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Wolfgang Koeppen hat seinen Roman ›Das Treibhaus‹, einen der wichtigsten literarischen Texte der frühen Bundesrepublik, während des Frühsommers 1953 im ›Hotel am Marktplatz‹ in Stuttgart geschrieben – einem ehemaligen, 1941 gebauten Bunker, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Hotel betrieben wurde. Der unterirdische Schreibplatz ist bezeichnend für einen Autor, der für sich stets die Position des beobachtenden Außenseiters reklamierte, sich aber durch seine Ortswahl immer auch zu disziplinieren versuchte: In der Tat legten sich Koeppens Schreibschwierigkeiten im winzigen fensterlosen…mehr

Produktbeschreibung
Wolfgang Koeppen hat seinen Roman ›Das Treibhaus‹, einen der wichtigsten literarischen Texte der frühen Bundesrepublik, während des Frühsommers 1953 im ›Hotel am Marktplatz‹ in Stuttgart geschrieben – einem ehemaligen, 1941 gebauten Bunker, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Hotel betrieben wurde. Der unterirdische Schreibplatz ist bezeichnend für einen Autor, der für sich stets die Position des beobachtenden Außenseiters reklamierte, sich aber durch seine Ortswahl immer auch zu disziplinieren versuchte: In der Tat legten sich Koeppens Schreibschwierigkeiten im winzigen fensterlosen Einzelzimmer unter der Erde. Während auf der Oberfläche das Zivilleben der Wirtschaftswunder-Republik schon beinahe wieder reibungslos funktioniert, schlägt der Schriftsteller an einem Ort, der an Krieg und Zerstörung gemahnt, Wörter gegen das Vergessen und gegen die Wiederaufrüstung aufs Papier.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2009

Im Bunker

"Der Schriftsteller hat meiner Meinung nach in seiner Arbeitsmethode zuviel Freiheit, und er braucht eine gewisse Ordnung und eine gewisse Disziplin": selten konnte Wolfgang Koeppen der eigenen Einsicht folgen. Vielmehr perfektionierte er zum Leidwesen seiner Verleger ein Autorenleben lang seine legendäre Kunst des Nichtschreibens. Aber unter der Erde gab es für Koeppen plötzlich keine Schreibkrise. Mit einem halbfertigen Manuskript war der Schriftsteller im April 1953 nach Stuttgart gereist, um fern von seiner alkoholkranken Frau den Roman "Das Treibhaus" fertigzustellen. Er wechselte mehrfach die Unterkunft, bis er im "Hotel am Marktplatz" einen idealen Platz zum Schreiben fand: Ein 1941 erbauter Luftschutzbunker unter dem Markt war 1945 zum Hotel umfunktioniert worden, das bis 1985 existierte. Oliver Kobold schildert in den Marbacher "Spuren" diesen skurrilen Ort. Im fensterlosen Zimmer dröhnte die Schreibmaschine "mit ihrem Klappern gegen Betonwände", wie der "Bunkermensch" (Koeppen über Koeppen) aus der asketischen "Gefängniszelle" seiner Frau zufrieden berichtete. Anfang Juli verlässt er erfolgreich das Hotel. Das Ergebnis, Koeppens Roman über das politische Bonn jener Anfangsjahre der Bundesrepublik, spürt den verdrängten Verbindungen zur düsteren Vergangenheit nach - sein unterirdischer Entstehungsort verkörperte diese chamäleonhafte Geschichte. Koeppen hatte in einem Keller die letzten Kriegsmonate überlebt. Wenige Jahre später wurde für ihn ein Bunker zum Treibhaus, in dem Ordnung, Disziplin und ein Roman gediehen - leider nur für dieses eine Mal. (Oliver Kobold: "Keine schlechte Klausur". Wolfgang Koeppens "Treibhaus" und das Stuttgarter Bunkerhotel. Spuren Heft 82, Deutsches Literaturarchiv, Marbach 2008. 16 S., br., 4,50 [Euro].) acam

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