This book explores a facet of British propaganda during the Second World War that has previously hardly been addressed or considered: the apparent anomaly that much of Britain's wartime propaganda was prepared and delivered by foreigners, not least those officially designated as 'enemy aliens'. German-speaking refugees were involved in every aspect of British propaganda: for the Ministry of Information; the BBC and for the intelligence organisations such as Electra House, the Special Operations Executive and the Political Warfare Executive. They played a significant role in propaganda designed for the Home Front, for neutral and Allied countries, and in propaganda directed at the enemy, and were engaged in both 'white' and 'black' (i.e. covert) materials. The book considers the preparedness of the British authorities to avail themselves of the talents of the 'enemy aliens' and the eagerness of many of the refugees to contribute to the British war effort. They brought with them knowledge of every aspect of their home countries as well as their obvious linguistic skills, all of which could be usefully exploited for propaganda purposes. Refugee artists, writers, journalists, broadcasters, actors and academics were all drawn into different aspects of the British propaganda mill. The relationship between the British authorities and the refugees proved a mutually beneficial one. Inevitably, however, problems arose, ranging from internment, through deportation to espionage. All in all, it examines and evaluates an intriguing aspect of British wartime propaganda, the hitherto largely unacknowledged contribution made by German-speaking refugees to the British war effort.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2021Von feindlichen Ausländern zu Helfern
Ein Band erinnert an deutschsprachige Emigranten im Dienst der englischen Propaganda im Zweiten Weltkrieg
Durch gezielte Dauerpropaganda versuchten sich die totalitären Systeme des zwanzigsten Jahrhunderts zu stabilisieren. Es blieb jedoch dem NS-Regime vorbehalten, dafür ein eigenes Ministerium zu schaffen. Dem hatten die Demokratien nach 1933 zunächst nichts entgegenzusetzen. Das änderte sich erst, als die britische Regierung am 4. September 1939, also unmittelbar nach ihrer Kriegserklärung an das Deutsche Reich, ein "Ministry of Information" (MoI) gründete, den Begriff "Propaganda" wohlweislich meidend. Dass dabei jedoch Goebbels' Amt Pate stand nebst Vorlagen von Lord Beaverbrook aus dem letzten Jahr des Ersten Weltkriegs und während der Sudentenkrise 1938, steht inzwischen außer Frage.
Das zunächst - bis Juli 1941 - von weitgehend inkompetenten Chefs geleitete Ministerium war auch für die BBC zuständig. Eine rasch an Bedeutung gewinnende Nebenorganisation, die "Political Warfare Executive" (PWE oder: Ausschuss für politische Kriegsführung) wurde zunehmend eigenverantwortlich für die gegen Deutschland und seine Verbündeten gerichtete Propaganda zuständig. Den kaum bekannten, aber immensen Beitrag deutschsprachiger Exilanten zu dieser Propaganda, sei es als Texter, Sprecher, Karikaturisten, Plakatentwerfer oder Komponisten, untersuchen Charmian Brinson und Richard Dove, ihres Zeichens führende Vertreter in der britischen Exilforschung, in ihrem Buch. Es belegt eindrucksvoll, wie vom NS-Regime Verfolgte ihre Verfolger von britischem Boden aus mit Mitteln der Propaganda heimsuchten.
Anhand bislang unerschlossener Quellen zeigen Brinson und Dove, wie aus sogenannten "enemy aliens", deutschen und österreichischen Emigranten, die sich nach Ausbruch des Krieges zunächst als "feindliche Ausländer" in britischen Internierungslagern wiederfanden, manchmal geschätzte Mitarbeiter in britischen Propagandadiensten wurden, vereinzelt sogar in führender Stellung. Es ist ein großes Verdienst dieser Studie, sich dabei weniger mit den bekannten Namen der deutschsprachigen Emigrantenszene und ihrer zum Teil erheblichen publizistischen Wirkung zu beschäftigen - etwa mit Hilde Spiel, ihrem ersten Ehemann Peter de Mendelssohn, Sebastian Haffner, Alfred Kerr oder Thomas Mann mit seinen über die BBC ausgestrahlten resonanzreichen Sendungen "Deutsche Hörer" -, sondern Persönlichkeiten in Erinnerung zu rufen, die heute nahezu vergessen sind. Zu ihnen gehören zum Beispiel frühere Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung wie Hans Lothar und Hans Uhlig, deren deutschsprachiges Emigrantenblatt Die Zeitung von der Konzeption bis hin zum Layout die Frankfurter Zeitung zum Vorbild hatte. Zu erinnern ist an Hans Schleger, der bis 1932 im Berliner Büro der britischen Werbeagentur W. S. Crawford gearbeitet hatte und der sich in der Emigration wesentlich damit beschäftigte, welche Art von Bildsignalen in deutschen oder britischen Kontexten wirkte: Worauf und wie lässt sich wirkungsvoll in propagandistischen Darstellungen anspielen? Und erinnert wird auch an die Schriftstellerin Irmgard Litten ("A Mother Fights Hitler", 1940) und den Komponisten Ernst Hermann Meyer, der die Musik zu rund zwanzig kurzen propagandistischen Dokumentarfilmen schrieb.
Zu den politisch einflussreichsten deutschsprachigen Emigranten gehörte Harry Peter Smolka, der den Englisch-Sowjetischen Verbindungsausschuss leitete und eng mit Stalins Botschafter in London, Ivan Maisky, zusammenarbeitete. Eingegangen wird auch auf den Schauspieler Martin Miller mit seinen Hitler-Persiflagen und die Schauspielerin und Sängerin Lucie Mannheim, die nach 1945 vor allem in der Britischen Besatzungszone auftrat, ohne jedoch an ihre Popularität in den Jahren vor 1933 anknüpfen zu können.
Der Gefahr, der Studien dieser Art oft unterliegen, nämlich zu einem aufzählenden "Who's Who" in der Emigrantenszene zu werden, begegnen Brinson und Dove dadurch, dass sie ihre übergeordneten Fragen nie aus den Augen verlieren: Wie funktionierte die britische Propaganda? Was war den deutschsprachigen Emigranten in diesem Rahmen umzusetzen möglich? Welchen Zwängen waren sie ausgesetzt? Welche Rolle spielten sie zudem in den Umerziehungsprogrammen für die deutschen Kriegsgefangenen?
Bislang nahezu unbekanntes Terrain betreten die Autoren mit ihrer Untersuchung der ",black' propaganda", womit im Unterschied zu den offiziellen Sendungen der BBC jene "dunklen" Kanäle gemeint sind, die den Anschein erweckten, es handele sich bei ihnen um deutsche subversive Sender. Sie sollten unter Zivilisten und Soldaten der Wehrmacht Verwirrung stiften. Gerade in diesem Bereich spielten, wie hier erstmals gezeigt, deutschsprachige Emigranten eine wesentliche Rolle.
Brinsons und Doves Buch wird man künftig neben Jean S. Medawars und David Pykes Pionierleistung "Hitlers Geschenk - Die wahre Geschichte der vom Naziregime vertriebenen Wissenschaftler" lesen müssen. Sie haben damit einen weiteren Baustein geliefert für das, was überfällig ist: eine umfassende Geschichte der deutschsprachigen Emigration in Britannien.
RÜDIGER GÖRNER.
Charmian Brinson and Richard Dove: "Working for the War Effort".
German-Speaking Refugees in British Propaganda during the Second World War. Vallentine Mitchell, London/Chicago 2021.
201 S., geb., 53,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Band erinnert an deutschsprachige Emigranten im Dienst der englischen Propaganda im Zweiten Weltkrieg
Durch gezielte Dauerpropaganda versuchten sich die totalitären Systeme des zwanzigsten Jahrhunderts zu stabilisieren. Es blieb jedoch dem NS-Regime vorbehalten, dafür ein eigenes Ministerium zu schaffen. Dem hatten die Demokratien nach 1933 zunächst nichts entgegenzusetzen. Das änderte sich erst, als die britische Regierung am 4. September 1939, also unmittelbar nach ihrer Kriegserklärung an das Deutsche Reich, ein "Ministry of Information" (MoI) gründete, den Begriff "Propaganda" wohlweislich meidend. Dass dabei jedoch Goebbels' Amt Pate stand nebst Vorlagen von Lord Beaverbrook aus dem letzten Jahr des Ersten Weltkriegs und während der Sudentenkrise 1938, steht inzwischen außer Frage.
Das zunächst - bis Juli 1941 - von weitgehend inkompetenten Chefs geleitete Ministerium war auch für die BBC zuständig. Eine rasch an Bedeutung gewinnende Nebenorganisation, die "Political Warfare Executive" (PWE oder: Ausschuss für politische Kriegsführung) wurde zunehmend eigenverantwortlich für die gegen Deutschland und seine Verbündeten gerichtete Propaganda zuständig. Den kaum bekannten, aber immensen Beitrag deutschsprachiger Exilanten zu dieser Propaganda, sei es als Texter, Sprecher, Karikaturisten, Plakatentwerfer oder Komponisten, untersuchen Charmian Brinson und Richard Dove, ihres Zeichens führende Vertreter in der britischen Exilforschung, in ihrem Buch. Es belegt eindrucksvoll, wie vom NS-Regime Verfolgte ihre Verfolger von britischem Boden aus mit Mitteln der Propaganda heimsuchten.
Anhand bislang unerschlossener Quellen zeigen Brinson und Dove, wie aus sogenannten "enemy aliens", deutschen und österreichischen Emigranten, die sich nach Ausbruch des Krieges zunächst als "feindliche Ausländer" in britischen Internierungslagern wiederfanden, manchmal geschätzte Mitarbeiter in britischen Propagandadiensten wurden, vereinzelt sogar in führender Stellung. Es ist ein großes Verdienst dieser Studie, sich dabei weniger mit den bekannten Namen der deutschsprachigen Emigrantenszene und ihrer zum Teil erheblichen publizistischen Wirkung zu beschäftigen - etwa mit Hilde Spiel, ihrem ersten Ehemann Peter de Mendelssohn, Sebastian Haffner, Alfred Kerr oder Thomas Mann mit seinen über die BBC ausgestrahlten resonanzreichen Sendungen "Deutsche Hörer" -, sondern Persönlichkeiten in Erinnerung zu rufen, die heute nahezu vergessen sind. Zu ihnen gehören zum Beispiel frühere Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung wie Hans Lothar und Hans Uhlig, deren deutschsprachiges Emigrantenblatt Die Zeitung von der Konzeption bis hin zum Layout die Frankfurter Zeitung zum Vorbild hatte. Zu erinnern ist an Hans Schleger, der bis 1932 im Berliner Büro der britischen Werbeagentur W. S. Crawford gearbeitet hatte und der sich in der Emigration wesentlich damit beschäftigte, welche Art von Bildsignalen in deutschen oder britischen Kontexten wirkte: Worauf und wie lässt sich wirkungsvoll in propagandistischen Darstellungen anspielen? Und erinnert wird auch an die Schriftstellerin Irmgard Litten ("A Mother Fights Hitler", 1940) und den Komponisten Ernst Hermann Meyer, der die Musik zu rund zwanzig kurzen propagandistischen Dokumentarfilmen schrieb.
Zu den politisch einflussreichsten deutschsprachigen Emigranten gehörte Harry Peter Smolka, der den Englisch-Sowjetischen Verbindungsausschuss leitete und eng mit Stalins Botschafter in London, Ivan Maisky, zusammenarbeitete. Eingegangen wird auch auf den Schauspieler Martin Miller mit seinen Hitler-Persiflagen und die Schauspielerin und Sängerin Lucie Mannheim, die nach 1945 vor allem in der Britischen Besatzungszone auftrat, ohne jedoch an ihre Popularität in den Jahren vor 1933 anknüpfen zu können.
Der Gefahr, der Studien dieser Art oft unterliegen, nämlich zu einem aufzählenden "Who's Who" in der Emigrantenszene zu werden, begegnen Brinson und Dove dadurch, dass sie ihre übergeordneten Fragen nie aus den Augen verlieren: Wie funktionierte die britische Propaganda? Was war den deutschsprachigen Emigranten in diesem Rahmen umzusetzen möglich? Welchen Zwängen waren sie ausgesetzt? Welche Rolle spielten sie zudem in den Umerziehungsprogrammen für die deutschen Kriegsgefangenen?
Bislang nahezu unbekanntes Terrain betreten die Autoren mit ihrer Untersuchung der ",black' propaganda", womit im Unterschied zu den offiziellen Sendungen der BBC jene "dunklen" Kanäle gemeint sind, die den Anschein erweckten, es handele sich bei ihnen um deutsche subversive Sender. Sie sollten unter Zivilisten und Soldaten der Wehrmacht Verwirrung stiften. Gerade in diesem Bereich spielten, wie hier erstmals gezeigt, deutschsprachige Emigranten eine wesentliche Rolle.
Brinsons und Doves Buch wird man künftig neben Jean S. Medawars und David Pykes Pionierleistung "Hitlers Geschenk - Die wahre Geschichte der vom Naziregime vertriebenen Wissenschaftler" lesen müssen. Sie haben damit einen weiteren Baustein geliefert für das, was überfällig ist: eine umfassende Geschichte der deutschsprachigen Emigration in Britannien.
RÜDIGER GÖRNER.
Charmian Brinson and Richard Dove: "Working for the War Effort".
German-Speaking Refugees in British Propaganda during the Second World War. Vallentine Mitchell, London/Chicago 2021.
201 S., geb., 53,- [Euro].
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