Deutschland geht es schlecht: die Arbeitslosigkeit steigt, die Wirtschaft stagniert, die Staatskassen sind leer. Schuld daran sind stets die anderen: Politiker, Manager, Gewerkschaften, Konzerne, Banken - Nur wir nicht. Wir warten. Denn um zu verändern, müssten wir etwas aufgeben: Denkgewohnheiten, Sicherheit, Besitz und Ansprüche. Provokant prangert Notker Wolf die deutschen Besitzstandswahrer an und zeigt, wie wir durch mehr Freiheit eine zukunftsorientierte Gesellschaft werden können.
Neue Impulse zu Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland: Unkonventionell, persönlich, engagiert!
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Darüber, wie der oberste Benediktiner Notker Wolf die deutsche Kulturrevolution von '68 sieht, hätte Albert Schäffer gern mehr gelesen, als in diesem Buch. Gründe dafür hat er: Ihm gefallen der unsystematische Ansatz, mit dem das "Spannungsverhältnis" zwischen Spiritualität und Realität ausgelotet wird, die "stilistische Leichtfüßigkeit" und die Provokation der zentralen These. Deren Inhalt, wonach '68 zwar entscheidend war, aber in einem negativen Sinn: als Moment, als die "Vernunft verstoßen, an ihre Stelle die Natur auf die Altäre gesetzt und die Freiheit individualisiert" wurde, scheint bei ihm nicht auf taube Ohren zu stoßen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Zur deutschen Kulturrevolution
Der Abtprimas der Benediktiner ist ein mutiger Mann. Freimütig schildert Notker Wolf die Entstehungsgeschichte seines Buches "Worauf warten wir? Ketzerische Gedanken zu Deutschland". Der Wunsch, des Verlages, ihn als Autor zu gewinnen, habe in einem gewissen Widerspruch zu seinem Zeitreservoir als höchster Repräsentant der Benediktiner gestanden. Diese Not linderte der Verlag durch einen schreiberischen Assistenten, zuweilen unschön Ghostwriter genannt. Frucht dieser Zusammenarbeit ist ein Buch, das nicht den Anspruch erhebt, das Spannungsverhältnis zwischen benediktinischer Spiritualität und bundesrepublikanischer Wirklichkeit systematisch zu erkunden. Die Konversation, die Wolf und sein Assistent einige Wochen lang miteinander führten, spiegelt sich in einer stilistischen Leichtfüßigkeit wider, die nicht ohne Reiz ist. Immer wieder regt sich während der Lektüre allerdings der ketzerische Wunsch, die Benediktiner könnten ihrem Abtprimas doch noch die Muße gewähren, einige seiner Gedankenskizzen zu einem größeren Gemälde auszuarbeiten. Wolf, der in verhältnismäßig jungen Jahren Professor für Naturphilosophie und Wissenschaftstheorie an der internationalen Benediktiner-Hochschule Sant'Anselmo war, sieht das Jahr 1968 als Symbol für eine deutsche Kulturrevolution, die einem grundsätzlichen Mißverständnis aufgesessen sei: der Verwechslung von Befreiung mit Freiheit. "Bloß frei sein von allem, was uns untereinander und mit der Vergangenheit verbindet, ist eben eine negative Vision", sagt Wolf. In seiner Sicht ist in Deutschland das Freiheitsversprechen für eine Kombination aus moralischem Obrigkeitsstaat und persönlicher Selbstverwirklichung eingetauscht worden.
Seine zentrale These ist provokativ: "Für mich stellt die deutsche Kulturrevolution deshalb keinen weniger gravierenden Bruch mit der abendländischen Tradition dar als die Französische Revolution." 1789 sei Gott durch die Vernunft abgelöst worden; immerhin habe es danach noch weiterhin einen allgemeinverbindlichen Mythos gegeben, eingeschlossen in die großen Begriffe der Freiheit, der Nation, der Vernunft. 1968 sei dann noch die Vernunft verstoßen, an ihrer Stelle die Natur auf die Altäre gesetzt und die Freiheit individualisiert worden. Wolfs Fazit, zu dem man gerne noch mehr lesen würde: "Seither leben wir in einer Welt ohne Gott, ohne Jenseits, ohne Väter und ohne eine vernünftige Vorstellung von dem, was Freiheit ist."
ALBERT SCHÄFFER.
Notker Wolf/Leo G. Linder: Worauf warten wir? Ketzerische Gedanken zu Deutschland. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2006. 218 S., 12,- [Euro].
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