass er emeritierter Professor für christliche Philosophie der Universität Innsbruck und Mitglied der Jesuiten ist, ahnt man schon, dass es für die Neurowissenschaften kein gutes Ende nehmen wird. So ist es dann auch.

Was aber hat die Neurotheologie herausgefunden? Die Aktivität des Gehirns war bei Mönchen, die meditierten, und bei Nonnen, die beteten, verändert. Vordere Teile des Gehirns, die mit Aufmerksamkeit zu tun haben, waren im bildgebenden Verfahren der Kernspintomographie stärker aktiv, während seitliche Hirnbereiche, die an Raum- und Zeitempfinden beteiligt sind, weniger aktiv waren. Dauerhafte Veränderungen in Funktion und Hirnstruktur zeigten sich vor allem in den vorderen Hirnbereichen bei Menschen, die seit langem meditieren. Auch Beten führte bei religiösen und nichtreligiösen Menschen zu unterschiedlichen Aktivitätsmustern des Gehirns. Epileptische Anfälle im Schläfenlappen des Gehirns, die immer mal wieder als Ursache der Bekehrung des Paulus diskutiert werden, bewirkten in Einzelfällen mystisch-religiöse Erfahrungen. Und in einer bei Wiederholung durch eine andere Arbeitsgruppe nicht reproduzierbaren Reizung von Hirnarealen durch transkranielle Magnetstimulation - medienwirksam als "Gotteshelm" bezeichnet - konnten religiöse Empfindungen ausgelöst werden.

Aber was sagt das schon? Es ist wohl keine Frage, dass all unser Handeln und unser Denken zumindest zur Umsetzung unser Gehirn benötigen. Zudem wissen wir, dass das Gehirn ein sich ständig selbst optimierendes System ist, bei dem alles, was wir tun und denken, zu Veränderungen seiner Struktur führt. Also ist auch zu erwarten, dass religiöses Tun oder Empfinden Spuren im Gehirn hinterlässt. Genau das zeigen dann auch die neurowissenschaftlichen Experimente. Die Frage bleibt allerdings, ob all das im Gehirn auch seinen Ursprung hat.

Mit Akribie und dem Bemühen um Fairness nimmt sich Hans Goller nacheinander die neurotheologischen Arbeiten vor, was zwangsläufig zu Wiederholungen in den Analysen und Einschätzungen führt, aber auch jederzeit Quereinstiege ermöglicht. Er wählt dabei eine klar verständliche und von Fachwörtern freie Sprache, die nur zu wenigen und kleineren Ungenauigkeiten führt und die teilweise komplexen Versuchsbedingungen gut nachvollziehen lässt. Goller weist auch schonungslos auf die Schwächen im experimentellen Aufbau oder auf die von den Autoren teilweise sogar selbst vorgenommene Überinterpretation ihrer Daten hin und flankiert sie mit philosophischen Gedanken und Modellen. Auch gewährt er den Überlegungen der Neurowissenschaftler - ihren nicht-wissenschaftlichen Interpretationen, ihren Äußerungen in den Medien und ihren persönlichen Einstellungen zur Religion - weiten Raum. Das ist für einen geisteswissenschaftlichen Autor nicht ungewöhnlich, konterkariert aber das naturwissenschaftliche Prinzip, dass die Erkenntnisse so weit wie möglich personenunabhängig sein sollen. Doch dies schränkt die Leistung des Autors nicht ein, gut verständlich und sachlich richtig über die noch ziemlich mageren neurotheologischen Ergebnisse und Meinungen zu informieren - und damit zu demonstrieren, dass die Hirnforschung nicht die Religion und schon gar nicht die Nichtexistenz Gottes beweisen kann.

Doch dann holt Hans Goller zum Gegenschlag aus und wirft die Nahtoderlebnisse in die Schlacht. Auch hier stellt er ausführlich die neurowissenschaftlichen Studien zu Berichten von Menschen vor, die kurzzeitig klinisch tot waren und nach der Reanimation von Tunnelerlebnissen, Geborgenheitsgefühlen, Begegnungen mit bereits verstorbenen Verwandten und dem Erleben einer großen personalisierten Liebe erzählten. Damit versucht der Autor zu beweisen, dass auch ohne Hirnfunktion und damit unabhängig vom Gehirn Bewusstsein existiert. Man kann das als Versuch ansehen, Gott und Seele neurowissenschaftlich zu beweisen. Dieser Versuch irritiert, weil er nun die zuvor zu Recht festgestellte Unvollständigkeit des neurowissenschaftlichen Wissens von der Entstehung des Bewusstseins im Gehirn unberücksichtigt lässt; und der Versuch scheitert auch deshalb, weil das Erlöschen jeglicher Hirnaktivität nicht kurzfristig und erst recht nicht mit oberflächlichen Methoden wie EEG-Ableitungen feststellbar ist.

Man kann vielleicht auch noch anmerken, dass es ziemlich enttäuschend wäre, ließe Gott sich mit einem so billigen Trick der Wissenschaftler in die Karten schauen. Aber damit ist man dann endgültig beim Glauben angelangt.

MICHAEL MADEJA.

Hans Goller: "Wohnt Gott im Gehirn?" Warum die Neurowissenschaften die Religion nicht erklären.

Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer 2015. 295 S., geb., 24,95 [Euro].

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