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Now a New York Times bestseller and longlisted for the National Book Award-"One of the most compelling books of the year" (Blake Butler, Vice). Beautifully written and unexpectedly moving, Wolf in White Van is "a stunning meditation on the power of escape, and on the cat-and-mouse contest the self plays to deflect its own guilt" (The New York Times Book Review, Editors' Choice).

Produktbeschreibung
Now a New York Times bestseller and longlisted for the National Book Award-"One of the most compelling books of the year" (Blake Butler, Vice). Beautifully written and unexpectedly moving, Wolf in White Van is "a stunning meditation on the power of escape, and on the cat-and-mouse contest the self plays to deflect its own guilt" (The New York Times Book Review, Editors' Choice).
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Autorenporträt
John Darnielle is a writer, composer, guitarist, and vocalist for the band the Mountain Goats; he is widely considered one of the best lyricists of his generation. He lives in Durham, North Carolina, with his wife and son.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2016

Ballerspiele ohne Grenzen
Der Musiker John Darnielle erzählt in seinem Roman „Wolf in White Van“ von einem Jungen,
dessen Gesicht durch einen Unfall entstellt wurde – und davon, wie er sich den Weg ins Leben freischießt
VON LUISE CHECCHIN
Was tun, wenn einem auf dem Supermarktparkplatz ein Mann entgegenkommt, dessen Gesicht aussieht wie ein Reifenprofil? Vermutlich würde man intuitiv den Blick abwenden, um dann, verstohlen aus den Augenwinkeln, umso genauer hinzuschauen – zu dieser Fratze aus Hautlappen, mit einem Schlitz, wo einmal der Mund war.
  Sean, der Ich-Erzähler aus John Darnielles „Wolf in White Van“, hat so ein Gesicht, den Reifenprofil-Vergleich stellt er selbst an. Die verstohlenen Augenwinkel-Blicke mag er allerdings gar nicht. „Leute wie ich“, erklärt Sean, „ziehen Teenager anderen Menschen vor. Sie haben keine Angst zu starren.“ Wenn ein Jugendlicher Sean also auf einem Parkplatz vor lauter Verblüffung „Alter, dein Gesicht“ zuruft, ist der ganz und gar nicht pikiert, im Gegenteil. Er bleibt stehen, lässt sich eine Kippe geben und erzählt dem Jungen seine Geschichte. In dieser Geschichte gibt es einen Schlüsselmoment: Als Sean 17 Jahre alt war, schoss er sich mit einem Gewehr ins Gesicht. Seitdem ist er ein Pflegefall, lebt zurückgezogen von der Außenwelt. Seine zwischenmenschlichen Beziehungen sind größtenteils postalischer Natur.
  Sean ist Spielleiter von „Trace Italian“, einem Rollenspiel, das er sich ausdachte, als er nach seinem vermeintlichen Unfall schwer verletzt im Krankenhaus lag und „vor der Wahl stand, entweder innere Welten zu erschaffen oder überhaupt keine Welt zu haben“.
  „Trace Italian“ handelt von der Suche nach einer sicheren Zuflucht in einer feindlichen Umwelt. Das „Trace“ ist eine Festung, gelegen irgendwo in einem postapokalyptischen Amerika. Mit jedem Zug, den der Spieler macht, versucht er, dem „Trace“ ein Stück näherzukommen, kämpft sich durch staubiges Ödland, vorbei an Mutanten und Zauberern, muss Hunger und Durst überwinden.
  Das Ganze funktioniert komplett analog – der Spieler schickt seinen Zug per Post, und Sean antwortet mit einem nächsten Stück der Abenteuergeschichte. Für Sean sind die Spieler so etwas wie Brieffreunde, und so wie er selbst nicht mehr zwischen Geschäftlichem und Privatem unterscheidet, geht es auch seinen Kunden: Zwei Jugendliche, die ihm besonders nahegekommen waren, verunglücken eines Tages, weil sie das Spiel in die Wirklichkeit übertragen wollten.
  Es ist dieses Ereignis, das Sean dazu bringt, sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Nach und nach tastet er sich vor zu der Nacht, die sein Leben für immer verändert hat. Doch die Puzzleteile, die Sean dem Leser anbietet, ergeben kaum ein Ganzes. Sicher, im Laufe der Lektüre ist es möglich, sich einige Dinge zusammenzureimen: Die Gewaltfantasien, die Sean seit seiner Kindheit kultivierte, seine Außenseiterrolle in der Schule, die Schwertkataloge, die er bestellte, seine Begeisterung für Conan, den Barbaren. Aber wie können ein paar jugendliche Hirngespinste zu einer solchen Tat führen?
  Bald nimmt der Leser die Rolle von Seans Eltern ein, die etwas zu ergründen suchen, für das es keine triftigen Gründe zu geben scheint. Eigentlich ist dies das Traurigste an der Geschichte: der tiefe Graben aus Unverständnis, der zwischen Sean und dem Rest der Welt verläuft.
  „Wolf in White Van“ erzählt vom Kreisen um einen Kern, der nicht zu existieren scheint. Das ist gleichermaßen frustrierend wie fesselnd. Die Unschärfen an den entscheidenden Stellen sind freilich nur zu ertragen, weil die Erzählung ansonsten ungemein präzise ist. John Darnielle ist im Hauptberuf Sänger der US-amerikanischen Indie-Band The Mountain Goats, und so eingängig wie seine Lieder, so auf den Punkt gebracht sind auch Seans Wahrnehmungen der Welt. Über seinen Dämmerzustand im Krankenhausbett heißt es etwa: „Die Worte schwebten einfach an meinem Bewusstsein vorbei, wie ein Newsticker am unteren Bildschirmrand während einer Baseballübertragung.“ Seans Vorliebe für ein Computerspiel, in dem man Bomben auf eine Stadt fallen lässt, erklärt er folgendermaßen: „Xevious ist ein sehr entspannendes Spiel. Es zu spielen war, als beobachtete man Blumen beim Aufblühen.“
  Es liegt an dieser beiläufigen, dabei aber sehr eindringlichen Sprache, dass „Wolf in White Van“ so fasziniert. Auch wer Fantasy-Romane und Ballerspiele ausschließlich mit vermüllten Jungszimmern assoziiert, will weiterlesen. Die dunklen Machtfantasien des jungen Sean mögen einem fremd bleiben, aber seine fundamentale Verlorenheit und der Drang, sich in eine andere Welt zu träumen, dürften jedem bekannt vorkommen, der das dreizehnte Lebensjahr überschritten hat. Darnielle fängt etwas ein, das in der sentimentalen Rückschau auf die Jugendzeit meist verklärt wird: Das Gefühl, anders zu sein als alle anderen, isoliert und unverstanden.
  Sean ist der perfekte Protagonist, um davon zu erzählen, schließlich hat er sich in gewisser Weise seine Jugend für immer bewahrt. Zum einen, weil sein versehrtes Gesicht ihn auf ewig zum Außenseiter gemacht hat. Zum anderen aber auch, weil er sich der Erwachsenenwelt noch lange nach seinem Unfall entzieht und stattdessen die Parallelwelt des „Trace Italian“ bevorzugt. Wobei – und das ist noch ein Grund dafür, dass dieses Buch so schön rätselhaft erscheint – Sean mit seinem Leben nach dem Unfall alles in allem sehr zufrieden ist.
  Das Versprechen einer sicheren Festung im Niemandsland ist freilich ein leeres. Denn was Sean seinen Spielern nicht verrät: Theoretisch ist es zwar möglich, ins „Trace“ zu gelangen. In der Realität braucht man dazu allerdings so viele Züge, dass niemand je so lange leben wird, um es zu schaffen. Mit dieser Einsicht kommt Sean dann doch sehr erwachsen daher.
John Darnielle: Wolf in White Van. Aus dem Englischen von Tobias Schnettler. Eichborn Verlag bei Bastei Lübbe, Köln 2016. 256 Seiten, 18 Euro. E-Book 13,99 Euro.
Im Krankenhaus entschied Sean
sich, innere Welten zu erschaffen,
statt gar keine Welt zu haben
Das Gefühl der Verlorenheit
dürfte jedem aus seiner eigenen
Jugend bekannt vorkommen
So eingängig wie die Lieder des Musikers John Darnielle, so präzise ist seine Prosa.
Foto: Roberto Ricciuti / Getty Images
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